Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 26.September 2011, 19.30 Uhr Milliardengrab und Staatsgeheimnis Die deutschen Bad Banks von Dani Parthum Musik O-Ton: (Steinbrück, Bundestag, Juli 2009) Es ist das Komplizierteste, was es gibt! Wenn sie zu einer Bereinigung der Bilanzen beitragen wollen, wenn sie diese Bilanzen leerfegen wollen von den belastenden Papieren, da müssen sie die Frage beantworten: Wer ist denn der Dumme, der die damit verbundenen Risiken übernehmen soll? Musik Sprecherin: Wer dieser Dumme sein wird, sagt Peer Steinbrück im Sommer 2009 vor dem Bundestag nicht. Dabei weiß der Finanzminister genau, von wem er spricht. (Musik hochziehen) Der SPD-Politiker plant - in Abstimmung mit Kanzlerin Merkel - eine staatliche Aufräumaktion. Er ist davon überzeugt, nur so die deutschen Banken stabilisieren zu können. Die Kanzlerin nennt das Vorgehen alternativlos. Die Parlamentarier nicken es ab und die Bundesbürger lernen ein neues Wort: Bad Bank. Sprecher v. D.: Milliardengrab und Staatsgeheimnis Die deutschen Bad Banks Ein Feature von Dani Parthum Musik Sprecherin: Im April 2010 gründet die Westdeutsche Landesbank die erste Bad Bad öffentlichen Rechts und im Herbst folgt dann die Hypo Real Estate. Ihre Bad Bank ist zweieinhalb Mal so groß, offiziell rund 175 Milliarden Euro. Ein gigantisches Konstrukt also, das da vor einem Jahr entsteht. Ein gigantisches Risiko für den Bundeshaushalt, der gerade etwas mehr als 300 Milliarden Euro ausmacht. Musik Sprecherin: Bad Banks gehören nicht zur Glamourwelt des Großkapitals. Sie arbeiten im Stillen, wie Aufräumtrupps nach einer turbulenten Party. Wer ihr Wesen verstehen will, muss zuerst hinabsteigen - im übertragenen Sinne - in den Keller, zum Fundament einer Bank. Einspieler - aus dem Keller Atmo Tür geht auf, Schritte hinab in den Keller... "Ah, hier unten ist ja viel Geld! Euro, Dollar ... hier sind auch Yen, und Schweizer Franken und britische Pfund ... und das, was ist das? Bedruckte Papierseiten, tausende Papierseiten ..." Musik Sprecher: Das Fundament gewöhnlicher Banken ist das Geld ihrer Kunden, die Spargroschen von Oma, die Rücklage einer Familie, das Tagesgeldkonto einer Firma, Geld von Lebensversicherern und Großbanken. Dieses Kapital verleihen die Geldhäuser an Hausbauer, Firmen, Staaten und Kommunen. Sprecherin: Das nennen sie Kreditgeschäft. Sprecher: Banken kaufen zudem Aktien, Staats-Anleihen und Wertpapiere, auch auf eigene Rechnung. Dafür leihen sie sich oft zusätzlich Geld. Sprecherin: Das nennen sie Investmentbanking. Sprecher: Bei allen Geschäften gehen die Banken davon aus, ihr eingesetztes Geld wieder zu bekommen. Dann bleibt ihr Fundament stabil. Einspieler - aus dem Keller Na das liest sich hier gar nicht gut ... hier steht ... unverkäuflich, ausfallgefährdet, Tilgung nicht erfolgt. Sprecherin: Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008 offenbart schlagartig, wie wenig vorsichtig die Weltfinanz bei ihren Geschäften gewesen ist. Die einstigen Gewinnbringer werden plötzlich unverkäuflich und Kredite notleidend, der Geldfluss stoppt rund um den Globus. Logische Folge: Die Banken erhalten die ihnen anvertrauten Gelder nicht zurück, sie sind futsch. Finden die Finanzhäuser keine neuen Geldgeber oder jemand, der für sie bürgt, stürzt ihr Fundament ein. Einspieler Nachrichtenschnipsel: .//... //von der Finanzkrise ist jetzt auch eine Großbank betroffen // Rettungspaket // der Bund übernimmt eine Milliardenbürgschaft für Hypo Real Estate .// Sprecher: Mit voller Wucht trifft die Finanzkrise im Oktober 2008 die deutschen Banken, vor allem die Landesbanken und den Immobilien- und Staatsfinanzierer Hypo Real Estate, den Börsen-Shootingstar des Jahres 2003. Musik Sprecher: Bei der Privatbank aus München klaffen Woche für Woche immer größere Milliardenlöcher. Die Hauptgesellschafter, der US-Investor J.C. Flowers sowie drei weitere US-Finanzgesellschaften, können die Bank nicht halten. Kanzlerin Merkel greift ein und sagt nach mehreren Verhandlungsmarathons mit Bankern und der Bankenaufsicht insgesamt 124 Milliarden an Garantien zu. Die privaten Banken, allen voran die Deutsche Bank, beteiligen sich an dieser Rettung nur geringfügig - profitieren aber wesentlich. Denn die HRE tauscht die Staatsgarantien bei der Europäischen Zentralbank gegen Geld ein und begleicht einen Teil ihrer Schulden, die sie z.B. bei der US-Investmentbank JP Morgan hat, bei der Deutschen Bank, der Bayern LB, der HUK Coburg und der Allianz. Seither schuldet die Hypo Real Estate den Bundesbürgern diese Milliarden. Und nicht nur diese. Wenig später verstaatlicht die große Koalition das Institut, nimmt es von der Börse und der Bundestag beschließt - auch auf Druck der EU - das Bad-Bank-Gesetz. Denn ein privates Unternehmen mit öffentlichen Geldern am Leben zu halten entspricht nicht dem EU-Wettbewerbsgedanken. Einspieler - Aschenputtel "Die guten in Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen." Sprecherin: Aus einer Bank mach' also zwei - und sortiere, wie im Märchen, alles Gute in einen Topf, zur guten Bank, damit sie unbelastet neu anfangen kann. Und alles Schlechte, die faulen Kredite, spekulativen Wertpapiere und anderes Belastendes kommt in den zweiten Topf, zur schlechten Bank, dazu ein Teil der Schulden und Garantien. Und um all dies kümmert sich der Staat. Atmo - Empfangshalle Sprecherin Ein gewöhnliches Bürogebäude in der Düsseldorfer Innenstadt. Kein Schild weist in der Eingangshalle den Weg. Und die Empfangsdame fragt, zu wem bitteschön die Besucherin will? Zu welcher ... Anstalt? O-Ton: (Vorzimmer) Telefonklingeln. "Erste Abwicklungsanstalt, von Bechmer, guten Morgen!" Sprecherin: Im Vorzimmer von Matthias Wargers und Markus Bolder. Sie leiten die Erste Abwicklungsanstalt. So heißt die Bad Bank der WestLB, die dem hoch verschuldeten Land Nordrhein-Westfalen und den Sparkassen gehört. Auch die WestLB hatte es beim Pokern im Finanzkasino übertrieben. Ihre Eigentümer bewahrten sie mit Milliarden vor der Pleite. Um die WestLB wieder aufzupäppeln, durfte sie sich im April 2010 von rund 77 Milliarden Ballast befreien und sie der öffentlichen Hand übertragen. Einspieler: - Aufräumarbeiten im Keller "Das hier muss noch raus, und auch das - weg damit... " Sprecherin: Die Vorstände Wargers und Bolder haben jetzt den Auftrag, soviel wie möglich von den 77 Milliarden Altlasten als bare Münze wieder reinzuholen, um die Finanzen des Landes und der Sparkassen zu schonen: O-Ton: (Wargers) Natürlich, und das ist auch klar, wir haben hier nicht das Handwerk der Alchimisten gelernt. Sprecherin: .... relativiert der 45jährige Matthias Wargers, ein ehemaliger WestLB-Manager seinen Job. Auch sie könnten aus Stroh kein Gold spinnen, sagt er: O-Ton: (Wargers) Verkaufen hat immer etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun. Die Frage ist immer, was kriege ich zum richtigen Preis verkauft. Unser Ziel ist es ja, schnell abzubauen, viel zu verkaufen, schnell zu verkaufen und aber gleichzeitig Verluste zu minimieren und das heißt, es gibt bestimmte Engagements, wo wir sagen, da ist jetzt einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Sprecherin: Von solchen bestimmten Engagements, wie Matthias Wargers es ausdrückt, gibt es viele im Bestand der Ersten Abwicklungsanstalt. Mehr als ein halbes Jahr haben die Vorstände mit ihrem Team von heute 51 Mitarbeitern gebraucht, um zu wissen, was sich hinter den 77 Milliarden verbirgt, die die WestLB abgespalten hat. Es ist ein komplexes Sammelsurium in Euro, Dollar und Yen. Musik Sprecherin: Etwa 18 Milliarden Euro liegen in Anleihen europäischer Staaten wie Griechenland und Portugal, in Anleihen von Kommunen, Banken und Firmen. Weitere 29 Milliarden Euro sind in Wertpapieren gebunden. Staatsanleihen und Wertpapiere werden die Bad Banker zurzeit nur schlecht los bei Banken, Hedge-Fonds, Pensionskassen und allen anderen, die Geld anzulegen haben. Viele der einstigen Wertpapiere sind mehrfach verschachtelt wie Matrjoschkas und ihre Grundlage bilden vor allem Kredite an US- Hausbesitzer mit geringem Einkommen. Stichwort Subprime. Seit zwei Jahren unverkäuflich. Besonders mit diesem Teufelszeug hatte sich die WestLB an den Rand des Ruins manövriert. O-Ton: (Wargers) Ich gebe Ihnen da mal ein gutes Beispiel. Wir haben Studentenkredite übernommen. Amerikanische Studentenkredite. Das ist ein Produkt gewesen, was viele Banken damals eingekauft haben. Die sind zu 97% vom amerikanischen Staat garantiert. So, die könnte ich natürlich jetzt verkaufen, dann würde ich Verlust machen. Oder ich sage: Amerika ist immer noch die ökonomische Supermacht - also halte ich die einfach, und kriege Zinsen drauf und gehe davon aus, dass die am Ende der Laufzeit, und die haben eine lange Laufzeit, - dafür brauch' ich ja den langen Atem -, dann auch zurückgezahlt werden. Musik Atmo - Aufräumarbeiten im Keller "Das hier muss noch raus, und auch das - weg damit... " Sprecherin: Bei anderen Risikogeschäften, die die WestLB-Manager abgeschlossen hatten, hilft Abwarten nicht. Bei ihnen ist unternehmerisches Handeln gefragt, wie bei manchen Großkrediten an US-Investoren beispielsweise. Die wollten Hotels in Skigebieten, Büros in Metropolen, Flughäfen und Schiffe bauen. Krise und Rezession kamen dazwischen. Solche Kreditgeschäfte summieren sich in der Abwicklungsanstalt auf rund 30 Milliarden Euro: O-Ton: (Wargers) Wir haben vielleicht eine Hotelfinanzierung oder eine Immobile, die ist halbfertig. Jetzt können Sie sagen, ich verkaufe die halbfertig und krieg' einen schlechten Preis, oder sag ich, zur Absicherung nehme ich noch mal etwas Geld in die Hand und baue das Objekt fertig, damit ich es dann zu einem richtigen Preis verkaufen kann. Das sind die Entscheidungen, die wir in dem Kontext treffen. Sprecherin: Für diesen Auftrag haben die deutschen Abwicklungsagenturen besondere Rechte erhalten. Nur wenn sie sich sicher sind, dass Kredite ausfallen oder dauerhaft die Preise im Keller bleiben, müssen sie das beim Bilanzieren ihres Vermögens berücksichtigen. Von den Launen der Finanzmärkte dürfen sie sich damit abkoppeln. Gewöhnliche Banken dürfen das nicht. Sie müssen beim Bilanzieren so tun, als ob sie ihr Vermögen am Jahresende verkaufen würden. Je stabiler die Märkte, desto besser für die Bank. Musik Sprecher: Verluste lassen in Düsseldorf nicht lange auf sich warten. Die Vorstände Wargers und Bolder müssen den Wert ihres Bestandes nach unten korrigieren. Das frisst die Hälfte des Verlustpuffers auf, den ihnen das Land und die Sparkassen mitgegeben haben. Von rund 3 Milliarden sind nur noch 1,3 Milliarden da. Dabei bleibt es nicht. Die Vorstände gehen davon aus, auch eine der Garantiezusagen der Eigentümer von 5 Milliarden Euro abrufen zu müssen. Damit sind, in nur einem Jahr auf dem Papier 6,5 Milliarden Euro weg. So will das der 48jährige Markus Bolder, ein erfahrener Banker, aber nicht verstanden wissen: O-Ton: (Bolder) Also erstmal sind sie nicht auf dem Papier weg, sondern wir haben sie zurückgelegt, um Risikovorsorge zu bilden. Das ist der wesentliche Grund, weil wir aus heutiger Einschätzung sehen, dass in einigen Fällen in der Zukunft Verlust entstehen können. Aber die 1,5 Milliarden, die wir jetzt an geringerem Eigenkapital haben, ist das eine, das zweite ist, dass wir in diesem Jahr schon Geld verdient haben, was wir ja auch zum Bilden von Risikovorsorge verwendet haben. Am Anfang ist es natürlich notwendig, intensiv das Portfolio zu durchleuchten, um dann nach heutiger Einschätzung zu sagen, was ist an Risikovorsorgebedarf da. Sprecherin: Wargers und Bolder gehen davon aus, dass sie kein weiteres Kapital von den Eigentümern brauchen werden und verweisen auf erste Erfolge. Von den einst 77 Milliarden haben sie 21 wieder reingeholt, so Matthias Bolder: O-Ton: (Bolder) Grundsätzlich orientiert sich der Verkaufserfolg daran, was aktuell im Markt nachgefragt wird. Und zu unserem Erstaunen, aber auch sicherlich der positiven Marktlage geschuldet, konnten wir sehr viel Kreditgeschäft vor allem in den USA veräußern. Und zwar für uns zu sehr interessanten Preisen. Sprecherin: Der Erfolg einer Abwicklungsbank steht und fällt mit dem wirtschaftlichen Umfeld, der Lage der Banken, Versicherungen, Pensionskassen und der weltweiten Konjunktur. Davon hängt es ab, ob die Wette auf bessere Zeiten aufgeht oder nicht und die Kassen der Eigentümer geschont werden. Aber auch die Netzwerke und Glaubwürdigkeit der Bad Banker spielen eine Rolle. Wargers und Bolder stricken an beidem und betreiben offensiv Imagepflege. Sie geben Interviews, stellen sich als Team vor, ergänzen sich in Gesprächen. Und die Geschäftsberichte der Abwicklungsanstalt wirken, als ob sie ein Start up wäre. Musik Sprecherin: Die um ein vielfaches größere Bad Bank der Hypo Real Estate dagegen umweht die Aura eines Staatsgeheimnisses. Anfang des Jahres ist sie in eine der Prachtstraßen Münchens gezogen, in die teure Prinzregentenstraße in ein unscheinbares Bürohaus. Wer vor Haus Nr. 56 steht, sieht nicht, wer dort residiert. Die Klingeln sind immer noch provisorisch beschriftet und es gibt keinen eigenen Postkasten. Interviewanfragen werden abgelehnt. Und die erste Bilanz zweimal vertagt. Atmo - Pressekonferenz FMS-Wertmanagement "Wir warten noch etwas, sind noch nicht alle da ..." Sprecherin: Im Mai dieses Jahres ist es dann soweit. In einem Münchener Nobelhotel stellen sich die Vorstände der Bad Bank der Hypo Real Estate der Wirtschafts- und Lokalpresse. O-Ton: (Pressesprecher) Ja, einen wunderschönen guten Morgen! Ich darf Sie alle herzlich begrüßen zur ersten Pressekonferenz der FMS-Wertmanagement ... Sprecher: FMS - Wertmanagement. So heißt die Bad Bank der zwangsverstaatlichen Hypo Real Estate. FMS steht für die Eigentümerin, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Sie verwaltet auch den SoFFin, den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung. Die Anstalt gehört zum Bundesfinanzministerium und hat die Bad Bank im Juli 2010 gegründet. Und vor einem Jahr durfte dann die Hypo Real Estate offiziell 175 Milliarden Euro an Problemkrediten, zweifelhaften Anlagepapieren und nicht mehr brauchbaren Geschäftsgeldern auf sie abschieben. Dazu die Staatsgarantien und anderweitige Schulden. Die Pleitebank hat sich dadurch fast halbiert. O-Ton: (Bluhm, Vorstand FMS-W) Auch von meiner Seite herzlich willkommen! Ich habe die Aufgabe, Sie durch die Zahlen durchzuführen, nicht ganz einfach, alle Zahlen einzuordnen, ich fange an, mit dem wohl interessantesten Posten ... Sprecherin: Kapitalmarkt-Vorstand Christian Bluhm ergreift das Wort. Ein promovierter Mathematiker in den 40ern mit jugendlicher Ausstrahlung. Er kommt gleich zur Sache: O-Ton: (Bluhm) Es sind jetzt 357,75 Milliarden Euro, die in unserer Bilanz ausgewiesen werden, aber das ist tatsächlich effektiv nicht so weit weg von dem, was sie aus früheren Pressemeldungen kennen, die Planbilanzsumme belief sich auf 185 Mrd. Euro. Sprecherin: Die Zahlen schwirren durch den kleinen Konferenzraum. Statt des von der Regierung stets genannten 175 Milliarden Übertrags stehen jetzt fast 360 Milliarden auf dem Papier. Diese vermeintliche Verdopplung des riskanten Erbes sei der Buchhaltung geschuldet, erklärt Vorstand Bluhm. Dabei geht er galant darüber hinweg, dass damit zwar der größte Teil der Summe zu rechtfertigen ist. Für mindestens 30 Milliarden liefert Bluhm aber keine nachvollziehbare Begründung. Nicht die einzige Überraschung dieser ersten Pressekonferenz der HRE - Bad Bank: O-Ton: (Bluhm) Der Jahresabschluss war wesentlich beeinflusst durch diese Risikovorsorge, die ist mit knapp 3 Milliarden ausgefallen. Dann haben wir ein sehr schlankes Eigenkapital gehabt. Sie sehen hier die stolze Summe von 2 Millionen Euro. Das ist nicht viel für ein 173 Milliarden Portfolio, ist auch nicht alles, ist aber das, was jetzt effektiv mal da war in diesem Abschluss. Sprecherin: 3 Milliarden haben Bluhm und sein Vorstandskollege Ernst-Albrecht Brockhaus also vorsorglich beiseite gelegt, für bald auftretende Verluste beim Losschlagen ihres fragwürdigen Bauchladens. Damit bleiben 2 Millionen an eigenem Kapital übrig, im Grunde also nichts. Und das nach nur sechs Monaten Existenz! Im anschließenden Interview - das auf wenige Minuten begrenzt ist und flankiert wird vom Pressesprecher - relativiert Vorstand Christian Bluhm den Wertverlust von 3 Milliarden Euro innerhalb eines halben Jahres: O-Ton: (Bluhm) Der Eigentümer hat in seinen eigenen Pressemitteilungen 3,86 Milliarden Rückstellungen für die FSM gebildet. Wir haben jetzt knapp 3 Milliarden Risikovorsorge verbrauchen müssen aufgrund von dauerhaften Wertminderungen z.B. auf Kredite. Aber da ist schon noch was übrig und wir hoffen auf die Erholung von Märkten, und da kann man heute nicht sagen, dass das Eigenkapital nicht reicht. bzw. ich würde mich nicht zu der unvorsichtigen Aussage hinreißen lassen, dass es reicht oder das es nicht reicht. Beide Statements wären an der Stelle nicht angebracht. Musik Sprecherin: Drei Monate früher hat Bluhms Chef, der damalige Sprecher der Bundesanstalt Finanzmarktstabilität und des SoFFin, Hannes Rehm, die Lage noch ganz anders gesehen. Die als Verlustausgleich zurückgestellten 3,8 Milliarden für die HRE - Bad Bank reichten für die nächsten zehn Jahre, sagte Rehm im Februar. Dann solle der Job ja erledigt sein. O-Ton: (Rehm) Das Eigenkapital soll den zu Beginn des Abwicklungsplans zu erwartenden Verlust abdecken, das ist die Ratio der Eigenkapital-Ausstattung. Bei der Erstellung eines Abwicklungsplans müssen sie sich ja eine Vorstellung bilden über den zu erwartenden Verlust, den expected loss. Diesen expected loss haben wir analytisch abgeleitet, übrigens auch mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern, aber auch von Asset -Management- Unternehmen, die entsprechende Markterfahrung haben und die Marktsicht einspielen können. Dies' haben wir getan. Im Moment haben wir noch keinen Anlass zu sagen, dass wir die ursprüngliche Schätzung korrigieren müssen. Musik Sprecherin: Eine erstaunliche Aussage. Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Hannes Rehm längst Einblick in den Altlasten-Bestand der Hypo Real Estate und damit in den Abwicklungsplan - genauso wie Vorstand Bluhm. Dieser allerdings hat mit denselben Zahlen zur selben Zeit einen Wertverlust von 3 Milliarden errechnet! Und: weitere 24 Milliarden wackeln: O-Ton (Bluhm) Wir haben auf dem Portfolio sicher eine große Summe an stillen Lasten drauf. Der Begriff bedeutet, dass wenn wir das Portfolio zum Bilanzstichtag verkauft hätten, dann hätten wir diese Summe an Verlusten auch einstecken müssen. Werden sich diese Stillen Lasten realisieren? Das würde ich mal sagen, kann man wahrscheinlich verneinen. Musik Sprecherin: Bluhm übt Zweckoptimismus. Denn die 24 Milliarden sind mit dem Ausgang der Euro- Schuldenkrise verbunden. Der Bad Bank gehören Unmengen an Staatsanleihen europäischer Länder, dazu Kreditzusagen an europäische Staaten und Kommunen, wie Italien, Griechenland und Spanien. Bei einer Pleite der strauchelnden Euro-Länder oder einem Schuldenschnitt stünden für die Bad Bank geschätzte 80 Milliarden auf dem Spiel. Allein aus dem Griechenland-Engagement droht ein finanzielles Risiko von mehr als 10 Milliarden Euro! Musik Sprecherin: Über den Daumen gepeilt sieht selbst ein Laie: Die Altlasten, die die Hypo Real Estate an den Bund abgeschoben hat, medienwirksam begleitet vom Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung Soffin, waren keine 175 Milliarden Euro wert, sondern viel weniger. Der Bund hat der Skandalbank damit einen enormen Vorteil verschafft und sich höhere Lasten aufgebürdet. Intransparent nennt Dorothea Schäfer dieses Vorgehen; sie ist Forschungsdirektorin für Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem DIW Berlin: O-Ton (Schäfer, DIW-Forschungsdirektorin) Tatsache ist eben, dass niemand von Seiten des Soffin mit den Ausgangsbanken darüber verhandelt hat, was sind jetzt diese Papiere eigentlich wert, die übertragen werden. Das wäre innerhalb einer Marktwirtschaft das Konforme. Dass man weiß, welche Werte wurden tatsächlich übertragen und nicht welche Luftnummern wurden übertragen und was kommt auf den Bund zu im Laufe dieser Jahre. Weil der Bund kann dann auch Vorsorge treffen, dass man das in die Haushaltsplanung mit einbezieht. Jetzt ist es so, man weiß überhaupt nichts. In einem Jahr kann sehr viel Verlust auflaufen, und es kann auch wenig sein. Sprecherin: Der Spielraum für böse Überraschungen für den Bundeshaushalt ist also groß. Dort nämlich werden die tatsächlichen Verluste verrechnet. Denn eines können die deutschen Bad Banks nicht werden: zahlungsunfähig, wie der Vorstand der HRE-Bad Bank Christian Bluhm lässig erklärt: O-Ton: (Bluhm) Das ist ein Problem für den Eigentümer, weil es Geld kostet, wenn es nicht reicht. Der Soffin hat eine Pflicht uns gegenüber, Verluste auszugleichen und wenn der Vorstand beim Soffin um Verlustausgleich bittet, dann wird dem in einer Zeitspanne höchstens drei Tagen auch stattgegeben. Die Steuerzahler stehen in letzter Folge dafür ein, das ist richtig. Sprecherin: Über das Bad-Bank-Gesetz sind die Bundesbürger in Haftung genommen. Sie werden jeden Verlust ausgleichen. Theoretisch die gesamten 175 Milliarden der HRE-Bad Bank. Deshalb haben sich die Bundesschulden um diesen Betrag erhöht, der dem Etat für Arbeit und Soziales, Verteidigung und Gesundheit entspricht, etwa 60 Prozent des Bundeshaushalts. Bei der WestLB Bad Bank übernehmen zuerst das Land und die Sparkassen die Verluste. Zwingend notwendig sei diese Haftung, rechtfertigt der Bund seine Entscheidung, damit die Abwicklung der Fehlinvestitionen nicht noch teurer wird. Bad Banks brauchen nämlich laufend neues Geld, so die Professorin Dorothea Schäfer vom DIW Berlin: O-Ton: (Schäfer, DIW) Wenn man über Bad Banks redet, dann hat man immer das Gefühl, da werden nur Vermögenswerte übertragen, aber die Vermögenswerte wurden irgendwann mal finanziert, entweder durch Eigenkapital oder durch Fremdkapital, und dieses Fremdkapital läuft nicht gerade zu dem Zeitpunkt aus, wo die Übertragung der Vermögenswerte stattfindet, dann muss allerdings die Bad Bank selbst Fremdkapital aufnehmen. Sprecherin: Refinanzieren nennen Banker das, der Volksmund sagt Umschulden. Über die Suche nach neuen Geldgebern, um die alten auszahlen zu können, solange, bis die Finanzmüllhalde aufgeräumt ist, reden die Abwickler aber ungern. Und über die Schulter schauen lassen sie sich auch nicht, wie hier bei einer Präsentationen der HRE - Bad Bank in Hamburg: Atmo - Investorenkonferenz Tag! Ich wollte gern mit Herrn Remmers sprechen. Sind Sie Herr Remmers? Ja. Können wir kurz miteinander sprechen? Ne, definitiv nicht. Wir haben eine ganz klare Regelung getroffen und ich bitte um Verständnis. Sprecherin: Denn wen fragen die HRE- Bad Banker nach den notwendigen Milliarden? Musik Sprecherin: ... Sie fragen auch die Banken und Versicherungen, die der Hypo Real Estate die Fehlspekulationen erst ermöglicht haben. Allerdings ohne die Konsequenzen dafür zu tragen. Die Steuerzahler haben das mit den Staatsgarantien übernommen, als der Bank die Zahlungsunfähigkeit drohte. Mit den Garantien im Rücken konnte die HRE einen Teil ihrer Geldgeber auszahlen, darunter der US-Bankenriese J.P. Morgan, die Postbank, Deutsche Bank, die Unicredit und die Bayern LB, dazu Versicherungen wie die HUK Coburg und die Allianz. Der Bund hütet die Liste dieser mit Staatsgeldern Freigekauften wie ein Staatsgeheimnis. Viele von ihnen verdienen jetzt an der Beseitigung der auch von ihnen verursachten Schäden wieder mit. Der Branchenprimus Deutsche Bank, die Unicredit und die BayernLB zum Beispiel helfen der HRE- Bad Bank bei ihrer Investorensuche und lassen sich diesen Dienst gut bezahlen. Musik Sprecherin: Trotz dieser einseitigen Lastenverteilung, der zahlreichen Ungereimtheiten und düsteren Aussichten bleibt ein Aufschrei in der Öffentlichkeit aus, selbst als die HRE-Finanzhalde im Mai bekannt gibt, ihr eigenes Kapital sei schon so gut wie weg, berichten die Medien kaum. ... Sprecherin: ... Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kommt das gelegen. Dann redet wenigstens niemand über das größte Finanz-Experiment der Bundesrepublik, die HRE- Bad Bank, und der mir ihr verbundenen neuen Milliardenschulden. Musik Sprecherin: Das Finanzministerium und die Vorstände der HRE-Bad Bank erwecken den Eindruck, sie hätten alles im Griff. Zweifel sind angebracht. Die Bad Bank hat ein höchst komplexes Gebilde aus 12-tausend Einzelgeschäften in 65 Ländern erhalten, notiert hauptsächlich in Dollar, Pfund und Yen. Darunter Kredite an ins Stocken geratene Prestigeprojekte wie die künstliche Inselwelt im Golfstaat Dubai und Kredite mit Laufzeiten von mehr als 50 Jahren. Und fast 45 Milliarden Euro liegen gebunden in Kreditpapieren, hinter denen fast ausschließlich finanziell minderbemittelte US- Hausbesitzer stehen. Und dieses 175-Milliarden-Chaos versucht nun eine Mannschaft von 80 Leuten zu lichten, zu verstehen und zu handhaben. Wer sich die Mühe macht und den Geschäftsbericht der FMS-Wertmanagement liest, bekommt eine Ahnung, wie es im Innern um die Abwicklungsbank steht. Ein renommierter Wirtschaftsprüfer, der anonym bleiben will, sagte nach der Lektüre: Sprecher: Der Abschluss ist wirklich schwer zu verstehen, teilweise gar nicht. Die Kollegen, die ihn geschrieben haben, wussten offenbar nur relativ oberflächlich, wie die Transaktion von der Hypo Real Estate zur FMS-Wertmanagement funktioniert hat. Jedenfalls sind manche Ausführungen teilweise sehr oberflächlich, teilweise völlig unverständlich bis unsinnig. Es bleiben über 40 Milliarden Euro völlig ohne Erläuterung! Musik Sprecherin: Die Öffentlichkeit wird über den wahren Zustand und die Risiken der Alt-Bestände der Hypo Real Estate also im Unklaren gelassen. Selbst die neun Abgeordneten im Kontrollgremium für die Bankenrettung wissen nicht wirklich Bescheid. Sie müssen sich mit Präsentationen der Bad Banker zufrieden geben. Einsicht in sensible Dokumente erhalten sie meist nicht; das Bundesfinanzministerium verweist zur Begründung auf die Verschwiegenheitspflicht und den Schutz von Betriebsgeheimnissen. O-Ton: (Steinbrück, 2009) Wenn sie diese Bilanzen leerfegen wollen von den belastenden Papieren, da müssen sie die Frage beantworten, wer ist denn der Dumme, der die damit verbundenen Risiken übernehmen soll? Musik Sprecherin: Der Dumme sind die Steuerzahler. Wie hoch die Rechnung für das Missmanagement und Versagen in Politik und Banken letztlich ausfallen wird, ob 30 oder gar 50 Milliarden, wie der Bankprofessor Dirk Schiereck errechnet hat, ist heute schwer abzuschätzen. Und Fachleute meinen, mindestens 20 Jahre werden die Abwickler brauchen, um den Finanzschrott loszuwerden, vielleicht auch länger. Die verantwortlichen Politiker und Bankmanager sind dann längst in Rente. Sprecher vom Dienst: Milliardengrab und Staatsgeheimnis Die deutschen Bad Banks Ein Feature von Dani Parthum Es sprachen: Viola Sauer und Joachim Schönfeld Ton: Martin Eichberg Regie: Roswita Graf Redaktion: Constanze Lehmann. Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 S.20/20