COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 25. Juli 2011, 19.30 Uhr Kunde und Komplize Oder: Wem nützt mein Geld? Von Nadine Dietrich Musik / Atmo 1 Bright Times von Ron Baines - läuft durch (Ich finde, es klingt gut, wenn die Ansage auf den Motivwechsel gesprochen wird, danach ausblenden) TAKE 01 Besucher Genauso selbstverständlich, wie man heutzutage den Stromanbieter wechselt, so wird es höchste Zeit, dass man auch die Bank wechselt. Mit unserem Geld wurde bisher so viel Schindluder getrieben, dass das einfach Zeit wird. TAKE 02 Besucherin Ein Vorteil von grünem Geld ist einfach auch, dass ich mir nicht immer einen Kopf machen muss, wenn ich es denn mal angelegt hab, ob damit vernünftig umgegangen wird. Weil hab keine Lust, mich um Geld zu kümmern. TAKE 03 Besucher Die Ereignisse der Welt zeigen ja, dass es offensichtlich immer nötiger wird, mit dem Wahlzettel Geld die richtige Abstimmung zu treffen - und nicht nur im Ernährungskonsum oder beim Autofahren, sondern gerade auch bei der Geldanlage. Sprecher vom Dienst: Kunde und Komplize Oder: Wem nützt mein Geld? Von Nadine Dietrich Musik langsam wegblenden TAKE 04 F. Hammermann Ich kann nicht zur Deutsche Bank sagen: Ja, ich geb euch mein Geld, aber bitte gebt es nicht an die und die und die Gesellschaft. So funktioniert es eben nicht. Sprecherin: Was macht die Bank mit meinem Geld? - Um darüber mitbestimmen zu können, musste sich Frauke Hammermann gründlich informieren und eine Entscheidung treffen. TAKE 05 Bankwechslerin Frauke Hammermann Ich hab die Bank gewechselt, ich hab mir die GLS-Bank ausgesucht. Und meine frühere Bankverbindung war bei der Hypovereinsbank. Die Hypovereinsbank ist genauso wie die Deutsche Bank oder wie die Commerzbank oder wie alle Geschäftsbanken involviert in die Kreditvergabe an Gesellschaften, die ich einfach persönlich nicht befürworte und letztendlich ist es so, dass ich ja, mit dem Geld, das dort ist, dafür sorge, dass solche Kredite überhaupt vergeben werden können. Sprecherin So wollte die Bankkundin aus Hamburg sicher sein, dass mit ihrem Geld nicht die Atomindustrie unterstützt wird. Die Studie der Nichtregierungsorganisation "urgewald" "Wie radioaktiv ist Ihre Bank?" hat sie in ihrer Wahl bestärkt. TAKE 06 Frauke Hammermann Da kann man genau nachgucken, wie groß das Engagement der konventionellen Bank, bei der man jetzt vielleicht noch sein Konto hat, eben einfach ist in dem Bereich. Und die ethischen Banken sagen eben ganz gezielt, wir wollen das nicht, in keiner Weise unterstützen. Sprecherin In der Studie von "Urgewald" steht, dass die Deutsche Bank mit 31 Millionen Euro an dem japanischen Energiekonzern Tepco beteiligt ist. Die Muttergesellschaft der ING Diba mit 15 Millionen Euro. Tepco betreibt das Atomkraftwerk Fukushima. Wer bei diesen Banken ein Konto hat, dessen Geld steckt vielleicht in den Unglücksreaktoren. Da die Banken diese Investitionen nicht öffentlich machen, fühlen sich "Kunden" schon mal als "unfreiwillige Komplizen". Auch die Nichtregierungsorganisation "Urgewald" konnte nur durch hartnäckige Recherchen herausfinden, welche Banken die internationale Atomindustrie in den vergangenen Jahren finanzierten. ( Effekt zwischen folgende Aufzählung setzen) Sprecher Deutsche Bank - 8 Milliarden Euro Commerzbank - 4 Milliarden Euro HypoVereinsbank - UniCredit - 2 Milliarden Euro Bayern LB - 2 Milliarden Euro WestLB - eine Milliarde Euro DZ Bank - 700 Millionen Euro Postbank - 200 Millionen Euro Sprecherin Nur wenige der in Deutschland vertretenen Banken geben aus Prinzip kein Geld an die Atomindustrie. Darunter die führenden alternativen Finanzinstitute: die GLS-Bank aus Bochum, die Thüringer Ethik-Bank, die Umweltbank aus Nürnberg und die Triodos Bank, Frankfurt. Sprecher Noch sind diese Finanzinstitute Winzlinge im deutschen Bankensystem. Ihre Bilanzsumme lag Ende 2009 bei knapp 6 Milliarden Euro. Die Deutsche Bank wies im selben Jahr fast zwei Billionen Euro aus. Aber die Branche wächst. Die Finanzkrise ab 2007 hat zu einem regelrechten Boom geführt. Professor Henry Schäfer erforscht seit vielen Jahren ethische Finanzmarktprodukte. TAKE 07 a Schäfer Die Menschen fragen sich seitdem, was die Sinnhaftigkeit des Geldes ist. Wieso können solche Produkte hergestellt werden, die dann nachher nicht mehr beherrschbar sind. Wir haben Rückgänge in der Verfügbarkeit von erschöpfbaren Ressourcen, wir haben das CO² Thema. Die Welt ist voller Krisen und in dieser Zeit werden die Menschen besonders sensibel für solche Fragen und prüfen, wie sie ihren individuellen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten können. Sprecherin So verdoppelten sich innerhalb von vier Jahren die Kundeneinlagen bei der Umweltbank aus Nürnberg. Und die Zahl der Neukunden bei der Ethik-Bank und der GLS-Bank wächst jährlich um 20 bis 30 Prozent. Seit der Atomkatastrophe in Fukushima hat sich der Kundenzustrom für die alternativen Geldinstitute noch einmal erhöht. Im Juni begrüßte die GLS-Bank ihren 100.000sten Kunden - die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken ist die Marktführerin der alternativen Finanzinstitute. Sprecher Sie nennen sich "ökosoziale", "alternative" oder "Nachhaltigkeits"-Banken. Das bedeutet, dass sie bei Geldanlage und Kreditvergabe auch nach der sozialen, ökologischen und ethischen Ausrichtung eines Unternehmens fragen. Wer sein Geld zu den genannten Banken bringt, kann sicher sein, dass es nicht in die Atomindustrie und in Rüstungskonzerne fließt sowie in Unternehmen, die Kinder ausbeuten, Arbeits- und Menschenrechte grob missachten oder Umweltverschmutzungen nachweislich zulassen. Ausgeschlossen ist auch die finanzielle Unterstützung von Gentechnik in der Landwirtschaft, von Tierversuchen und Embryonenforschung. Katholische Kirchenbanken geben außerdem kein Geld an Unternehmen, die Kondome oder Anti-Baby-Pillen produzieren. Die Bankwechslerin Frauke Hammermann hat sich viele Prospekte zuschicken lassen und sich im Internet informiert. Dann erst hat sie sich für die GLS-Bank entschieden, die in Hamburg eine Filiale hat und ein Girokonto bietet. TAKE 07 bFrauke Hammermann Das tun eben nicht alle. Die Umweltbank bietet eben kein Girokonto, das wär sonst für mich die erste Wahl gewesen. Die Triodos-Bank bietet es noch nicht an. Atmo 2 Kuhstall - Muhen und Kauen ...... bis O-Ton drunterlegen Sprecherin Auf dem Mecklenburger "Hof Medewege" am Stadtrand von Schwerin. Dieser Bio- Bauernhof finanziert sich durch Kredite der GLS-Bank. Zwischen drei und vier Millionen Euro habe sich die Hofgemeinschaft geliehen, sagt Georg-Wilhelm Jahn, der Gründer dieses Demeter-Hofes. TAKE 08 Georg-Wilhelm Jahn Muh! - Wir haben 50 Milchkühe. Die meiste Milch geht an die Gläserne Meierei, mit der haben wir einen Vertrag geschlossen - Muh - wir liefern Antibiotika-freie Milch und ein Drittel verarbeiten wir selbst zu Quark, Joghurt, Frischkäse und verpacken auch selbst pasteurisierte Milch. Und ein anderer Teil geht als Rohmilch direkt ab Hof. - Muh! Muh! Atmo 3 Kühe kauen im Stall - unter den Text legen bis O-Ton Sprecherin Georg-Wilhelm Jahn steht in einem nach allen Seiten offenen Kuhstall. Die Kühe können sich frei bewegen, einige liegen unterm Dach im Stroh und käuen wieder, andere grasen auf der Weide. Ein paar Schritte weiter sonnen sich die Schweine, 50 bis 60 gibt es auf dem Hof, die Ferkel stupsen einander und wühlen im Sand. TAKE 09 Georg-Wilhelm Jahn Komm mal hoch Grunzi - Schwein schnüffelt und grunzt - bisschen stehenlassen und dann unter den Text blenden Sprecherin Zum "Hof Medewege" gehören außerdem eine große Bäckerei, Obst- und Gemüseanbau, ein Lieferservice für Biokisten, ein Hofladen sowie ein Café. Und es gibt einen Waldorf- Kindergarten. Kurz nach der Wende hat eine Familie das Projekt begonnen, inzwischen arbeiten hier 80 Menschen, erzählt Georg-Wilhelm Jahn: TAKE 10 Georg-Wilhelm Jahn Eigentlich kann ich da von einer kleinen Erfolgsgeschichte sprechen. Wir haben ständig steigende Umsatzzahlen und hoffen, dass das auch so anhält. Sprecher Wem die GLS-Bank einen Kredit gewährt, das bestimmen die Bank-Kunden zu einem guten Teil mit: Denn bei Kontoeröffnung legt jeder Kunde fest, in welche Branche die Bank das Ersparte investieren darf. Dirk Grah von der Filiale in Hamburg zählt auf, welche Branchen dabei zur Auswahl stehen. TAKE 11 Dirk Grah Das ist ökologische Landwirtschaft, das ist Bildung, das ist Behindertenhilfe, das ist Gesundheit, das sind regenerative Energien, das sind ökologisch-nachhaltige Wohnprojekte. Das sind Themenfelder, wo wir sagen: Wir möchten die gerne voranbringen. Die gehören für uns auch zur Daseinsvorsorge eines jeden Menschen, dass er gut ernährt wird, dass er gesund ernährt wird, dass er vernünftige Arbeitsbedingungen hat usw. Sprecher Jeden Kredit, den die Gemeinschaftsbank Leihen und Schenken vergibt, veröffentlicht sie mit Firmennamen und Kredithöhe im dreimal jährlich erscheinenden "Bankspiegel". Ähnlich transparent ist im deutschen Bankenwesen nur noch die Ethik-Bank aus Thüringen. Sie ist ebenfalls eine Hausbank mit Giro- und Sparkonten sowie Finanzberatung. Die Ethik-Bank legt alle Eigenanlagen am Finanzmarkt im Internet offen und listet auf, für welche Investitionen sie Unternehmen das Geld ihrer Kunden gibt. Alle anderen Nachhaltigkeitsbanken, zum Beispiel die Umweltbank oder die niederländische Triodos-Bank, tun dies nicht. Aber: auch sie haben sich umfangreiche Nachhaltigkeitskriterien auferlegt, die die Kunden zum Beispiel im Internet nachlesen können. Und wie die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest feststellten - die Banken halten sich an diese Kriterien. Atmo 4 leises Geraschel und Schritte, Rede: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, es freut mich unheimlich in die Runde zu schauen und so viele Leute heute bei unserer Veranstaltung begrüßen zu dürfen,...." - wegblenden unter Sprecherin Atmo 5 - ev. verblenden mit Atmo 4, etwa bei Einführung von Ignacio Campino Stimmengewirr in großer Halle - liegt bis zum O-Ton unter dem Text Sprecherin Im April dieses Jahres feierte das "Forum nachhaltige Geldanlage" sein zehnjähriges Bestehen. Der Lobbyverband setzt sich für die Verbreitung und die staatliche Förderung von ethisch ausgerichteten Investments ein. Zum Jubiläum in Berlin kamen führende Mitarbeiter der Nachhaltigkeitsbanken, Fondsmanager, Finanzberater und Vertreter von Ratingagenturen. Auch Ignacio Campino von der Deutschen Telekom. Er ist seit 16 Jahren "Beauftragter für Nachhaltigkeit und Klimaschutz", untersteht direkt René Obermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom. TAKE 12 Ignacio Campino (Stimmengewirr im Hintergrund) Wir möchten von den Investoren, die im Forum Mitglieder sind, als Aktie wahrgenommen werden und wir wollen natürlich gekauft werden. Weil diese Investoren etwas loyaler sind zu Unternehmen, die prüfen sehr eingehend und dann behalten sie die Aktie länger. Und das ist gut so. Das ist die harte Seite. Aber es gibt auch eine andere Seite: Wenn wir überzeugt sind, dass Nachhaltigkeit ein gutes Modell für die Gesellschaft ist, dann wollen wir uns auch dafür einsetzen, dass die Gesellschaft nachhaltiger wird. Sprecherin Soziale Nachhaltigkeit - das bedeutet bei der Deutschen Telekom zum Beispiel, Frauen in Führungspositionen zu fördern und Ferienbetreuung für die Kinder der Mitarbeiter anzubieten. Im ökologischen Bereich bemüht sich der Konzern, den enormen Energieverbrauch zu senken. Allein die deutschen Telekom-Standorte benötigen pro Jahr so viel Strom wie eine Million Vier-Personen-Haushalte. Aber der Konzern verzichtet laut Unternehmensbericht auf Atomstrom und setzt stattdessen auf skandinavische Wasserkraftwerke. Energieintensiv sind besonders die zahlreichen Großrechenzentren der Telekom, die für den Datentransfer notwendig sind, erklärt Ignacio Campino. Bisschen Atmo von Atmo 5 am Ende unter die Sprecherin legen, damit das Stimmengewirr unter Ignacio Campino nicht so plötzlich kommt TAKE 13 Ignacio Campino Das Thema Rechenzentren wird noch wichtiger als es ist, weil alle intelligenten Geräten, die wir in den Taschen tragen: Tabletts, Smartphones, Clouds - die brauchen Rechenzentren im Hintergrund. Wir können insgesamt weniger Energie verbrauchen, wenn wir es intelligent anstellen. Wir stehen natürlich auch mit unseren Lieferanten in Verbindung, um mit ihnen das Thema zu diskutieren. Denn die Zukunft verlangt von uns allen Energieeffizienz. Sprecherin Der Konzern wird aufgrund seiner ökologischen und sozialen Bemühungen im Dow Jones Sustainability Index geführt, in dem die nachhaltigsten Aktienunternehmen weltweit aufgenommen werden. Außerdem bewerten "ökologische Researchagenturen" wie die Münchner "OEKOM" oder das Hannoveraner "Institut für Markt und Gesellschaft", kurz "IMUG", die Telekom als hervorragend. Sprecher Die Nachhaltigkeitsbanken sind bei ihren Geldanlagen auf das Wissen der ethisch- ökologischen Ratingagenturen angewiesen. Die beraten sie, bei welchen Konzernen sie Unternehmensanleihen oder Aktien kaufen können, ohne gegen ihre eigenen Kriterien zu verstoßen. Silke Riedel von der Ratingagentur "IMUG" betreut verschiedene Kirchenbanken, die GLS-Bank sowie die Ethikbank. Dafür untersucht sie regelmäßig alle Unternehmen, die im DAX und im MDAX vertreten sind: TAKE 14 Silke Riedel Das ist eine Vielzahl von Kriterien, etwa 250 Stück, das sind soziale, ökologische und corporate governance, also wie wird das Unternehmen geführt. Und im Umweltbereich, das ist klar, wir gucken uns an: hat das Unternehmen eine Umweltmanagementsystem, wie viel CO2 emittiert es, wie ist der Wasserverbrauch, wie geht es mit dem Thema Artenschutz um? Im sozialen Bereich ist das schon etwas komplexer: einerseits so Mitarbeiterthemen: Weiterbildung, Gesundheit und Sicherheit, Schaffung von Arbeitsplätzen. Themen wie Menschenrechte. Wie geht ein Unternehmen, das einen Afrikastandort hat, wie geht es mit dem Thema um? Oder ein Unternehmen wie Adidas? Wie geht es mit dem Thema Sozialstandards in der Lieferantenkette um? Beschäftigt es Kinder? Macht es Zwangsarbeit in seiner Lieferantenkette? Und dann das Thema corporate governance: wie Bestechung und Korruption, Vorstandsvergütung, Frauen im Vorstand, Risikomanagement. Die Palette ist sehr breit, alles was Sie sich vorstellen können, untersuchen wir. Sprecher Heraus kommt dabei nicht das grünste und Mitarbeiter-freundlichste Unternehmen, sondern lediglich das jeweils Beste seiner Branche. Spitzenplätze belegen der Autobauer BMW, der Haushaltsmittelhersteller Henkel und eben die Telekom. Wer nun an den hohen Spritverbrauch der BMW-Flotte denkt oder an das umstrittene Palmöl in Henkel- Produkten, wundert sich wahrscheinlich, dass die alternativen Banken diesen Unternehmen Geld leihen oder Öko-Fondsmanager sie in ihre Nachhaltigkeitsfonds aufnehmen. Silke Riedel: TAKE 15 Silke Riedel Das erweckt auch bei vielen Anlegern Irritationen, aber man muss immer unterscheiden, welche Kriterien sind angelegt worden und wir können nicht nur Solar-, Biolebensmittel- und Windkraftunternehmen im Portfolios haben, dann ist das Risiko weitaus höher, weil ich nur auf bestimmte Branchen setze, die per se nachhaltig sind. Es muss eigentlich darum gehen, dass wir Nachhaltigkeit in alle Branchen reinbekommen. Und dann kann man sagen, dass BMW innerhalb der Automobilbranche sicherlich eines der grünsten Unternehmen ist. Natürlich sind die nicht grün, die stellen immer noch dicke Autos her, aber die machen ganz viel im Bereich Elektromobilität, ganz viel im Bereich Effizienz, machen viel im Bereich Sozialstandards. Das Ziel muss sein, so einen Wettstreit zu verankern: Wer ist der Beste von uns, wer macht die besten Umwelt- und Sozialprogramme? Sprecher Und natürlich auch: Wer hat ein gutes Image? Mit diesem Argument konnte der Nachhaltigkeitsbeauftragte Ignacio Campino bei der Deutschen Telekom schon einiges bewegen: zum Beispiel, dass giftiger Müll nicht in China, sondern sachgerecht in Europa entsorgt wurde - auch wenn das deutlich teurer ist. Geld von der Ethik-Bank bekommt der Konzern trotzdem nicht: Denn die Deutsche Telekom stellt Kommunikationsprodukte für die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan bereit und die Ethikbank schließt grundsätzlich alle Unternehmen aus, die an Rüstungsgütern verdienen. Sprecherin Auch wenn sich die alternativen Banken bei ihren eigenen Investments an strenge Nachhaltigkeitskriterien halten - ihrem Engagement sind Grenzen gesetzt durch das deutsche Bankensystem. Das bedeutet: um die Einlagen ihrer Kunden zu sichern, müssen sie Geld an die Bundesbank und an ihre Dachverbands-Banken geben. Bei der GLS- und der Ethikbank ist das die genossenschaftliche DZ-Bank. Und die DZ-Bank investiert in die Atomindustrie und ist in Steueroasen aktiv. Eine ganz normale, konventionelle Bank also. Dirk Grah von der GLS-Bank-Filiale in Hamburg macht keinen glücklichen Eindruck, als er auf die DZ-Bank angesprochen wird: TAKE 16 Dirk Grah Einfluss können wir nicht nehmen, das ist ganz klar, weil wir eine, jetzt weiß ich die Zahl nicht ganz genau, eine von 1300 Genossenschaftsbanken sind. Wenn es eine Alternative gäbe, können Sie sicher sein, dass wir das schon geprüft und umgesetzt hätten, aber im Moment gibt es keine Alternative dazu. TAKE 17 Gerhard Schick Die ökologisch ausgerichteten Banken sind sehr transparent. Und diese Transparenz muss man im konventionellen Bereich erstmal erreichen. Ich glaube, dass da wirklich eine Vorbildfunktion da ist. Und jetzt wird man nie das Optimum vielleicht erreichen, aber der Unterschied ist gewaltig. Sprecherin Sagt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Ziel seiner Partei ist es, dass deutlich mehr Menschen, aber auch Pensionsfonds, Vereine, Stiftungen und Unternehmen ihr Geld ökologisch und sozial anlegen. Schätzungen des "Forums Nachhaltige Geldanlagen" zufolge ist momentan in Deutschland lediglich ein Prozent des Geldes ethisch investiert. In Belgien sind es dagegen 20, in den Niederlanden sogar 40 Prozent. Sprecher Nachhaltige Banken, Geldanlagen und Versicherungen haben in Deutschland mehrere Schwierigkeiten: Zu wenig Menschen wissen, dass es sie gibt. Und die Finanzprodukte, die angeboten werden, entsprechen nicht den Anlagewünschen der Deutschen. Außerdem basiert der Markt ausschließlich auf Vertrauen, weil es kein anerkanntes Siegel oder eine unabhängige Kontrolle gibt, ob ein Produkt tatsächlich "grün" oder "sozial" ist. Und es gibt keine staatliche Förderung für ethisch ausgerichtete Finanzprodukte. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es Steuererleichterungen für Gewinne aus nachhaltigen Geldanlagen. Sprecherin Das deutsche Parlament hätte in diesem Jahr die Möglichkeit gehabt, ethische Investments zu fördern. Im März wurde das neue Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz verabschiedet. Die Grünen wollten darin festzuschreiben, dass Bankberater ihre Kunden bei Anlagegesprächen fragen, ob diese ökologische, soziale oder ethische Aspekte berücksichtigen wollen. Dadurch hätten zum einen die Kunden erfahren, dass diese Möglichkeit überhaupt besteht und die konventionellen Banken hätten den Anreiz, derartige Produkte auch anzubieten, was momentan kaum der Fall ist. Die Regierungskoalition lehnte das ab. Ralph Brinkhaus, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Finanzausschuss: TAKE 18 Ralph Brinkhaus Wenn ich dieses Beratungsgespräch, was verpflichtend ist, führe, dann werde ich natürlich nach meinen Anlagezielen gefragt: Rendite, Sicherheit, Risiko, das sind die Dinge, die ich als Verbraucher angeben kann. Da kann ich auch angeben, ob ich nachhaltig investieren will. Und was die Grünen wollten, ging so ein bisschen in die Richtung - ein bisschen - : Ich muss mich als Verbraucher rechtfertigen, warum ich nicht nachhaltig anlege. Und das ist eine Geschichte, die würde mir zu weit gehen. Sprecherin Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. TAKE 19 Gerhard Schick Es geht um mehr Freiheit und nicht um weniger. Das heißt, wenn ich heute zur Bank gehe, kriege ich meistens nur Informationen über die Rendite und ich muss schon froh sein, wenn ich über Provisionen und andere Sachen gesetzmäßig aufgeklärt werde. Aber wenn ich frage, worin bin ich eigentlich konkret investiert? Können Sie ausschließen, dass ich hier in ein Unternehmen investiert bin, dass Kinder arbeiten lässt, dann ist es häufig schwierig, das herauszufinden. Diese Informationen sollen bereitgestellt werden. Es ermöglicht den Menschen eine freie Entscheidung zu treffen und nicht ausschließlich auf Rendite zu schauen. TAKE 20 Ralph Brinkhaus Ich glaube mal, es ist in erster Linie die Aufgabe der Branche auf der einen Seite, diese Produkte anzubieten. Ich glaube, es ist Aufgabe der Gesellschaft, dieses Thema zu diskutieren, aber ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Politik ist, den Menschen vorzuschreiben: Hey, ihr müsst jetzt nachhaltig anlegen. Sprecherin Ralph Brinkhaus sagt, er setze auf den einzelnen Privatanleger: Wenn der ethische Finanzprodukte wirklich haben will, dann werden die Banken sie auch vermehrt anbieten. Das ist Wissenschaftlern zufolge ein Trugschluss: Die Marktmacht des Einzelnen ist sehr gering. So ist es zum Beispiel nicht den privaten Stromwechslern zu verdanken, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtstrommix heute bei 19 Prozent liegt, sondern der staatlichen Förderung durch das Einspeisevergütungsgesetz. TAKE 21 Gerhard Schick Wenn wir in der Zukunft weiter erfolgreich wirtschaften wollen, dann müssen wir ökologische Kriterien berücksichtigen, weil die Vernachlässigung der ökologischen Rahmenbedingungen extrem teuer wird. Das zeigt die Stern-Studie zum Klimawandel, die sagt: Vermeidung von Klimawandel ist auf jeden Fall günstiger, als die Folgen des Klimawandels zu tragen. Deswegen ist es richtig, auch staatliche Rahmenbedingungen zu setzen und die Wirtschaft zu einer ökologischen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln. Sprecherin Was die Grünen "ökologische Marktwirtschaft" nennen, geistert als "Ökodiktatur" durch die Regierungskoalition. TAKE 22 Ralph Brinkhaus Die Grünen haben auch aktuell einen Antrag am Laufen, wo drin steht, der Staat sollte definieren, was nachhaltig ist. Und das halte ich für höchst gefährlich, weil damit betreibe ich dann eine Wirtschaftslenkung. Das heißt, über die Steuerung der Zuflüsse des Geldes, Geld ist ja der Treibstoff für Wirtschaft, definiere ich dann, welche Wirtschaft ich haben will. Sprecherin Die Grünen fragen zurück, was erstens schlecht daran sei, wenn Hersteller von Streubomben kein Geld mehr bekämen und zweitens wie die Regierung die Energiewende finanzieren wolle. Der Ausstieg aus der Atomindustrie und der Ausbau der Erneuerbaren Energien kosten sehr viel Geld. Warum also nicht ganz gezielt Privatanleger anlocken, denn die verfügen in Deutschland insgesamt über 400 Milliarden Euro Erspartes. Die Partei will sich nun verstärkt an die öffentlich-rechtlichen Banken wenden, dazu zählen die Landesbanken, die Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie die 425 Sparkassen in Deutschland. Diese Banken sind auf das Gemeinwohl verpflichtet - und das beinhalte auch das Thema Nachhaltigkeit, sagt Gerhard Schick: TAKE 24 Gerhard Schick In Verwaltungsräten der öffentlich-rechtlichen Banken sitzen politische Akteure. Wenn wir eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie haben, wenn es Klimaziele gibt, die die Bundesregierung versucht zu erreichen, dann ist es doch nur logisch, dass die öffentlich- rechtlichen Banken in Deutschland auch aktiv daran mitwirken, dass wir diese Nachhaltigkeitsziele auch erreichen, alles andere wäre doch merkwürdig. Sprecher Bei den Banken anzusetzen, um mehr Menschen für nachhaltige Geldanlagen zu gewinnen, kommt dem typischen deutschen Anlegerverhalten entgegen. Die Hälfte des von Privatanlegern gesparten Geldes liegt in Form von Tagesgeld, Festgeld und Sparguthaben bei konventionellen Banken. Denn die Deutschen mögen feste Zinsen und kaufen Finanzprodukte gern bei ihrer Hausbank. An komplizierten und riskanteren Anlageformen haben Deutsche generell wenig Interesse, aber genau diese sind bei nachhaltigen Geldanlagen besonders häufig im Angebot. Ein Grund mehr, warum ihr Marktanteil bei knapp einem Prozent liege, sagt Professor Henry Schäfer von der Universität Stuttgart. TAKE 25 Henry Schäfer Sie finden heute ganz interessante Anlageprodukte gerade im Bereich Erneuerbare Energien, die von ihrer Konstruktion her die breite Öffentlichkeit überhaupt nicht versteht. Ich nenne mal den Genussschein, ja. Sie haben etliche Windpark- und Erneuerbare- Energie-Betreiber, die geben zur Finanzierung ihrer Aktivitäten Genussscheine heraus. Sie versprechen einen Zinssatz, der liegt ordentlich hoch im Vergleich zu dem, was sie für eine Bundesanleihe bekommen, aber dieses Konstrukt ist für die Mehrheit der Privatanleger schlichtweg nicht verständlich. Und man kann sich bei all dem, wenn man was Gutes tun will als Anleger durchaus in eine sehr gefährliche Situation bringen, weil man Risiken trägt, die man vorher gar nicht durchschaut hat. TAKE 26 Frauke Hammermann Selbstverständlich habe ich solche Geldanlagen. Ich interessiere mich genauso für Genussscheine wie auch für Unternehmensanleihen oder geschlossene Beteiligungen oder Direktinvestitionen. Denn natürlich da kann ich eben als Anleger ganz gezielt sagen, da soll mein Geld hingehen. Sprecherin sagt die Bankwechslerin Frauke Hammermann aus Hamburg. Sie meint, man müsse sich einfach einmal die Zeit nehmen, um sich diese verschiedenen Anlageprodukte ausführlich erklären zu lassen. Das lohne sich auf jeden Fall, auch um nicht auf Mogelpackungen hereinzufallen, zum Beispiel bei Investmentfonds. TAKE 27 Frauke Hammermann Da sind ganz viele, die sich einfach nur ein grünes Mäntelchen umhängen, wo nichts mit Grün ist. Ein schönes Beispiel finde ich dafür den "Klimafonds", den die Deutsche Bank vor dreieinhalb Jahren aufgelegt hat. Da haben die innerhalb kürzester Zeit eine Milliarde eingesammelt. Aber die Leute gucken eben nicht drauf, was wirklich drin ist. Sprecher Insgesamt gibt es in Deutschland 360 Investmentfonds, die mit der Bezeichnung "nachhaltig" für sich werben. Welche Wirtschaftszweige sie ausschließen und welche Mindeststandards sie von Unternehmen erwarten, um in den Fonds aufgenommen zu werden - das ist sehr gut nachzulesen im Buch "Grüne Geldanlage". Die Stiftung Warentest hat es im vergangenen Herbst herausgegeben. Untersuchungen der Verbraucherorganisation haben außerdem ergeben, dass Privatanleger nicht auf Sicherheit und Rendite verzichten müssen, wenn sie ihr Geld in nachhaltige Investmentfonds anlegen. Grüne Fonds gehörten zwar nie zu den absoluten Spitzenreitern, befänden sich aber immer im oberen Drittel der ertragreichsten Fonds. Privatanlegern rät Henry Schäfer von der Universität Stuttgart auch für vermeintlich Gutes kein finanzielles Wagnis einzugehen. Zuallererst sollte der eigene Geldbedarf in der Zukunft abgesichert sein. TAKE 28 Henry Schäfer Wenn ich weiß, ich brauche jetzt eine Kapitallebensversicherung, zu sagen, dann möchte ich auch eine, die fondsbasiert ist, also in Nachhaltigkeits-Investmentfonds anlegt. Dann habe ich meine private Altersvorsorge zumindest mal in einem Teilaspekt in den Händen und ich kann sagen, ich gebe da auch noch ein bisschen was davon an die Gesellschaft weiter, in dem ich nur Investitionen zulasse von meinen Lebensversicherungsgeldern in Unternehmen, die einigermaßen gute ökologische, soziale Beiträge leisten. Erst die eigene Nachhaltigkeit, dann die andere Nachhaltigkeit der Umwelt und des Sozialen. Sprecherin Und wer sich auf dem Markt umsieht, wird feststellen: Es gibt "Energiewende-Sparbriefe", es gibt "grüne" Riester-Renten und Kapitallebensversicherungen sowie die ethisch ausgerichtete "betriebliche Altersvorsorge" - momentan allerdings fast ausschließlich bei den Nachhaltigkeitsbanken oder über freie Anlageberater. Außerdem sind bereits einige Pensionsfonds, wie zum Beispiel die "Metall Rente", nachhaltig investiert. Musik vom Anfang / Atmo 1 Bright Times von Ron Baines TAKE 29 Besucher Man kann nicht vormittags gegen Atomkraft demonstrieren und sich nachmittags Gedanken machen, ob ich zur Commerzbank oder zur Deutschen Bank gehe, nich. TAKE 30 Besucherin Man muss die Gesellschaft verändern und nicht in den alten Machtstrukturen verharren und meinen, die machen das schon richtig. Man muss selber aktiv werden. Es geht mit einem Sparvertrag mit 50 Euro oder vielleicht noch weniger. TAKE 31 Besucher Die Renditen sind in Ordnung und ich denke, es ist eine sinnvolle Sache. Alternative Energien sind eine Sache, wo der einzelne was tun kann. Besser 500 Euro dort angelegt als im Roulette des Weltkapitalismus, ne. Sprecher vom Dienst Kunde und Komplize Oder: Wem nützt meine Geld? Ein Feature von Nadine Dietrich. Es sprachen: Eva Kryll und Gerd Grasse Ton: Alexander Brennecke Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 1