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Jede Menge, ja. - Würden Sie sich so was auch für Hertha wünschen? - Also jemand, der sich so verhält wie der Hopp, ja! - Na logisch, als Berliner, is ja logisch. Bloß wir ham sowat nich. Die feilschen jetzt um Pantelic, der will jetzt vier Millionen Jahresgehalt, und det kann sich Hertha gar nicht leisten, aber bei Hoffenheim jeht sowat. Ein kühler Novembersonntag im Berliner Olympiastadion. Hertha BSC tritt an gegen den Tabellenführer der Ersten Fußballbundesliga, die TSG 1899 Hoffenheim. Die Mannschaft aus der Rhein-Neckar-Region ist die Überraschung der Saison. Mit begeisterndem Offensiv- und Kombinationsspiel etablierte sie sich von Beginn an in der Spitzengruppe. Hauptarchitekt des rasanten Erfolgs ist SAP-Gründer und Sport-Mäzen Dietmar Hopp. Mit Hilfe seiner Millionen gelang dem Klub aus der 3.300-Seelen-Gemeinde südlich von Heidelberg der Durchmarsch von ganz unten bis in die Eliteklasse des deutschen Fußballs. Atmo 2: Registrierkasse-Geldgeklingel Take 2 (0:10) Schindelmeiser: Ja, das Geld von Dietmar Hopp spielt auch eine Rolle. Ohne die Möglichkeiten und die Unterstützung von Dietmar Hopp wäre es uns nicht möglich gewesen, diese Strukturen aufzubauen, die man braucht, um auch im Profifußball erfolgreich zu arbeiten. Bekennt freimütig Jan Schindelmeiser, der Manager von Hoffenheim. Diese Strukturen - damit meint er vor allem: ein schlagkräftiger Kader überwiegend junger talentierter Spieler, hervorragende Trainingsbedingungen, qualifiziertes Personal auf allen Positionen. Trainiert wird die Mannschaft seit zweieinhalb Jahren vom ehemaligen Schalke-Coach Ralf Rangnick; die Sport- und Nachwuchsförderung verantwortet der ehemalige Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters. Die Erfolgsstory der Hoffenheimer wird von den etablierten Klubs mit Bewunderung, aber auch einer Portion Neid verfolgt. Den Fans mancher Traditionsvereine gilt Hoffenheim als "Retortenklub" oder gar als Symbol für die Verschärfung kapitalistischer Tendenzen im Fußball. Fühlen sich die TSG-Verantwortlichen von dieser Kritik getroffen? Take 3 (0:30) Schindelmeiser: Nein, das ist einfach Blödsinn. Weil wir nicht den kommerziellen Fußball erfunden haben. Den gibt es schon ein paar Jahre. Und speziell auch unser Klub, der sich jetzt sei 1990 step by step nach oben bewegt hat, ist im Prinzip fast das Gegenbeispiel. Bei uns hat keiner den Klub gekauft. Herr Hopp ist nicht gekommen und hat dann irgendwann mal gesagt: in der Ersten Bundesliga, das ist ein interessantes Projekt, kauf ich mal den Verein, geben wir mal Geld und irgendwann zieh ich's mit Rendite wieder raus. Das ist bei ihm eher ne Herzensangelegenheit, und denkt dabei an Hoffenheim. Auch der Deutsche Fußballbund fühlt sich bemüssigt, Dietmar Hopp gegen seine militanten Kritiker zu verteidigen. DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach: Take 4 (0:35) Niersbach: Viel Neid, zuweilen sogar Hass ihm entgegen geschlagen, weil viele in dieser Fußballlandschaft mit dem Aufstieg nicht klar kommen. Dabei verkörpert er gerade nicht die Attribute eines Roman Abramowitsch, der von einem anderen Land einschwebt, sich einen Klub kauft, morgen vielleicht eine Supermarktkette oder eine Airline oder sich auf seinen diversen Yachten mit diversen Schönheiten ablichten lässt. Sagte Niersbach Ende Oktober in Frankfurt auf den Deutschen Sponsoring-Tagen, veranstaltet vom Magazin "Sport Business" des Deutschen Fachverlags. Dietmar Hopp wurde bei dieser Gelegenheit zum "Player des Jahres" gekürt. In einem Film über Hopps Verdienste heißt es: Take 5 (0:22) Filmausschnitt: Seine große Leidenschaft gehört dem Sport. Aber er sieht es auch als Pflicht an, anderen Menschen zu helfen und der Region etwas von seinem Wohlstand zurück zu geben. So wurde 1995 die Dietmar-Hopp-Stiftung ins Leben gerufen, um die Umsetzung ehrgeiziger gemeinnütziger Projekte zu ermöglichen. Einen Großteil seiner SAP-Aktien hat Hopp in die Stiftung eingebracht, die durch die Dividenden Förderzwecke erfüllen kann. Das Geld fließt in regionale Projekte aus den Bereichen Medizin, Bildung und Soziales. Und natürlich auch in den Sport. Hopp selbst zu Sinn und Zweck seiner Stiftung. Take 6 (0:14) Hopp: Unsere Philosophie ist es, den jungen Menschen neben dem Sport durch Bildung, Ausbildung und soziale Kompetenz den Weg ins Leben zu erleichtern. Auf den Sponsoringtagen ging es nicht nur um die Ehrung verdienter Sportmäzene. Zur Debatte stand auch die wirtschaftliche Situation der Fußball-Bundesliga und ihre Position in Europa. Überraschenderweise kann sich die deutsche Eliteliga im Vergleich zu anderen großen Fußball-Ländern durchaus sehen lassen. Stefan Ludwig vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte Take 7 (0:23) Ludwig: Die Fußball-Bundesliga ist in unserer letzten Betrachtung des Anual Review Football Finance umsatzmäßig auf der Position 2, vor Spanien, vor der italienischen Serie A. Sie ist beim Betriebsergebnis zum ersten Mal auf der Position 1, sie hat ne Umsatzmarge von 18 Prozent. Sie hat eine sehr gesunde Kostenstruktur, die auch langfristig weitere Investitionen in die Infrastruktur ermöglicht. Knapp 1,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Bundesliga in der Saison 2006/2007. Übertroffen nur von der englischen Premier League, die - vor allem dank wesentlich höherer Pay-TV-Einnahmen - auf 2,3 Milliarden Euro Umsatz kommt. Beim Gewinn rangiert die Bundesliga deutlich vor allen anderen europäischen Ligen, die teilweise sogar Verluste schreiben. Innerhalb der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gibt es dennoch auch unzufriedene Stimmen. Etwa die von Martin Kind, dem Präsidenten von Hannover 96. Take 8 (0:30) Kind: Wir haben einmal die sechs Vereine, die die oben stehen, und wenn Sie mal über die Jahre die Tabelle und die Umsatzgröße von Vereinen in eine Relation stellen, dann werden Sie feststellen, dass immer die gleichen Vereine oben sind und auch die internationalen Plätze unter sich ausspielen. Das andere sind dann die drei Vereine, die durch ihre Eigentümer oder ihre Finanzierstruktur sehr stark sind - Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim - und dann kommen die Vereine, die Umsätze ab 50 Millionen oder weniger machen... Klubs wie Energie Cottbus, Arminia Bielefeld oder eben Hannover 96. Take 9 (15) Kind: Diese Vereine sind unter Zukunftsbetrachtungen nicht wettbewerbsfähig, weil sie in der Regel einen zu geringen Umsatz haben, wenig oder keine Erträge erwirtschaften und eine deutlich zu geringe Eigenkapitalbasis in der Bilanz ausweisen. Im Grunde, so argumentiert Kind, sei die Liga eine Klassengesellschaft, eine klar in oben und unten gegliederte Vereinigung von Reichen und Habenichtsen. Dieser Zustand lässt sich für ihn nur mit Hilfe von außen ändern, zum Beispiel durch die finanzielle Unterstützung externer Investoren. Take 10 (0:20) Kind: Ich will aber für Hannover 96, dass wir diesen Verein sportlich und wirtschaftlich weiter entwickeln können, und dieses geht in Hannover nur dann, wenn wir uns Investoren aus der Region - wir wollen ja nur Investoren aus der Region Hannover - wenn wir uns diesen Investoren öffnen können, um Hannover 96 weiter zu entwickeln. Im Prinzip ist der Einstieg von Investoren bei den Vereinen zwar möglich. Allerdings nur mit einem Minderheitenanteil. Nach den Statuten der DFL müssen die Vereine auf jeden Fall Mehrheitsgesellschafter der Kapitalgesellschaften bleiben, in die die meisten Klubs ihre Profifußball-Abteilungen mittlerweile ausgegliedert haben. Mit dieser "50+1" genannten Regelung sollen "englische Verhältnisse" also der Kauf ganzer Vereine durch ausländische Milliardäre, verhindert werden. Martin Kind will diese Regel zu Fall bringen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert reagiert gelassen. Take 11 (0:19) Seifert: Diese 50+1-Frage ist Gegenstand der Satzung. Eine solche Satzung kann man ändern, da bedarf es einer Zweidrittel-Mehrheit. Und dann wird man sehen, inwiefern der Wunsch nach einer Zulassung von Investoren im Zuge der Öffnung einer 50+1-Klausel so stark ausgeprägt ist, dass sich dort eine Zweidrittel-Mehrheit findet. Unterstützung findet Seifert beim Präsidenten von Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen. Take 12 (0:25) Bruchhagen: Die 50+1-Regelung ist geschaffen worden, weil man damit die Wettbewerbsintegrität erhalten wollte. Die ist gegeben. Wir haben eine gut funktionierende Bundesliga. Darüber hinaus gibt die bestehende Struktur 50+1 auch Sponsoren genügend Gelegenheit, die Interessen des Vereins zu unterstützen. Da ist was dran. Auch unterhalb der Kapitalmehrheit können sich finanzstarke Investoren schon jetzt bei Vereinen engagieren. Allerdings ohne die Rechte, die eine Mehrheit dem Investor einräumen würde. Etwa das Recht, den Geschäftsführer zu bestellen, über Haushalt und Investitionen zu entscheiden oder sogar Einfluss auf die sportlichen Belange zu nehmen. Aktuellstes Beispiel dafür ist die TSG Hoffenheim, in der Dietmar Hopp als Investor, Mäzen und größter Fan des Klubs agiert. Aber geht sein Einfluss nicht weit über den 49prozentigen Anteil hinaus, den er offiziell am Klub besitzt? Manager Schindelmeiser Take 13 (0:13) Schindelmeiser: Ja, aber: Die Realität ist doch entscheidend. Sie sehen doch, dass unser Mäzen, unser Investor keinen Einfluss ausübt, sondern sagt: Das sind meine Leute, ich hab das maximale Vertrauen. Ihr trefft die Entscheidungen. Wenn ihr mich braucht, bin ich da. Im vergangenen Jahr investierte Dietmar Hopp rund 20 Millionen Euro Ablöse in ein halbes Dutzend Neuzugänge. Investitionen, die sich auszahlten. Denn Spieler wie Demba Ba, Chinedu Obasi oder Luiz Gustavo erzielen Woche für Woche wunderschöne Tore für den Newcomer der Liga. Paradiesische Verhältnisse, um die ärmere Klubs die Hoffenheimer beneiden dürften. Laufen die Wohltaten eines Mäzens nicht im Ergebnis auch auf eine Wettbewerbsverzerrung hinaus? Auf diese Frage reagiert TSG-Manager Schindelmeiser leicht gereizt. Take 14 (0:08) Schindelmeiser: Meinen Sie jetzt Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf Bayern München, HSV, Schalke, Dortmund, Leverkusen - meinen Sie diese Verzerrung? In der Bundesliga-Hinrunde bestimmten vor allem Klubs wie Hoffenheim, Bayern München und Bayer Leverkusen das sportliche Geschehen. Also: ein Klub mit millionenschwerem Mäzen, der notorische Ligakrösus und die Werkself eines multinationalen Unternehmens. Schießt Geld also doch Tore? Unbedingt, findet Tobias Kollmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformation an der Universität Duisburg-Essen. Take 15 (0:11) Kollmann: Die Wahrheit liegt schon lange nicht mehr nur auf dem Platz, sondern auch in der Bilanz. Weil, Hoffenheim zeigt es: mit Geld kann ich gute Spieler kaufen, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Tore schießen, ist dann einfach höher. Atmo 3 Geld und Torjubel An der Öffnung der Bundesliga für Investoren führt kein Weg vorbei, findet Professor Kollmann. Schon, um kleineren, finanzschwachen Vereinen ansatzweise mehr Chancengleichheit zu verschaffen. Hinter dem Widerstand vieler Klubs gegen eine Lockerung der 50+1-Regel wittert er eher durchsichtige Motive. Take 16 (0:14) Kollmann: Die großen Vereine sperren sich mit Sicherheit, weil sie natürlich keine Emporkömmlinge mögen oder gern neben sich sehen, weil sie sich den Markt sowohl sportlich als auch wirtschaftlich schon gut untereinander aufgeteilt haben. Zugleich hat er Verständnis für die widerstrebende Haltung der großen Vereine. Diese hätten schließlich über viele Jahre ihre Marke aufgebaut, mit sportlichen Erfolgen und einer treuen Fanbasis. Take 17 (0:14) Kollmann: Und wenn jetzt ein Hoffenheim kommt und von null auf 100 mit externem Geld auf Augenhöhe ist, dann ist das natürlich etwas, was man nicht so gern sieht, und deswegen ist die Zurückhaltung der großen Vereine durchaus verständlich. Schalke 04 ist ein solcher Verein, der auf seine Geschichte und Tradition besonders stolz ist. Schalke gehört zu der Handvoll Klubs, deren Profiabteilungen offiziell immer noch als eingetragener Verein firmieren. Schalkes Kapital sei vor allem die Treue seiner Mitglieder und Fans, beteuert der Vereinsvorsitzende Josef Schnusenberg. Vom Einstieg potentieller Investoren mag er nichts wissen. Take 18 (0:12) Schnusenberg: Wir können jetzt nicht hergehen und diesen Verein durch Fremdinvestoren bestimmen lassen, denn das würde die Seele des Vereins treffen und das können wir einfach nicht tun. Die Bilanz eines Fußballvereins, so Schnusenberg, bestehe eben nicht nur aus Soll und Haben, sondern auch aus Tradition und Leidenschaft. Schalke gehöre den Schalkern. Daher wäre es dumm, diese Marke fremden Investoren auszuliefern. Aber jenseits solch blumiger Ruhrpottnostalgie versucht natürlich auch Schalke, die ehrgeizigen sportlichen Pläne des Klubs zu befeuern: mit Hilfe lukrativer Sponsorenverträge, dem Verkauf von Namensrechten und anderen Finanzdeals. Einen klassischen Investor lehne man aber ab, stellt Schnusenberg klar. Take 19 (0:13) Schnusenberg: Es muss eigentlich jeder Verein für sich entscheiden, was er tut. Uns hat man ja auch nachgesagt, als wir seinerzeit den Vertrag mit Gasprom gemacht haben, dass Gasprom hier möglicherweise sone quasi Investorenrolle hatte, was aber nie der Fall gewesen ist. Das mag sein. Aber vielen Schalke-Fans sind schon die Verträge mit Gasprom ein Dorn im Auge. Ganz zu schweigen von Finanzmanövern wie die Verpfändung von Ticketeinnahmen. So geschehen vor einigen Jahren, als der Verein dem Versicherungsunternehmen Schechter den größten Teil der Ticketerlöse über 24 Jahre für 85 Millionen Euro abtrat. Was Traditionalisten eher abschreckt, sei letztlich ganz normales Geschäftsgebaren, findet Philipp Grothe vom internationalen Sportvermarkter Kentauro. Über Begriffe wie Vereinstradition kann er nur lächeln. Take 20 (0:30) Grothe: Die Bundesliga muss weg von der Nabelschau und von der Politik in den Hinterzimmern. Das heißt, sie muss sich öffnen und dazu gehört auch die Öffnung zu den Kapitalmärkten. Ich glaube, keiner wird heute ernsthaft mehr bestreiten, dass Profifußball ein Wirtschaftsgut ist. Und dann muss ich mich auch den allgemeinen Regeln unterwerfen, und die sind ja auch in diesem Fall durch europäisches Recht vorgegeben, dass ich hier keine Diskriminierung von Investoren vorsehe. Auch Professor Kollmann plädiert für eine entsprechende Öffnung der Bundesliga. Ihm liegt dabei hauptsächlich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine in Europa am Herzen. Take 21 (0:22) Kollmann: Wenn wir uns die Champions League im letzten Jahr anschauen, dann waren drei von vier Vereinen im Halbfinale englische Klubs, die entsprechende Kapitalgeber haben und die sich dann eben auch die Spieler leisten können, die dann eben diesen Erfolg auf internationaler Ebene erzielen. Um diesen Vorsprung nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auf internationaler Ebene aufzuholen, sind die Vereine auf Kapital angewiesen. Modell Deutschland: Wirtschaftlich vorbildlich, aber sportlich in der UEFA-Wertung nur auf Rang vier? An diesem Missverhältnis könne nur die investorenfeindliche Politik der DFL schuld sein, mosern manche Kritiker. Um zu überprüfen, ob das stimmt, lohnt es sich, einen Blick auf die Verhältnisse in der englischen Premier League zu werfen. Englische Fußballklubs sind teilweise seit mehr als 100 Jahren als Kapitalgesellschaften mit externen Investoren organisiert. In den letzten Jahren schafften es Meldungen über spektakuläre Übernahmen ganzer Vereine durch ausländische Milliardäre immer wieder auf die Titelseiten. Als Prototyp des verrückten Investors gilt der russische Öl-Magnat Roman Abramowitsch, seitdem er vor fünf Jahren den Londoner Stadtteilclub FC Chelsea kaufte und mit verschwenderischen Spielerverpflichtungen gezielt zur Elitetruppe trimmen ließ. Wie lautet noch mal ein Einwand der Liberalisierungsgegner in Deutschland? Eintracht-Frankfurt- Präsident Bruchhagen: Take 22 (0:18) Bruchhagen: Investoren sind traditionell renditeorientiert, und dabei wird es bleiben. Und wir wollen nicht, dass aus dem Kreislauf der Bundesliga eine dritte oder vierte Berufsgruppe partizipiert und nach den Spielerberatern auch noch zusätzlich dem Kreislauf der Bundesliga dann langfristig Geld entzieht. Renditeorientierung? Kapitalentnahme? Das sieht Kentauro-Mann Grothe aus der Vermarkterperspektive ganz anders. Take 23 (0:20) Grothe: Da gibt's also einen fußballverrückten Milliardär irgendwo aus Russland, der in den letzten Jahren 750 Millionen Euro bei Chelsea investiert hat. Dieses Geld ist zu großen Teilen in den europäischen Transfermarkt oder Kreislauf rein gekommen, also ich würd sagen, der eine oder andere Bundesligaverein hat von diesem Geld - zumindest indirekt - auch profitiert. Wenn hierzulande am Beispiel Abramowitsch Investoren-Bashing betrieben wird, liegt offenbar ein grundsätzliches Missverständnis vor. Das meint zumindest DFL-Geschäftsführer Seifert: Take 24 (0:22) Seifert: Wenn wir heute über Investoren sprechen und meinen damit die Investoren in England, dann sind das zum Großteil keine Investoren, sondern das sind sehr reiche Menschen, die sehr viel Geld in einen Klub stecken und die's nicht mehr zurück haben wollen. Und dann jährlich die negativen Ergebnisse der Klubs aus der Privatschatulle ausgleichen. Das hat ja relativ wenig mit Investor zu tun. Ein Investor möchte in der Regel sein Geld zurück. Der FC Chelsea hat als Steckenpferd von Eigentümer Abramowitsch in den vergangenen fünf Jahren Verluste von mehr als einer Dreiviertel-Milliarde Euro angehäuft, schuldet aber den Banken keinen Cent. Abramowitsch hat dem Klub zinsfreie Darlehen gewährt, die bislang nicht zurückgezahlt werden müssen. Offenbar ist er eher Mäzen als Investor. Take 25 (0:20) Grothe: Herr Abramowitsch hätte ja auch in Kunst oder junge Damen oder Rennpferde investieren können - nein, er hat dieses Geld in den Fußball gesteckt, und das ist in erster Linie ja ein Glücksfall. Das heißt, ich würde mal provokativ die These auf den Markt schmeißen: Wir brauchen mehr Abramowitsche! Eine These, die DFL-Geschäftsführer Seifert wohl kaum unterschreiben würde. Ebenso wenig wie Dieter Hoeness, der Manager von Hertha BSC Berlin. Take 26 (24) Hoeneß: Der Club Chelsea ist mit 1,1 Milliarden Pfund verschuldet an Abramowitsch. Sollte Abramowitsch irgendwann einmal keine Lust mehr haben, gibt es den Verein Chelsea London wahrscheinlich nicht mehr. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgend jemand gibt, der bereit ist, diese 1,1 Mrd. abzulösen und dann noch darüber hinaus den Klub zu kaufen. Das sind eben die Gefahren. Schalke-Chef Schnusenberg graut jedenfalls vor englischen Verhältnissen. Take 27 (0:25) Schnusenberg: Wenn dieses Modell und die Investoren, die da in England unterwegs sind, auch in Europa breit machen und das immer mehr dazu führt, dass letztlich weder Eigentümer noch Spieler eigentlich irgendwas mit dem Verein zu tun haben, sondern einfach nur noch reine Wirtschaftsunternehmen sind, wo auch völlig egal ist, welche Spieler da auf dem Platz sind - das kann's nicht sein und das kann auch nicht die Tradition von Schalke 04 sein. Solche Äußerungen treffen je nach Standort entweder auf Sympathie oder auf mitleidiges Lächeln. Der Fußball, so die Position der Romantiker verdanke seine Faszination auch seiner Unberechenbarkeit. Der wahre Fan will nicht wahr haben, dass er durch Geld korrumpiert werden kann. Die Hoffnung, dass das nächste Spiel - egal welche Kapitalmassen hinter dem Gegner stehen- gewonnen werden kann - stirbt bekanntlich zuletzt. Diese Hoffung erweist sich jedoch mehr und mehr als frommer Selbstbetrug. Dabei weiß auch Schalke-Chef Schnusenberg: Take 28 (0:28) Schnusenberg: Natürlich schießt Geld Tore, und wir werden das in den nächsten Jahren noch schmerzlich erfahren, nicht nur hier bei uns in der Liga, sondern... ...erst recht in den europäischen Pokal-Wettbewerben. Einen Vorgeschmack auf solch schmerzliche Erfahrungen bekam Schalke 04 bereits, als man in der Gruppenphase des UEFA-Pokals am 27. November in der heimischen Arena auf das Team von Manchester City traf. ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein Take 29 (0:14) Müller-Hohenstein: Ja, ein Sieg gegen Manchester City, das sagt sich so leicht. Aber Manchester City ist ja nicht irgendwer. Ein Verein, der seit kurzem richtig viel Geld hat. Geld aus Abu Dhabi. Geld aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Geld, das dem 31jährigen Scheich Sulaiman Al-Fahim gehört. Musik (0:05) Ideal: Blaue Augen Für 250 Millionen Euro übernahm er den bislang sportlich nicht sonderlich ernst genommenen Lokalrivalen von ManU. Als Einstandgeschenk für die Citizens verpflichtete er den brasilianischen Nationalstürmer Robinho. Weitere 625 Millionen Euro stellte er bereit, um den Klub in der Winterpause gezielt mit weiteren Cracks zu verstärken. Er werde City zum größten Klub der Welt machen, prahlt der Scheich, größer als Manchester United und Real Madrid. Ein Ausschnitt aus dem Bericht, den das ZDF vor der Übertragung der Partie sendete. Take 30 (0:23) Ausschnitt ZDF-Bericht: Wir meinen es ernst. Robinho haben wir von Real Madrid gekauft. Und wir sind fest entschlossen, dem Verein noch weitere Weltklassespieler zu verschaffen. Robinho hat schon acht Tore in 11 Ligaspielen erzielt und auch schon im UEFA-Cup getroffen, gegen Twente. Heute aber fällt der brasilianische Wunderknabe überraschend aus. Auch ohne Robinho schlägt Manchester City C die Schalker in Gelsenkirchen mit 2:0. Atmo 4 (0:10) Geldklingeln und Torjubel Da also Geld doch Tore schießt, dürften sich die Befürworter einer liberaleren Investorenregelung bestätigt fühlen. Ökonomieprofessor Tobias Kollmann ist der Auffassung, dass die Zeit reif ist für ein Umdenken. Er entwickelte eine Reihe von Modellen, die den Einstieg von Unternehmen oder Privatpersonen in einen Verein ermöglichen. Nach seiner Auffassung lässt sich einiges auch schon unterhalb der 50+1-Regel machen. Take 31 (0:35) Kollmann: Es kommt hier auf das Zusammenspiel zwischen dem Investor und dem Management im Verein an. Wenn hier ein Schulterschluss gelingt, sodass ein gegenseitiges Vertrauen da ist, ist der Investor nicht unmittelbar angewiesen auf die Mehrheit, sondern er setzt auf ein Team, wo er ein Teil ist und die Entscheidungen werden dann eh gemeinschaftlich getroffen, ohne dass der eine oder andere als Gegner gesehen wird. Alle haben die gleiche Vision, verfolgen das gleiche Konzept, und dann funktioniert das auch unter der 50+1-Regel, und das zeigt Hoffenheim eindeutig. Das klassische Modell des strategischen Investors, bei dem das Unternehmen sich mit einem Verein so intensiv verbindet, dass imagemässig nahezu eine Einheit entsteht, kennt die Bundesliga bereits. Bei strenger Beurteilung sind mit der Duldung von Werksmannschaften wie Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg schon zwei Präzedenzfälle für unlauteren Wettbewerb gegeben. Auch Bayern München kooperiert mit einem solchen Investor: der Sportartikelhersteller adidas verfügt über einen Minderheitsanteil von zehn Prozent. Für Hertha-BSC-Manager Dieter Hoeness, der ansonsten einen allzu hohen Investoreneinfluss ablehnt, eine nachahmenswerte Lösung. Take 32 (0:25) Hoeneß: Die ideale Konstellation ist das, was Bayern München mit adidas macht. Ein Partner, der an die Entwicklung des Klubs glaubt, der aber gleichzeitig natürlich strategische Überlegungen mit diesem Engagement verbindet. Das macht Sinn aus unserer Sicht, und da könnten wir uns durchaus vorstellen, 20-25 Prozent von Hertha an einen strategischen Partner abzugeben. Das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Ökonom Kollmann denkt aber nicht allein an die etablierten Vereine. Selbst Traditionsklubs, die mangels finanzieller Unterstützung längst in den Niederungen des Amateurfußballs gelandet sind, könnten - so glaubt er - mit Investorenhilfe eine neue Blüte erleben. Take 33 (0:20) Kollmann: Wenn ich dieses Werksmodell mir noch mal vor Augen führe - als weitere Alternative könnte beispielsweise ein Bonner SC mit einer Telekom im Rücken es Leverkusen mit Bayer 04 und Wolfsburg mit Volkswagen gleichtun, und eben hier auf ein entsprechendes Modell setzen. Besonders interessant erscheint das so genannte Fanfondsmodell. Hier versuchen Fans, ihrem Klub durch den Erwerb kleiner Anteile zu mehr Kapital zu verhelfen. Eine Variante, die sich vor allem für Vereine mit gesunder Fanbasis eignet. Schalke-Boss Schnusenberg wiegelt ab. Take 34 (0:09) Schnusenberg: Faninvestoren halte ich für illusorisch. Unsere Fans gehören nicht zu den Reichsten dieser Liga, und was die tun können für den Verein, das tun sie schon. Kollmann dagegen findet, man solle die Kraft der Fans nicht unterschätzen. Nach dem Motto: Viele Fans mit einem kleinen Budget können genauso wertvoll sein wie ein großer Investor mit großem Budget. Außerdem gehe es nicht in erster Linie darum, den Fans Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern ihnen als Gegenleistung nicht nur die Anteile, sondern auch emotionale Werte zu bieten. Take 35 (0:22) Kollmann: Wie beispielsweise ein Training mit der Mannschaft, gemeinsam organisierte Auswärtsfahrten mit Mannschaften ins Trainingslager, exklusives Fragerecht auf der Pressekonferenz, die Hinzunehme einer Loge speziell für diesen Kreis, vielleicht sogar ein Sitz im Kontrollgremium des Vereins, was aus diesem Kreis gewählt werden könnte. Da gibt es einige Möglichkeiten... Einstweilen scheinen die Klubs der Deutschen Fußball-Liga mehrheitlich am Status Quo festhalten zu wollen. Bleibt die DFL hart, droht Hannover-96-Präsident Martin Kind vorsorglich eine Klage an. Take 36 (0:10) Kind: Wenn es ein Votum nicht gibt, dann wird es eine Rechtsklärung, die ich auch im Interesse der DFL, aber auch der Vereine sehe, dann wird es diese Rechtsklärung geben. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert gibt sich zurückhaltend: Take 37 (0:13) Seifert: Letztlich muss die Liga entscheiden, ob sie das will, und der Herr Kind wird hinterher entscheiden müssen, ob er gegen ein klares Meinungsbild in der Liga dann klagen will, um in dieser Liga mitzuspielen. Und die Liga muss dann, falls das so kommt, abwägen, wie sie darauf reagieren möchte. Die Erfolgsaussichten einer Klage schätzt der auf Sportrecht spezialisierte Anwalt Markus Körner von der Kanzlei Bird & Bird gar nicht so schlecht ein. Geklärt werden müsse vor allem die Zulässigkeit der 50+1-Regel. Take 38 (0:15) Körner: Gibt's einen Rechtfertigungsgrund für diese Regelung? Ist sie im Zweifel geeignet, erforderlich und angemessen, um sozusagen als Ausnahme zugelassen zu werden, weil sie grundsätzlich natürlich die europäischen Grundfreiheiten beschränkt, also die des Vereins, auf Investorensuche zu gehen oder auf Mehrheitsinvestorensuche. Körner empfiehlt den Kontrahenten, sich auf einen Kompromiss zu verständigen. Sonst könne die Liga vom Regen in die Traufe geraten. Take 39 (0:25) Körner: Das Risiko der DFL wird sicherlich darin liegen, dass, wenn es gerichtlich geprüft wird und die Klausel kippt oder die Regel kippt, dann kann es noch ein weitaus freieres Spiel der Kräfte geben, als über eine Verbandslösung erzielt werden könnte. Also das könnte dann möglicherweise im Ergebnis sogar nachteiliger für Vereine oder auch Liga sein. Nicht ausgeschlossen, dass sich die Liga daher auf ein Konsensmodell einigt. Ventiliert wird eine Lösung, bei der Investoren ihr finanzielles Engagement bei einem Verein über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren garantieren müssen. Kommt es zum Crash, würden demnach alle Rechte unentgeltlich an den Mutterverein zurück fallen. Ein Dorn im Auge ist vielen Vereinsoberen weiterhin die Aussicht, dass potentielle Investoren sich im Verein als Renditejäger betätigen. Stellvertretend für diese Fraktion Schalke-Boss Josef Schnusenberg. Take 40 (0:16) Schnusenberg: Der Verein soll Geld verdienen, aber dafür Geld verdienen, dass er's in seine eigenen Strukturen, in die Jugendarbeit und in die Förderung des Fußballs wieder reinvestiert, und nicht an Fremdinvestoren weiter gibt. Ganz ohne Gewinnausschüttung wird es bei echten Investoren nicht gehen, urteilt Ökonom Tobias Kollmann. Warum also keine Kompromisslösung? Take 41 (0:20) Kollmann: Die Frage ist: Wie gehe ich mit diesem Gewinn um? Werden die zu 100 Prozent wieder investiert in neue Spieler oder in Infrastruktur? Oder sage ich: Davon gehen 10 Prozent als Rendite an meine Investoren und mit dem Rest kann ich immer noch die Ziele erreichen, die ich als Fußballverein habe, und schon habe ich dieses "Problem" gelöst. Kentauro-Mann Philip Grothe glaubt, dass sich die Sache möglicherweise bald von allein erledigt. Take 42 (018) Grothe: Irgendwann ist vielleicht auch die Bundesliga so attraktiv, dass es Investoren vielleicht aus China, aus dem Mittleren Osten, aus Russland kommen, die sich um die Abstufungen, die hier diskutiert werden, nicht scheren und die einfach nur die Kontrolle haben wollen. Und dann wird son Ding auch vor Gericht, im Grunde genommen vorm Amtsgericht Lüneburg fallen. Professor Kollmann empfiehlt der Bundesliga, sich von einer fruchtlosen Ja-Nein-Debatte zu lösen. Am Trend zur stärkeren Einbindung von Investoren führe mittelfristig kein Weg vorbei. Take 43 (0:16) Kollmann: Ich glaube, dass in 10 Jahren die Hälfte der Bundesligavereine über externe Investoren in dem einen oder anderen Modell verfügt, dass wir aber in der DFL genug Kompetenz sitzen haben, um das zu gestalten. Take 44 (0:15) Schlusspfiff Hertha-Hoffenheim, Stadionsprecher: Liebe Fußballfreunde, das Spiel ist aus. Hertha BSC schlägt den Tabellenführer aus Hoffenheim mit 1:0. Im Berliner Olympiastadion endet die Partie zwischen Hertha und Hoffenheim mit einer faustdicken Überraschung. Der hohe Favorit Hoffenheim unterliegt der Heimmannschaft mit 0:1. Auf der anschließenden Pressekonferenz fragt ein Reporter Hoffenheim-Trainer Ralf Rangnick, warum seine Männer nicht so gut gespielt haben wie in den Wochen zuvor. Take 45 (0:14) Rangnick: Erstens mal sind es keine Maschinen. Und ich denke, das kann auch niemand erwarten, dass Spieler Woche für Woche, über Monate hinweg immer im Bereich von 100 Prozent spielen. Das ist ja das Tröstliche am Fußball. Geld schießt eben doch keine Tore. Jedenfalls nicht immer. Schlussmusik (instrumental) Bots: Was wollen wir trinken? Eingesetzte Musik: 1- Ideal: Blaue Augen. Aus Die ultimative Chart-Show WEA Records/Warner Music Germany 1980 DE-A62-9260600 2. Bots: Sieben Tage lang. Aus: Fetenhits - The Best of Real Classics Universal Music NL-UM7-07-00160 1