COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Zeitfragen-Feature 14.3.2017, 19.30 Uhr Smart anything everywhere Verpassen kleine und mittelständische Unternehmen den Anschluss? Von Gaby Schlag und Benno Wenz Atmo/O-Ton im Garten: " Die zwei Kabel die hier rauskommen da werden die Magnetventile angeschlossen und hier habe mehrere Anschlussmöglichkeiten für Bodenfeuchtesensoren und Durchflusssensoren. Sprecherin Diplomingenieur Andreas Maurer entwickelt Bewässerungsanlagen. Gerade ist er dabei, eine in einem Garten bereits vorhandene Anlage "intelligent" zu machen, zu smartifizieren. O-Ton Andreas Maurer So, wir haben jetzt hier die bestehende Bewässerungsanlage mit den Magnetventilen, die können wir so auch für die neue Steuerung verwenden. Was wir austauschen müssen, ist die bestehende Steuerung und ersetzen die jetzt durch diesen Green IQ smart garden hub, der eine Verbindung zum Internet braucht und damit dann die Bewässerungsanlage smart steuern kann. Sprecherin Andreas Maurer betreibt ein kleines Unternehmen mit sieben Angestellten in Tübingen. Die Kundenanfragen gehen von der Balkonbewässerung über die Bewässerung repräsentativer Villengrundstücke bis zur Betreuung städtischer Anlagen. Die Geschäfte laufen gut. Doch sie laufen anders als lange Zeit üblich. Denn die Käufer verlangen zunehmend "intelligente Anlagen". O-Ton Andreas Maurer Wir sehen technisch interessierte Verbraucher, die sich vorher schon informiert haben über solche Systeme, und dann wirklich ganz klar mit dem Wunsch nach einem smarten Bewässerungssystem auf uns zukommen. Sprecherin Intelligente Beregnung, smarte Bewässerung - statt Hahn auf und Wasser marsch nach Gefühl - übernehmen Sensoren, Steuergeräte, Netzwerktechnik, WLAN oder Mobilfunk und die passende App. Die Wassermenge wird anhand von Wetterdaten und Bodenfeuchtemessung intelligent angepasst und smart gesteuert - Sie müssen nicht dabei sein, können aber aus der Ferne, beispielsweise von ihrem Smartphone aus, eingreifen. Nur ein Beispiel für das sogenannte Internet der Dinge, in dem physische Dinge ins digitale Netz integriert werden, miteinander kommunizieren und ansteuerbar sind. Sprecherin Das Internet der Dinge, internet of things, kurz IoT, wird als dritte Welle der Vernetzung bezeichnet: Erst wurden durch das Internet die Computer vernetzt, dann durch die sozialen Netzwerke die Menschen. Jetzt erfolgt die Vernetzung der Dinge. Die Anzahl der intelligenten, sprich vernetzten Produkte stieg 2016 weltweit um 30 Prozent auf 6,4 Milliarden. Ein enormes Wachstum. O-Ton Rainer Günzler Nahezu alles können Sie heutzutage miteinander verbinden. Sie brauchen einfach Sensorik, Aktorik, Elektronik, Software und eine Datenübermittlung. Sprecherin Rainer Günzler ist Physiker und Entwickler am Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft: Das Institut hat sich auf Medizintechnik spezialisiert: Hier arbeitet man an einem Herzschrittmacher ohne Batterien, der nie aussetzt. An einem Zahnimplantat, das den Speichel analysiert und genau dosierte Medikamente in die Mundhöhle abgibt. An einem Schuh, der sich selbst öffnen und schließen kann, der weiß, wo er ist und seine Energie aus der Bewegung gewinnt. Die Technik ist präzise, lautlos und kaum wahrnehmbar. O-Ton Rainer Günzler Der Schuh kann jetzt ein diskreter Begleiter eines älteren Menschen sein, der nur, wenn Gefahr droht, einen Notruf abgibt, zum Beispiel über Mobilfunk, etwa wenn sich der Mensch nachts von seiner Wohnung entfernt oder zum Beispiel längere Zeit ziellos in seinem Keller umherirrt. Das sind Dinge, die heute in der Entwicklung sind, und die morgen oder übermorgen als Produkte verfügbar sein werden. Sprecherin Während viele der großen Unternehmen voll im Trend liegen und stark ins IoT investieren, scheint in einem Teilbereich der Wirtschaft die Technologie noch nicht so ganz angekommen zu sein: Bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bettina Horster ist Informatikerin im Unternehmen VIVAI Software AG in Dortmund. Sie führt Workshops zur Smartifizierung für kleine und mittelständische Unternehmen durch. O-Ton Bettina Horster Die großen Unternehmen, die sind schon relativ weit, haben viel verstanden, haben auch schon vieles umgesetzt. Die kleinen, die haben verstanden: oh ja, da müssen wir etwas tun, aber denen fehlt so ein bisschen der Anpack: Wo muss ich eigentlich anpacken, was muss ich tun? Sprecherin Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, im Bau- und Gastgewerbe erzielen sie 85 Prozent des Gesamtumsatzes. Vor dem Internet der Dinge scheinen sie jedoch zu stehen wie das Kaninchen vor der Schlange, hilflos und paralysiert. O-Ton Bettina Horster Bis vor einem halben Jahr war die häufigste Reaktion: Muss ich da mitmachen, oder geht das wieder weg? Und da musste ich leider sagen: nee, geht wirklich nicht wieder weg. Es geht wirklich darum, dass die meisten Mittelständler überhaupt nicht wissen, wo sie starten müssen. Sprecherin Auch die aktuelle Studie vom Branchenverband Bitcom zur "Digitalisierung des Handwerks" zeigt, dass viele Unternehmen unzureichend auf den digitalen Wandel vorbereitet sind. Gut ein Viertel hat noch immer keine Digitalisierungsstrategie. Denn die sogenannte Smartifizierung ist kompliziert. Bettina Horster: O-Ton Bettina Horster Wenn ich so etwas noch nie gemacht habe, wenn ich da jetzt völlig neu bin und mir überlege: Es macht aber wirklich für meinen Kunden sehr viel Sinn, dass der sieht, wie der Status des Gerätes gerade ist, dann muss ich wirklich anfangen mit sogenannten Sensoren. Und die Sensoren docken sich dann an sogenannte Gateways an, und die verbinden sich dann bei diesen Produkten mit einem Telekommunikationsnetz, und dann gehen die ganzen Daten in eine Software rein und das ist wirklich ein sehr komplexer Prozess. Sprecherin Durch winzige Sensoren kann heute nahezu jeder beliebige Gegenstand hörend, fühlend oder sehend gemacht werden. Die erhobenen Daten werden per WLAN oder Mobilfunk durchs Internet geschickt, wo die Informationen von starken Rechnern verarbeitet werden und Steuerbefehle an den Gegenstand zurückgesendet werden. So werden die Gegenstände intelligent, reagieren auf ihre Umwelt, so können sie aber auch aus der Ferne überwacht werden. Andererseits verschwinden physische Dinge, wie zum Beispiel gedruckte Fahrscheine, die durch QR Codes auf dem Smartphone oder Tablet ersetzt werden. Die Smartifizierung verändert das Produkt und die Wertschöpfung. Produzenten müssten in Services und Software denken, sagt Unternehmensberater Karl Heinz Land und gibt ein Beispiel: O-Ton Karl Heinz Land Nehmen wir mal an, Sie sind heute Hersteller von Schlüsseln. Und der Schlüssel wird jetzt zu einer App, zu einem Stück Software auf einem Smartphone. Dann muss ich diesen Schlüssel nicht mehr herstellen. Wenn der Schlüssel jetzt ein Stück Software wird, wird ein Teil meiner Wertschöpfung wird zur Software. D.h., auch als Mittelständler muss ich dann verstehen: Ich muss mich selber um die Wertschöpfung in der Software kümmern. Sprecherin Häufig verwandeln sich die Produkte durch das Internet der Dinge von Gebrauchsgegenständen in Dienstleistungen, d.h. sie erhalten zusätzlich andere Eigenschaften. O-Ton Karl Heinz Land Beispiel: Ich kann an einen Schlüssel eine Bedingung anhängen. Ich kann sagen: ich gebe Ihnen den Schlüssel für meine Wohnung, aber nur montags morgens von 9 bis 11 Uhr. Davor und dahinter funktioniert der nicht. Ich kann dann sagen: 1000 Leute können diesen Schlüssel benutzen. Aber nur unter bestimmten Vorgaben. Das kann ich mit einem physischen Schlüssel gar nicht. Das wiederum kann dazu führen, dass ich ein komplett neues Schlüsselsystem entwickeln will, denken Sie an Schlüsselsysteme für Hotels oder große Büros. Und damit kann ich vielleicht in ganz neue Märkte eintreten. Sprecherin Aus der Verbindung von Digitalisierung und Vernetzung entsteht eine Vielzahl von neuen Diensten und Geschäftsmodellen, die es bisher nicht auf dem Markt gab. Bettina Horster: O-Ton 9 Bettina Horster Es ist auch so, dass die Geschäftsmodelle, also wie mache ich eigentlich mein Geld, sich total verändern können. Wir wissen das von einem Druckluftpumpenhersteller, dass der jetzt nicht mehr die Maschinen für die Pressluft verkauft, sondern tatsächlich die gepresste Luft. Und das ist ein völlig anderer Angang. Oder bei einem Reifenhersteller, da kaufen Sie jetzt nicht mehr den Reifen, sondern die Laufleistung ein. Sprecherin Voraussetzung für diese Entwicklung ist die fortschreitende Digitalisierung. Oliver Raabe ist Forschungsgruppenleiter am Karlsruher Institut für Technologie. O-Ton 10 Oliver Raabe In früheren Zeiten war es so, da hat man eine bestimmte Funktionalität von einem Gerät erwartet, und die neuen Paradigmen der Selbstorganisation, aber auch der Vernetzung führen eben dazu, dass man auf Basis dieser technischen Komponenten auch ganz neue Dienste ersinnen kann, die bei der Planung der eigentlichen Software oder der eigentlichen Hardware noch gar nicht gedacht waren. Sprecherin Viele Experten bezeichnen die Digitalisierung als quasi evolutionären Prozess, mit dem Ziel, bestehende Technologien kontinuierlich weiterzuentwickeln. Sie sollen präziser, schneller, mobiler, interaktiver und sicherer werden, um die menschlichen Grundbedürfnisse nach z.B. Sicherheit und Gesundheit immer besser zu befriedigen. Der Duden bezeichnet evolutionäre Prozesse als "langsame bruchlos fortschreitende Entwicklung besonders großer und großräumiger Zusammenhänge", die quasi unbemerkt vonstattengehen, aber im Endeffekt ungeheure Wirkungen haben. Deshalb warnt der Unternehmensberater Karl Heinz Land die Mittelständler vor "Digitalem" Darwinismus - dem stillen Angriff auf ihr Geschäftsmodell und ihre Marke". O-Ton 11 Karl Heinz Land Der Handel hat 15, 20 Jahre zugeschaut, was ein kleines Startup aus USA da gemacht hat, namens Amazon, und die haben nicht verstanden, dass das am Anfang ein Angriff auf ihr Geschäftsmodell war, aber in der Konsequenz auf die Marke. Und viele Unternehmen, die wir heute nicht mehr kennen, denken Sie mal an Neckermann, oder jetzt auch neuerdings an Praktiker, die gibt's nicht mehr, weil die das nicht verstanden haben. Die haben nicht verstanden, dass das Verhalten der Konsumenten sich verändert hat. Gerade die aktuellen Zahlen aus dem letzten Jahr zeigen: wir haben erstmals über 70 Milliarden Umsatz gemacht im Handel, aber über online-Kanäle. Sprecherin Über 99 Prozent der deutschen Unternehmen gehören zum Mittelstand. Kleine und Mittelständische Unternehmen gewährleisten fast 60 Prozent der Arbeitsplätze und 83 Prozent der Ausbildungsplätze in Deutschland, doch jetzt scheint der Mittelstand gefährdet, denn die Wettbewerbsbedingungen ändern sich dramatisch. Laut der Bitkom-Studie "Digitalisierung des Handwerks" beobachtet gut die Hälfte der Unternehmen, dass Wettbewerber aus der Digitalbranche in ihren angestammten Markt drängen. Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.", sagt Oliver Raabe. Das gilt auch für die industrielle Fertigung. Egal, ob in einem großen Konzern oder bei einem Mittelständler. O-Ton 12 Oliver Raabe Nehmen Sie zum Beispiel den Bereich Industrie 4.0. Hier werden einerseits Sensoren an Maschinen installiert, die dann auch aus der Ferne ausgelesen werden können, genauso aber auch die Menschen selbst mit Sensorik versehen, die im Prinzip dazu führen kann, dass eine Selbstoptimierung durchgeführt wird. Hieraus erwachsen wieder Herausforderungen zum Beispiel an die Kognition. Ein konkretes Beispiel wäre: In einer industriellen Fertigung, wenn man da also Fehlerprognosen machen möchte, dann könnte einem ein Schaltplan auf eine VR Brille eingeblendet werden einerseits. Auf der anderen Seite, wenn Sie so eine Überwachung des Blickfeldes des Mitarbeiters haben, dann kann das natürlich auch zu einer Leistungsprognose herangezogen werden, ja? Also, einerseits können sich industrielle Prozesse verbessern durch Selbstdiagnose oder auch durch Selbstkonfiguration, auf der anderen Seite haben wir hier auch Umwälzungen im Arbeitsleben, weil die Menschen das eben noch nicht gewohnt sind. Sprecherin Der Begriff Industrie 4.0 ist unauflöslich mit dem Internet der Dinge verbunden. Die Bezeichnung wurde in Deutschland geprägt und wird mittlerweile weltweit benutzt. Die industrielle Produktion soll mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik verzahnt werden und eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion ermöglichen und die Wertschöpfungskette optimieren. Davon hängt das wirtschaftliche Überleben ab. O-Ton 13 Oliver Raabe Aus der ökonomischen Perspektive Industrie 4.0 muss man das sicher als vierte industrielle Revolution bezeichnen. Ebenso, wie man wahrscheinlich auch die Aussage vom vierten Produktionsfaktor Daten inzwischen ernst nehmen muss. Sprecherin Bei dem Teil der Wirtschaft, der bereits an diesen Prozessen teilnimmt, herrscht Goldgräberstimmung. Laut der Zeitschrift "Computerwoche" beliefen sich die weltweiten Umsätze mit Technologien und Services rund um das IOT im Jahr 2016 auf 235 Milliarden Dollar. Es ist die weitreichende Vernetzung und die Automatisierung von Prozessen in Verbindung mit intelligenter Datenanalyse, die eine derart hohe Wertschöpfung in Aussicht stellt: In der Produktion ermöglicht dies eine effizientere Steuerung von Anlagen, im Gesundheitswesen die Entwicklung von E-Health-Anwendungen, in der Automobilindustrie das autonome Fahren und im Energiebereich die Entwicklung virtueller Kraftwerke. Und an dieser neuen Wertschöpfung sollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, kurz KMU keinen Anteil haben? Wie können auch kleine Unternehmen von modernsten Technologien profitieren? Rainer Günzler vom Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft: O-Ton 14 Rainer Günzler Zunächst muss ein kleines oder mittelständisches Unternehmen etwas finden, wie es ein Produkt smarter machen kann. Dabei geht es in erster Linie darum, den Kundennutzen zu verbessern. Dazu muss man aber die technologischen Möglichkeiten kennen. Und zwar nicht die, die heute schon bereits eingesetzt werden, sondern die, die sich noch in der Entwicklung befinden. Und das ist nicht einfach für ein KMU. Und schließlich bedarf es der Umsetzung. Das kostet Geld, das Ganze. Sprecherin Auch für das Unternehmen DVS Beregnung von Bewässerungsingenieur Andreas Maurer standen am Anfang der Smartifizierung zunächst ganz viele Fragen: wie bekommt man die Daten des Bodenfeuchtesensors ins Internet, wie verknüpft man die Daten mit den Wetterdaten und wie steuert man dann aufgrund dieser Daten die Bewässerung? O-Ton 15 Andreas Maurer Wir in unserem Unternehmen haben festgestellt, dass wir die Smartifizierung gar nicht alleine hinkriegen. Bewässerung an sich ist eine konservative Branche, die sich in den letzten 30, 35 Jahren immer um das Hauptthema: wie kriege ich Wasser an die Stelle, wo das Wasser hin muss, mit diesen Themen beschäftigt hat, um Leitungsauslegung, Hydraulikauslegung, also sehr konservativ in den Ansätzen. Dadurch haben wir in den letzten 10, 15 Jahren relativ wenig bahnbrechende Entwicklungen gesehen. Und das stellt einige in unserer Branche vor Herausforderungen, dass sich jetzt auf einmal durch diese komplette neue Ausrichtung Richtung Internet, Richtung Software auf einmal Dinge ergeben, mit denen man sich jahrelang nicht beschäftigt hat, weil man gedacht hat: das betrifft mich nicht, und auf einmal schlägt es irgendwo zu. Wir brauchen Kooperationen, um solche Produkte zu entwickeln. Sprecherin Andreas Maurer musste sich aber nicht nur um Kooperation und Wissenstransfer kümmern, auch die Kosten abwägen. O-Ton 16 Andreas Maurer Kosten für eine wirklich traditionelle Entwicklung sind sehr hoch. Durch das Internet der Dinge werden die noch höher. Das heißt, ich muss als kleines und mittelständisches Unternehmen wirklich genau überlegen, wo ist der Markt, was kann ich an Entwicklungskosten überhaupt dafür aufbringen. Wo liegt der Kundennutzen, wo ist der Kunde bereit, auch für einen Mehrwert unter Umständen mehr Geld auszugeben? Sprecherin Auch das traditionsträchtige Unternehmen F.R. Hauk Metallbau, das an den Standorten Berlin Charlottenburg und Nauen insgesamt über 60 Angestellte beschäftigt, musste bei der Smartifizierung neue, ungekannte Wege gehen. Firmeninhaber Hauk. O-Ton 17 Hauk Die Branche ist traditionell handwerklich geprägt. Und Handwerker haben ebenfalls traditionell eine etwas konservative Einstellung. Und der Metallbauer, der möchte etwas anfassen, er möchte etwas zusammenschrauben und das dann einbauen, und dann ist natürlich die Anforderung des Marktes für die Branche recht fremd,...und er wird...dann wird über den Preis reguliert,... was eigentlich gar nicht nötig wäre oder gar sagen, "das kann ich nicht". Sprecherin Das Metallbauunternehmen Hauk ist weltweit vor allem im Bereich Sicherheitstechnik tätig, baut einbruchsichere oder durchschusshemmende Fenster und Türen in private und öffentliche Gebäude ein. Die Herausforderung bei der Smartifizierung ihrer Produkte lautet für die Firma: Smart Home, das intelligente Haus, wo die Fenster z.B. mit der Heizung oder der Beleuchtung kommunizieren müssen, um gemeinsam die optimalen Bedingungen im Wohnraum herstellen zu können. O-Ton 18 Hauk Ich glaube, es ist ein guter Einstieg, wie wir das beispielsweise gemacht haben. Ein Musterhaus zu errichten, wo alle diese Dinge realisiert sind. 16:42 die Einzelkomponenten bei einem Fenster, um das ganze eben smart oder effizient zu machen, sind nicht neu. Glasbruchmelder, Öffnungsmelder, Einbruchmelder, all das ist Stand der Technik. Und das kann jeder. Die Verknüpfung zur Haustechnik ist relativ neu. Das haben wir in einem Musterhaus realisiert, und haben schon während der Bauphase eine Menge dazugelernt über all diese Dinge. Sprecherin Die Probleme, die die kleinen Unternehmen und der Mittelstand mit der Smartifizierung haben, müssen überwunden werden, denn der Trend geht heute immer mehr in Richtung Vernetzung von allem mit allem. Dabei tritt der klassische PC immer mehr in den Hintergrund. In letzter Konsequenz dringt Informationsverarbeitung gekoppelt mit Kommunikationsfähigkeit fast überall ein, auch in Dinge, die zumindest auf den ersten Blick keine elektrischen Geräte darstellen - der Computer, der durch das Smartphone bereits mobil ist, wird jetzt unsichtbar und allgegenwärtig. Damit wird die Vision des amerikanischen Informatikers Mark Weiser, der 1988 das "ubiquitous computing" vorhergesagt hat, Realität: die Rechnerallgegenwart. Forschungsleiter Oliver Raabe O-Ton 19 Oliver Raabe Ich denke, dass die Fantasie, die wir im Moment entwickeln können, in Bezug auf die Entwicklung neuer Netzwerke und auch der Möglichkeiten, der sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt. Ich denke, dass der logische nächste Schritt aus dieser Entwicklung und diesen Paradigmenwechseln, auch den soziotechnischen neuen Möglichkeiten genau das ist, dass wir nicht mehr Informationsinseln haben, sondern dass wir im Prinzip in eine Situation geraten, wo sich Organisationsgrenzen auflösen. Und das deutet sich ja in bestimmten Infrastrukturen jetzt schon an, wo wir die ersten Schritte machen. Sprecherin Die großen Unternehmen haben das erkannt. Sie wissen, dass sie sich mit ihren Kunden auf ganz neue Art vernetzen können. Denn jetzt können die gekauften Produkte selber melden, dass sie defekt sind oder ein Ersatzteil brauchen, und eigenständig einen Auftrag beim Hersteller auslösen. Das bedeutet auch, dass Geschäftsprozesse künftig nicht mehr an den Unternehmensgrenzen enden. Die Wirtschaft wird zunehmend zu einem Netzwerk von Prozessen. Informatikerin Bettina Horster: O-Ton 20 Bettina Horster Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Hamburger Hafen, der chronisch überlastet ist, und wo es viel zu wenige Parkräume gibt. Wir können dort sehen, dass mittels einer Internet-der-Dinge- Anwendung nun die Fahrer informiert werden, dass sie nicht auf das Hafengelände drauffahren können weil zu viele Fahrzeuge dort bereits sind, und vielleicht noch mal ne viertel Stunde Kaffeetrinken gehen sollten. Und sie werden direkt an den richtigen Terminal geleitet, sobald sie das Gelände befahren haben. Das sind wirklich Wertschöpfungsnetze, die sehr, sehr sinnvoll sind und die uns helfen. Sprecherin Damit das funktionieren konnte, mussten die Logistiksysteme des Hafens mit denen der LKW-Unternehmen verschaltet werden. Gemeinsam mit den Daten der Containerschiffe und denen der Bahn entstand so ein riesiges Kommunikations- und Logistiknetz, von dem alle, die daran teilnehmen, profitieren. Solche unternehmensübergreifenden Netze wird es zukünftig immer öfter geben. O-Ton 21 Bettina Horster Natürlich diametral zu dem, was man den ganzen Unternehmen all die Jahre gepredigt hat: Ihr müsst eure Patente, eure Unternehmensinterna schützen, denn das ist euer größter Schatz. Und jetzt kommt auf einmal jemand, und sagt: wir machen jetzt Wertschöpfungsnetze, und das Beste ist, wenn du alles mit uns verschaltest... Was er die ganze Zeit gelernt hat, ist jetzt auf einmal falsch oder nicht mehr gut, er muss sich jetzt zusammenschalten mit anderen. Und das ist ein völliger Paradigmenwechsel, die Leute müssen ganz anders denken, das ist ein richtiggehend riesiger Vertrauensvorschuss, den ich diesen Netzen geben muss. Sprecherin Neue überbetriebliche Prozesse und eine neue technische und geschäftliche Infrastruktur sind dabei zu entstehen. Max Lemke ist Leiter der "smart anything everywhere"- Initiative der Europäischen Union. O-Ton 22 Max Lemke Das ist ein Trend, den wir seit einiger Zeit sehen, große Unternehmen denken immer mehr daran, über die Entwicklung und Ausgestaltung und Einführung von industriellen Technologieplattformen, auf denen sie ihre Prozesse durchführen. Sprecherin Solche Plattformen oder auch Betriebssysteme sind nötig, damit z.B. die an einer Produktion beteiligten Maschinen dieselbe Sprache sprechen, wenn sie miteinander kommunizieren. Für die Unternehmen stellt sich nun die Frage: Sollen sie auf so genannte proprietäre Systeme setzen, das heißt auf eine Sprache, die nur ihre Maschinen verstehen, oder auf ein Betriebssystem, das auch von den Maschinen oder Geräten anderer Unternehmen verstanden werden kann? Denn nur so könnten sie alle am Internet der Dinge teilnehmen. O-Ton 23 Max Lemke Wenn wir das jetzt mal erweitern auf die Fabrik der Zukunft, auf das Krankenhaus der Zukunft, auf das intelligente, energieeffiziente Zuhause der Zukunft, dann möchte man auch dort plug and play Anwendungen haben. Sprecherin Wer da nicht mitzieht, bleibt außen vor. Ist als Produzent oder Zulieferer nicht mehr gefragt. Das hat auch die EU erkannt und bietet die "Smart anything everywhere" Initiative an, kurz SAE. Damit soll die Zusammenarbeit von kleinen und mittelständischen Betrieben, großen Unternehmen und der Wissenschaft bei der Smartifizierung verbessert werden. Mit Partnern aus mehreren europäischen Ländern soll eine gemeinsame Fertigungsstruktur für das "Internet of Things" aufgebaut werden. Die andere Möglichkeit für kleine Unternehmen, in das Internet der Dinge einzusteigen, sind Startups, die gemeinsam mit ihnen spezifische Lösungen für ihr Produkt entwickeln. Viele kleine Startups suchen nach kostengünstigen Alternativen zu den teuren Systemen der großen Anbieter wie Siemens, SAP oder Bosch. Diesen Weg hat Bewässerungsingenieur Andreas Maurer gewählt. O-Ton 25 Andreas Maurer Wir haben uns weltweit angeguckt, wie viele oder welche Firmen sich mit diesem Thema beschäftigen, haben im Prinzip dann angefangen, mit diesen Firmen Kommunikation zu machen, haben angefangen, diese Firmen zu befragen, inwieweit wir mit denen zusammenarbeiten können, und da hat sich dann herauskristallisiert, wo passt das, wo passen die Themen, wo passt auch der Spirit zwischen den einzelnen Firmen. Sprecherin Eines dieser Startups ist Longlatec in Magdeburg, ein Startup aus Wirtschaftsingenieuren, Informatikern und Betriebswissenschaftlern. Das Team entwickelt adäquate Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Gründer Henry Schlag: O-Ton 26 Henry Schlag Ich denke, die meisten Firmen haben erkannt, dass sie etwas tun müssen. Wer bisher nur Pumpen produziert hat oder Kinderschuhe hergestellt hat oder sonst irgendwelche anderen Sachen, weiß eben nicht, wie er eine App programmiert, und er weiß auch nicht, er hat auch kein Entwicklungsteam, dass eben Platinen-Layouts designen kann etc. Sprecherin Diese Entwicklungsarbeit starten dann die Leute von Longlatec gemeinsam mit dem Kunden. Im Falle von Diplomingenieur Andreas Maurer machte das startup den Bodenfeuchtesensor smart: Longlatec entwickelte ein Miniatur-Sendemodul, das kein WLAN benötigt, sondern sich über das Mobilfunknetz mit dem Internet verbindet, umj so die Sensordaten der Bewässerungssteuerung zur Verfügung zu stellen. Außerdem verhandelten sie mit dem Mobilfunkanbieter, programmierten einen Server und kümmerten sich um die Verschlüsselungstechnik, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Henry Schlag und Sascha Thiergeit: O-Ton 26 Henry Schlag In dem Fall dieser Bewässerungsanlage stellte sich eben das Problem, dass nicht in jedem Garten WLAN verfügbar ist. Er braucht also eine Funktechnologie, die über das Mobilfunknetz funktioniert, die sehr lange Einsatzzeiten, also, es muss mindestens eine Saison lang funktionieren, wir gehen von einem Jahr aus und es darf eben nicht zu hohe Datenkosten verursachen. O-Ton 27 Sascha Thiergeit: Weil es sonst für den Anwender eben nicht mehr so einen Sinn macht. O-Ton 28 Henry Schlag Und er muss sich eben jetzt auch überlegen, wie kann er denn so ein Geschäftsmodell neu implementieren. Also er verkauft jetzt eben nicht mehr einmal diesen Bodenfeuchtesensor, sondern er muss ja den Leuten ein Abo verkaufen. Diese Daten-Kosten, die tragen sich nicht von alleine. Sprecherin Andreas Maurer hat sich auf die Veränderungen eingelassen, bisher mit Erfolg. Das Geschäft läuft gut und er ist optimistisch, dass seine smarten Produkte auch künftig gekauft werden. O-Ton Ja, würde ich schon sagen, dass gerade diese Generation der 30 bis 45 Jährigen ein ganz starkes Bewusstsein dafür haben. Sprecherin Das bestätigt auch Unternehmensberater Karl Heinz Land: O-Ton Karl Heinz Land Die Erwartungshaltung des Kunden hat sich geändert, hin zum: Ich - alles - sofort und überall. Unabhängig von irgendwelchen räumlichen Beschränkungen. Was in der Konsequenz dazu führt, dass die Anbieter immer mehr smarte services auch digital anbieten müssen. Sprecherin Die Digitalisierung findet statt. Sie verspricht einen ungeahnten wirtschaftlichen Boom und neue, hocheffiziente Technologien. Sie ist Revolution und Evolution zugleich. Sie verändert Unternehmen, Produktion und Wertschöpfung. Daten werden zu einem wichtigen Produktionsfaktor.