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Sprecherin: Als der Schriftsteller Franz Hessel 1929 in dem Buch "Spazieren in Berlin" seine Eindrücke aus dem Berliner Osram-Werk schildert, ist das elektrische Licht auch in Deutschland längst Normalität geworden. Zitator: "Aus dem, was diese Menschen schaffen, kommt Licht in dein kleines Zimmer und wandert Häuserfronten entlang, bestrahlt, preist an, wirbt und baut um. Leuchtende Kannelüren an der Decke eines Riesenraums bilden ein festliches Zeltdach von Licht. Konturenbeleuchtung gliedert die Fassade eines Hauses, Flutlicht durchblutet Schaufenster, blaue Taglichtlampen strahlen im Seidensaal, und der Stoff, den der Verkäufer vorlegt, hat die Farbe, die ihm sonst die Sonne gibt." Musik: Paul Linke "Glühwürmchen" Sprecherin: Die Glühbirne ist in ihrer Einfachheit bis heute unübertroffen: eine schlichte Aluminiumfassung, ein gewölbter Glaskolben, ein Schutzglas gegen den Verschleiß des Glühfadens und ein hauchdünnes Wolfram-Fädchen, das bei der Entladung elektrischer Spannungen effektvoll zu glühen beginnt. Seit 1935 wird sie in dieser Form unverändert produziert. Atmo: elektrische Funken hoch, kurz stehen lassen Sprecherin: Neben der Dampfmaschine, dem Telegrafen und dem Auto gilt die Glühbirne bis heute als eine der wichtigsten Erfindungen der Moderne. Szene: Kundin: Guten Tag, hallo! Verkäufer: Was kann ich tun? Kundin: Ja, ich würde gerne eine 60 Watt Glühbirne kaufen. Verkäufer: Die werden sie bei mir nicht kriegen, woanders auch nicht so leicht. Es gibt noch manche Geschäfte, die Restbestände haben. Ansonsten müssten sie alternativ eine Energiesparbirne nehmen. Aber die klassische alte Glühbirne, die sind in den letzten Jahren Stück für Stück vom Markt verschwunden. Sprecherin: Wie das? Wie kann eine Erfindung, die das industrielle Leben wie kaum eine andere bestimmt hat, einfach verschwinden? Eine Spurensuche. Atmo Glühbirne wird zerschmettert Sprecher: Anfang Dezember 2008 bringt die EU-Kommission die schrittweise Abschaffung der konventionellen Glühlampen auf den Weg, um den Klimawandel zu stoppen, wie es heißt. Bis 2012 soll EU-weit dann der Verkauf sämtlicher herkömmlicher Glühlampen verboten sein. Musik Bee Gees: Edison Sprecherin: Es ist der Amerikaner Thomas Alva Edison, der die Glühbirne zu einem Star der Industriegeschichte macht. 1880 reicht er sein Basispatent Nr. 223898 beim amerikanischen Patentamt ein. Es gilt nicht der Erfindung, sondern der Verbesserung der Glühlampe. Denn Edison war keineswegs der Erste, der Drähte zum Glühen brachte. O-Ton 1 (Krajewski): Auf der einen Seite, das ganze systemisch zu denken, also eben tatsächlich die Glühlampe nicht nur als einzelnes Objekt anzubieten, sondern als Bausatz- Ensemble zusammen eben mit einer Energieversorgung, die Generatoren, die wiederum nicht verkauft wurden, sondern so wie heute im Besitz der Unternehmen bleiben, und man eben nach Verbrauch bezahlen muss. Sprecherin: Der Kulturwissenschaftler Markus Krajewski von der Bauhaus- Universität Weimar sieht Edisons Verdienst in zwei weiterführenden Einsichten: O-Ton 2(Krajewski): Dann natürlich das gesamte Verkabelungsgeschehen, das eben auch von den Elektrokonzernen abgewickelt wird, plus eben Lichtschalter, plus Sockel, alles, was dazugehört. Der Sockel E27, so wie er heute neben dem E14 immer noch handelsüblich ist, geht letztlich auf Edison zurück - das E bei E27 steht für Edison. Das ist der eine Punkt, die systemische Sichtweise auf diese Technologie. Und der andere Punkt sind sehr akribische, umfangreiche, aufwendige Experimente, was denn das beste Material ist, um einen Glühfaden herzustellen. Sprecherin: Keinem anderen vor Edison war es gelungen, die Glühbirne dauerhaft funktionstüchtig zu machen. Er und seine Mitarbeiter hatten Jahrelang die Eigenschaften von leitfähigen Materialien erforscht. Bis sie eines Tages bei einer langfaserigen Bambusart gelandet waren, die sich, wohlgemerkt im verkohlten Zustand, als besonders leitfähig erwies. Die Belastbarkeit durch den Strom war gut und die Lichtausbeute enorm. Nur die Produktion der hauchdünnen Kohlefäden hatte ihre Tücken. Über zwanzig Jahre leistete dieser Kohlefaden gute Dienste, bis er um 1905 nach und nach durch Metalldrähte, sogenannte seltene Erden, ersetzt wurde: Osmium, Tantal und Wolfram hießen die neuen Elemente, mit denen von nun an experimentiert wurde. O-Ton 3 (Krajewski): Zwischen dieser ersten Erkenntnis und der technischen Reife eines solchen Produktes liegen natürlich viele Zwischenschritte, die nicht von Edison gemacht wurden, sondern es gab, ja, fast so viele Glühlampenerfinder wie es rivalisierende Nationen anschließend gibt, die sich damit schmücken. Also in Russland gibt es genauso einen ersten Erfinder der Glühlampe wie in Italien, wie in Deutschland Göbel, der in die USA ausgewandert ist und dort schon Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Schaufenster erleuchtet. Sprecherin: Heinrich Göbel kam ursprünglich aus Springe bei Hannover und erlangte Berühmtheit wegen seiner Behauptung, schon 1850 die ersten Glühlampen mit Kohleglühfaden hergestellt zu haben. Er gewann sogar einen Patentprozess in New York. O-Ton 4 (Höge): ... aber das hat ihm nichts genutzt, weil er kurz danach gestorben ist. Sprecherin: Der Journalist Helmut Höge. Seit den achtziger Jahren beschäftigt er sich nicht nur mit den Gewinnern, sondern auch mit den Verlierern der internationalen Lichtwirtschaft, zu denen auch Göbel zählt. O-Ton 5 (Höge): Er war ein Optische-Geräte-Basteler, ist dann eben nach 48 aus Deutschland raus und hat dann in New York angefangen ganz bescheiden mit dem Fernrohr durch die Straßen ... und dann konnte man eben so für 10 Cent den Himmel nachts beobachten und dann hat er noch als Attraktion auf sein Haus aus einer Parfumflasche so eine Glühbirne gemacht. Kam die Polizei, hat's ihm verboten. Man war da so lichtempfindlich, das war schon bei den Gasleuchten so, dass man gesagt hat, das ist ja heller als die Sonne, dabei würden wir heute nicht mal lesen können dabei. Sprecherin: Auch wenn Göbel also möglicherweise der wahre Erfinder der Glühlampe war, das wirtschaftliche Potential der neuen Technologie nutzte keiner so entschieden wie Thomas Edison. Durch ihn ging das elektrische Licht nicht nur in Serie, sondern gelangte auch in die guten Stuben des Bürgertums. Musik: Count Basie: Glowworm Sprecherin: Das kam einer Sensation gleich. 1881 machte sich deshalb ein weiterer Visionär auf den Weg zum ewigen Licht. Emil Rathenau fuhr nach Paris, wo Thomas Alva Edison auf der Elektrizitätsausstellung erstmals sein neues Produkt, die Glühbirne, präsentierte. Atmo Lichtschalter O-Ton 6 (Krajewski): Rathenau hat eben gleich erkannt, dass das nicht nur ein faszinierendes Produkt oder Objekt ist, sondern, dass da ein ganzes System hinter steckt. Weil mit der Glühlampe allein kriegt man noch kein Licht in die Wohnung. Man benötigt dazu Generatoren, man benötigt dazu ein Elektrizitätsnetz, was über große Flächen Energie eben bereitstellt. All das ist ein Geschäftsfeld gewesen, was es einfach noch nicht gab. Sprecherin: Rathenau war das deutsche Pendant zu Edison. Zwei Jahre nach seiner Paris-Reise, 1883, gründet Rathenau die "Deutsche Edisongesellschaft" in Berlin. Vier Jahre später benennt er sie um in "Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft". Mit Gründung der AEG emanzipiert sich die deutsche Glühlichtwirtschaft von ihren amerikanischen Patentgebern. Sie baut eigene Elektrizitätswerke, nutzt bereits durch die Gasversorgung vorhandene Infrastrukturen und beginnt mit der Produktion von Glühlampen. O-Ton 7 (Krajewski): Der Witz der Glühlampe ist, es macht das Licht klein, man kann es addieren, man kann damit einen Raum insofern gut ausleuchten, weil man damit einzelne Winkel illuminieren kann. Man kann natürlich mehrere Glühlampen zusammennehmen zu einem Kronleuchter und damit ein breiteres Licht erzeugen. Musik: Stockhausen Sprecherin: Weil das Potential der Glühbirne in ihrer Kleinteiligkeit und damit vor allem in ihrer Massentauglichkeit liegt, wird sie schon bald zum heiß umkämpften Wirtschaftsgut. Mehr noch. Licht ist ein wesentlicher Entwicklungsschritt in der Kultur-Geschichte der Menschheit. Zitator: Fünfzig Jahre intensiven Nachdenkens haben mich der Antwort auf die Frage "Was ist Licht?" nicht näher gebracht. Natürlich bildet sich heute jeder Wicht ein, er wisse die Antwort. Doch da täuscht er sich." Sprecherin: Erwidert Albert Einstein auf die Frage, die die internationale Lichtindustrie mit folgender Norm beantwortete: Zitator: Licht ist die Summe jener elektromagnetischen Wellenlängen, die der Mensch bewusst wahrnimmt. Sprecherin: Die vielen Normen, Festlegungen und Definitionen rund ums Licht zeigen, was der Markt für Glühlampentechnik eigentlich bedeutet. Glühbirne geht kaputt Sprecher: September 2009: die erste Phase des EU-weiten Glühlampenverbots tritt in Kraft. Ab sofort sind alle Glüh- und Halogenlampen mit mattiertem Glas und alle 100 Watt Birnen verboten. Sprecherin: Es geht um Macht- und Wirtschaftinteressen. Das ist heute so wie damals. In Deutschland sind das vor allem die Interessen von: O-Ton 8 (Krajewski): AEG und Siemens und die Deutsche Augergesellschaft: Das ist sozusagen das, was nach dem Ersten Weltkrieg übrig bleibt, und die setzen sich zusammen, weil sie merken, dass sie nur noch drei Firmen sind, die im Deutschen Reich das ganze Marktgeschehen beherrschen und überlegen sich, wie kann man eigentlich diesen Markt besser aufteilen, so dass man sich nicht mehr gegenseitig Konkurrenz macht. So kommt es, dass 1919 OSRAM gegründet wird, als ein Zusammenschluss aus diesen drei Firmen, mit dem Effekt, dass es eigentlich nur noch einen großen Hersteller gibt, der damit quasi ein Monopol für sich erschafft. Sprecherin: Auch in anderen Ländern steht inzwischen jeweils nur noch ein großer Anbieter bereit - zum Beispiel Philips in den Niederlanden. Die Konkurrenz verlagert sich damit von der nationalen auf die internationale Ebene, erzählt Kulturwissenschaftler Markus Krajewski weiter. O-Ton 9 (Krajewski): Philips konkurriert mit OSRAM, OSRAM konkurriert mit Philips und Tungsram, dem ungarischen Hersteller. Die wiederum konkurrieren mit der amerikanischen Edison Gesellschaft, also General Electric usw. Auch hier sind die Kommunikationswege kurz und die Leiter der Unternehmen kennen sich alle und beschließen irgendwann, dass es vielleicht weniger sinnvoll ist, sich weiterhin Konkurrenz zu machen, sondern dass es für alle Beteiligten hilfreich ist, sich zusammenzusetzen und Wissen auszutauschen. Sprecherin: Im Klartext heißt das: Man legt die Patente der unterschiedlichen Gesellschaften zusammen und jeder darf sich bedienen. O-Ton 10 (Krajewski): Der ökonomische Aspekt daran ist, dass man, wenn man die Technik soweit im Griff hat, natürlich auch den Markt beliebig beherrschen kann, insofern, dass man ein Objekt, was üblicherweise 1500, 2000 Stunden lang hält, was so lange glüht, ohne dass in irgendeiner Weise ein Abstrich in der Qualität zu machen wäre, dass man sich dann überlegt: Na ja, vielleicht ist es für uns als Hersteller sehr viel lukrativer, wenn es nur halb solange brennt. Dementsprechend tauchen ab den 1920er Jahren Initiativen auf, dass man die bis dahin durchaus bei 1500/2000 Stunden befindliche Lebensdauer einer Glühbirne künstlich verknappt, vermindert auf seinerzeit eben 1000 Stunden. Sprecherin: Am 24. Dezember 1924, in einer ohnehin beleuchtungsintensiven Jahreszeit, gründen die beteiligten Firmen das Mantelunternehmen namens Phoebus. Es liegt in der damals extrem wirtschaftsliberalen Schweiz und bietet fortan die rechtliche Grundlage für die künstliche Verkürzung der Glühdauer von Glühbirnen. Mit Phoebus gelingt zum ersten Mal ein globales Kartell, das die gesamte Glühlampen-Industrie weltweit mit einschließt. Die Brenndauer der Glühbirne ist damit auf 1000 Stunden verbindlich festgelegt. Einzelgänger und Absprachen-Verweigerer werden kurzerhand in den Ruin getrieben. Das internationale Glühbirnen- Monopol ist damit endgültig besiegelt. O-Ton 11 (Krajewski): Das ist deshalb keine Verschwörung, weil das keine wilden Gerüchte sind, sondern eben harte nachweisbare Wirtschaftsgeschichte, was alles in Akten festgeschrieben ist, und diese Akten sind einige Regalmeter, befinden sich in Berlin im Landesarchiv und sind gut lesbar, wo man genau heraus lesen kann, was an technischem Aufwand auch betrieben werden musste, um die Glühlampenbrenndauer auch auf 1000 Stunden zu begrenzen. Atmo Gong hoch, stehen lassen, unterlegen Zitator: "Keine zwei Wochen vergehen, und ein Gongschlag hallt durch die Eis- und Felsenkorridore des Phoebus-Hauptquartiers. Gesichter blicken kurz von ihren Skalen und Armaturen auf. Gongschläge hört man nicht gerade häufig hier. Ein Gong ist was Besonders." Sprecherin: Viele Jahre später nimmt Thomas Pynchon das Mantelunternehmen Phoebus in seine 1973 veröffentlichte Fabel von "Byron die Birne" mit auf. Darin fristet Byron nach den Kriterien des Kartells ein viel zu langes Dasein in einer Charlottenburger Opium-Höhle. Phoebus schickt daraufhin einen Schlägertrupp nach Berlin, um dem ewigen Leben des kleinen Byron ein Ende zu bereiten. Zitator: "Byron hat die 1000-Stunden-Grenze passiert, und was nun geschieht, ist genau geregelt: das Komitee für Leuchtanomalien setzt einen Zerschläger nach Berlin in Marsch." Atmo Gong dann Musik Stockhausen Sprecherin: Tatsächlich hat es in der Geschichte der Glühlampe, trotz des Phoebus-Kartells, immer wieder solch lang glühenden Ausnahmen gegeben. So leuchtet seit 1901 das Kohlefaden-Modell einer Glühlampe in einer Kalifornischen Feuerwache. Seit Mitte der neunziger Jahre wird das Ganze per Webcam dokumentiert. Die Kamera musste inzwischen mehrfach ausgetauscht werden, die Glühbirne aber leuchtet noch immer wacker weiter. Musik weg mit Lichtschalter Sprecherin: Aber es gab in der Geschichte der Glühbirne immer wieder auch Hersteller, die es ganz bewusst auf die Langlebigkeit ihres Erzeugnisses angelegt hatten. So waren sozialistische Länder aus Gründen der Ressourcenschonung darauf erpicht, möglichst haltbare Lampen an ihre Bürger zu verteilen. Angeblich bringen es bestimmte chinesische Lampen noch heute auf eine Glühdauer von bis zu 5000 Stunden. Und der westdeutsche Ingenieur Dieter Binninger entwickelte Ende der siebziger Jahre die sogenannte "Ewigkeitsglühbirne". Helmut Höge hat ihn kurz vor seinem Tod noch Anfang der 1990er Jahre getroffen. O-Ton 12 (Höge): Er lebte im Wedding, hatte da ein Haus direkt an der Mauer, war Erfinder unter anderem viel für Siemens. Und dann hatte er mal die Idee als in den Schulen überall in Deutschland Mengenlehre gelehrt wurde in der Mathematik, eine Mengenlehre-Uhr zu konstruieren, die also mit Lampen leuchtet, also Stunden, Minuten und Sekunden anzeigt. Und man musste das dann rechnen. Und er hat dann die Genehmigung bekommen, die am Kurfürstendamm aufzustellen, wo eben die ganzen Touristen hingingen. Und dann die Väter mit ihren Kindern, die dann sagten "Ah da ist eine Mengenleereuhr. Sag doch mal, ob du gut in der Schule warst, sag doch mal, wie spät es ist". So war das so ne kleine Attraktion. Sprecherin: Doch Dieter Binninger hatte beim Aufstellen seiner Mengenlehre-Uhr nicht bedacht, dass er auch für den Austausch der Glühbirnen verantwortlich war. Und die gingen wegen der Erschütterungen durch den Verkehr auf dem Kurfürstendamm dauernd kaputt. Für den Austausch der Birnen musste Binninger jedes Mal einen Hubwagen mieten. Das war kostspielig. Also erfand er kurzerhand eine Glühbirne, die bis zu 150.000 Stunden hielt. Diese "Langlebensdauerglühlampe" wurde in einer kleinern Fabrik in Berlin Kreuzberg mit Hilfe nur eines Arbeiters produziert. O-Ton 13 (Höge): Und er hatte Aufträge über Aufträge für kleine Flughäfen - also die Glühlampen, die das Flugzeug leiten, die sind ja teilweise auch oben -, für die ganzen Wohnungsbaugesellschaften in den Etagen, auf den Fluren, zwischen den Blocks - also die Hausmeister, die konnten vorne anfangen und wenn sie hinten waren, konnten sie gleich wieder vorne anfangen mit Glühlampen wechseln. Und die haben das natürlich gerne genommen. Musik Glühwürmchen Sprecher: Doch bei allem Erfolg: Binninger konnte sich nicht durchsetzten gegen die mächtige Konkurrenz von OSRAM. Die großen Zulieferer verweigerte ihm die Bereitstellung bestimmter Bauteile. Die "Ewigkeitsglühlampe " war dem Glühbirnen Monopolisten ein Dorn im Auge. O-Ton 13 (Höge): Die kosteten ja auch nix. Fünf Mark fünfzig das Stück, nicht wahr, die hielten 42 Jahre. Also so schnell kam der Kunde nicht wieder. Atmo Glas zerbirst Sprecher: September 2010: Glühlampen ab 75 Watt dürfen nicht länger verkauft werden. Sprecherin: Offiziell wurde das Glühbirnenkartell Phoebus 1942/43 aufgelöst. Doch nicht nur der Kulturwissenschaftler Markus Krajewski und der Journalist Helmut Höge halten das für eine Legende. Sie glauben, dass die Selbstauflösung des unter verschiedenen Namen bis in die neunziger Jahre weiter firmierenden Kartells nie stattgefunden hat. Einige sehen sein aktuelles Fortwirken in Form von hocheffizienter Lobbyarbeit auf EU-Ebene bestätigt. Das Glühbirnenverbot von 2008 soll dieser Lobby zu verdanken sein. Atmo Glas zerbirst Sprecher: September 2011: Nur ein Jahr nach dem Verbot der 75 Watt Glühbirnen dürfen nun auch die 60 Watt Lampen nicht mehr verkauft werden. O-Ton 14 (Gieselmann): Wer steckt dahinter? Ja, das ist die gute Frage, wie wird in der EU Politik gemacht? Sprecherin: Moritz Gieselmann. Er ist Mitautor des Dokumentarfilms "Bulb Fiction" und hat sich mit der Geschichte und den Folgen des Glühbirnenverbots beschäftigt. O-Ton 15 (Gieselmann): Wir haben alle unsere Gesprächspartner gefragt, was sie glauben, was da dahinter steht und die Schnittmenge aller Antworten ist die, dass das eine sogenannte Kollision war. Also, eine Interessengleichheit verschiedener Gruppen, die also von diesem Glühlampenverbot sich alle was versprochen haben und gemeinsam das durchgesetzt haben. Atmo Glas zerbirst Sprecher: September 2012 tritt das Herstellungs- und Vertriebsverbot von 40 und 25 Watt Glühlampen in Kraft. Bis auf einige wenige Ausnahmen wie beispielsweise Kühlschränkglühbirnen sind nun alle Glüh- und Halogenlampen verboten. Sprecherin: Langsam beginnt es uns zu dämmern: Das war's! Adieu Glühbirne. Musik: Mary Hopkin "Goodbye" Sprecherin: Aber welche Interessen verbergen sich tatsächlich hinter diesem Verbot? Die Politik nennt den Klimaschutz als Grund. Die EU-Kommission verspricht sich vom Glühlampenverbot eine Verminderung der Treibhausgas-Emissionen um 15 Millionen Tonnen pro Jahr. Der damalige Energiekommissar Andris Piebalgs bezeichnete die schrittweise Abschaffung der Glühbirnen als "bahnbrechende" Entscheidung. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erklärte seinerzeit in Berlin: Zitator: "Mit diesem Beschluss setzen wir auch gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein Signal für die Verwendung effizienter Produkte. Das schont gleichzeitig den eigenen Geldbeutel." Sprecherin: Doch geht die Rechnung wirklich auf? Rechtfertigt die Ersparnis wirklich das Verbot einer Erfindung, die Andreas Blühm, der Leiter des Wallraf-Richartz-Museums in Köln, kürzlich erst fürs UNESCO-Weltkulturerbe vorgeschlagen hat? Eines Produkts, das inzwischen in einem zeitlosen Design von Ingo Maurer im "Museum of Modern Art" zu bestaunen ist? Moritz Gieselmann. O-Ton 16 (Gieselmann): Vom gesamten Stromverbrauch werden 20 bis 25 Prozent von den Privathaushalten verwendet, davon 10 Prozent für die Beleuchtung. Also vom gesamten Stromverbrauch sind das 2 bis 2,5 Prozent. Die EU geht davon aus, dass die Richtlinie eine Stromeinsparung von der Hälfte ist, also bedeutet das eine Stromeinsparung von 1,25 Prozent. Das ist sehr gering. Dass allein die Leitungsverluste im Stromnetz 5 Prozent sind, wenn man bedenkt, dass die privaten Haushalte für Wäschetrockner genauso viel Strom verbrauchen wie für die Beleuchtung insgesamt, dann fragt man sich, was das überhaupt für eine Einsparung ist. Sprecherin: Tatsächlich gilt die klassische Glühlampe nach heutigen Kriterien als ineffizient. Licht tritt in ihr wie auch beim natürlichen Feuer immer gleichzeitig mit Wärme auf. Eine Glühbirne erzeugt sogar bis zu fünfundneunzig Prozent Wärme und nur etwa fünf Prozent Licht. Das Licht ist also streng genommen nur ein Abfallprodukt der Glühlampentechnik. Das EU- Verbot soll dieser Verschwendung nun den Garaus machen. Atmo Funken dann Musik Stockhausen Sprecherin: Dass Energie verloren geht bestätigt auch Markus Krajewski von der Bauhaus Universität Weimar. Doch ein pikantes Detail, sagt er, dürfe in dieser Effizienzbilanz nicht ganz vergessen werden. Längst nämlich sind die ertragreichen Patente für die Glühbirne ausgelaufen. Die großen Hersteller in Europa und Amerika verdienen deshalb an dem kleinen Glaskörper kaum noch Geld. O-Ton 17 (Krajewski): Dann beginnt Lobbyarbeit. Dann ist möglicherweise ein Weg nach Brüssel kurz und es gelingt möglicherweise, Leute davon zu überzeugen, dass dieser gut eingespielte Sektor so etwas wie Belebung benötigt. Und das führt dann dazu, dass die Glühlampe als technisch ineffizient denunziert wird. Der Hintergrund ist natürlich, dass man sich einen neuen Markt erschließt, wo eigentlich gar kein neuer Markt notwendig wäre. Sprecherin: Nun ist dem europäischen Bürger ab 2012 der Kauf sämtlicher Glühbirnen verwehrt. Er sieht sich gezwungen, auf sogenannte Energiesparlampen umzusteigen - wohl wissend, dass er mit dem neuen Leuchtmittel auch gleich eine ganze Ideologie über den Ladentisch gereicht bekommt. Doch sind Energiesparlampen wirklich so sparsam wie ihr Ruf? Moritz Gieselmann ist skeptisch. O-Ton 18 (Gieselmann): Das ganze Prinzip des Leuchtstofflichts beruht auf der Eigenschaft von Quecksilber, dass es, wenn es erhitzt wird, wenn es gasförmig wird, UV- Strahlung aussendet, die dann mit der Beschichtung am inneren des Kolbens von Leuchtstofflampen in sichtbares Licht umgewandelt wird. Das heißt, die funktionieren überhaupt nicht ohne Quecksilber. Dass da giftiges Quecksilber drin ist, das wird bei der gesamten sogenannten Energiebilanz außer Acht gelassen. Wir haben versucht, eine unabhängige Energiebilanz von der Erzeugung bis zur Entsorgung, bis zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus dem Müll zu bekommen: Es gibt keine. Sprecherin: Was die Energiesparlampe zu einem Fall für die Sondermülldeponie macht. Nimmt man dann noch die gesamte Gebrauchskette in den Blick, beginnt die gute Energiebilanz von Energiesparlampen zu bröckeln. Auch eine Studie der britischen Regierung sorgte 2009 für Wirbel. In ihr wurde ermittelt, dass konventionell beleuchtete Räume weniger beheizt werden müssen als solche, die mit Sparlampen erhellt werden. O-Ton 19 (Gieselmann) Das ist der sogenannte "Heat Replacement Effect". Die haben das über das Jahr gemittelt und sind gekommen auf eine Einsparung von über 60 Prozent. Sprich über 60 Prozent der Energie oder des Stromes, die ich für das Licht verwende, spare ich bei der Heizung. Das heißt, die Energieeinsparung, die ich jetzt erzielen kann durch den Betrieb von Energiesparlampen relativiert sich sehr, weil dafür muss ich dann um einiges mehr heizen. Sprecherin: Es gibt also gute Gründe, der alten Glühbirne nachzutrauern. Zumal die Lichtqualität der neuen Sparlampen auch nicht überzeugt. Energiesparlampen decken aus technischen Gründen nie das volle Lichtspektrum ab. Entsprechend lückenhaft ist die Farbwidergabe. Der Lichtkünstler James Turrell drückte das mal so aus: Zitator: "Was wir an Strom sparen, stecken wir jetzt in Kosmetika, weil wir so schlecht aussehen in diesem neuen Licht." Glühbirne wird reingeschraubt, Lichtschalter an - dann Musik Stockhausen Sprecherin: Anders ist es mit der Farbgebung von Glühlampen. Sie strahlen wie auch die Sonne ein breiteres Spektrum ab - und das reicht weit in den unsichtbaren Infrarot-Bereich. Die gesundheitsfördernde Wirkung dieser unsichtbaren Lichtanteile ist längst bewiesen. Moritz Gieselmann. O-Ton 20 (Gieselmann): Die Definition von Licht ist ja auch eine Definition, die ja nicht von irgendwelchen unabhängigen Wissenschaftlern gemacht wurde, sondern die wurde Anfang der 30er Jahre von der CIE, das ist eine Organisation der Lichtindustrie, die sich um Normung und Hintergrundwissen, Grundlagenforschung beim Kunstlicht sorgt, und da wurde eben festgelegt, dass Licht der sichtbare Anteil der elektromagnetischen Strahlung ist. Jetzt ist es aber so, dass wir als Menschen, als Lebewesen, seit wir uns entwickelt haben, immer gelebt haben mit einem Licht, das sowohl sichtbare als auch Infrarot-Anteile hat. Jetzt zu sagen, weil man sie nicht sieht, braucht man sie nicht, das ist also etwas kurz gedacht. Sprecherin: Ist es also vielleicht ein Fehler, die Glühbirne zu Grabe zu tragen? Der Kampf zwischen Edisons Patent Nr. 223898 und der EU-Richtlinie 2005/32/EG ist zwar vorerst entschieden. Auch, dass das künstliche Licht der Zukunft vermutlich mehrheitlich von Leuchtdioden gespendet werden wird. Ohnehin wird die ungeliebte Energiesparlampe wohl eher ein Übergangsprodukt bleiben - und ein gutes Übergangsgeschäft. Aber vielleicht erlebt die gute alte Glühbirne eines Tages ihr Comeback. Erste Versuche dazu gibt es schon. Markus Krajewski. O-Ton 21 (Krajewski): Zum Beispiel hat eine findige Ingenieursgruppe einfach aus der Not eine Tugend gemacht und ein neues Produkt auf den Markt gebracht, das heißt "Heat Ball". Der Heat Ball ist eine ganz normale handelsübliche Glühbirne, die aber keine Energieeffizienz von 5 Prozent hat, sondern von 95 Prozent. Es ist eine Heizung, die man in einen E27 Sockel hineinschraubt. Und die restlichen 5 Prozent, die jetzt nicht das liefert, was das Produkt eigentlich liefern soll, sind nämlich zufällig 5 Prozent Licht. Musik: Glühwürmchen Idyll von Salonorchester Sprecherin: Ob es mit diesem charmanten Etikettenschwindel gelingen kann, die EU-Bürokraten auszutricksen, wird im Moment noch am Zoll entschieden. Hier warten die frechen "Heat Balls", eine der schönsten, besten und praktischsten Erfindungen der Welt, derzeit noch auf ihre Weiterfahrt nach Europa. 2