COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport vom 08. April 2010 Ist das so was wie Aufarbeitung - 100 Tage "Medienarchiv 68" vom Axel- Springer-Verlag Autor: Wolf-Sören Treusch Red.: Claudia Perez MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) ab 0:13, 0'14 frei, dann weg Drei Kugeln auf Rudi Dutschke Ein blutiges Attentat Wir haben genau gesehen W E R da geschossen hat Ach Deutschland, deine Mörder! ATMO 1 (Rufe: "Springer Mörder") schon drunter unter "Deutschland, deine Mörder", dann kurz hoch und weg AUTOR Lokaltermin: Verlagsgebäude des Axel-Springer-Konzerns im West-Berliner Szenebezirk Kreuzberg. Die Kontrolle am Haupteingang wird genauso gewissenhaft durchgeführt wie der Sicherheitscheck am Flughafen. Kein Wunder: vor Jahren stürmte hier mal einer mit der Machete rein und wollte einem Chefredakteur ans Leder. Die Axel Springer AG, die einige der bestgehassten Boulevardblätter für den deutschen und europäischen Zeitungsmarkt produziert, hat noch immer ein Imageproblem. Der Grund: die Auseinandersetzungen um die Studentenbewegung 1968. ATMO 2 (Sprechchor: "BILD hat mitgeschossen") frei, dann Kreuzblende mit MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) ab 0:52, 0'14 frei, dann weg Die Kugel Nummer eins kam Aus Springers Zeitungswald Ihr habt dem Mann die Groschen Auch noch dafür bezahlt Ach Deutschland, deine Mörder! AUTOR Im zwölften Stock hat Thomas Schmid sein Büro. Er ist selbst Alt-68er, hat an den Studentenprotesten in Frankfurt am Main maßgeblich teilgenommen. Jetzt ist er Herausgeber der ,Welt'-Gruppe und Initiator eines Online-Archivs, mit dessen Hilfe der Konzern versucht, seinen angeschlagenen Ruf von damals zu korrigieren. Aus Schmids Fenster hat man einen traumhaften Blick Richtung Westen und hinunter zur ... Rudi-Dutschke-Straße. Das nennt man wohl Ironie der Geschichte: vor zwei Jahren wurde die Straße, die am Verlagsgebäude des Axel-Springer- Konzerns vorbeiführt, nach dem Staatsfeind Nummer 1 von damals umbenannt. ,Rudi Dutschke Staatsfeind Nummer 1'! Lange glaubte man, das sei eine Schlagzeile der BILD-Zeitung aus dem Jahr 1968 gewesen. Ein schlagender Beweis für die These der Linken, BILD habe mitgeschossen, habe die Volksmasse aufgehetzt und sei mitverantwortlich für das Attentat auf Rudi Dutschke. Stimmt nicht, sagen die Herren des Springer-Konzerns. Bei der Zusammenstellung der Datenbank habe man festgestellt: im Februar 1968 auf einer Kundgebung in West-Berlin habe es zwar ein Transparent mit besagter Parole gegeben, doch die Springer-Presse selbst habe das nie zur Schlagzeile gemacht, sondern lediglich ein Foto des Transparents abgedruckt. Rainer Laabs, Leiter des Unternehmensarchivs, und Thomas Schmid. TAKE 1 (Rainer Laabs) 0'31 Die ,BZ' hat nach dieser Kundgebung geschrieben, einen Menschen wie Dutschke zum Volksfeind Nummer 1 zu erklären, das sei ein völliges Unding, das ginge gar nicht. Und die ,Welt' hat auch in einem anderen Kommentar diese Sache erwähnt, hat nicht so eine deutliche Distanzierung ausgesprochen, aber hat auch keinen Zweifel daran gelassen, dass das nicht der Weg sein kann, sich mit Rudi Dutschke auseinanderzusetzen. Ich finde, das ist ein schöner Einzelfall, der klar macht, wie dieses Material möglicherweise im Einzelfall in der Lage ist, auch Vorurteile zu korrigieren. TAKE 2 (Thomas Schmid) 0'05 Die Wirklichkeit war gemischter, es ist ja oft so, gemischter als man sie dann in Erinnerung hat. AUTOR Unter www.medienarchiv68.de hat der Springer-Konzern 5.900 Artikel aus den Jahren zwischen 1966 und 1968 ins Netz gestellt. Darin finden sich alle für die Ereignisse von damals wichtigen verlagseigenen Presseerzeugnisse wieder. Ergänzt wird das Angebot durch Artikel von zwei Zeitungen, die nicht zum Springer-Verlag gehören: ,Tagesspiegel' und ,Telegraf'. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, liest aus ihnen heraus, was der Konzern vor allem nicht war: "eine zentral gelenkte Meinungsmaschine, welche die Studentenbewegung verhindern wollte". Thomas Schmid sieht die Datenbank als Impuls zur Aufarbeitung der Epoche. Vielleicht auch als Einladung, mehr als 40 Jahre nach den Geschehnissen einen etwas anderen Blick auf seinen Arbeitgeber zu werfen? TAKE 3 (Thomas Schmid) 0'59 Ich verstehe den Unterton dieser Frage, also: wollten wir uns dann doch eher reinwaschen? Und so wird es ja auch in völlig unzulässiger Weise zugespitzt. Nein, das ist nicht der Fall. Natürlich ist es auf der anderen Seite aber wahr, dass in der ,Welt', auch in der ,BZ' zum Teil Sachen gestanden haben, von denen ich mir nicht hätte träumen lassen, dass sie da gestanden hätten. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist, dass wenige Tage nach der Ermordung von Benno Ohnesorg das Abgeordnetenhaus in Berlin beschlossen hat, oder beschließen wollte, ich bin mir nicht ganz sicher, ein generelles Demonstrationsverbot in Berlin, da steht auf der Seite 2 der ,Welt' ein großer Artikel, in dem dargelegt wird, dass in einer freiheitlich verfassten Demokratie mit dem Grundgesetz, das wir haben, ein generelles Demonstrationsverbot nicht machbar ist, das klingt nicht unbedingt nach Hetze. Und von der Sorte gibt es eine ganze Menge. MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) bei 0:45 Gitarrenakkord, 0'04, dann weg TAKE 4 (Hannes Schwenger) 0'04 Ich weiß nicht einmal, was das ,Medienarchiv 68' ist. Nein, ich habe nicht reingeguckt. AUTOR Hannes Schwenger, heute freier Publizist, damals Redakteur des Berliner Extra- Dienstes, einer links-liberalen Wochenzeitung. TAKE 5 (Hannes Schwenger) 0'33 [[[0'09]]] Ach, mein Gedächtnis ist noch gut genug, ich habe seinerzeit 1968 als Extra-Dienst- Redakteur jeden Tag alle Berliner Zeitungen gelesen, also auch alle Zeitungen von Springer und natürlich das, was darauf geantwortet wurde, so dass ich mich ganz gut informiert glaube. [[[Und es ist ja auch so: das sind ,Tempi passati', vergangene Zeiten, in denen man nicht immer leben muss und in die man nicht dauernd zurückkehren muss.]]] AUTOR Online-Medienarchiv hin oder her: so einfach könne der Springer-Konzern seinen ramponierten Ruf nicht wieder herstellen, sagt Hannes Schwenger. Jeden Tag habe es damals Verunglimpfungen, Beleidigungen gegeben, in Summe viele gute Gründe, Macht und Methoden der Springer-Presse in Frage zu stellen. Deren Meinungsmonopol machte vielen Angst und Bange. Mehr als zwei Drittel aller Presseerzeugnisse in West-Berlin kamen in den 60er Jahren aus dem Springer- Verlag. TAKE 6 (Hannes Schwenger) 0'34 Es war aber auch das Bild, das die Springer-Presse von jungen Kritikern und von Studenten entworfen hat, das wirklich zeitweise bis an die Grenze der Hetze gegangen ist, ich entsinne mich noch sehr gut an die Karikaturen, in denen Studenten mit Dreitagesbart, Keule in der Hand wie Bankräuber aussahen, zum Teil wurde das von Karikaturisten gezeichnet, von denen wir wussten, dass sie früher Juden mit krummer Hakennase gemalt hatten, das war schon empfindlich, und das haben wir auch wahrgenommen. AUTOR Hannes Schwenger weiß, wovon er spricht. 1968 beteiligte er sich aktiv an der ,Enteignet Springer'-Kampagne, in der Terminologie der BILD-Zeitung war er damit ein "vom Osten herübergeschickter Agitator". Schwenger entwarf das Logo und verteilte die Plakette samt einer Sondernummer zur Kampagne auf West-Berlins Straßen. Und wurde damit Opfer des Volkszorns, den die Springer-Presse geschürt hatte. TAKE 7 (Hannes Schwenger) 1'00 Als ich vor dem KaDeWe mittags um 12 stand und die Zeitungen angeboten habe, hat sich ein Kreis empörter Berliner um mich gesammelt und hat mich auf die Straße gedrängt, meine Zeitungen hinterdrein geworfen, eine alte Oma hat mir mit dem Krückstock sogar vor die Brust gestoßen, das war doch ein ziemlicher Schock gewesen, die bekannten Redensarten kamen: ,Geh doch rüber' und ,dich müsste man über die Mauer schmeißen' und dergleichen ist da gefallen, also das war in der Tat dramatisch und traumatisch, und das muss Springer sich schon sagen lassen, dass er daran mitgewirkt hat, diese Stimmung in der Stadt zu schüren, die Situation war eben doch so, dass wir jungen Leute guten Grund genug hatten und auch die deutsche Öffentlichkeit guten Grund genug hatte, sich mit Springer kritisch auseinanderzusetzen. MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) bei 0:45 Gitarrenakkord, 0'04, dann weg TAKE 8 (Jochen Staadt) 0'11 Wenn sie Leute haben, die sich in irgendeiner Weise mit der Thematik beschäftigen, dieser Auseinandersetzung, dann ist es natürlich ein dankbares Archiv, ... AUTOR Sagt Jochen Staadt, Politikwissenschaftler im Forschungsverbund SED-Staat der FU Berlin. TAKE 9 (Jochen Staadt) 0'04 ... trotzdem wird es meines Erachtens das Bild insgesamt auch nicht verändern. AUTOR In Kooperation mit der Axel Springer AG haben Staadt und andere vor kurzem ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: ,Feind-Bild Springer. Ein Verlag und seine Gegner'. Die Autoren untersuchten vor allem Propagandafeldzug und Spitzelaktivitäten der DDR gegen den Springer-Verlag. Ein Thema, das seit den Enthüllungen um Karl- Heinz Kurras neue Nahrung erhielt. Viele, unter anderem der Springer-Konzern selbst, fragen seitdem: waren die Springer-Proteste von damals möglicherweise nichts anderes als eine Inszenierung der Stasi? Zur Erinnerung: der West-Berliner Polizist Kurras tötete 1967 den Studenten Benno Ohnesorg, was zu einer erheblichen Radikalisierung der Studentenbewegung führte. Wie sich jetzt herausstellte, war Kurras zu dem Zeitpunkt bezahlter Stasi-Agent. Muss die Geschichte der Studentenrevolte von 1968 neu geschrieben werden? Jochen Staadt sagt ganz klar: nein. TAKE 10 (Jochen Staadt) 0'58 [[[0'16]]] Denn die Art und Weise, wie damals geschrieben wurde, und zwar nicht nur von der studentischen Opposition, von der außerparlamentarischen Opposition, sondern im Vorlauf von Augstein im SPIEGEL - harte Nazi-Vergleiche, Hugenberg-Vergleiche, obwohl der Springer und der Augstein nun auch persönlich befreundet waren - da war der Ton schon vorher angeschlagen, 66 im SPIEGEL. Der dann aufgenommen wurde und der dann wunderbar passte, dass man sagte: das ist ein Konzern, der von ehemaligen Nazis aufgebaut worden ist, und das sind Nazi-Methoden, mit denen dieser Konzern Propaganda macht. Was nicht stimmt, aber Springer musste sich das damals anhören, ... [[[es traf ja auch einige, die tatsächlich Nazis waren und dort geschrieben haben, aber es traf auch einige, die aus dem Exil zurückgekommen waren und vor den Nazis abhauen mussten.]]] AUTOR Fazit: das Medienarchiv, das der Springer-Konzern online gestellt hat, ist ein hilfreiches Angebot zur Recherche. Über das große Ganze erfährt man jedoch mehr, wenn man die zahlreichen Bücher und Aufsätze liest, die zu dem Thema erschienen sind. Und manche Geschichten hört man auch erst von den Zeitzeugen selbst. Zum Beispiel die von Rolf Eden, heute 80-jähriger Playboy und Privatier, damals der Inbegriff der West-Berliner Schickeria. Seine Geschichte findet man im ,Medienarchiv 68' nicht. TAKE 11 (Rolf Eden)) 0'52 [[[0'08]]] Eine Riesen Demonstration damals am Ku-Damm, damals waren wir ja noch nicht eine Stadt, da waren wir ja noch geteilt, und da waren dann Hunderte: ,uähhhhhhhhhh, Lenin' oder was da alles war, und ich war mit meinem Rolls da, ich hatte einen ganz alten Rolls zu der Zeit, einen 1936er, ein wunderschönes Auto mit Bar drin, Musik und Fern ... alles drin, und ich fahr da, und damals, ich weiß nicht warum, hat man nicht abgesperrt, also den Ku-Damm, und irgendwie ist mir das Auto ausgegangen. Konnte es nicht wieder ankriegen. [[[Mittendrin, ja. - Da standen Sie mitten in dieser Demonstration, ... - Dieser Linken, ja.]]] Und dachte nur: ,Mensch, jetzt ist mein letzter Tag gekommen', wissen Sie, was die gemacht haben? Die haben mich angeschoben, und ich konnte weiterfahren. Und abends haben wir natürlich bei mir im ,Old Eden', ich hatte ja zu der Zeit vier oder fünf Diskos, und im ,Old Eden' waren natürlich auch viele von den Leuten da, und dann haben wir darauf angestoßen. [[[Die waren so nett zu mir, die Leute.]]] MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) bei 0:45 Gitarrenakkord, 0'04, dann weg AUTOR Eigentlich hatte der Springer-Konzern im vergangenen Jahr viel Größeres im Sinn. Eigentlich wollten Matthias Döpfner und Thomas Schmid eine Neuauflage des Springer-Tribunals veranstalten. 41 Jahre nach dem legendären Springer-Tribunal von 1968 an der TU Berlin. Dieses Mal im eigenen Haus. Das Online-Medienarchiv sollte dafür die Diskussionsgrundlage bilden. Zur Erinnerung: 1968 hatte eine kleine Aktivistenschar der West-Berliner Studentenschaft eingeladen, um über den Springer-Verlag zu richten. Das Tribunal sollte prüfen, ob der Springer-Konzern "Volksverhetzung" betreibe, dem Berliner Abgeordnetenhaus sollte ein Entwurf über die Enteignung Springers vorgelegt werden. Wenige Tage vor dem geplanten Tribunal schmiss eine Gruppe um Rudi Dutschke in sieben Filialen der ,Berliner Morgenpost' die Fensterscheiben ein. Daraufhin hagelte es Absagen, führende Schriftsteller und Wissenschaftler wollten mit dem Tribunal nichts mehr zu tun haben. Wenige Minuten nach dem Beginn wurde es auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine Fortsetzung fand nie statt. Thomas Schmid wollte das nun nachholen. Peter Schneider, heute Schriftsteller, damals einer der Hauptaktivisten der Studentenbewegung und der ,Enteignet- Springer'-Kampagne, lehnte die Neuauflage des Springer-Tribunals rigoros ab. TAKE 12 (Peter Schneider) 0'48 Ich gebe zu, die BILD-Zeitung und auch die ,BZ' haben sich enorm geändert, aber sie leben doch immer noch davon, dass sie irgendwelche kleinen Leute oder Halb- Prominente mit ihren Scheidungen, Kokainpartys bloßstellen und auf die erste Seite bringen, das ist einfach nach wie vor. Und man kann einfach nicht beides sein. Man kann doch nicht mit den Schmuddelgeschichten viel Geld verdienen und gleichzeitig sich den Orden der Seriosität anheften. Da muss man sich entscheiden. Sollen sie doch weiter ihre Schmuddelgeschichten erzählen, und dann haben sie eben weiter ihren Makel. Du lieber Himmel, es war doch eine Pro-Springer-Kampagne, die hier inszeniert wurde. Von uns ging das doch alles gar nicht aus. AUTOR Peter Schneider und andere Urgesteine der 68er-Bewegung wollten sich nicht instrumentalisieren lassen. Sie kritisierten, der Erkenntnisgewinn einer Veranstaltung, die ausschließlich im Verlagsgebäude des Springer-Konzerns stattfinden und über die einzig und allein in der ,Welt' berichtet werden solle, sei nicht ernst zu nehmen. Die beiden Hauptkontrahenten, die Alt-68er Thomas Schmid und Peter Schneider, geraten darüber auch heute noch, ein Dreivierteljahr später, heftig aneinander. TAKE 13 (Thomas Schmid) 0'27 Das sind ja nun wirklich zwei hanebüchene Vorwürfe, um mit dem letzten anzufangen: wir wollen nur exklusiv in der ,Welt' darüber berichten, nicht berichten, das ist falsch, wir haben gesagt, wir wollen es dokumentieren bei uns. Wenn wir das machen, wir veranstalten, wir die Kosten für diese Veranstaltung tragen, Entschuldigung, dann haben wir doch auch das Recht, es in unserer Zeitung zu dokumentieren. Dass andere darüber schreiben wollen, das wäre ihnen völlig unbenommen gewesen. TAKE 14 (Peter Schneider) 0'54 Nein. Das stimmt nicht, es stimmt nicht, ich war bei dem Gespräch zwischen Thomas Schmid, Herrn Döpfner und mir, es waren sechs Augen, wurde ausdrücklich folgendes mir gesagt. Man wolle keine großen Auftritte haben, es sollte in einem geschlossenen Raum stattfinden, nur 40 geladene Personen, von denen nur 15 ein längeres Vortragsrecht hätten, ich sollte einer davon sein, ausdrücklich keine Presse, ausdrücklich, wiederhole ich, keine Presse, sondern folgendes: das ganze Gespräch sollte ins Internet gestellt werden, und dann sollte ausschließlich in der ,Welt' eine Zusammenfassung des Gesprächs erscheinen. TAKE 15 (Thomas Schmid) 0'22 Das ist völliger Unsinn, man kann schon verstehen, dass wir das dann bei uns publizieren wollen, zumal wir ja - ich muss es noch mal wiederholen - die komplette Abschrift ins Internet gestellt hätten, also jeder hätte sich das angucken können, ich verstehe nicht, warum das ein skandalisierender Punkt ist, das ist einfach dummes Zeug, ... TAKE 16 (Peter Schneider) 0'30 [[[0'17]]] So ist mir das gesagt worden, so habe ich das weiter gesagt, und jetzt können sie sich nicht plötzlich herausreden, es sei ganz anders gesagt worden. Nein, und warum sollte sich irgendeiner von uns darauf einlassen? [[[Ich habe ihnen gesagt: ja wenn sie schon eine Zusammenfassung in der ,Welt', dann ist es doch zumindest klug, in ihrem Sinne klug, wenn sie dasselbe der Süddeutschen Zeitung anbieten oder der taz oder wem. Nein. Wer bezahlt denn das Ganze, wurde mir dann gesagt. So ist das.]]] Hier lügt jemand. TAKE 17 (Thomas Schmid) 0'46 Und der zweite Punkt: es soll bei uns stattfinden, ja, das haben wir schon gesagt, vielleicht wäre das ja verhandelbar gewesen, was wir nur nicht wollten, wir wollten nicht eine Diskussion, die mit leichten und geringen Mitteln umfunktioniert werden kann in eine Veranstaltung, in der wir plötzlich nur auf der Anklagebank sitzen, wir wollten schon eine Diskussion haben, in der geordnete Diskussionsbahnen garantiert sind, noch mal: garantiert wäre dabei, dass jeder das sagen kann, was er sagen will, und da hätten wir natürlich auch die polemischste Äußerung, die schärfste Hassattacke auf Springer hätten wir akzeptiert. Das wären die Regeln gewesen. AUTOR Vielleicht ist es besser so, dass es kein zweites Springer-Tribunal gibt: sonst werden die beiden Protagonisten möglicherweise noch handgreiflich. Bei einer Veranstaltung im vergangenen Herbst - das bestätigten mehrere Augenzeugen - wären sie fast aufeinander losgegangen. Jochen Staadt, Angehöriger der Nach-68er- Studentengeneration. TAKE 18 (Jochen Staadt) 0'27 Das ist sozusagen wie ein Familienkrach. Man war mal in einer Familie eng beieinander, ist dann verschiedene Wege gegangen, und nun kommen wir wieder auf einem Familienfest zusammen und haut sich noch mal so richtig um die Ohren, was man schon immer sagen wollte. Es ist wahrscheinlich eine Lebensfreundschaft und -feindschaft, die da existiert, die nie aufhören wird. AUTOR So ist es. Die Grabenkämpfe gehen weiter. TAKE 19 (Thomas Schmid) 0'48 [[[0'08]]] Da gab es eine lichte, friedliche, am Fortschritt orientierte, gewaltlose, endlich die muffige Bundesrepublik aufmischende 68er-Bewegung, und dann gab es ein reaktionäres, verstocktes, hetzerisches usf. usf. Medienimperium Springer, die Springerpresse, die gegen diese armen Kreaturen auf barbarische Weise vorgegangen ist. Dieses Bild ist mit Sicherheit ein absolutes Zerrbild. [[[Die Wirklichkeit ist sehr viel grauer, auch sehr viel bunter, auch sehr viel unterschiedlicher, und das kann man, glaube ich, an dieser Dokumentation sehr gut sehen,]]] und es ist nicht schlimmes dabei, seine Meinung zu korrigieren anhand eines informierten Blicks auf die Wirklichkeit. AUTOR Armselig sei es, sagt ,Welt'-Chef Thomas Schmid und schrieb dies auch in einem Editorial der ,Welt am Sonntag', dass die Anti-Springer-Aktivisten von einst noch immer am alten Frontdenken festhielten. Eine ganz traurige Geschichte. Findet auch Peter Schneider, aber aus ganz anderen Gründen. TAKE 20 (Peter Schneider) 0'44 Einen Aufsatz möchte man nicht unbedingt von einem ehemaligen Radikalen lesen, der inzwischen Chef der ,Welt' geworden ist, und das ist der Aufsatz über das Thema, wie gerecht und souverän die Berichterstattung der Springer-Presse in der 68er Zeit war. Weil ich nach wie vor meine, dass dieser Springer-Konzern damals auf jeden Fall eine Gefahr für die Demokratie war, daran halte ich fest, und dass man jetzt bei Thomas Schmid so gar nichts mehr von dieser alten Unabhängigkeit und Kritik findet ... also da hat sich jemand seine Meinung abkaufen lassen, oder seine Unabhängigkeit. ATMO 1 (Rufe: "Springer Mörder") kurz frei, dann Kreuzblende mit MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) ab 3:13, 0'14 frei, dann weg Es haben die paar Herren So viel schon umgebracht Statt dass sie E U C H zerbrechen Zerbrecht jetzt ihre Macht! Ach Deutschland, deine Mörder! AUTOR Es ist und bleibt der ewige Kampf um die Deutungshoheit. Zuerst ging es um die Frage, welchen Einfluss die Studentenbewegung von 1968 auf die Demokratieentwicklung der jungen Bundesrepublik hatte, dann diskutierte man eine Zeitlang die Gewaltfrage, heute debattiert man darüber, ob die Springer-Presse wirklich so schlimm war, wie sie war und ob der Einfluss, vor allem auch der finanzielle Einfluss des Ostens auf die Anti-Springer-Kampagne nicht größer war als wir bisher wissen. Das ,Medienarchiv 68', das der Springer-Konzern vor drei Monaten ins Netz gestellt hat, liefert dazu allerdings keine neuen Erkenntnisse. Der Publizist und Ex-Aktivist Hannes Schwenger. TAKE 21 (Hannes Schwenger) 0'28 [[[0'17]]] [[[Der Druck, der damals auf der jungen Generation lastete, die fehlende Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, das ist sehr schwer zu vermitteln, und das wird auch nicht durch die Lektüre der Zeitungsartikel von damals wieder ganz nachvollziehbar, glaube ich.]]] Es ist irgendwo auch eine Gespensterdebatte über längst vergangene Zeiten, wir haben heute andere Verhältnisse, in denen Springer das kleinste Problem ist, das kleinste Medienproblem. AUTOR Oder wie es ein Blogger der ,taz' kurz und bündig zusammenfasste: "Alter Kram von gestern". MUSIK 1 (Wolf Biermann: Ermutigung) ab 3:47 Extro, 0'08 frei, Schluss 1