COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Redaktion: Dorothea Westphal LITERATUR KOSTENTRÄGER: P.6.2.11.0 ORGANISATION: 44 REIHE: LITERATUR TITEL: "Ritter, Retter oder Beelzebub" Welche Rolle spielen Literaturagenten im Verlagsgeschäft? AUTOR/IN: Brigitte Neumann ÜBERSETZUNG d. O-Töne: entfällt REDAKTION: Dorothea Westphal COPYRIGHT: DR Kultur BUCHTITEL: LÄNGE: 30 Min. SENDUNG: 24.03.2009 19.30 - 20.00h STIMMEN: Kommentatorin Sprecherin (Zitate) Sprecher (Zitate und Voice Over) div. O-Töne Musik TRAILER-O-TON: in DIRA Hörbuch CD1: Dylan Thomas, Unter dem Milchwald Klaviermusik Anfangen? Wo's anfängt! Mondlose Nacht in der kleinen Stadt. Sternlos und bibelschwarz. Kommentatorin So beginnt Dylan Thomas' Hörspiel "Unter dem Milchwald". Die Kopfsteinpflasterstraßen still und der geduckte Liebespäarchen- und Kaninchenwald humpelt unsichtbar hinab zur schleenschwarzen, zähen schwarzen, krähenschwarzen, fischerbootschaukelnden See. Die Häuser sind blind wie Maulwürfe. Und alle Leute in der eingelullten, umstunkten Stadt liegen und schlafen. Pssss. 2:35 Kommentatorin Dylan Thomas, englischer Schriftsteller, Journalist und Säufer, hatte nie einen Agenten, der für ihn Buchverträge, Honorar-Jobs oder Vorschüsse besorgt hätte. Nur für die Koordination seiner Lesereisen durch die USA beschäftige er einen, und der kassierte gleich ein Viertel aller Einnahmen. Musik Tomasz Stanko Quartett, Titel 1, Lontano, kurz frei, dann unterlegen Kommentatorin Dylan Thomas, der Mitte des letzten Jahrhunderts mit 39 Jahren starb, klagte über zu wenig Arbeit und zu wenig Geld. Aber wenn es dann manchmal hart auf hart kam, schaltete sich sein Gönner ein: Der Schriftsteller T.S. Eliot. Musik Tomasz Stanko kurz frei, dann weiter unterlegen. Kommentatorin In der Rolle des Gönners, des Geldgebers und Förderers sieht sich traditionell und bis heute noch gern der Verleger. Einer davon ist Klaus Schöffling, weißhaariger Patriarch des nach ihm benannten kleinen, unabhängigen Frankfurter Verlags. O-Ton Klaus Schöffling Wir arbeiten mit unseren Autoren sehr offen, die wissen über alles Bescheid. Die wissen über Summen auch Bescheid. Und warum soll ich das mit einem Agenten teilen, der ja nichts anderes tut, als erst mal einen Autor zu uns zu bringen. Ich bin aber noch wach genug dazu, Autoren selber zu finden. Unser Lektorat auch, Frau Fretter; so kommen Autoren zu uns, weil der Verlag interessant ist, weil sie die Nachbarschaft von Autoren wie Inka Parei, Julie Zeh, Burkhard Spinnen schätzen. Und da brauchen wir keinen Agenten, der noch dazwischen sitzt. Kommentatorin Nicht alle Autoren sind davon überzeugt, dass sie neben den literarisch- kulturellen Interessen mit ihrem Verleger auch die finanziellen teilen. Manche Schriftsteller empfinden die Beziehungen zu ihren Lektoren oder Verlegern als zu eng, emotional erpresserisch, unsachlich. Hinzu kommt: Der Autor kann nicht einfach in seinen Verlag spazieren und die Abrechnungen sowie die Höhe der Auflage nachprüfen. Auch ist es unüblich, dass er beim Bucheinband oder der Startauflage gefragt wird. Und mit der Werbung für sein Buch hat er schon gar nichts zu tun. Über diese und viele andere Bereiche gebietet allein der Verleger. Noch einmal Klaus Schöffling: O-Ton Klaus Schöffling Das Agentenwesen in Deutschland ist eigentlich relativ neu, also für deutschsprachige Autoren. Vor acht Jahren ging das so richtig los, da wurde das auf einmal schick. Da hatte man einen Agenten. Wie ich finde: Man muss sich das leisten können. Es gibt diesen wunderbaren Satz von Daniel Kehlmann, der mit seinen Büchern inzwischen sehr, sehr viel Geld verdient. Der sagt: Ich brauch keinen Agenten, lieber gebe ich das Geld der Caritas. Das sind immerhin 15 Prozent von allen Einnahmen, die an den Agenten abzuliefern sind. Das muss man wollen. Das muss man sich auch leisten können. Kommentatorin Zahllos in der Literaturgeschichte sind die Klagen der Schriftsteller über knausrige, mutlose, schlitzohrige Verlagschefs. Sicher, die gab's. Aber manchmal ist der Verleger gar nicht wirklich die Ursache der Misere. Robert Musil zum Beispiel war mit seinem Verleger Ernst Rowohlt nie zufrieden. Rowohlt, der von 1924 an Robert Musils Arbeit am "Mann ohne Eigenschaften" mit monatlichen Vorschüssen finanzierte, erinnert sich in einem Brief: Sprecher Musil war ein Mensch, der einen ungeheuren, sympathischen und suggestiven Eindruck machte. Er hatte sehr tiefliegende Augen und hat auf mich ungeheuer gewirkt. Ich war, so möchte ich beinahe sagen, Wachs in seiner Hand. Denn es ging ihm immer sehr schlecht, und er kam nie mit den zwischen uns ausgemachten Raten aus. Es war so, dass er 12 Monate lang monatlich soundsoviel Geld bekommen sollte und dafür aber soundsoviele Seiten Manuskript abzuliefern hatte. Das hat er aber nie geschafft. Dann erklärte er immer - und er ist der einzige Mensch, der mir mit solchen Drohungen imponiert hat - :'Ja, wenn Sie mir das Geld nicht geben, Herr Rowohlt, ich kann nicht weiterleben. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, dann muss ich mich erschießen.' Ihm hab ich geglaubt, dass er es auch tun würde. Daher habe ich ihn immer wieder unterstützt." Kommentatorin Rowohlt geriet im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 1929 und des Zusammenbruchs seiner Hausbank in große wirtschaftliche Schwierigkeiten, so dass der Druck des "Mann's ohne Eigenschaften" 1930 nur funktionierte, weil Andere die Druckkosten übernahmen. Nach einem halben Jahr hatte Rowohlt - trotz hymnischer Kritiken - nur 1000 Exemplare verkauft. Musil wurde nie damit fertig, dass Autoren, die in nicht allzu ferner Zukunft weit unter ihm rangieren würden, die Lieblinge des Buchmarktes waren und in Villen wohnten, während sein Wert verkannt wurde und er in Not leben musste. Sprecher "Wirtschaftlich gesehen ist meine gesamte Literatur eine einzige Fehlspekulation", Kommentatorin bilanzierte auch Hans Henny Jahnn in einem Brief an Tochter Signe Jahnn 1958, ein Jahr vor seinem Tod. Und gegenüber seinem Verleger Willi Weismann äußerte er: Sprecher "Ich kann keine Vernunft darin sehen, meine großangelegten Romane durch jahrzehntelange Arbeit aufzubauen, um dann damit einen Bruchteil von dem zu verdienen, was eine Toilettenfrau einnimmt." Kommentatorin Genau an dieser Stelle Abhilfe zu schaffen, ist ein amerikanischer Literaturagent angetreten. Er möchte das Missverhältnis zwischen Genie und Geld beseitigen. Andrew Wylie, der mit seiner Agentur 400 Autoren vertritt, unter anderem Salman Rushdie, Martin Amis und Philip Roth, sagt in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung im Jahre 2000: Sprecher "Ich möchte, dass gute Autoren gut bezahlt werden. Das ist ein Grund, wieso ich Agent geworden bin. Ich hatte festgestellt, dass schlechte Autoren viel Geld verdienen und gute Autoren nichts. Und da dachte ich: Wäre doch nett, das zu ändern." Sprecherin "Wo immer und wann immer literarische Agenturen aufkamen, war die psychologische Ausgangssituation die gleiche. Der Autor war gegenüber dem Verleger ein armer und rechtloser Wicht, und das ist er in Maßen bis auf den heutigen Tag geblieben.", Kommentatorin so die inzwischen verstorbene Ruth Liepman, eine der großen alten Damen des Agenturgeschäfts, 1977 in einer Rede vor der Akademie für Sprache und Dichtung. Dass aber Agenten ebenfalls so infam sein können, von der Rechtlosigkeit ihrer Klienten zu profitierten, zeigt ein prominenter Fall aus dem vergangenen Jahrhundert. Der Fall der Herz-und-Schmerz-Literatin Hedwig Courths-Mahler. Ihr Agent war Richard Taendler. Er band die noch völlig Unbekannte 1906 mit einem 10-Jahres-Vertrag, in dem er ihr 100 Mark pro Buch-Manuskript zusicherte. Inzwischen von Taendler getrennt, schrieb Courths-Mahler Anfang der 1930er Jahre: Sprecherin "Im Anfang meiner Laufbahn arbeitete ich in einer Art Fron mit einem Vertriebsbüro. Der Agent Taendler wurde reich durch den Vertrieb der Romane, ich atmete erlöst auf, als diese zehn Jahre vorüber waren und ich nun auch verdienen konnte für mich. Allerdings war in den letzten dieser Jahre das Honorar bis auf 500 Mark gestiegen. Als ich dann die in den Zeitungen stark ausgenützten Romane gern für die Buchausgabe frei haben wollte, musste ich sie von diesem Vertriebsverleger pro Stück um 1000 Mark zurückkaufen. Und doch -vielleicht wäre ich ohne diesen Vertriebsverleger nicht so bekannt geworden. Er wusste, dass er ein großes Geschäft mit mir machen konnte und brachte mich überall an, wo ich sonst im direkten Verkehr mit der Redaktion vielleicht nicht angekommen wäre. Kommentatorin Hedwig Courths-Mahler sah also - heute würde man sagen - den Synergieeffekt der Verbindung zwischen Agent und Schriftsteller. Aber auch die Notwendigkeit, ihre Interessen eigenständig zu wahren - so, wie es ein Autor einem Verleger gegenüber auch tun sollte. Einziger Unterschied: Die offen geschäftsmäßige und deshalb potentiell auch egalitärere Beziehung zum Agenten, während die Beziehung zwischen Autor und Verlag immer noch etwas von einer Vater-Kind-Beziehung hat: Eine verquaste Abhängigkeit, in der gleichberechtigte und sachliche Vertragsverhandlungen oft als unpassend empfunden werden. Der Agent als Zwischenhändler kostet zwar, aber er erleichtert Verlegern und Autoren - im optimalen Fall - auch das Zueinanderkommen. Sabine Pfannenstiel: O-Ton Agentin, Sabine Pfannenstiel Wir sind Andrew Nurnburg Associates. Und wir vertreten als Subagenten amerikanische Agenten und deren Listen in den jeweiligen Ländern. Das heißt, ich bin für den Rechteverkauf nach Deutschland ausschließlich zuständig. Der Zwischenhändler ist in dem Fall deswegen sinnvoll, weil er den einzelnen Markt ganz genau kennt. Und ich weiß, dass ich mit einem ganz bestimmten Buch, da muss ich nicht zu Goldmann gehen, aber dafür vielleicht zu Schöffling. Ich kenne die Unterschiede. (Ich suche genau den richtigen Verlag aus für den Autor und sein Buch. )Die andere Rolle ist natürlich, dass man versucht, für den Autor die besten Konditionen zu verhandeln. Da geht es nicht nur um den Vorschuss und um die Honorarstaffel. Da geht es auch um Covergestaltung, um Übersetzungen, wer übersetzt, wann wird übersetzt und wann das rauskommt - dem Autor einfach eine große Sicherheit gibt. Er ist nicht einfach irgendwo in einer großen Maschine jetzt drin und wird irgendwie verlegt, sondern dass wir das ein bisschen für ihn steuern. Kommentatorin Sabine Pfannenstiel arbeitet für eine der größten Subagenturen weltweit, für Andrew Nurnburg mit Sitz in London. Im Oktober war sie auf der Frankfurter Buchmesse, dem Ort, wo - auch im Internetzeitalter - immer noch die meisten Lizenzgeschäfte vorbereitet oder abgeschlossen werden. Wie, dürfen wir uns vorstellen, empfiehlt Sabine Pfannenstiel Verlegern und Lektoren ihre Lieblingstitel? O-Ton Pfannenstiel Es gibt zwei Bücher im Moment, an denen mein Herz sehr hängt. Das eine ist ein junger Brite, Simon Lelic, RUPTURE. Der Roman ist gerade in England an Picador verkauft worden. Und wir sind dabei, die internationalen Rechte hier auf der Messe zu verkaufen. Is'n großartiges Buch. Und das andere ist eine junge Amerikanerin Robin Black, YESTERDAY'S NEWS. Das sind Erzählungen. Und ganz, ganz großartig, die hat das Zeug zum Klassiker zu werden. (Das ist Literatur vom Feinsten. Da liest man auch nicht mehr quer. Da liest man alles. Und möchte am liebsten gleich von vorne anfangen.) Kommentatorin Das klingt vielleicht ein wenig nach routinierter Begeisterung, räumt auch Frau Pfannenstiel ein. Aber das wichtigste im Verhältnis zwischen Agenten und Verlegern sei eben Vertrauen. O-Ton Sabine Pfannenstiel ... Und dass die wissen, wenn ich sage, es ist großartige Literatur, dann isses auch so. Kommentatorin Hört sich ein bisschen an, als würde Frau Pfannenstiel sehr viele Verleger kennen, die ihre Programmgestaltung vertrauensvoll in die Hände erfahrener Agenten (, wie sie eine ist,) legen. Aber hatten wir nicht gerade andererseits von Verleger Schöffling gehört, dass Agenten im Buchgeschäft mit seinen kleinen Gewinn-Margen eigentlich unbezahlbar seien. O-Ton Pfannenstiel Über Zahlen sprechen wir nicht (lachen). ... Das kann durchaus im hohen 6- stelligen Bereich liegen, die Vorschüsse, die man da einspielt für den Autor. Musik Die Patinnen, Teil II, Murder Beats Vol 1 Family Theme Schritte Titel 2/ 0.01- 0.07 frei, dann Musik mit opernhaften Anteilen, als Unterlage Kommentatorin Der Literaturagent, und das erschwert hier die Recherche ausgesprochen ... , der Literaturagent gibt zwar Interviews, bleibt aber dabei stets diskret und verschwiegen. Er legt wenig Wert auf die Durchschaubarkeit seiner Operationen und die Transparenz seiner Netzwerke. (Er möchte auch nicht unbedingt, dass die Öffentlichkeit über alle Details seiner Arbeit im Bilde ist.) Über seine Abschlüsse kursieren höchstens Gerüchte, die niemand bestätigen will. Verschämt schweigen auch Verleger und Lektoren, die sich mit Agenten einlassen. O-Ton Dr. Susanne Eversmann, Lektorin, Kunstmann Verlag Es geistern immer Zahlen im Raum rum, von manchen weiß man es sicherer, von manchen weniger. Deshalb würd ich jetzt nie eine Zahl nennen, weil das würd ich jetzt für unseriös halten. (lachen) Kommentatorin Dr. Susanne Eversmann, Lektorin im Münchner Kunstmann Verlag. Sie hätte in Frankfurt gerne ein politisches Sachbuch von der Liste eines amerikanischen Agenten gekauft, musste aber feststellen, dass ihr Verlag nur zu dem Bieterwettbewerb eingeladen wurde, um den Preis zu treiben. O-Ton Dr. Susanne Eversmann, Lektorin, Kunstmann Verlag 5.50 Natürlich muss ein Agent - das ist sein Beruf - für den eigentlichen Rechteinhaber, den Autor, den Verlag und das höchste, das beste Angebot finden. Aber es gibt tatsächlich viele, die das auch als Zockerei auffassen, wo es einfach darum geht, das möglichst hoch zu halten, ganz egal, ob der Verlag dann nachher daran zugrunde geht. Da muss natürlich jeder schauen, wie er sich selber rettet, wie er sich selber verhält, ob er wirklich einsteigt und sich manchmal auch hochpuschen lässt zu Zahlungen, wo er sich nachher denkt, oh je, wie soll ich das mit dem Buch nachher je verdienen? Musik Tord Gustavsen Trio, Take 4, Curtains Aside, Kurz frei, dann unterlegen Kommentatorin Von Vorschüssen in Millionenhöhe ist die Rede, von Blind Offers, bei denen phantastische Summen für noch nicht geschriebene Bücher geboten werden. Selten hängt sich ein Verlag aus dem Fenster mit den eben gezahlten spektakulären Autoren-Vorschüssen. Wenn er's tut, dann um seine Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg des kommenden Titels zu unterstreichen: (Schaut her, da haben wir richtig investiert, weil wir sicher sind, dass das ein Bestseller wird.) So ist bekannt, dass Christine Angot, die französische Meisterin der Selbstentblößungsliteratur, für ihren neuesten Roman "Le Marché des Amants" 200 000 Euro Vorschuss erhielt und die Zusicherung, die ganze Marketingpower des Verlags LeSeuil würde in ihren Titel fließen. Gleichzeitig gab der Verlag bekannt, dass 100 Stellen gestrichen würden. Der Angot-Roman enpuppte sich inzwischen als Flop. So sind in den fünf Monaten seit Erscheinen des Buches gerade einmal 16 000 Exemplare verkauft worden. Ab 30 000 spricht man von einem Bestseller. Christine Angots Agent heißt Andrew Wylie. Musik noch einmal hoch, kurz stehenlassen und weiter unterlegen Kommentatorin Im Dezember machte der amerikanische Verlag Harper Collins öffentlich, dass er der TV-Kabarettistin Sarah Silverman einen Vorschuss von 2,5 Millionen Dollar für ihr Buch zahlt, das noch nicht geschrieben ist, noch keinen Titel hat und von dem der Verlag noch nicht einmal sagen kann, wann es herauskommen wird. Um das Risiko zu minimieren, plant Harper Collins aber auf jeden Fall, in die Vermarktung des Titels noch einmal so viel zu investieren. Der Agent von Ms. Silverman heißt Dan Strone. Harper Collins hat gleichzeitig zwei Verlagsabteilungen geschlossen und zig Lektoren entlassen. Eine Hand spart, was die andere wieder ausgibt. Wie so viele Verlage setzt Harper Collins auf den einen Bestseller, der die Bilanz retten soll. Eine Backlist-Pflege oder der sorgfältige Aufbau literarischer Autoren kostet viel und wirft wenig ab. Stars scheinen da eine sichere Bank. Wie tickt so ein erfolgreicher Literaturvermittler? Luchterhand-Autor Hanns- Joseph Ortheil hat in dem 2005 erschienenen Verlegerroman "Die geheimen Stunden der Nacht" eine Agentin beschrieben, die seiner, nämlich Karin Graf, ähnelt. Sprecher "Sie kommt immer zu spät, sie braucht den kleinen Auftritt, um sich in Szene zu setzen, erst einmal verlangt sie Unterwerfung, nur so hat man bei ihr eine Chance. "Ihre Arbeit besteht zur Hälfte aus Psychologie, außerdem aber weiß sie über einfach alles Bescheid, er könnte wetten, dass sie manchen jungen Autorinnen sogar Ratschläge gibt, welche Klamotten sie bei ihren Lesungen anziehen sollen. Für die Mädels ist sie so etwas wie eine strenge Mutter, für die Junges aber eher eine Art Domina, die niemanden an sich heranlässt und die Peitsche rausholt, wenn das Manuskript noch immer nicht fertig ist. "Ich liebe professionelle Autoren", sagt sie gereizt, wenn ihr wieder mal so ein Früchtchen begegnet, das über das berüchtigte weiße Blatt klagt und über den Schrecken, den es angeblich verbreitet. "Schreib doch mal was über Marilyn Monroe", hat sie einem Autor geraten, der seit Jahrzehnten in Bad Liebenzell wohnt und nur über Schreibschwierigkeiten schreiben kann. Manche Autoren halten ihren Spott nicht lange aus und wechseln zur Konkurrenz, "sollen sie doch", sagt Lina Eckl, "ich vertrete nur Autoren, die ihr Geld wert sind. Kommentatorin Liegt der Ehrgeiz des Literaturagenten doch eher im kaufmännischen Bereich? Hat seine Arbeit vielleicht mit der Entdeckung und Ermöglichung großer Literatur gar nichts zu tun? Auch der berühmte Arthur Wylie akquiriert in der Regel nur bereits arrivierte Qualitätsautoren, die er anderen Agenten wegschnappt - weshalb er auch mit dem Spitznamen "Der Schakal" leben muss. Dass es den Agenten nur um die Verkaufe geht, diesen Verdacht hat jedenfalls der in Hamburg ansässige Schriftsteller Andreas Münzner, den man durchaus zu den Großen rechnen darf. Der 42-jährige hat versucht, Agenten für seine Literatur zu interessieren. Aber das sei ihm nicht gelungen, sagt er. O-Ton Andreas Münzner, Schriftsteller Es gibt eine Art von Literatur, die ins - allgemein gesagt - ins Experimentelle geht oder ins sehr Interessante, Gesuchte ... so zum Beispiel Lyrik, die läuft nicht über Agentur, kann gar nicht über Agentur laufen. Weil Agenturen noch einmal Geld generieren wollen und das würde sich gar nicht lohnen, bei den Stückzahlen, die dann verkauft werden. Das heißt, über Agentur läuft aus meiner beschränkten Sicht sowieso nur eine gewisse Publikumstauglichkeit. O-Ton Melitta Breznik, Schriftstellerin Aus meiner Beobachtung hab ich das Gefühl, dass es den Leuten, die einen Agenten haben, durchaus besser gelingt, sich auch zu platzieren. Ob das eine gute Entwicklung ist, ich kann's nicht beurteilen. Ich glaub, es hat damit zu tun, dass die Verlage auch unter Finanzdruck sind. Und immer weniger für ihre "Klientel" - sag ich jetzt mal - tun können. Es wird ja auch einiges ausgelagert aus den Verlagen, teilweise das Lektorat etc. Und ich denk, dass man da vielleicht immer mehr jemanden braucht, der einem die Verknüpfungen erleichtert, der einem die Stange hält oder einen Fuß drinnen hat. Kommentatorin Die österreichische Psychiaterin und Schriftstellerin Melitta Breznik würde es besonders schätzen, wenn sie sich nicht mehr alleine mit den juristischen Finessen ihres Buchvertrags herumschlagen müsste. O-Ton Lukas Hartmann, Schriftsteller Natürlich zahlt dann niemand gerne der Agentur 15 Prozent der Einkünfte. Das hätte ich auch nicht gerne getan. Aber ich kann mir vorstellen, wenn es nicht geklappt hätte bei Diogenes, wäre ich reif für einen Agenten gewesen. Kommentatorin Der Schweizer Autor historischer Romane Lukas Hartmann ist mit dem aktuellen Roman "Bis ans Ende der Meere" von seinem langjährigen Verlag Nagel & Kimche zu Diogenes gewechselt auf eigene Initiative. O-Ton Lukas Hartmann, Schriftsteller Ja, da muss man sich halt selbst ein bisschen zu stärken versuchen und man muss es wagen, in solche Verhandlungen hineinzugehen und für sich halt etwas zu fordern. Ich weiß, dass das manche Autoren ganz schlecht können. Ich kann es auch nicht besonders gut, aber ich versuche es. Kommentatorin Andreas Münzner, Melitta Breznik und Lukas Hartmann sind drei gestandene deutschsprachige Autoren, die ohne Agenten auskommen. Wo es doch heißt, die Hälfte der heimischen Romanproduktion liefe schon über professionelle Vermittler. Aber, wie wir hörten, abgeneigt sind die drei nicht. Warum scheint der Agent vielen Autoren derzeit eine sympathische Option? Weil sie mit ihrem Lektor nicht über Geld sprechen wollen?, meint der Cheflektor des S. Fischer Verlages, Hans-Jürgen Balmes. Vielleicht. Wahrscheinlich aber sind andere Gründe wichtiger: Zum Beispiel, dass Programmleiter und Lektoren immer wieder ausgetauscht werden oder ganz und gar das Feld räumen müssen. Oder dass der Lektor keine Zeit mehr für seine Autoren hat, denn er soll jetzt verstärkt Management- und Marketingaufgaben übernehmen. In dieser Situation, wo Verlage zur permanenten Baustelle werden, wächst der Agent in die Rolle des Verlegers hinein; er wird zur Konstante im Berufsleben des Schriftstellers. Das ist in Amerika und England seit geraumer Zeit bereits so. Konsequent übernehmen Agenten deshalb dort auch Lektoratsarbeiten, was ihnen umso leichter fällt, als die meisten Agenten in ihrem früheren Berufsleben einmal Lektoren waren. Hans-Jürgen Balmes über die Veränderungen im Berufsbild: Balmes O-Ton Wir sind ja, wie die meisten Verlage, angehalten regelmäßig irgendwelche Titel zu finden, die spitzentitelfähig sind. Im Grunde dreht sich ein Großteil meines Jobs letztlich nur noch darum, diese Spitzentitel zu finden, die erst mal zu entdecken, dann noch irgendwie sicherzustellen, dass sie zu uns kommen, und dass sie dann auch irgendwie für uns im Haus intern als solche anerkannt werden und transportiert werden. Diese Spitzentitel kommen für die ganze Branche mehr und mehr aus dem angelsächsischen Bereich. Und dass bedeutet, dass der Druck, diese Titel zu finden, langsam in eine Zeit hineinkommt, dass wir über diese Titel entscheiden müssen im gleichen Moment, wo auch unsere Kollegen in New York darüber entscheiden. Kommentatorin Da alle großen Verlage jede Saison wieder nach neuen, lukrativen Bestsellern aus Amerika oder England fahnden, ist die Macht der Agenten gewachsen, ebenso wie der Druck auf die Verlage, sich schnell zu entscheiden - zu Konditionen, die weitgehend vom Agenten bestimmt werden. Da alle großen Häuser nach dem gleichen Spitzentitel-Rezept vorgehen, haben sich die Verlagsprogramme von Fischer, Piper, Hanser, KiWi, Rowohlt einander angeglichen. Verlage ähnelten immer mehr einem Teller bunter Knete, sagte die KiWi-Autorin Katja Lange-Müller sehr treffend. Einer der Verhandlungspartner für Hans-Jürgen Balmes ist der Schweizer Agent Peter S. Fritz, der Besitzer einer der drei großen Agenturen, die angelsächsische Literatur in den deutschsprachigen Raum vermitteln. Er macht 500 Verträge im Jahr. Während der Frankfurter Buchmesse quartiert Fritz sich immer im gleichen Hinterzimmer des Hessischen Hofs ein, gleich gegenüber den Messehallen. Und empfängt Verleger, Journalisten, Autoren im Halbstundentakt. Fritz im grauen Anzug erzählt von früher, wie es war, als er vor 33 Jahren die Agentur von seinem Vater übernahm: Peter S. Fritz O-Ton Es hat sich fundamental alles geändert. Wir haben zu Beginn mit kleinen Karteikarten gearbeitet. Und wir haben Briefe geschrieben. Wenn ein wichtiger Deal ganz schnell behandelt werden musste, hat man noch einen Zähler angesteckt und dann hat man telefoniert mit Amerika und hat unter Umständen dem Verlag dieses Telefongespräch fakturiert. Das war sehr klein damals und langsam. Und heute haben wir das Zeitalter von Internet, von e-mails, da ist das sehr temporeich. In gewisser Hinsicht zu bedauern, weil es wird meiner Ansicht nach auch viel zu wenig von allen Beteilgten reflektiert und überlegt. .. Und das ist, was mir missfällt an der heutigen Zeit. Ich glaube, es wird von den Verlagen nur noch auf Verdrängung gearbeitet; es werden sehr viele Bücher zugegebenermaßen verlegt, welche eigentlich irrelevant sind. Kommentatorin Klaus Schöfflings durchdachte und nachhaltige Verlagspolititk könnte dem Schweizer Agenten Peter S. Fritz sympathisch sein, aber Schöffling arbeitet, wir hatten es schon gehört, nur in Ausnahmen mit Agenten zusammen. Schöffling O-Ton Wir entscheiden uns aufgrund inhaltlicher sprachlicher Qualitäten in der Regel immer für Autoren. Das ist für uns der wichtige Ansatz. Das einzelne Buch ist wunderbar. Aber wir wollen eigentlich Autoren mit Haut und Haar haben. Nicht nur ein Buch und dann sagen: Das nächste interessiert uns nicht mehr. Sondern wenn dann ganz. Das ist oft der schwierigere Weg. Aber nur dadurch entsteht so etwas wie Kontinuität. Dadurch wird auf einmal ein Verlag auch sichtbar. Kommentatorin Schöfflings Geheimwaffe gegen das Anschwellen der Agentenmacht heißt Katrin Scheel. Die polyglotte und charmante Leiterin der Rechte- und Lizenzabteilung kauft und verkauft Titel weltweit. Scheel, die Frau mit dem Gespür für gute Autoren und angemessene Verträge, ist der Grund, wieso Klaus Schöffling sich kaum mit Agenten abgeben muss. Auch der Kunstmann Verlag hat einen kostensparenden Weg gefunden, zu neuen ausländischen Autoren zu kommen. Susanne Eversmann ist in stetem Kontakt mit befreundeten Verlagen in aller Welt. Über den französischen Verlag Actes Sud beispielsweise kamen Veronique Olmi und Wilfried N'Sondé zu Kunstmann. Pär Lammers Trio, "It is what it is" von der Platte "hinten rechts, der regen? 20" frei, dann unterlegen Kommentatorin Die Schwäche der Verlage ist die Stärke der Agenten. Wenn ein Verlag seine Substanz aufgibt: Lektoren entlässt, keine Autoren mehr entwickelt, stattdessen Spitzentitel zusammenkauft, wird er zum charakterlosen Profitcenter. In solchen Verhältnissen erscheint der Agent als die wahre Heimat des Schriftstellers. Ein Verlag mit beliebigem Programm, lässt nun aber auch ganz andere Autoren attraktiv erscheinen: die medial erfahrenen, gut aussehenden, dynamischen eher als die schüchternen, schwierigen und innovativen. Das heißt, für Schriftsteller wie Robert Musil, Else Lasker-Schüler, Robert Walser hat sich damals und würde sich auch heute kein Literaturagent interessieren, denn zu Lebzeiten waren deren Werke "unrentabel". Der Cheflektor des Fischer Verlags Hans-Jürgen Balmes über die neuen Lieblingsautoren amerikanischer Agenten: O-Ton Balmes Es ist ganz deutlich im amerikanischen Bereich, wo es ein Usus geworden ist, jetzt nicht bei der hehren Literatur, aber so in dem ganzen Mittelbereich, dass da auch der Agent mit dem Autor zusammen sich neue Projekte ausdenkt. Und ich glaube, es ist schon oft vorgekommen, dass ein Agent meint, wenn eine Heldin weiblich wäre und um die 30 und hätte ein Kind und würde in New York leben, dann würde der Roman schon viel mehr Leute interessieren. weiter Pär Lammers Trio, "It is what it is" unterlegen Die Schwäche der Verlage ist die Stärke der Agenten. Schon heute lassen sich etliche Verlage gefallen, dass Agenten nicht nur Vorschüsse und Honorarstaffeln aushandeln, sondern dass sie versuchen, die Höhe der Startauflage, den Klappentext, die Anzahl der Seiten, die ihr Autor in der Verlagsvorschau erhält, Übersetzung und Werbung en detail zu steuern. In Zukunft wird passieren, dass findige Agenten substanziell weitgehend ausgeblutete Verlagskonzerne lediglich als Dienstleister nutzen. Das heißt, dass sie die übriggebliebene Verlagsinfrastruktur plus den Markennamen für ein Projekt bloß "chartern". Die Schwäche der Verlage ist die Stärke der Agenten. Und was den literarisch ambitionierten Autor angeht, der hat es weiterhin nicht leicht, sein Geld zu verdienen - ob mit oder ohne Agent. Ende mit Musik 1