Manuskript Kultur und Gesellschaft Kostenträger: P 62120 Organisationseinheit: 46 Reihe : Zeitreisen Titel : Auf der Großbaustelle einer neuen Gesellschaft Die ägyptische Revolution im öffentlichen Raum Autor/in : Julia Tieke Redakteur/in : Jana Wuttke Sendung : 03.08.2011 Regie : Julia Tieke Besetzung : Ilka Teichmüller, Meriam Abbas, Max Urlacher, Birgitt Dölling Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio Kultur Funkhaus Berlin Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin Telefon (030) 8503-0 Musik: The Choir Project: Life of Tahrir Erzählerin (drüber) Das Chor-Projekt aus Kairo singt sein Stück "Leben auf dem Tahrir", getextet aus Slogans der ägyptischen Massenproteste im vergangenen Januar und Februar. Utopie-Chor nennen sich die Sänger und Musiker seit dem Umbruch der ägyptischen Gesellschaft. Diskussion zwischen Mohamed und Sicherheitsmann des AUC Press Shop Erzählerin (darüber) Einige Monate nach der ersten Euphorie, im Buchladen der Amerikanischen Universität in Kairo, direkt am Tahrir-Platz. Mohamed Elshahed promoviert über Kairos Stadtplanung in den 50er Jahren. Jetzt diskutiert er mit einem Sicherheitsmann, der unser Gespräch in einer Nische des Ladens nach einer Viertel Stunde beendet. Aber wir wollten es ohnehin direkt auf dem Tahrir-Platz fortführen, in aller Öffentlichkeit. Atmo Tahrir Mohamed El-Shahed The security culture that has been developped here for the last really 50 years, it is gonna take a while to go away and I think that is why - even though this guy doesn't really have instructions that say don't record or... but that is all they know, they are used to this kind of thing. They are security concerns, people are concerned, you know. And there is still the spy mentality and so on and so forth. And I really think it is actually interesting that this happened, because it has so much to do with how people actually experience the city - (...) for example, as an average Egyptian, you are not really welcome to walk down the street and simply take pictures of your city. If you see a beautiful building - you can't really - because if you take a picture, people will have to ask - they need a good reason why you are taking a picture of a building that doesn't mean anything to them. So, what you got is, with time, people actually stopped looking up and they stopped appreciating the city (...) and I really think this security mentality against recording, documenting, appreciating the city, has so much to do with why it has been deteriorating. Übersetzer Die Sicherheitskultur, die sich hier in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, wird nicht so schnell verschwinden. Der Mann hat keine Anweisungen uns eine Aufnahme zu verbieten, aber er ist es so gewohnt, das ist diese Überwachungs-Mentalität. Es ist aber interessant, dass das passiert ist, weil es zeigt, wie die Menschen hier ihre Stadt erleben. Ein Durchschnittsägypter fotografiert nicht einfach so, wenn er ein schönes Gebäude sieht. Das braucht schon einen Grund. Mit der Zeit haben die Leute daher aufgehört nach oben zu schauen oder die Stadt wert zu schätzen. Diese Sicherheitsmentalität gegen jegliches Dokumentieren der Stadt ist einer der Gründe, weshalb sie so verfallen ist. Atmo Verkehr Tahrir Erzählerin (drüber) Der Tahrir-Platz ist der symbolträchtigste Ort der ägyptischen Revolution, und an gewöhnlichen Tagen ein Verkehrsknotenpunkt in der Mega-Stadt Kairo. Hier befinden sich das enorme Verwaltungsgebäude Mogamma, das berühmte ägyptische Museum, Hotels, eine Moschee, die ausgebrannte Parteizentrale der früheren NPD, der Sitz der Arabischen Liga und eine Reihe bürgerlicher Mehrfamilienhäuser. Ganz in der Nähe ruht der Nil. Zahlreiche Protestmärsche aus verschiedenen Vierteln Kairos endeten am 25. Januar auf dem Tahrir-Platz. Nach 18 Tagen Protest in ganz Ägypten trat Hosni Mubarak unter dem Druck der Straße - und des Militärs - schließlich zurück. Mohamed Elshahed The regime survived on making these people - aware of each other, afraid of each other, suspicious of each other, and therefore, public space where anybody can meet - has been reduced, because it did not serve the regime that people basically can come together and form some kind of power. So, urban planning, we all know, is political, and the regime knew this and they played against this. Übersetzer Das Regime hatte deshalb überlebt, weil es Leute dazu gebracht hat misstrauisch zu sein. Öffentlicher Raum, in dem sich alle treffen können, wurde eingeschränkt. Es war nicht im Sinne des Regimes, dass sich Menschen treffen und Macht erzeugen können. Wir wissen alle, dass Stadtplanung politisch ist, und das wusste auch das Regime. Atmo Tahrir Protest Erzählerin (drüber) Über das Miteinander während der Massenproteste wurde vielfach berichtet, doch stets sehr emotional. Selten wurde die Bedeutung von öffentlichem Raum für die ägyptische Revolution genauer herausgestellt. Die politische Theoretikerin Hannah Arendt konzipiert 1958 in ihrer Schrift "Vita activa oder Vom tätigen Leben" öffentlichen Raum als einen konkreten Ort, an dem durch gemeinsames Handeln und Sprechen Öffentlichkeit entsteht. Zitatorin "Die Wirklichkeit des öffentlichen Raumes [erwächst] aus der gleichzeitigen Anwesenheit zahlloser Aspekte und Perspektiven, in denen ein Gemeinsames sich präsentiert und für die es keinen gemeinsamen Maßstab und keinen Generalnenner je geben kann. (...). Das von Anderen Gesehen- und Gehörtwerden erhält seine Bedeutsamkeit von der Tatsache, dass ein jeder von einer anderen Position aus sieht und hört. Dies eben ist der Sinn eines öffentlichen Zusammenseins" (V.A., S. 71) Atmo Wohnzimmer bei Elham Erzählerin (drüber) Im Ägypten Mubaraks setzte das Regime alles daran, die Entstehung eines solchen öffentlichen Raums zu verhindern, wie auch aus den Erzählungen von Elham Eidarous deutlich wird. Sie hat in Kairo internationales Menschenrecht studiert, arbeitet als Übersetzerin und ist seit über zehn Jahren politisch aktiv. Elham Eidarous I remember sometimes we go demonstrating in front of the public prosecutor, for anything - torture, military trial for civilian person (...) but, you know, few numbers of people and people passing by either insulting us or telling us: strong, good! And we always say: ok, join! Why don't you join? Have you seen this before - that 10 or 20 or 30 persons demonstrating and then you have 1000 persons around it? It's crazy. Guards, riot soldiers, doing nothing, but preventing people in the streets from joining. That was completely broken, especially on the 28th. Although there is half million soldiers in the riot police. That is a big budget. And everybody was saying in the newspapers and the opposition, before the revolution: why do we have this number of soldiers? This is a burden on the public budget! Why do you need them? It prooved why do they need them - because separating protesters or activists from the people in general was so important. Übersetzerin Früher haben wir manchmal vor der Staatsanwaltschaft demonstriert, zum Beispiel gegen Folter oder gegen Militärverfahren für Zivilpersonen - aber wir waren immer nur wenige. Das sah so aus: 10, 20, 30 Demonstranten und 1000 Polizisten drum herum, die nichts machen, außer Leute davon abhalten sich uns anzuschließen. Das hat sich jetzt total verändert, besonders am 28. Januar. Obwohl eine halbe Million Soldaten in der Bereitschaftspolizei sind. Die wurden überrumpelt. Vor der Revolution hat die Opposition gefragt: wieso brauchen wir so viel Sicherheitspolizei? Das belastet den öffentlichen Haushalt! Aber jetzt ist klar, warum sie gebraucht wurden - es war wichtig, Demonstranten von anderen Leuten getrennt zu halten. Atmo Tahrir am Abend Adel Nada The actual change is - the interaction that is now allowed to happen. Erzählerin (darüber) Interaktion war unerwünscht - eine eingefrorene Gesellschaft, meint der Psychologe Adel Nada. Dass jetzt diese Interaktion geschieht, das sei die eigentliche Veränderung. Adel Nada The past regime did not allow any interaction to happen. They froze in the whole society. To the extent that people started to think that the society is dead. But actually, no society is dead. Even in your country, or everywhere in the world. No society is dead. There come a moment that people move. Übersetzer Das alte Regime hat die ganze Gesellschaft so weit eingefroren, dass die Leute geglaubt haben, die Gesellschaft sei tot. Aber keine Gesellschaft ist tot. Nicht einmal in Deinem Land, nirgends in der Welt. Irgendwann bewegen sich die Leute. Erzählerin Die Ägypter haben sich bewegt, und die Revolution des 25. Januar hat geradezu eine Interaktions- Explosion ausgelöst. Das Leben wurde aus den eigenen vier Wänden in den öffentlichen Raum verlegt, in Selbstorganisation, auf zahlreichen Plätzen und Straßen des Landes. Die Kulturhistorikerin und bildende Künstlerin Huda Lutfi erinnert sich an die Erfahrung der Massenversammlung. Hoda Lutfi I couldn't imagine that this would have happened during my life. I am not young and we used to always talk about things amongst ourselves, but in the square, in that public space, everybody and anybody could say what they wanted - it was exhilarating, and that is why I wanted to be in Tahrir among people, in order to - to be filled with this kind of energy, (weint fast) otherwise, I think people would not have been able to continue because it is not - it was very very important that Tahrir square would remain full (...). Smaller protests were easier to attack. Übersetzerin Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erleben würde. Ich bin nicht mehr jung, und wir haben alles immer nur unter uns besprochen. Aber dann, auf dem Platz, im öffentlichen Raum, hat jeder gesagt was er wollte, wie im Rausch. Darum wollte ich auf dem Tahrir Platz sein, unter den Leuten, um diese Kraft zu spüren. Es war sehr wichtig, dass der Platz voll blieb, sonst wären die Menschen dort viel angreifbarer gewesen. Erzählerin Im Schutz der Masse und durch die Erfahrung des gemeinsamen Handelns entwickelte sich ein Gefühl von Macht. Für Hannah Arendt ist der öffentliche Raum in diesem Sinne eine elementare Voraussetzung für die Entstehung von Macht. Zitatorin "Macht aber besitzt (eigene Hervorhebung) eigentlich niemand, sie entsteht zwischen Menschen, wenn sie zusammen handeln, und sie verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen. (...) Nur in einem Miteinander, das nahe genug ist, um die Möglichkeit des Handelns ständig offen zu halten, kann Macht entstehen." (Vita Activa, 252 f) Erzählerin Wenn aber der öffentliche Raum, wenn das öffentliche Miteinander überhaupt erst erzeugt werden muß, wie in Ägypten, setzt dies wiederum eine gewisse Macht voraus. Diese Macht, dieses Machtgefühl, konnte in der Öffentlichkeit des virtuellen Raums entstehen: Facebook, Twitter und zahlreiche Blogs erzeugten bei den digital Anwesenden den Eindruck, oder auch nur die Hoffnung, diesmal würden wirklich viele Menschen auf die Straße gehen, so dass es zum Aufstand kommen könnte. Ausschnitt Asmaa Mahfouz' Video, arabisch Übersetzerin (drüber) Vier Ägypter haben sich selbst in Brand gesteckt, in der Hoffnung wir könnten vielleicht eine Revolution wie in Tunesien erreichen, für Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre und Menschenwürde. (...) Ich habe eine klare Botschaft: Am 25. Januar gehen wir auf den Tahrir Platz. (...) Erzählerin (über Video) Asmaa Mahfouz stellte ihren Videoaufruf am 18. Januar online, und er verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit. Sie war bereits seit einiger Zeit politisch aktiv, vor allem in der Bewegung 6. April, die sich 2008 als Facebook-Gruppe gegründet hatte, um die großen Streiks der Textilarbeiter von Mahalla El-Kubra zu unterstützen. Abdallah Helmy What makes the revolution a starting success, is women participation. And let me tell you stories about this: what bring me to have attention, the starting attention to - of the day that my friend Asmaa - she send me a video of herself (...) Übersetzer Was die Revolution gleich zu Beginn zum Erfolg geführt hat, ist die Beteiligung von Frauen. Ich selbst wurde durch ein Video aufmerksam, das mir meine Freundin Asmaa von sich schickte. Erzählerin (über Video) Abdallah Helmy ist Apotheker, doch seit dem 25. Januar konzentriert er sich auf seine politische Arbeit. Eigentlich war er damals am Nachmittag zum Kino verabredet, nach der Demo. Den Film hat er noch immer nicht gesehen. Helmy ist Mitglied einer sozialliberalen Partei und nun Generalsekretär einer der vielen neuen Bewegungen, der Revolutions-Jugend-Union. Übersetzerin (drüber) Wenn jemand sagt, dass Frauen nicht protestieren sollen, weil sie belästigt werden, soll er ein Mann sein und mich begleiten. (...) Sprich mit Deinen Kollegen, Nachbarn, Freunden, Familie und sag ihnen, sie sollen sich anschließen, auf die Straße gehen, überall. Zuhause nur die Nachrichten oder Facebook zu verfolgen, trägt zu unserer Erniedrigung bei, zu meiner persönlichen Erniedrigung (...) und Du wirst verantwortlich sein für das, was auf der Straße passiert. (...) Abdallah Helmy So, it was shocking: a girl is going to protest - a man must do it first. A lot of my female friends, they call me: we would like to join the protest for the first time, we know that you protest a lot - can we go with you? (...) So five girls now would like to go with me - this means, - I have my own protest right now - lacht - so, they all show up at the meeting and I invite them to meet me at a near place beside the protest. Once they gather, they start inviting people on the platform to come and join the protest. They grab you from cars, stop the car, can you imagine: a girl is stopping a car and get the people out of the car to join the protest. And they demanded hardly - klopft auf den Tisch - they pushed for it - so, this is why people: they see just normal girls, middle class girls, are asking them to join the protests clearly. They would be embarrassed if they do not join, so that's why it was very much firing up - klatscht - the women's participation. Übersetzer Es war ziemlich schockierend, dass eine junge Frau so vorprescht. Mich riefen dann viele Freundinnen an: wir möchten auch demonstrieren, zum ersten Mal - Du machst das doch andauernd, können wir mit Dir gehen? Ich hatte also meine eigene kleine Protestgruppe. Als wir uns dann versammelt hatten, haben die Mädchen Autos angehalten und die Leute rausgezerrt, damit sie sich uns anschließen. Sie haben richtig Druck gemacht. Die Leute sehen also diese normalen Mittelklasse-Mädchen, die sie zum Mitmachen auffordern - es wäre peinlich, das nicht zu tun. Darum wurde die Beteiligung von Frauen sehr angeheizt. Erzählerin Der Verlust von Angst während der Proteste und die neue Interaktion führten auch dazu, dass Kameras und Mikrofone nicht mehr argwöhnisch beäugt wurden. Im Gegenteil. Eine neue Kultur des Hinsehens beschleunigte die Ereignisse. Die Masse an dokumentarischem Material, das die Bevölkerung selbst generierte, aber auch die Live-Streams der Fernsehsender wirkten in diesem Sinne. Die 30jährige Lilian Wagdy ist eine von vielen so genannten Bürgerjournalisten. Lilian Wagdy I was fired on February 7th - and since then I haven't really actively pursued another job. I don't think that my life can go back to normal, knowing that we still haven't really got things on the right track, so, I just, I feel like I have to stay right where I am now and keep doing what it is what I am doing. Übersetzerin Ich wurde am 7. Februar gefeuert und habe seitdem nicht wirklich nach einem neuen Job gesucht. Ich kann nicht einfach zur Normalität zurückkehren, wenn hier immer noch so viel falsch läuft. Ich spüre, dass ich genau das tun muss, was ich gerade tue. Atmo Café Erzählerin (drüber) Lilian Wagdy war bei einem staatsnahen Fernsehsender beschäftigt, der ihr kündigte, als sie sich entschieden den Mubarak-Gegnern anschloss. Seitdem verbringt sie ihren Alltag damit, die politischen Ereignisse zu dokumentieren, Informationen über das Internet weiterzugeben, sich zu vernetzen. Lilian Wagdy I just tell people that: leave your emotions out of it, and just write about what you see, not what you have heard, so you can avoid spreading rumours, and have - have your reporting be as effective as possible, be impartial, be neutral, and then talk about your feelings later. About whatever it is that you saw: just talk about it later, but right now, when you are in the moment, just write about what you are seeing. And anyone can be a citizen journalist (...) And I don't consider myself as a political activist. I am an Egyptian who happens to have a camera. And a smart phone. Übersetzerin Ich sag den Leuten immer: lass die Gefühle außen vor. Schreib nur über das, was Du siehst, nicht über das, was Du gehört hast, um Gerüchte zu vermeiden. Sei unparteiisch, neutral - und sprich erst später über Deine Gefühle, was auch immer Du gesehen hast. Wenn Du mitten drin bist, dann schreibe nur über das, was Du siehst. Jeder kann Bürgerjournalist sein. Ich betrachte mich nicht als politische Aktivistin. Ich bin einfach eine Ägypterin, die zufällig eine Kamera hat. Und ein Smartphone. Erzählerin (drüber) Anfang März, nur wenige Wochen nach Mubaraks Sturz, geriet die Staatssicherheit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Gerüchte über eine mögliche Auflösung führten dazu, dass Menschen die Niederlassungen stürmten, um Beweise von Überwachung und Folter sicher zu stellen, bevor sie beiseite geschafft werden konnten. Als Lilian Wagdy über das Internet vom Protest vor dem Hauptsitz der Staatssicherheit in ihrem Viertel, Nasser City, erfuhr, schloss sie sich den Demonstranten an. Lilian Wagdy Some of the people went to the kitchen, and we noticed that some of the food was still warm, and drinks - so people were there, and kind of left in a hurry. And - we found five central security vehicles, loaded to the ceiling with files. So we did like a human shield to protect these cars and we said: we are not gonna - ah - hand these documents to the army, we are going to call the general prosecutor or any of the judges that we trust and have them send a team to pick up these documents because we don't trust the army. (...). Actually, some of the army officers - they were sympathising with us. One of them told me, actually: I will take you, and only you, if you wanna take photos of torture devices, if you wanna see more of their offices. He told me: don't take photos of me. And when his commander was calling him, he said: "oh yes, everything is in control. We are taking care of it." But there was no such thing, we were in control, the whole time. Übersetzerin Wir gingen in die Küche und merkten, dass das Essen noch warm war - da waren also Leute geflohen. Wir haben dann fünf Sicherheits-Fahrzeuge entdeckt, die bis an die Decke mit Akten gefüllt waren. Wir haben eine Art menschliches Schutzschild um die Fahrzeuge gebildet und gesagt: wir werden diese Dokumente nicht der Armee überlassen, sondern die Staatsanwaltschaft einschalten, oder einen Richter, dem wir vertrauen und der ein Team schickt, um die Dokumente abzuholen. Der Armee trauen wir nicht. Einige Offiziere waren aber auch auf unserer Seite. Einer nahm mich mit und zeigte mir Folterinstrumente und Büros damit ich sie fotografieren kann. Ich sollte nur keine Fotos von ihm machen. Als sein Vorgesetzter anrief, sagte er: "Jaja, alles unter Kontrolle, wir haben das im Griff". Das stimmte nicht, wir hatten alles unter Kontrolle, die ganze Zeit. Atmo Tahrir Verkehr Mohamed Elshaehd This is amazing: Two cops just walked past us and they just looked at us and kept walking - amazing! Erzählerin (über Atmo) Mohamed Elshahed ist erstaunt darüber, dass zwei Polizisten in unsere Richtung gehen, uns und das Mikrofon anschauen - und einfach weiterlaufen. Er kann es kaum fassen. Für ihn besteht nicht nur ein Zusammenhang zwischen Macht, bzw. Ermächtigung und öffentlichem Raum. Er sieht einen politischen Aspekt von Stadtplanung auch darin, wie eine Stadt insgesamt planerisch und infrastrukturell erschlossen wird. Mohamed Elshahed When it is the 21st century and you live in a city that was one of the first cities to have water, to have sewer system, to have railroads, to have lit streets - I mean not everyone knows this, again, but there are people, very simple people who have this, kind of floating in their consciousness: "Oh, yes, Cairo was such a great modern place", and then today, they don't have clean drinking water. Of course, this creates some kind of - clash, and will naturally result in a complaint, so maybe when 100 or 1000 people start protesting in the street and you have all these problems, you will join in. You will join in because of real concerns and not because of some facebook invitation or because - you know - you wanna copy something called democracy that you watched a movie or documentary about - this is not what it is about. It is about real life concerns. Übersetzer Wir schreiben das 21. Jahrhundert, und Kairo ist eine Stadt, die einmal ganz vorne war in Sachen Wasserversorgung, Abwassersystem, Eisenbahn, Straßenbeleuchtung. Das weiß natürlich nicht jeder, aber es gibt ganz einfache Menschen, denen das vage bewusst ist: "Oh, ja, Kairo war mal ein richtig moderner Ort" - und dann haben diese Leute heute kein Trinkwasser. Natürlich entsteht da ein Konflikt, die Leute beschweren sich, und wenn irgendwo 100 oder 1000 Menschen auf die Straße gehen, dann schließen sie sich denen an. Wegen echter Anliegen, nicht wegen einer Facebook-Einladung oder weil sie etwas nachmachen wollen, das sich Demokratie nennt und das sie mal im Fernsehen gesehen haben. Darum geht es nicht. Es geht um reale Lebensbedingungen. Erzählerin Um reale Lebens- bzw. Arbeitsbedingungen und ökonomische Not ging es auch bei den Streiks und Protesten ägyptischer Arbeiter in den vergangenen Jahren. Sie sind ebenso Teil der politischen und sozialen Vorgeschichte des Umbruchs wie der Protest von Richtern für eine unabhängige Justiz, im Frühjahr 2006. Nivin Samir It began from 2006, it was a few, but in 2007, from the first of January to the end of December, in 2007, there was 1000 strikes, protests and demonstrations from the people in working class. Actually, its demands - social and economic demands, but not political - and actually, these people, until this moment in 2007, they can't realize that the political change will change everything, but they ask for a few pounds - and I totally agree with them. Übersetzerin Es fing 2006 an, und 2007 gab es dann zwischen dem ersten Januar und Ende Dezember über eintausend Streiks, Proteste und Demonstrationen von Arbeitern. Sie forderten soziale und ökonomische Veränderungen, keine politischen. Zu dem Zeitpunkt hatten sie noch nicht begriffen, dass eine politische Veränderung alles verändern wird. Es ging schlicht um ein paar Pfund, und das kann ich voll und ganz nachvollziehen. Erzählerin Nivin Samir gehört selbst zur Vorgeschichte der ägyptischen Revolution - seit 20 Jahren engagiert sie sich politisch, hat demonstriert, organisiert, im Gefängnis gesessen. Der historische Moment des 25. Januar kam auch für sie überraschend. Insgesamt aber hatte sie politische Veränderungen erwartet. Immerhin hat sie darauf hin gearbeitet, ein Leben lang. Atmo: Fatma Ramadan arabisch Nivin Samir selbst ist ökonomisch unabhängig. Seit einigen Monaten engagiert sie sich im Aufbau einer der neuen linken Parteien, und für die Gründung unabhängiger Gewerkschaften. Eine ihrer Freundinnen, Fatma Ramadan, arbeitet seit 13 Jahren im Arbeitsministerium und setzt sich eben so lange schon für die Rechte von Arbeitern und Bauern ein. Aktivistinnen wie Nivin und Fatma reisen jetzt in Dörfer und Fabriken. Ihre Beratung ist gefragt - zig Gewerkschaften bereits entstanden. Mann auf Arabisch zu Mohamed - Gespräch über was wir tun Erzählerin (darüber) Die ägyptische Gesellschaft ist in einen Dialog getreten, und so wird auch der Gang mit Mohamed Elshahed über den Tahrir-Platz zu einem öffentlichen Ereignis, das Mikrofon zum Sprachrohr der Passanten, die unaufgefordert ihre Anliegen erzählen. Mohamed Elshahed He is actually complaining about the fact that even the sidewalk is destroyed. I mean, of course, part of the sidewalk was destroyed in the uprising and - because people were throwing stones at each other, and the only way to get stones is to break some tiles (...arabisch) It is really interesting - I have never really met someone like this before: he basically stands in the street waiting for someone to pick him up and give him a job. So, this is another use of the square that I didn't know. Übersetzer Der Mann beschwert sich darüber, dass sogar der Bürgersteig kaputt ist. Natürlich wurden im Aufstand Bürgersteige zerstört - die Leute haben sich mit Steinen beworfen, und Steine gab es nur am Boden. Seit sieben Jahren kommt der Mann hierher und sucht nach Arbeit. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der auf der Straße steht und darauf wartet, dass ihn jemand abholt und ihm einen Job gibt. Eine weitere Nutzung des Platzes, die ich noch nicht kannte. Koptin arabisch Erzählerin Eine Frau nähert sich uns und spricht lautsstark. Sie beschwert sich: sie sei koptische Christin, und die Kopten würden in Ägypten am stärksten diskriminiert. Complaints Choir (Part 1) Übersetzer (drüber) Ich bin fremd im eigenen Land - auf meinen Rechten wird rumgetrampelt - es gibt Banken anstelle von Parks - jede Gerechtigkeit ist dahin. Erzählerin (drüber) Ägypten braucht eine Institution, die Vorschläge und Ideen aufgreift, wie die Stadt positiv verändert werden kann, die aber auch Beschwerden entgegen nimmt, sagt Mohamed. Institutionen, mit denen interagiert werden kann. Übersetzerin (drüber) (Part 2) (...) Warum beschweren sich Menschen? Und trotzdem ändert sich nichts. Nichts ist leichter als sich beschweren. Und trotzdem ändert sich nichts. Nichts ändert sich. Das wird sich ändern. Erzählerin (drüber) Der Beschwerdechor stand am Beginn des künstlerischen Chor-Projekts in Kairo. Das war im Mai 2010. Damals trat der Chor nur ein einziges Mal auf, in einem Kulturzentrum. Eine Fernsehsendung positionierte das Projekt explizit politisch-kritisch - und gleich zensierte die Staatssicherheit den Chor. Die Sänger riefen sich daraufhin als Werbechor aus und parodierten Werbeslogans. Seit der Revolution reist der Projektleiter Salam Yousry für Workshops auch ins Ausland. Amman, London, München. Atmo Tahrir Platz - Junge kommt Auf dem Tahrir-Platz hat uns ein Schuljunge schon eine ganze Weile beobachtet und begleitet. Nun will er wissen, was wir machen. Mohamed erklärt: eine deutsche Journalistin will etwas über die Geschichte des Platzes wissen, und über die Revolution. Er fragt den Jungen, weshalb er nicht in der Schule ist. Mohamed Elshahed Schools have not been running very well, I mean the state has obviously failed on the front of education. But he is telling me that he left school because there was nothing going on there and came here to clean the square. And this is again something you never had before, never never had that. Civic pride is something that completely disappeared under Sadat and Mubarak, and - instantly came back after - people started to clean, people owned the city - Übersetzer Schulen wurden nicht gut geführt, beim Thema Erziehung ist der Staat gescheitert. Aber der Junge sagt, dass er seine Schule verlassen hat, weil da nichts mehr los war. Er ist dann hierher gekommen um den Platz aufzuräumen. Auch das hat es vorher nicht gegeben, diesen Bürgerstolz. Der war unter Sadat und Mubarak komplett verschwunden, kam jetzt aber sofort zurück. Die Leute haben überall aufgeräumt, die Stadt in Besitz genommen. ...fragt den Jungen auf arabisch, ob er das Gefühl hat, das Land zu besitzen Mohamed El-Shahed I mean all the orientalist stereotypes - one of those stereotypes is - the whole dirty arab thing of course is there, and of course tourists would come and see how people treat the city, and they make it a cultural thing, so this is: Muslims and Arabs are just inherently not really clean or something - but no, this is not what it is about. It's really about politics. Übersetzer Es gibt dieses orientalistische Vorurteil des dreckigen Arabers... Touristen kamen früher hierher und haben gesehen, wie die Leute ihre Stadt behandeln. Und dann machen sie daraus eine kulturelle Angelegenheit: Muslime und Araber seien per se dreckig. Aber darum geht es überhaupt nicht. Es geht um Politik. Erzählerin Tahrir heisst Befreiung. Der Tahrir-Platz wurde 1954, zwei Jahre nach der Revolution - bzw. dem Militärputsch - von 1952, von Ismailia-Platz in "Platz der Befreiung" umgetauft. "Befreiung" meinte damals den Staatsstreich gegen König Farouk und das endgültige Ende der britischen Kontrolle im Land. Es folgte die ägyptische Republik und der panarabische Sozialismus von Gamal Abdel Nasser. 2011 dann die Befreiung von Hosni Mubarak. Befreiung bedeute noch lange nicht Freiheit, argumentiert Hannah Arendt 1963 in "Über die Revolution". Zitatorin "Nun liegt in der Tat eine der Schwierigkeiten, zu einem gültigen Revolutionsbegriff zu kommen, darin, daß es in den Revolutionen der Neuzeit notwendigerweise immer um beides gegangen ist, um Befreiung und Freiheit. Und da Befreitsein in der Tat die wesentlichste Bedingung der Freiheit selbst ist [...], ist es konkret oft sehr schwer auszumachen, wo das bloße Bestreben, sich von einem lastenden Zwang zu befreien, endet und wo der Wille zur Freiheit als einem positiven Lebensmodus beginnt." (Über die Revolution, S. 39) Erzählerin Ob in Ägypten langfristig Freiheit gewonnen wird, muss sich erst zeigen. Seriöse Prognosen wagen die wenigsten, und noch regiert das Militär. Im aktuellen Aushandlungsprozess über die Gestaltung der ägyptischen Gesellschaft wird auch über Freiheitsbegriffe debattiert, zum Beispiel in der neu gegründeten linken Partei "Volksallianz". Elham Eidarous The discussion that we are having, in the party now, that the old mentality of the feminist movement concerning that there is this - ideal model of the modern women, that people like me and you - who are liberal and who don't want to wear hijab - and we want to protect them. But the fact is that there is a big diversity among Egyptian women, and we need to accept this. So, I should call for both: for my right not to wear hijab, and also my right in order to wear it. And this is the thing about personal freedom. Not just having an ideal image in mind about what should a modern family look like. For example - and we have this discussion that: what about women who want, or people who want to abide by religiously based family laws? Should we have this completely civil family law that applies to everybody? Even religious people who don't want to abide by it? Or the state should create like a separate or parallel law for others who don't want to abide by the church or the islamic law. This is a discussion that is not settled yet. But personally, I am with this second one, that you have to create opportunities for people. (...) I cannot claim that I am - because I am a secular, socialist, feminist person, knows what is good for them better than them. Übersetzerin Wir diskutieren in der Partei jetzt über feministische Positionen. Da gibt es das Ideal der modernen Frau, die arbeitet, liberal ist und kein Kopftuch trägt. Und die wollen wir schützen. Aber tatsächlich gibt es eine große Vielfalt innerhalb der ägyptischen Frauen, und das müssen wir akzeptieren. Ich sollte also beides fordern: mein Recht darauf, kein Kopftuch zu tragen, und mein Recht darauf, es zu tun. Das meine ich mit persönlicher Freiheit. Zum Beispiel diskutieren wir: was ist mit denjenigen, die sich an religiös basiertes Familienrecht halten möchten? Sollten wir für alle gleichermaßen ziviles Familienrecht einführen? Oder sollte der Staat eine Art paralleles oder eigenes Recht für diejenigen schaffen, die sich nicht an kirchliches oder islamisches Recht halten wollen? Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Persönlich bin ich für letzteres - dass man viele Möglichkeiten schafft. Nur weil ich selbst säkular, sozialistisch und feministisch bin, kann ich nicht beanspruchen zu wissen, was für andere gut ist. Erzählerin Ägypten hat eine weit zurück reichende feministische Tradition: Huda Shaarawi gründete bereits 1923 den Ägyptischen Feministischen Verband. Und die Streiks der letzten Jahre wurden nicht zuletzt von Textilarbeiterinnen getragen. Die entschiedene Haltung vieler ägyptischer Frauen in den Protestbewegungen hat Geschichte, und das immer wieder anzutreffende Erstaunen über aktive Frauen in der ägyptischen Revolution zeigt letztlich auch, wie verfestigt das Klischee der passiven, unterdrückten arabischen Frau ist. Oder war. Atmo Nazra "Nazra für feministische Studien" ist eine noch junge Organisation in Kairo, die seit der Revolution ihren Fokus verschoben hat. Nawara Belal (Nazra) I think mainly our work is focused on empowering women to stand up to themselves and go to the streets and to the public places - because we are not going to be working on anything that is women cause in particular, we are working on making it clear and positive attitude of women that they should go into the streets and be present. Übersetzerin Wir konzentrieren uns darauf, Frauen zu unterstützen, sie zu ermächtigen, damit sie auf der Straße und im öffentlichen Raum agieren. Wir beschäftigen uns nicht speziell mit Frauenthemen, sondern bemühen uns darum, dass die öffentliche Präsenz von Frauen positiv gewertet wird. Erzählerin Nawara Belal arbeitet für Nazra. Sie nimmt in der ägyptischen Gesellschaft Angst vor fundamentalistischen Kräften wahr, sieht aber ähnlich wie Elham Eidarous in der Freiheit über das eigene Leben zu bestimmen eine stärkere Kraft als in politisch-religiösen Strömungen. Nawara Belal (Nazra) Personally, I don't think that anyone in our country would be ready to turn into Saudi-Arabia or Iraq. We are people who like to have fun and move around freely. I know we are conservative, but we don't like to be told to do this or that, I think we are a country that goes more by freedom of choice to be conservative, than by obligation to be conservative. So, I don't think we are very pro Salafis. Even if you find people who are, if it comes to real ground, they say: No no no, let's have our own choice how to be conservative. Übersetzerin Ich persönlich glaube nicht, dass irgendwer hier im Land Lust hat zum zweiten Saudi-Arabien oder Irak zu werden. Ägypter amüsieren sich gerne und wollen sich frei bewegen. Ich weiß, dass wir konservativ sind, aber wir lassen uns nicht gerne sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Fundamentalisten haben hier wenig Unterstützung, und selbst wenn - sobald es ernst wird, sagen auch deren Anhänger: "Ach, nein, lass uns lieber freiwillig konservativ sein." Erzählerin Dieser Freiheitsbegriff, der Restriktionen und staatliche Einmischung in private Angelegenheiten so gering wie möglich halten will, steht in deutlichem Kontrast zu den teilweise nur schwer durchschaubaren Handlungen der militärischen Übergangsregierung. Das ägyptische Militär verhielt sich während der Proteste relativ neutral, mit Mohamed Hussein Tantawi hat zugleich aber ein Mubarak-Vertrauter die Macht übernommen - und keine zivile Übergangsregierung. Mancher meint, es habe sich eigentlich um einen Militärputsch gehandelt. Nach dem Freudentaumel wurden die neuen roten Linien langsam sichtbar: willkürliche Festnahmen und Folter fanden statt, ein Schreiben forderte die Presse auf, ohne Absprache keine Kritik am Militärrat zu veröffentlichen, hohe Haftstrafen für Blogger wurden verhängt, und im April gab es auf dem Tahrir-Platz bei Protesten gegen die Militärregierung Schüsse, Verletzte und Tote. Unter dem Vorwand Stabilität und Sicherheit zu wahren, weist die Übergangsregierung Kritik zurück. Atmo Tahrir Protest Viele Gruppierungen weigern sich, mit dem Militärrat in einen direkten Dialog zu treten. Sie ziehen politische Basis-Arbeit und Proteste vor, den Druck der Straße. Noch muss man eher von einer unterbrochenen Revolution sprechen, mit ungewissem Ausgang. Zitatorin "Nur wo [das] Pathos des Neubeginns vorherrscht und mit Freiheitsvorstellungen verknüpft ist, haben wir das Recht, von Revolution zu sprechen." (Über die Revolution, S. 41) Erzählerin Die Befürchtung, das Militär könnte nach den Wahlen im Herbst an der Regierungsmacht festhalten, ist gewachsen, und die Angst der Menschen, die im gemeinsamen öffentlichen Leben zunächst verschwunden war, teilweise zurückgekehrt. Angst vor ungewisser Zukunft, Angst vor noch mehr Armut, Angst vor einem politischen Rückschlag. Politisch Engagierte wie Nivin Samir treibt diese Angst jedoch eher an, als dass sie lähmt. Nivin Samir I have a lot of fears actually, but the main thing that Mubarak regime doesn't - still exists. So this is my big and only fear. That is why I should work all the time. (...) This is a 30 years regime. I know it's in every cm in Egypt. So we should clean it. Lacht Übersetzerin Ich habe viele Ängste, hauptsächlich aber Angst davor, dass das Mubarak Regime noch immer existiert. Darum sollte ich arbeiten, non-stop. Das 30-jährige Regime steckt in jedem Zentimeter Ägyptens. Wir müssen aufräumen. Erzählerin Immer wieder füllt sich der Tahrir-Platz, füllen sich ägyptische Straßen und Plätze mit Menschen, wenn der Eindruck überhand nimmt, dass sich in den öffentlichen Einrichtungen, bei politischen Entscheidungen nur wenig bewegt, dass die Forderungen der Demonstranten nicht erfüllt werden. Dann mobilisieren die vielen neuen Parteien und Zusammenschlüsse, Organisationen und Gewerkschaften wieder zum öffentlichen Protest. Mohamed Elshahed freut sich darüber. Mohamed El-Shahed Protests on Fridays is a peaceful way for the public that is concerned about the country to show that they still care and that they are still here. And that they still have demands to be met. (...) The counter-revolution is not a - huuuuuuuupen - the counterrevolution is not a fantasy, it is real, and I think it is a very dirty game, and some people who are part of this counterrevolution are realizing what the power of Tahrir is and occupying Tahrir - it is very difficult, this whole game of people power, controlling urban space, stopping traffic, making their voices heard, is also easy to manipulate by other people who have different interests. But I think it is still a powerful tool by the people that created this revolution, to continue their voices heard. Übersetzer Die Freitagsproteste sind ein friedlicher Weg öffentlich zu zeigen, dass die Menschen sich weiterhin für das Land interessieren und dass es noch immer unerfüllte Forderungen gibt. Die Konterrevolution ist kein Fantasieprodukt, sie ist real, und ich halte sie für ein dreckiges Spiel von wenigen Leuten. Auch sie verstehen die Macht des Tahrir-Platzes, und da muss man sehr acht geben. Die Kontrolle von städtischem Raum, die Macht der Menschen - das lässt sich leicht von Leuten mit ganz anderen Interessen manipulieren. Aber ich halte diesen Protest immer noch für ein sehr machtvolles Werkzeug, um die Stimmen der Leute weiterhin hörbar zu machen. Tahrir am Abend Erzählerin (drüber) Adel Nada, der Psychologe und Autor, der das Bild einer eingefrorenen Gesellschaft aufgebracht hat, steht auf dem Tahrir-Platz und betrachtet das Treiben an einem eher ruhigen Donnerstag Abend im April. Ein wenig wie im Hyde Park sei es hier, wie in der Speakers' Corner, außer dass am Tahrir-Platz natürlich nicht nur geredet, sondern wirklich etwas bewegt wurde, nämlich eine sehr stabile Regierung zum Sturz gebracht. Und dann hält Adel Nada selbst eine kurze Ansprache, als stünde er auf einer kleinen Kiste im Londoner Hyde-Park. Adel Nada A message to all the world, to all people: you have needs you do not fulfil. Why don't you try to fulfil it. lautes Hupen Or discuss it openly to see whether they are real needs or just wants, you want something you do not need. And - always there is a way to find solutions to your problems or to anything that hinders you from reaching your needs. Whether internal limitations or external limitations. Übersetzer Eine Botschaft an alle: Ihr habt Bedürfnisse, die ihr nicht erfüllt. Warum versucht ihr es nicht? Oder diskutiert öffentlich darüber, ob es überhaupt echte Bedürfnisse sind oder nur Wünsche nach etwas, das man gar nicht braucht. Egal, ob es um innere oder äußere Hindernisse geht, es gibt immer eine Lösung. Hupkonzert Zitate 1. Hannah Arendt: Über die Revolution. München 2000, S. 39 und 41 9 Zeilen 2. Hannah Arendt: Vita Activa oder Vom tätigen Leben. München 1985, S. 71 und 252 8 Zeilen Seite