COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur / Nachspiel vom 6.3.2011 ( Erstsendung 25.04.2010) Greise Biker - Motorsport mit Nachwuchssorgen Autorin: Anja Schrum Geräusch-take 1 Sprecherin: 10 Biker folgen Devid Espenschied auf dem Übungsplatz. Ihre Maschinen blitzen blau, grün, rot, orange und silbrig in der Morgensonne. Geräusch-take 1 Hupen Sprecherin: Trainer Devid hupt kurz, läßt den rechten Arm kreisen. Die Teilnehmer des Motorradsicherheitstrainings machen es nach. Jedes weitere Hupen kündigt eine neue Übung an: Im Stehen fahren. Auf der Sitzbank kniend oder freihändig. Geräusch-take 1 Hupen Sprecherin: Am Rand der Übungsfläche steht Uwe Strobel. Er hat die blaue Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. Eine Fleecejacke schützt vor der morgendlichen Kälte. Strobel, ebenfalls Fahrtrainer, beobachtet die Gruppe: Take 1 (Strobel) Dat sind so richtig, so richtig, echte Motorradfahrer, nicht. Naja, die wirklich mit Herzblut dabei sind, das sieht man an der Fahrweise, wie sie jetzt hier mitmachen, wie sie draufsitzen auf dem Motorrad, also schon och fahraktive Leute. Sprecherin: Seit acht Jahren leitet Uwe Strobel das Motorradtraining hier, auf dem Übungsplatz des ADAC-Fahrsicherheitszentrums im brandenburgischen Linthe. Betreut Gruppen wie die heutige: Take 2 (Strobel) Ist typisch. Wir kennen ja dat genaue Alter nicht, aber schon, ich denke Mal, der Großteil über 40 und einzelne dann eben, der Micha da zum Beispiel, Student, der ist ja der jüngste hier, 25 denke ich, so in der Drehe. Nee, ist typisch. Sprecherin: Unter immer mehr Helmen glänzt es grau. Das Durchschnittsalter der bundesdeutschen Motorradfahrer liegt derzeit bei 44 Jahren. Tendenz steigend. 2015 - so eine Prognose - werden die Biker im Schnitt 50 Jahre alt sein. Gemeinsam, so scheint es, fährt man Richtung Rente. Uwe Strobel - im Hauptberuf Fahrlehrer - nimmt es ironisch: Take 3 (Strobel) Naja, es kann schon gut sein, dass man sich mal überlegen muss, da einen Lift anzubauen an so ein Motorrad, dass man da noch raufkommt. Ja, so wies im Moment aussieht wird's so. Es kommen immer noch Motorradfahrer nach, aber nicht mehr dieser Automatismus wies früher war. Sprecherin: Waren 1984 noch über 100.000 Motorräder auf 18- bis 21 jährige zugelassen, sind es 20 Jahre später nicht mal mehr 25.000. Geräusch- take 2 Sprecherin: Kurzer Stopp nach den Aufwärm-Übungen. Trainer Devid will wissen, ob es Schwiergkeiten gab: Take 4 (Devid/Teilnehmer) Devid: Was war denn nicht machbar? Teilnehmer: Nicht machbar war dat eene Bein hier so rüber... Beede Beine auf der Sitzbank geht och nicht, ich hab ein kaputtes Knie. Sprecherin: Dietmar deutet auf sein linkes Knie. Er ist Mitte 50, trägt eine blau-schwarze Lederkombi und hockt auf einer 180-PS-starken Maschine. Heute ist für ihn und seinen blauen "Düsenjäger" der lang ersehnte Saisonstart. Take 5 (Dietmar) Ich hab mich die ganze Pause gefreut und heute ist eben der Tag wieder. Sprecherin: Motorrad - für Dietmar bedeutet das vor allem Fahren und Freiheit. Die Lizenz dafür hat er vor 36 Jahren erworben. Micha dagegen, der jüngste in der Runde, hat erst vor drei Jahren den Auto- und Motorradführerschein gemacht. Take 6 (Micha) Motorradfahren ist gefühlsecht, Autofahren nicht. Und für alle, dies halt gefühlsecht mögen, ist Motorradfahren da. So. Das ist Faszination Motorradfahren für mich, defintiv. Sprecherin: Eine Faszination, die er mit seinen Eltern teilt. Gemeinsam mit Vater Klaus-Peter und Mutter Anette, beide in den 40ern, ist er zum Sicherheitstraining gekommen. Für den Senior bedeutet Motorradfahren vor allem eins: Freiheit, wie er unter seinem Helm sagt. Take 7 (Klaus-Peter) Ich bin damit groß geworden. Man konnte hinfahren, wo man wollte, Autos gabs nicht. Das war eigentlich dat gewesen. Und jetzt ist es einfach Fun, Spaß... Take 8 (Anette) Als meine Männer auf die Idee kamen: Mach mal Fahrschule hab ich es deshalb gemacht, weil ich würd mich nie hintendrauf setzen, weil ich zu wenig Vertrauen hab. Dat würd ich nicht machen. Ja - und nach der ersten Fahrt auf dem Übungsplatz - das kann man nicht beschreiben. Vielleicht, dass man so ein Riesenteil beherrschen kann, trotzdem man nicht 80 Kilo mehr wiegt, keine Ahnung, was es war. Take 9 (Uwe) Benzin im Blut! Bei mir sowieso. Ich bin absoluter Motorsportfreak. Musik-Einblendung Sprecherin: Uwe, graue Haare, schwarze Lederkombi, fährt einen grünen Straßenklassiker mit bequemer Sitzbank. Er besitzt seit 30 Jahren den Motorrad-Führerschein. Take 10 (Uwe) Ick fahr eigentlich schon so lange wie ichs mit zwei Räder kenne. Meine großen Brüder sind früher schon Mopped gefahren und ick bin da immer mitgefahren. Und wie gesagt, so lange ich das aleine machen kann, mach ich das immer schon so. Sprecherin: Heute fährt er gut 5.000 Kilometer pro Jahr. Warum? "Adrenalin, Spaß, Schräglage, Freiheit", zählt er auf. Zum Training ist Uwe mit seiner Clique vorgefahren. Dass die "Easy Rider" in die Jahre kommen, ist der motorsportbegeisterten Truppe allerdings noch nicht aufgefallen: Take 11 (Frank) Ich merks eigentlich nicht so. Weeß ick nicht, nagut, ich bin 35. Andere um die 20 sieht man eigentlich och nicht so. Also, worans liegt, das kann ich mir och nicht erklären. Take 12 (Manu) Aber wenn man mal drüber nachdenkt, könnte was dran sein. Die Leute werden so mit alt... Sprecherin: Manuelas Eindruck bestätigen auch Untersuchungen. Den Motorradboom der vergangenen Jahrzehnte haben im Wesentlichen die Geburtsjahrjänge 1960 bis 1970 getragen. Diese "Generation Motorrad" wird immer älter. Gleichzeitig fehlt es an motorsportbegeistertem Nachwuchs: Take 13 (Manu) Ich denke nicht, dass es am mangelnden Interesse, sondern an der finanziellen Ausstattung liegt. Also Motorradfahren ist für mich ein Stück Luxus, Anschaffungskosten, Unterhaltung, ja, auch. Wenn man sieht Spritkosten. Und wir fahren ja nicht wirklich, weil wir irgendwohin müssen, sondern aus Spaß die Straßen lang. Geräusch-take 3 Sprecherin: Manuela bewegt die kalten Finger, dann startet sie ihre 600-Kubik-Maschine. Trainer Devid hat ein paar orangene Plastikhütchen aufgestellt. Sie symbolisieren ein Hindernis, dem es auszuweichen gilt. Etwa eine plötzlich aufschlagende Autotür. Vom Rand des asphaltierten Übungsplatzes beobachtet Uwe Strobel die Teilnehmer bei ihren Ausweichübungen. Der mangelnde Biker-Nachwuchs ist natürlich auch Thema unter der Fahrlehrerschaft. Rund 2,3 Millionen 18 bis 24jährige haben heute einen PKW- Führerschein, nur etwa ein Füntel besitzt eine Fahrerlaubnis fürs Motorrad. Take 14 (Strobel) Ich glaube einfach, dass es daran liegt, dass die Jugendlichen sehr viele Interessen haben und dass es einfach nicht mehr den Drang nach der Mobilität gibt, weil ja der Nahverkehr gut funktioniert, die Infrastruktur in den meisten Fällen gut funktioniert. Also, bei mir wars zunächst mal eine Notwendigkeit und es haben dann auch alle gemacht. Also, ich kann mich gar nicht erinnern, als ich 15 war, dass es in meiner Schulklasse Leute gab, die nicht Motorrad gefahren sind, das waren dann höchsten irgendwelche Außenseiter oder so Sprecherin: Uwe Strobel ist in der DDR groß geworden. Auf Motorrädern der Marke MZ aus dem VEB Motorradwerke Zschopau. Das motorisierte Zweirad war damals das Fahrzeug des kleinen Mannes. Eines, auf das man nicht Jahre warten mußte. Im Laufe der Zeit wurde dann gewissermaßen aus der Vernunft-Ehe eine Liebesheirat. take 15 (Strobel) Ich hab das sicher nicht schön gefunden, an jeden Ort mit dem Motorrad fahren zu müssen bei Wind und Wetter. Aber ich habs halt gemußt und da auch ein Feeling und eine Verbundenheit zu meinen Motorrad hergestellt und das hat sich bei mir gehalten. Und heut in der Vorstellungsrunde war dat ja auch zu hören. Ich bin früher mal gefahren und so nach 10 Jahren hab ich gemerkt, wenn die Kinder aus dem gröbsten raus waren, ick brauch dat auch wieder. Da geht mir was ab, wenn ich dieses Motorrad nicht habe. Sprecherin: Heute dagegen haben viele mit 18 wie selbstverständlich ein Auto, beobachtet Fahrlehrer Strobel. Und selbst, wer sich fürs Motorrad entscheidet, hat es schwer, eine geeignete Maschine zu finden, kritisiert er: Take 16 (Strobel) Ich vermisse auf dem Markt ein breites Angebot an Einsteiger-Motorrädern. Weil die Physis ist bei einigen Fahrern, besonders bei Fahrerinnen nicht so, dass man ein 200 Kilo-Motorrad bewegen kann oder auch sollte, weil die Grundlagen sind, ja, realtiv dünn, man hat wenig Fahrpraxis und dann ist ein Motorrad mit - keine Ahnung ab 250 Kubik, bis 150 Kio, das wärs aus meiner Sicht, vielleicht auch mit einer niedrigen Sitzhöhe und um die 30 PS, leicht, super, bei mir dreht sich nur der Magen, wenn ich einem Fahranfänger auch noch sagen soll, jetzt haste da eben kein ABS, also das gehört aus meiner Sicht wirklich ran - an Einsteiger-Motorräder. Geräusch-take 4 Sprecherin: Mittagspause in der Cafeteria des Fahrsicherheitszentrums. Die Trainingsteilnehmer stärken sich bei Fischfilet, Salat und Apfelschorle. Von den 10 Kursteilnehmern sind drei jünger als 30. Die übrigen sind zwischen 32 und 54 Jahre alt. Take 17 (Anette) Viele Eltern wollen ihren Kindern kein Motorrad kaufen. Sagen: Motorrad-Führerschein könnt ihr machen, aber müßt ihr selbst finanzieren. Auto ja, aber Motorrad nicht. Eben falls gefährlicher ist, logischerweise als mit Auto unterwegs zu sein. Sprecherin: Anette blickt hinüber zu ihrem Sohn Micha. "Bei uns war das kein Thema, er verhält sich vernünftig", sagt sie. Doch im Bekanntenkreis sind viele Eltern weniger entspannt: Take 18 (Anette) Der hat ganz klar gesagt: Meine Kinder aufs Motorrad? Niemals! Er hat es ihnen direkt untersagt. Der hat den Söhnen Autoführerschein bezahlt, auch ein Auto mitfinanziert, aber Motorrad nein. Michaels Freundin, die Eltern sind ganz schlimm dagegen, absolut, die darf auch nicht da draufsteigen bei ihm. Da hat sie Verbot. Take 19 (Micha) Das Problem ist auch, früher war Motorrad fahren mal sehr viel günstiger als Autofahren und das ist heute nicht mehr so. Wenn ich sehe, dass ich für ein Motorrad plus Schutzkleidung, vernünftige, zehn Scheine lege, da kriege ich auch schon ein kleines Auto dafür und vor allem ein gebrauchtes Auto. Und ich denke, viele sehen dann auch nicht ein, den Sinn, dann Motorrad zu fahren. Das ist ein Hobby so. Und das können sich wahrscheinlich auf viele nicht mehr leisten. Sprecherin: Daniel, 29, sitzt daneben und nickt. Take 21 (Daniel) Der Führerschein kostet ja schon so viel mehr, dass das gar nicht mehr geht. Ist vollkommen klar. Sprecherin: Rund 1.500 Euro muss man heute für den Motorradführerschein berappen. Daniel hat PKW- und Motorrad-Führschein zusammen gemacht. Ist dann aber Jahre nicht gefahren. Weil er studiert hat und es sich nicht leisten konnte. Jetzt ist er fertig mit dem Studium, hat einen Job und eine neue Maschine. Take 22 Also ein Auto brauchen die meisten. Ein Auto steht an erster Stelle. Und wer kann sich zwischen 20 und 30 eine neue Maschine oder überhaupt eine Maschine kaufen. Ich meine, oftmals bemerkt man auch, dass die Unterhaltskosten nicht wenig sind. Man braucht schnell Reifen, die sind teuer. Wenn man se mal umfällt, wird's teuer. Benzin brauchste auch, Versicherung, Steuer, ich halte das als Luxus. Musik-Einblendung Sprecherin: Motorradfahren nicht mehr als Notwendigkeit, sondern als Luxus. Für eine Gruppe gutsituierter, aber immer älter werdender Motorsportbegeisterter. Eine solvente Käuferschaft, auf die sich längst auch die Industrie eingestellt hat: Take 23 (Anette) Wenn wir jetzt da die Klamotten anhaben, da steht man warm, da kühlt man nicht aus. Kann ich mir auch vorstellen, dass man früher mit 50, dass ich mich, wenn die Knie schon mal wehtun, mich nicht daraufsetze und völlig auskühle, dass ist auch jetzt nicht mehr. Wir haben eine Regenkombi, da kommt null durch. Man ist trockener als ein Fußgänger, der mit einem Schirm unterwegs ist, ja. Das ist wirklich so. Geräusch-take 5 Sprecherin: Dortmund, Anfang März. Bei Temperaturen knapp über Null sind die Zuschauer schwer in Fahrt zu bringen. Etwa zweihundert stehen um eine riesige Stahlgitterkugel am Eingang der Messehallen. Neben der Kugel hocken drei Männer in rot-weißen Shirts auf ihren Crossmotorrädern. Das Stunt-Team "Globe of Speed" ist bereit für den "Ritt in der Todeskugel". Die mißt gerade mal 5 Meter 50 im Durchmesser: Geräusch-take 5 24 Teile aus Bandstahl. 450 Schrauben, die wir jedes Mal wieder festmachen müssen... Sprecherin: Der Stuntfahrer rollt in die Gitterkugel ein. Hinter ihm schließt sich das Tor. Langsam gibt er Gas. Pendelt kurz vor und zurück, schwingt sich dann immer weiter die Stahlgitterwände hinauf... Geräusch-Take 6 Sprecherin: Der Fahrer bleibt nicht lang allein in der Kugel. Ein zweiter und schließlich ein dritter Fahrer knattern in dem engen Rund. Im Kreis und in Elipsen, hoch und runter. Überkopf. Ohne zu kollidieren... Geräusch-take 7 Sprecherin: Solche oder ähnliche Vorführungen sind heute auf jeder größeren Motorradmesse zu bestaunen. Sie sollen vor allem das junge Publikum begeistern für den Motorrad-Sport. Doch die Zuschauer, die hier applaudieren, sind in der Mehrzahl grauhaarig und deutlich jenseits der 40. Geräusch-take 8 Sprecherin: Drinnen, in den Messehallen, schlendern Biker und Bikerinnen vorbei an den Ständen aller großen Zweirad-Hersteller. Sitzen Probe auf 250 kg schweren Reisemotorrädern und bequemen Choppern. Oder schwingen sich auf PS-starke Straßensportmaschinen. Trikes und Quads, also drei- und vierrädrige Gefährte, locken Freiluft-Fans ohne Motorrad-Führerschein. Geräusch-take 8 Sprecherin: Auch die Zubehör-Industrie ist zahlreich vertreten. Mit Airbagjacken und beheizbaren Motorradhosen. Mit beleuchteten Lenkergriffen und individuell gestylten Sitzbänken. Mit Fransenjacken im Western-Stil und Lederkombis mit Kurvenschleifern. Mit Miet- Motorrädern in Kanada und GPS-Systemen. Mit Tourenplanern für die Alpen und Motorradanhängern. Mit "Biker-Hotels" und "Holyriders Bikerbibel". Geräusch-take 8 Sprecherin: Am Ende der vier Messetage werden mehr als 100.000 Motorrad-begeisterte die Frühjahrsmesse in Dortmund besucht haben. Ein kleiner Trost für eine Branche, die ansonsten wenig Positives zu vermelden hat. Insgesamt wurden 2009 17 Prozent weniger Motorräder verkauft als im Jahr zuvor. Und schon da waren die Zahlen überaus schlecht. Schuld ist nicht nur die Konjunktur. take 23 (Fassbender) Der Markt ist seit 1999 rückläufig, wir kommen von einer Stückzahl von roundabout 185.000 und sind im letzten Jahre um 100.000 weniger bei 85.000 gelandet. Nach Prognosen wird sich diese Zahl halten. Es hat auch viele Händler erwischt, es gibt viele, die zugemacht haben, weil es sich nicht mehr lohnt, weil die Erträge nicht mehr da waren, auch der Verdienst nicht mehr da war, weil bei sinkenden Stückzahlen kommt es nachher schlußendlich auf einen Verdrängungswettbewerb an. Sprecherin: Volker Fassbender, grauhaarig, modisches Ziegenbärtchen, steht am blau-weißen Messestand eines großen deutschen Herstellers. Er ist Vertragshändler in Krefeld, beschäftigt 14 Mitarbeiter. Verkauft Neumotorräder und Gespanne. Fassbender führt vorbei an Hubraum-starken Reise-Maschinen, um die sich vor allem die Generation 40 plus drängt. Und bleibt vor einem sogenannten Supersportler stehen. Eine 190 PS- starke Rennmaschine für den Straßenverkehr. Take 24 (Fassbender) Wir sind hier ganz weit vorne, natürlich wieder mit Race-ABS, dann haben wir eine sogenannte Schlupf-Kontrolle, das bedeutet, wenn ich das Gas aufziehe und es wäre der Untergrund nicht so haftend wie es eigentlich sein sollte, dann wird automatisch die Leistung runtergeregelt, dass das Hinterrad nicht durchdreht. Dann haben wir auch noch einen sog. Schaltassistenten, d.h. wir können das Fahrzeug unter Last, ohne Kupplung raufschalten. Im Spitzensport ist das schon lange im Einsatz, es spart wirklich ein paar hunderstel Sekunden pro Runde... Sprecherin: Ein paar Sekunden schneller. Auf der Rennstrecke oder bei der sonntäglichen Ausfahrt zur Motorradtreff. take 25 (Fassbender) Wir haben gestern noch eine verkauft, die ist an einen über 60jährigen gegangen. Weil die Leistung - eindeutige Aussage - werde ich nie nutzen können, aber das Motorrad gefällt mir als Gesamtbild... es gibt viel Carbon, man kann es sehr individuell ausstatten, Sonderlackierungen sind selbstverständlich, also ein richtiges Superbike. Sprecherin: 15.500 Euro kostet der schnelle Traum in der Basis-Version. Mit Race-ABS und Traktionskontrolle werden schnell 17.000 fällig. Ein Superbike fürs Super- Portemonnaie. Allerdings nichts, womit sich der Nachwuchs zahlreich aufs motorisierte Zweirad locken ließe. Take 26 (Fassbender) Das ist in der Tat ein mittelschweres Problem: Unser Nachwuchs. Ich sehs an meinen beiden Kindern, unser Sohnemann fährt Motorrad, auch aktiv, wobei unsere Tochter auch Motorrad fährt, aber sie hat kein eigenes. Es hat damit zu tun, dass die Jugend sich anders orientiert, am Freizeitverhalten. Siehe Computer, der wird aufgerüstet, aufgepumpt bis zum geht-nicht-mehr. Das geht erstens zu lasten von anderen Freizeitaktivitäten, wie z.B. Motorrad. Sprecherin: Die virtuelle Welt ersetzt das reale Erleben - fürchtet Volker Fassbender. Mausklick statt Lenkimpuls. Oder wie es der Industrie-Verband Motorrad formuliert: "Die "Generation Google" ist erlebnishungrig, aber ortsfest." Wie sich der Nachwuchs wieder auf die Sitzbank bringen ließe, darüber hat sich natürlich auch Vertragshändler Fassbender Gedanken gemacht. Schon von berufswegen. Take 27 (Fassbender) Ich habe eine Vision, hätte ich fast gesagt, es müßte noch einmal ein Film gedreht werden, der Nachfolger ist - meinetwegen Easy Rider 2, das hat mich seinerzeit dermaßen - ja, angemacht, Mopped, Kreidler, rauf auf die Straße, unabhängig, frei, dass dieses Gefühl vielleicht mal wieder in die Jugend implantiert wird, weil es bleibt eines der schönsten Hobbys, die ich mir vorstellen kann. Und eins ist sicher, ich wird noch fahren, wenn ich ganz weiß bin. (lacht...) Musik-Einblendung Steppenwolf, Born to be wild, kurz stehen lassen... Sprecherin: "Easy Rider", der Kultfilm aus dem Jahr 1969 brachte eine ganze Generation aufs Motorrad. "Born to be wild" wurde zum Lebensgefühl. Und rettete damals Harley Davidson indirekt vor dem Bankrott. Heute steckt die Traditionsmarke wieder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im vergangenen Jahr schloss Harley seine Motorrad- Tochter Buell. Um sich selbst zu retten. In Zeiten, in denen Juristen, Professoren, Ärzte und Unternehmer Motorrad fahren und selbst der Bundestag über eine Motorrad-Sportgruppe verfügt, ist es mit dem Rebellen- Image vorbei. Das einstige Gefährt des Anti-Establishments ist zum Statussymbol geworden. Geräusch-take 9 Geräusch. Hallo und herzlich Willkommen bei bei Vivalamopped, dem Videoportal für alle Motorradfahrer und die, die es werden wollen. Geräusch. Sprecherin: Auf Vivalamopped.com halten junge Prominente aus Musik, Fernsehen und Sport per Handy-Cam fest, wie sie ihrem - Zitat "2-Rad-Lappen entgegencruisen". Durch das betont jugendlich gehaltene Blog führt ein Ex-MTV-Moderator. Geräusch-take 10 In diesem Jahr starten wir die Licence Challenge 2010, die dich und ein Motorrad zum Star machen. Du möchtest auf einem nagelneuem Motorrad den Führerschein abreiten und bis zu 1.000 Euro Unterstützung für deinen Motorradführerschein abgreifen? Dann bist du hier genau richtig. Sprecherin: Vivalamopped.com ist ein Videoportal im Auftrag des Industrie-Verbandes Motorrad, kurz: IVM. Take 28 (Brendicke) Zum Beispiel arbeiten wir mit Musikern zusammen, die eben mit uns, der Industrie, den Motorrad-Führerschein machen. Musiker, die bekannt sind und einfach Spaß am Thema haben, darauf setzen wir, denn wenn man nicht authentisch ist, dann wird man - gerade auch von jungen Menschen - ganz, ganz schnell entlarvt, das wollen wir nicht. Diejenigen, die Spaß am Thema mitbringen, das sind die, mit denen wir zusammenarbeiten und das sind die auch sehr glaubhaft den eigenen Weg zum Führerschein schildern und eben den Jungen auch zeigen: Das macht Spaß. Sprecherin: Erläutert Reiner Brendike, Hauptgeschäftsführer des IVM, die Strategie. Weg vom Computer, rauf auf die Sitzbank - das ist das Ziel aller Aktivitäten: Take 29 (Brendicke) Auf der Gamescome zum Beispiel, auf der Spielemesse, wo wir an ganz neue Zielgruppen herangegangen sind, wir bieten die Möglichkeit auch ohne Führerschein motorisierte Zweiräder zu fahren. Denn, wenn ich ein Online-Spiel spiele, dann habe ich das Gefühl, klar, ich fahr jetzt Motorrad, aber auf dem Bildschirm. Wenn man diese Kids mal nach draußen nimmt und sagt: Hier fahrt ihr richtig... Sprecherin: Schnupperkurse für Motorrad-Interessierte ohne Führerschein. Finanzielle Zuschüsse für Fahranfänger beim Kauf von Neumaschinen. Die Industrie läßt nichts unversucht, um die Jugend zu ködern. Seit Jahren schon macht sich der Verband auch für eine Liberalisierung des Führscheinrechts stark. Das Einstiegsalter für die kleinen 50- Kubikmaschinen solle herabgesetzt werden, lautet zum Beispiel eine Forderung. Von 16 auf 15 Jahre. Die Geschwindigkeit dagegen hinauf: Von 25 auf 45 kmh. Auch den begleiteten PKW-Führerschein mit 17 würde man am liebsten erweitert sehen.... take 30 (Brendicke) Wenn man das begleitete Fahren mit 17 macht, sollte man während dieser Ausbildung auch schon mit der Zweirad-Ausbildung beginnen können, mit der Motorrad-Ausbildung, das ist ein klares Signal. Denn warum sollte man dann mit 18 wieder in die Fahrschule, wieder bei null anfangen, wieder alle Gebühren noch einmal bezahlen? Sprecherin: Chef-Lobbyist Brendicke weiß: Die Industrie steht vor erheblichen Herausforderungen. Einerseits gilt es, die gestiegenen Ansprüche der in die Jahre gekommenen Biker zu befriedigen. Anderseits muss man - um langfristig zu überleben - eine neue Käufer- Generation erschließen. Dass 2015 das durchschnittliche Biker-Alter bei 50 Jahren liegen wird, mag Optimist Brendicke nicht glauben. Take 31 (Brendicke) Es hängt auch davon ab, wieviele junge Menschen nachkommen und insofern wehre ich mich ein bißchen gegen eine solche Prognose, die nur Trends der Vergangenheit festschreibt, dann würde das voraussetzen, dass wir nicht an unsere eigenen Aktivitäten glauben und gehen sie davon aus, wir glauben nicht nur an unsere Aktivitäten, sondern wir setzen sie überzeugt um... Musik-Einblendung Geräusch-take 7 Länge: Messe-Atmo Take 32 (Nitschke) In der Tat halte ich von diesem Aktionismus, der in den letzten Jahren an den Tag gelegt worden ist, dass man also jedes Rockfestival besucht und überall Stunt-Shows macht und diese Geschichten - ich gehöre zu denjenigen, die die Meinung vertreten, dass das nicht unbedingt der Jugend die Faszination Motorrad nahe bringt. Sprecherin: Reiner Nitschke, Gründer und Herausgeber der Zeitschriften "Tourenfahrer" und "Motorradfahrer" betrachtet die Aktionen der Industrie mit Skepsis. Take 33 (Nitschke) Von diesen ganzen Events, die dort - teilweise für viel Geld - gemacht werden, halte ich eigentlich nur eine Geschichte für tragfähig und sinnvoll und das ist, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, eine breite Palette von Motorrädern kostenlos zu testen. Sprich: Probefahraktion bis hin zu Testfahrten ohne Führerschein, das gibt es ja vereinzelt alles schon. Das müßte man forcieren. Sprecherin: Doch die Branche spart derzeit brachial an Kosten. Werbeetats werden zusammengestrichen, Aktivitäten gestoppt: Take 34 (Nitschke) Und dann fragt man sich, wie will man überhaupt noch jemanden hinter dem Ofen hervorholen, wenn man in einer Angststarre verharrt. In diesem Zustand war die Branche zumindest im letzten Jahr und ob das in diesem Jahr besser wird, muss man abwarten... Sprecherin: Der Motorradexperte spricht von einem sozio-kulturellen Phänomen, von einer jungen Generation ohne Fluchtinstinkt, ohne Risiko-und Abenteuerlust. Einstellungen, die ein Industrieverband nicht ändern wird. take 35 (Nitschke) Aber auf der anderen Seite fehlen auch die Produkte, sprich: die Motorräder, die Jugendliche ansprechen. Und das werden in Zukunft sicher auch Fahrzeuge sein müssen, die unter ökologischen Gesichtspunkten den Test bestehen Sprecherin: Zum Beispiel Elektrobikes. Der Abschied vom Verbrennungsmotor wird nicht nur die Auto- sondern auch die Motorrad-Branche früher oder später treffen. Davon ist Reiner Nitschke überzeugt. Take 36 (Nitschke) Und wenn ich dann sehe, dass dann eben hier wieder Modelle angekündigt werden, Sechszylinder, was weiß ich alles. Die Leserreaktion darauf war vernichtend. Es war zu 100 Prozent, ganz klar, mein Gott, wer braucht denn sowas in dieser Zeit? Haben die nichts gelernt? Und das ist eben leider ein Problem, dass der Lernprozeß auf Seiten der Industrie ein langsamer ist. Geräusch-take 11 Länge: Kurvenfahren... Sprecherin: Einen ganzen Tag lang haben die 10 Biker auf dem Übungsplatz des ADAC- Fahrsicherheitszentrums in Linthe Ausweichmanöver und Vollbremsungen geübt. Haben ihre Maschinen in Slaloms und Kurven gedrückt und gelegt. Haben unter ihren Helmen gelacht, geschwitzt, geflucht. Geräusch-take 10 Länge: Kurvenfahren... Sprecherin: Keiner der Teilnehmer kann oder mag sich vorstellen, seine Maschine irgendwann abzuschaffen. Klaus-Peter, Anfang 40: Take 37 (Klaus-Peter) Mein Opa ist schon bis fünfzig gefahren und der hatte andere Motorräder. Ich glaube schon, mit den Motorrädern kann man fahren bis man alt ist. Sprecherin: Uwe, 49 Jahre, nickt. Die vergangene Saison hat er mit einem schweren Unfall beendet und ist doch wieder aufgestiegen. Take 38 (Uwe) Ich hatte den Unfall und hab gesacht, das geht nicht ohne. Muss, wees nicht warum. Man fährt vorsichtiger. Man wird reifer dadurch auch. Und ich sage mal, wenn man dann wieder anfängt, das ist noch besser wie vorher. Weil man besser fährt. Anders. Sprecherin: Und Dietmar, der Lenker der 180-PS-Maschine, hat schon eine Alternative in der Garage. Für später. Take 39 (Dietmar) Eine Jawa, eine 350er, Baujahr '59. Weil - die ist gemütlicher... Musik verwendete Musik: Johnny Winter: Rock&Roll Hoochie Coo von der CD "Rock Classics - The Heavyweights", LC 08065 (ca.30 Sekunden) Peter Green: In The Skies, ebenda (ca. 40 Sekunden) Steppenwolf: Born To Be Wild von der CD "Die erfolgreichsten Rock-Classics", LC 04324 1 1