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(Lehner) Da sehen wir den Zusammenbau von einem "Bekomat", von einen Kondensatorableiter, der von den Mitarbeitern zusammengebaut wird, geprüft wird, die Elektronenplatine ist gerade aufgesetzt worden. Spr. Besuch in der Realwirtschaft. Manfred Lehner, Kaufmännischer Geschäftsführer der Firma Beko - Weltmarktführer im Druckluft- und Druckgasbereich. Ein Mittelständisches Unter- nehmen. 400 Mitarbeiter weltweit. O-Ton - Ich sehe Vorteile in Ländern wie China, wo man den Euro als wesentliche Währung akzeptiert und dass wir dadurch in der Lage sind, unsere Geschäfte auf Eurobasis in China durchzuführen. Die Kunden akzeptieren Europreise, die dann zum Zeitpunkt der Lieferung oder Rechnungsstellung in Renminbi umgerechnet werden, so dass dann für uns das Währungsrisiko bei Geschäften in China deutlich kleiner geworden ist. Was früher über den Dollar gelaufen ist, läuft heute zum Teil über Dollar und Euro und ist damit einfacher für uns in der Abwicklung. Spr. Kursdifferenzen haben noch um die Jahrtausendwende das Reisen und den Handel in vielen Ländern Europas bestimmt. Reisende oder auch Unternehmen mussten darauf bedacht sein, Währungsverluste zu vermeiden. Heute müssen wir uns bei Reisen in viele europäische Länder nicht mehr darum kümmern. Wir haben den Euro. Und mit ihm ein Problem. So lesen, hören, sehen wir täglich in den Medien. Paul Welfens, Professor für Makroökonomische Theorie und Politik und Leiter des Europäischen Instituts für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Bergischen Uni- versität Wuppertal: O-Ton - Der Hauptauslöser ist nach wie vor die transatlantische Bankenkrise. Das ergibt sich inso- fern ganz klar, weil: zwischen 2007 und 2011 ist die Staatsschuldenquote sowohl in der Europäischen Union wie auch in der Eurozone um gut 20% gestiegen. Und das ist ja nicht durch Griechenland bedingt, das ist einfach ein Ergebnis der ganzen Rettungsaktionen, Bankenrekapitalisierungsmaßnahmen und der so genannten automatischen Konjunktur- stabilisatoren; das heißt, die Ursache liegt in der transatlantischen Bankenkrise ganz wesent- lich. Spr. So fing es an: Die Liberalisierung der Finanzmärkte lockte die Investmentbanken in komplizierte Finanzprodukte, in verschnürte Immobilienpakete, die weltweit gehandelt wurden, und nur wenige wussten, was sich dahinter wirklich verbarg. Eine Spekulationsblase, die platzte und Großbanken in aller Welt in den Abgrund gerissen hätte, wenn sie nicht mit staatlichen Geldern gestützt worden wären - mit der Folge, dass die Staatsschulden wuchsen und die Schwächen mancher Euro-Länder offenbar worden. Spr. Heinz-Peter Spahn, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Hohenheim: O-Ton Wir haben einen hohen Schuldenstand in vielen Ländern. Er ist nach der US-Finanzkrise 2008 weiter angestiegen und gleichzeitig ist auch das Risikobewusstsein der Anleger an- gestiegen. Und damit sind dann Zweifel an der Fähigkeit aufgetreten, dass einige Länder ihre Tilgung und die Zinszahlung hinbekommen. Wichtig dabei ist, dass man sich ganz klar macht, es geht eigentlich nie darum, dass die gesamten Schulden getilgt werden; es geht immer nur um das so genannte "Roll over". Die Staaten zahlen also die fällig werdenden Papiere damit zurück, dass sie neue Schulden aufnehmen und der Anleger, der jetzt neue Schulden zeichnet, muss darauf vertrauen können, dass er selber dann in drei, vier, fünf Jahren wiederum jemanden findet, der seine Schuld übernimmt. Und wenn die Anleger jetzt Angst davor be- kommen, dass es in der Zukunft keine neuerlichen Anleger geben wird, dann ziehen sie sich heute schon von ihrer Kapitalanlage zurück. Spr. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien spüren die Vorsicht und Zurückhaltung der privaten Anleger, die die staatlichen Papiere kaufen müssen, denen aber das Risiko zu hoch ist. Staaten, die wegen ihrer Verschuldung ins Gerede kommen, werden ihre Papiere nicht mehr los oder nur noch gegen höhere Zinsen, was wiederum ihre Verschuldung erhöht - ein Teufelskreis. Sind die deregulierten Finanzmärkte schuld? So einfach ist das nicht. Die Politik hat ihren Teil dazu beigetragen. So hatte die konservative griechische Regierung 2009 ein Haushalts- defizit von 4,5% nach Brüssel gemeldet, tatsächlich hätte sie jedoch 15,4% melden müssen. Sofortiges Handeln wäre dringend geboten gewesen. Paul Welfens: O-Ton Das hätte eigentlich die Europäische Kommission mit sehr harten Worten, vor allem seitens des Kommissionspräsidenten Barroso, mit deutlicher Kritik auf den Plan rufen müssen. Da ist nichts geschehen. Bei Irland ist der Fall ganz anders. In Irland hat es jahrelang keine Bankenaufsicht nennenswerter Art gegeben. Das ist ein grober Verstoß gegen EU- Bankenrichtlinien bzw. entsprechende Gesetze, und das hat die Banken dazu veranlasst, in große Risiken hineinzugehen, in die sie sonst nie gegangen wären. Und dann musste der irische Staat dann all diese Banken retten mit dem Ergebnis, dass wir plötzlich in Irland eine Defizitquote von über 30% gesehen haben, wovon gute 20 Prozentpunkte nur Banken- rettungsaktionen waren. Und das ist auch ein Skandal. Und statt nun Irland vor den Europäischen Gerichtshof wegen Verstößen gegen EU-Gesetze bzw. -richtlinien zu stellen, sitzt dann die Kommission in Gestalt von Herrn Barroso und schweigt. Und das ist im Grunde völlig unverantwortlich. Spr. Marktversagen und Staatsversagen Die Regierung in Griechenland hat jahrelang zugesehen, wie Häuser ohne Genehmigung gebaut wurden, wie Steuern hinterzogen wurden - allein 280 Milliarden Euro sollen in der Schweiz liegen; damit könnte Griechenland fast seine ganzen Schulden zahlen; und Steuern wurden nicht konsequent eingefordert. Eine Eigendynamik ist in Gang gekommen, die alle unterschätzt haben: die Europäische Kommission, die nationalen Regierungen, die europäischen Institutionen. Warnungen vor einer drohenden Finanzkrise wurden missachtet. Nun belasten die existenziellen Finanz- probleme schwacher Staaten das gesamte Finanzsystem des Euro-Raums. Heinz-Peter Spahn: O-Ton Der Rettungsschirm hat einiges in Europa verändert. Und zwar hat er den stärkeren Staaten in Europa deutlich gemacht, dass das Projekt Währungsunion sehr starke Risiken in sich birgt. Und aus dieser Erkenntnis heraus entsteht auch ein Problem des Rettungsschirms. Er müsste eigentlich viel, viel größer sein als wir ihn jetzt konzipiert haben, um solche Schwer- gewichte wie Spanien und Italien abschirmen zu können gegen irgendwelche finanziellen Krisen. Aber die Geberländer befürchten eben, dass sie tatsächlich irgendwann einmal zahlen müssen. Und das bedeutet natürlich, dass die Parlamentarier sehr, sehr zurückhaltend sind größere Garantien zu geben. Das heißt, dieser Rettungsschirm ist eigentlich zu klein. Und die Politiker haben sich selbst in eine Sackgasse manövriert, weil sie ihren Bevölkerungen immer von Anfang an versprochen haben, dass niemand in Europa für die Staatsschulden der Nach- barn haften muss. Jetzt ist es doch so. [MUSIK: Liszt] Spr. Das war die Lebenslüge bei der Einführung des Euro: Es gibt faktisch eine Mithaftung aller, wenn ein Euro-Land überschuldet ist. Aber es gibt keinen Euro-Finanzminister, der dagegen vorgehen kann. Was es heißt, eine supranationale Währung einzuführen, ein in dieser Form welthistorisch einzigartiges Wagnis: darüber hat die Politik nicht ausreichend nachgedacht. Ein Stabilitätspakt sollte dafür sorgen, dass der Euro nicht aus den Fugen gerät. Die Ver- schuldungskriterien - nicht mehr als 60% Staatsverschuldung, nicht mehr als 3 % Neuver- schuldung - waren Festlegungen, die wissenschaftlich auf wackligen Beinen standen. Man hätte auch andere Kriterien festlegen können. Aber wenn die Politik diese Festlegungen macht, sind sie Signal und Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und müssen eingehalten werden. Wer sie einmal aufweicht, braucht plausible andere Kriterien, ansonsten muss er damit rechnen, dass sich auch andere Staaten nicht an die Vorgaben halten. Helge Peukert, Professor für Finanzwissenschaft und Finanzsoziologie an der Universität Erfurt: O-Ton Zunächst einmal hat man ja beim Eintritt in die Währungsunion ein bisschen geschummelt. Diese 120%, mit denen einige Länder gestartet sind, sind ja bekannt. Und Deutschland und Frankreich sind es ja gewesen, die die Kriterien des Stabilitätspaktes als erste aufgeweicht haben. Dann ist es natürlich verabsäumt worden, die Europäische Zentralbank als "lender of last resort" aufzustellen. Das heißt, man hat schlicht und einfach nicht darüber nachgedacht, welche Rolle sie ausfüllen soll, wenn einmal eine Krisensituation wie die jetzige eintritt. Das ist ihr ja auch von vielen vorgehalten worden, als der Euro eingeführt wurde. Und drittens können wir sagen, dass der so genannte Neoliberalismus eine Rolle spielt, weil zum Beispiel die Privatverschuldung überhaupt nicht erfasst wurde von den EU-Institutionen und sich diese dann aufbauen konnten und letztlich den Staat zwang einzugreifen, und das ist ja auch mitverantwortlich für die Staatsverschuldungskrise. Spr. Die Schuldenkrise im Euro-Raum hat aber auch noch andere Gründe - und daran trägt die Bundesrepublik die Hauptschuld. Wir sind stolz darauf, Exportnation zu sein - aber die Gründe dafür sind für andere Euro-Länder ein gravierendes Problem. Torsten Niechoj vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung: O-Ton Was ein Problem ist und was bisher schwierig anzugehen ist, das angegangen werden muss, das sind unterschiedliche Preisentwicklungen in den einzelnen Ländern. Und Preise werden von den Gewinnzuwächsen der Unternehmen beeinflusst, andererseits aber auch von der Lohnstückkostenentwicklung, und hier hatten wir seit Beginn der Währungsunion eine große Auseinanderentwicklung im Euroraum. Es gab Länder wie Deutschland, die sehr geringe Lohnstückkostensteigerungen hatten, was dazu geführt hat, dass Reallöhne in einigen Jahren nicht angestiegen, sondern sogar gesunken sind. Und in anderen Länder eine hohe Lohn- stückkostensteigerung. Und wenn das über einen langen Zeitraum geht und man keinen Wechselkurs hat, der das ausgleicht, dann führt das eben zu Ungleichgewichten bei Exporten und Importen bei der Leistungsbilanz. Spr. Das heißt: Mit niedrigen Löhnen verschafft sich Deutschland Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt, steigert seine Exporte und treibt die Länder, die in diesem Wettbewerb nicht mit- halten können, in wachsende Verschuldung. Musikeinblendung Es gibt noch weitere Gründe für die Ungleichgewichte, die sich im Euro-Raum gebildet haben. So ermöglichte der größere Raum einer einheitlichen Währung, leichter Geld in ganz Europa einzusammeln für spekulativ ausgerichtete Projekte in einzelnen Staaten. In Spanien zum Beispiel hat das zu einer Spekulationsblase geführt, die erheblich zur aktuellen Finanz- krise des Landes beigetragen hat. Zu blauäugig haben Manager Projekte konzipiert und durchgeführt, weil Geld in Europa zu günstigen Zinsen zu haben war. Der größere Währungsraum in Europa hat Unternehmen wie Staaten dazu verleitet, unvor- sichtig zu werden, wie das auch in den USA der Fall war, als der Finanzmarkt vor 2007 ein nahezu unbegrenztes Wachstum suggerierte. Die Krisen der 90er Jahre hätten zur Vorsicht mahnen können. Selbst wenn die Asien- oder Südamerikakrise nicht vergleichbar sind mit der Krise im Euroraum, zeigen sie, was der berühmte englische Ökonom John Maynard Keynes schon vor über 70 Jahren festgestellt hat: dass die Finanzindustrie die Realwirtschaft in eine Rezession stoßen kann, mit unvorhersehbaren Folgen. Musikeinblendung Zur Vorgeschichte der heutigen Krise im Euro-Raum gehört auch eine europäische Erfolgs- geschichte, die 1979 beginnt. Damals wurden Leitkurse für die europäischen Währungen fest- gelegt, bestimmte Bandbreiten, innerhalb derer die Kurse schwanken durften. Fast alle Länder der damaligen Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft nahmen daran teil, auch Großbritannien. Die Währungsleitkurse durften nur gemeinsam geändert werden. Da das System bis 1992 gut funktionierte, ermutigte dies die Politiker, eine gemeinsame Währung für den europäischen Raum festzulegen, was im Vertrag von Maastricht 1991 unterzeichnet wurde. Hans-Peter Spahn: O-Ton Die gemeinsame Währung stand natürlich schon seit langen auf der Agenda der Europa- politik; seit vielen Jahrzehnten schon träumten schon die Europapolitiker davon, eine einheit- liche Währung einzuführen, als politisches Signal für die Einigung und Integration Europas für die Besiegelung des europäischen Friedens. Und man hat bei diesem Punkt eigentlich gar nicht so genau geguckt, welche ökonomischen währungstheoretischen Bedingungen erfüllt sein müssen, man hat das eher als ein politisches Projekt gesehen. Und das große Problem dabei war eben, dass man diese Bedingungen, unter denen das Projekt hätte laufen können, nicht richtig herausgearbeitet hat. Man hat gedacht, dass sich das im Laufe der Zeit irgend- wie selbst erfüllen wird. Wir sehen eben jetzt, dass das nicht der Fall ist. Spr. Die gegenwärtige Situation im Euroraum ist vergleichbar mit der Entwicklung nach der Deutschen Einheit. Der Glaube, nur durch eine starke Währung auch das realwirtschaftliche Niveau über Nacht zu erhöhen, erwies sich als Trugschluss. Aber Geld ist immer nur ein Spiegel des Vermögens an Gebäuden, Maschinen, Vorprodukten, Fertigungsverfahren, Know How und vielem mehr; natürlich auch der Produktivität, die in Ostdeutschland wesentlich geringer war als im Westen. Nicht viel anders ist es in manchen europäischen Staaten, die eben nicht das realwirtschaft- liche Niveau wie Frankreich oder Deutschland haben. Um innerhalb des Euroraums ihren Haushalt in Ordnung halten zu können, ist es notwendig, dass ihre Wirtschaft leistungsfähiger ist. Der Euro übt Druck auf diese Länder aus, weil die Europäische Zentralbank die Währung stabil halten muss, um der Inflationsgefahr vorzubeugen. Das aber wiederum drückt auf die Preise, die Löhne und erfordert Rationalisierungen und Produktivitätssteigerungen und gute Geschäftsideen. Schafft es eine nationale Wirtschaft nicht, darauf zu reagieren, bekommt sie ein Problem - und in der Konsequenz bekommt der Währungsverbund ein Problem, weil - wie gesagt - faktisch die einen für die anderen mit haften. Die europäische Schuldenkrise resultiert aus den wirtschaftlichen Ungleichgewichten der Euro-Staaten. Durch die einheitliche Währung ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, die gegen diese Ungleichgewichte angeht, verschärfen sich die Probleme. Die Folge sind Haushalts- bzw. Schuldenkrisen, die letztlich das gesamte Währungssystem be- drohen, wenn nicht die Ursachen bekämpft werden. Für Deutschland heißt das, die Wett- bewerbsverzerrung aufgrund des Zusammenhangs hoher Produktivität mit niedrigen Löhnen zu Lasten anderer Euro-Staaten müsste abgebaut werden. [Musik] Spr. Ist der Weg zurück zu nationalen Währungen ein Ausweg aus der Krise? Um das zu be- urteilen, muss man einen Blick zurück werfen in die Weltwährungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Weltwährungssystem der Nachkriegszeit war das sogenannte Bretton-Woods-System, benannt nach dem amerikanischen Ort, an dem 1944 das Abkommen für das künftige Weltwährungssystem unterzeichnet wurde. Feste Währungskurse, der gold- hinterlegte US-Dollar als Leitwährung, Weltbank und Internationaler Währungsfonds als Stützen des Systems, die Kredite und Hilfen vergeben konnten und den Entwicklungsländern den Anschluss an die Industrienationen erleichtern sollten - das waren die Eckpunkte dieses Abkommens. Jede Zentralbank hatte das Recht, Dollar in Gold umzutauschen. Änderungen der Währungs- paritäten wurden ausgehandelt, sodass es innerhalb bestimmter Bandbreiten feste Austausch- kurse gab. Das erforderte von allen Staaten Haushaltsdisziplin und ähnlich wie heute im Euro- raum einen Gleichschritt im wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Garant für das System mussten die USA sein mit ihrer Leitwährung Dollar. Da die USA jedoch besonders durch den Krieg in Vietnam, die Konkurrenz durch europäische Staaten wie auch Japan, ihre enorme wirtschaftliche Dominanz nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, suchten sie einen Ausweg auch, indem sie Dollars druckten, um damit ihre Ausgaben zu zahlen. Dadurch entstand eine Dollarschwemme und gleichzeitig das Problem, dass die USA Dollars nicht mehr in Gold umtauschen konnten. Als die Franzosen das tatsächlich versuchten, setzte der damalige US-Präsident Richard Nixon 1971 die Gold- einlösepflicht der USA aus. Das Bretton-Woods-System und damit das stabile Welt- währungsgefüges der Nachkriegsjahrzehnte war Anfang der 1970er Jahre am Ende. Der Wert des Dollars verfiel. Die Öl exportierenden Länder, die OPEC-Staaten, nahmen immer weniger Geld ein, da das Öl - bis heute - weitgehend in Dollar bezahlt wird. Die OPEC-Staaten wollten ihre Einnahmen nach dem Verfall des Dollar nicht nur auf demselben Niveau halten, sie wollten mehr Einnahmen, da der Ölpreis zwei Jahrzehnte stabil und sehr niedrig war; daher erhöhten sie die Ölpreise drastisch. Dies verschärfte die Krise, die durch die Schwäche des Dollar während des Vietnamkrieges ausgelöst worden war. Die Dollarschwäche und die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen in den west- lich-kapitalistischen Ländern entzogen dem System der festen Wechselkursbeziehungen den Boden. Die Politik sah nur noch den Ausweg, die Wechselkurse freizugeben - mit der Folge, dass sich die Kurse sich heftig auf- und ab bewegten, was wiederum der Realwirtschaft große Probleme bereitete: Unternehmen war es fast unmöglich, Export- oder Importgeschäfte zu finanzieren, da sie nicht wussten, wie sich der Wert der Währungen in den nächsten Wochen oder Monaten entwickelte. Hans-Peter Spahn: O-Ton Zunächst muss man sehen, dass die Hoffnung der flexiblen Wechselkurse sich nicht ganz er- füllt hat. Die flexiblen Wechselkurse sollten die Unterschiede der nationalen Inflationsraten ausgleichen, was positiv für den internationalen Handel wirken sollte. Tatsächlich tendierten diese nominellen Wechselkurse zu einem so genannten Überschießen, das heißt, bestimmte Währungen, die relativ gut in ihrer Reputation waren, die wurden gerade überschüttet mit Kapitalimporten, da stieg der nominelle Wechselkurs viel zu stark an, während aus anderen Ländern, die kriselnd angesehen wurden, das Geld abfloss, so dass der Wechselkurs dort viel zu stark abwertet. Das heißt, wir kriegen nominale Wechselkurse, die sich dann für den inter- nationalen Handel als sehr problematisch herausgestellt haben. Es kam also zu einer Ver- zerrung der Wettbewerbspositionen. Deshalb haben dann die europäischen Politiker sehr schnell darauf reagiert; sie wollten wieder zu stabileren Verhältnissen zurück, weil eben der innereuropäische Handel sehr wichtig war. Man hat dann in den 70er Jahren verschiedene Projekte gestartet, um wieder zu mehr Währungsstabilität zurückzukommen. Das eine war das Projekt der sogenannten europäischen Schlange, das war so ein lockerer Verbund der Währungen, der aber nicht ganz so perfekt funktionierte, und dann ist 1979 das europäische Währungssystem gegründet worden, das wieder ein Festkurssystem war. 2. Spr. Das Bretton Woods-System funktionierte so lange, wie sich die USA auch an Vereinbarungen hielten und das System nicht für ihre Zwecke nutzten. Wie heute im Euroraum war damals die Missachtung der Regeln ein wesentlicher Grund für das Scheitern des Systems, und ein viel zu spätes konsequentes Eingreifen der Regierungen, die zu sehr national gedacht haben, führte dann zum Ende des stabilen Weltwährungssystems der Nachkriegszeit. Für die Europäer begannen die Jahre, in denen sie mit der Einführung der Währungsschlange und des europäischen Währungssystems versuchen mussten, ihre kleinen nationalen Währungen einigermaßen stabil zu halten. Die Vorherrschaft des Dollar auf dem Weltmarkt blieb unan- getastet. Für die USA hatte das große Vorteile. Helge Peukert: O-Ton Die Amerikaner haben hier ihr Konzept über 27 Jahre durchgesetzt. Das gilt ja für die Gesamtkonstruktion, sie haben ja massiv lange Zeit davon profitiert. Die anderen haben ge- arbeitet, Produkte produziert und die Amerikaner haben praktisch nur Dollar gedruckt. Da der Dollar nach wie vor ja die Reservewährung ist, ist es ja so, dass sie abwerten konnten und sich dadurch entschulden konnten; da der Dollar aber die Reservewährung war, wurden die Rohstoffimporte, da sie ja fakturiert werden in Dollar, wurden die dann nicht teurer. Spr. Der Dollar als Weltreservewährung: Das ist noch vom einstigen Bretton-Woods-System ge- blieben. Aber die US-Wirtschaft ist dabei, ihre dominante Position in der Welt zu verlieren. Und der Euro, dessen Kurs heute weit über dem Einführungskurs 2002 steht, schien auf dem Weg zu sein, den Dollar als Weltreservewährung abzulösen. Für die USA ein bedrohliches Szenario, da damit die Vorteile verloren gingen, die mit der Leitwährung verbunden sind. Helge Peukert: O-Ton Der Euro ist auf dem Weg zu einer Weltreservewährung gewesen und eventuell ist das ja einer der Gründe, warum wir jetzt die Schwierigkeiten haben, warum Rating Agenturen, die ja nun doch zum größten Teil amerikanische sind und auch von der amerikanischen Regierung und dem amerikanischen Gesetzgeber hinsichtlich ihrer Privilegien abhängig sind, dass man hier zu einem guten Teil auch ein bewusstes Spiel betreibt, um die Eurozone zu schwächen, damit der Dollar seine gewisse Vorrangstellung als Reservewährung nicht ver- liert. Es ist ja so gewesen, dass die Chinesen , kurz bevor das in Europa richtig los ging, ihre Reservepolitik schon etwas geändert haben, die mehr auf den Euro gegangen ist, und das konnte den Amerikanern nicht gefallen. Musikeinblendung Spr. Wirtschaft- und Währungspolitik ist immer auch Machtpolitik. Eine Schwächung des Euro- Raums liegt, solange nicht die US-amerikanische Realwirtschaft geschwächt wird, durchaus im machtpolitischen Interesse der USA, wenn der Euro dem Dollar allzu sehr Konkurrenz macht. Insofern ist es keineswegs auszuschließen, dass auch ein europäisch-amerikanischer Machtkampf in der sogenannten Euro-Krise eine Rolle spielt. Allerdings ändert das nichts daran, dass die europäischen Probleme im Kern hausgemacht sind. Sie im europäischen Rahmen zu lösen, ist eine gewaltige politische Herausforderung. Grundsätzlich sind solche Situationen im europäischen Einigungsprozess allerdings nicht neu. Schon die Gründung der EWG 1957 war eine Notlösung. Die 1951 ins Leben gerufene Montanunion war nicht der Startschuss für eine politische Union, wie man anfangs gehofft hatte, und Mitte der 50er Jahre galt die europäische Einigung als gescheitert. In dieser Situation wurde die Idee einer Wirtschaftsgemeinschaft geboren, damit es mit Europa über- haupt voranging. Das Ergebnis war die EWG-Gründung, und das wiederum war der Beginn eines Einigungsprozesses, der Europa - allen späteren Krisen zum Trotz - grundlegend ver- ändert hat. In der heutigen Situation geht es nach Einschätzung von Paul Welfens darum: O-Ton Es wird nur die Alternative geben hin zu einer politische Union, die dann auch gar keine Schwierigkeiten haben dürfte, international mit Eurobonds Haushaltsfinanzierung hinzu- bekommen. Aber hier ist doch eine große öffentliche Debatte notwendig. Ich glaube hier muss sehr verantwortlich versucht werden die europäische Chance für das 21. Jahrhundert zu nutzen, denn die Alternative wird der europäische Zerfall sein. Musik "Seid umschlungen, Millionen" 1