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Dafür wollen wir möglichst viele junge Teilnehmer mobilisieren. - Um zu zeigen, dass die UMP nicht die alte traditionelle Rechte ist, nicht nur Leute für zwischen 60 und 80.. ...quatre vingts." SKRIPT: Die jungen Konservativen wollen ihren Kandidaten Sarkozy den Jungwählern schmackhaft machen. Die haben 2007 mehrheitlich links gewählt. Diesmal steht die rechtsextreme Marine Le Pen besonders hoch in der Gunst junger Franzosen. Ein großer schlaksiger Brillenträger - Jeans, weißes T-Shirt - steigt auf ein Podest. - Benjamin Lancar, Vorsitzender der UMP-Jugendorganisation "Jeunes Poupulaires". Atmo2: Benjamin fragt... SKRIPT: "Noch irgendwelche Fragen?" - will er wissen. Nur eine kurze Anmerkung, von einer der wenigen jungen Frauen im Raum: keine Bierdosen, keinen Alkohol zum Meeting mitbringen! SKRIPT: Benjamin Lancar, beendet die Konferenz. Sie gehen hinüber zum langen Tisch in der anderen Raumhälfte, bedienen sich: Cola, Orangensaft, Chips und Erdnüsse. Atmo3: Stimmen am Snacktisch, SKRIPT: Drei junge Männer nippen an ihren Plastikbechern. - Die gleichen jungenhaften Gesichter und Haarschnitte, klassische anthrazitfarbene Sakkos. Sie reden über die neuesten Umfragewerte ihres Kandidaten Nicolas Sarkozy. Der liegt seit Wochen deutlich hinter seinem Hauptkonkurrenten, dem Sozialisten François Hollande. Der Mittlere schiebt sein Kinn nach vorne. O.TON 2 (junger Typ): "Vous allez.... Sie werden noch Überraschungen erleben! Sarkozy selbst hat gesagt: ,Ich komme so schnell wieder nach oben, dass sich die Journalisten den Hals verrenken werden! Der Mann hat enorme Kraftreserven. Und Sie werden sehen, zum großen Wahlkampf-Meeting in Villepinte kommen 50 bis 80.000 Leute. Beim Pariser Meeting der Sozialisten waren es nur 20.000. Der arme Hollande geht besser Waffeln backen! ...des gouffres!" SKRIPT: Benjamin Lancar taucht wieder auf, hat Tasche und Jacke dabei. Er gibt sich weltmännisch O.TON 3 (Benjamin): (erst auf Deutsch) Hallo, wie geht es Ihnen? Es tut mir leid, aber ich muss weggehen. Vous voulez venir... Wollen Sie vielleicht morgen wiederkommen? Wir machen einen Twitter-Kampagnenabend. Treffen wir uns hier in der UMP-Zentrale, okay? ...du siège, okay?" Blende auf Atmo4: Fahrstuhl - unters Skript SKRIPT: Mittags kommt eine Absage per SMS: Nicolas Sarkozys Wahlkampfmanager wollen beim Twitter-Abend keine Journalistin dabei haben. Benjamin Lancar fügt sich, schlägt ersatzweise eine kleine Lagebesprechung mit Parteimitgliedern vor, die er in seinem Wahlbezirk organisiert hat. Eine Adresse im 3. Arrondissement... Atmo5 : Stimmen im Flur, Begrüssung in der Tür .... SKRIPT: Ein vornehmes ,Hôtel particulier' aus dem 18. Jahrhundert. In der Tür steht eine rüstige alte Dame mit frisch frisierten weißen Haaren, an ihrer Seite ein kaum jüngerer Monsieur - ihr Nachbar und Parteifreund. Atmo 6: Je vous en pris, rentrez ... Par ici... SKRIPT: Die Hausherrin geht voran: vorbei an Vitrinen mit antiken chinesischen Vasen, in einen mit wertvollen Sammlerstücken überladenen Salon: Kunststiche, Gemälde. In der Salonmitte steht ein niedriger Eichentisch, darauf Salzgebäck, ein Silbertablett mit langstieligen Gläsern. Atmo7: Türklingel... SKRIPT: Andere UMP-Parteimitglieder treffen ein: eine Galeristin, ein Antiquitätenhändler, ein Kunstsammler, spezialisiert auf Gravuren aus dem 17. Jahrhundert. Der junge Lancar wird jeden Moment kommen, entschuldigt ihn Madame. Er wird den Parteimitgliedern aus seinem Wahlbezirk über die Kampagne berichten. O.TON 4 (älterer Mann): "Je l'ai... Ich hab ihn auf dem Nachrichtenkanal BFMTV gesehen. Er wurde von mehreren Journalisten interviewt. Er macht das gut, auch was die Wirtschaftsprobleme betrifft - sehr gut. ...très bien. Atmo8: Ankunft Bejamin / kurz frei, dann unters Skript SKRIPT: Dann endlich ist er da, entschuldigt sich höflich. O.TON 5 (Benjamin): "J'était à... Ich war heute in Nizza zu einer Debatte der lokalen Jungen Konservativen. Mein Rückflug hatte leider eine Viertelstunde Verspätung. ...retard." SKRIPT: Der kräftige 26-Jährige hat sofort alle Aufmerksamkeit. Ein engagierter Nachwuchspolitiker mit viel versprechender Zukunft: Zwei renommierte französische Elitehochschulen hat er absolviert, bereitet sich gerade auf die Aufnahmeprüfung für die ENA vor - Frankreichs Kaderschmiede für Spitzenpolitiker und hohe Beamte. Außerdem kandidiert er in ihrem Bezirk für die Parlamentswahlen und gilt als besonders engagierter Wahlkampfhelfer Nicolas Sarkozys. Atmo 9: Madame sagt, er soll Champagner öffnen... SKRIPT: Madame zupft ihre tadellose beige Kostümjacke zu recht, beauftragt Benjamin den Champagner zu öffnen. Atmo 10: Korken, Champagner wird eingeschenkt, sie reden... SKRIPT: Während der Jungpolitiker die edlen Gläser füllt, hält er einen kurzen Diskurs für mehr Sauberkeit im Viertel, gegen die grüne Verkehrspolitik des Pariser Rathaus. Dann nimmt er einen großen Schluck, blickt lächelnd in die Runde, schwenkt über zum Wahlkampfprogramm des Kandidaten Sarkozy: O.TON 6 (Benjamin): "Un combat... Ein Kampf für ein starkes Frankreich, in dem Leistung und Anstrengung Schlüsselwerte sind, das in der Lage ist, sich dem internationalen Wettbewerb anzupassen. Ein wichtiges Thema wird auch die Bildung. Und natürlich das Thema Arbeit. Denn das ist das erste Anliegen der Franzosen. ...des français." SKRIPT: Doch Benjamins Parteifreunde vermissen den geschickten Wahlkämpfer Sarkozy, den unwiderstehlichen Siegertypen von 2007. - Auch Madame, die wieder ihre Kostümjacke glatt streicht. O.TON 7 (ältere Frau): "Il a... Er hat noch nicht das richtige Thema gefunden. Ihm fehlt der richtige Ansatz. Da muss dran gearbeitet werden! ...travailler le truc." SKRIPT: Benjamin greift in die Schale mit Salzgebäck, reicht sie herum. "Sie haben Recht", sagt er der alten Dame, schickt ein charmantes Lächeln hinterher. Madames Nachbar nutzt die Gelegenheit für eine Frage an den jungen Eingeweihten, der fast täglich mit den Parteigrößen der Konservativen verkehrt und auf jeder größeren Wahlkampfveranstaltung dabei ist. O.TON 8 (älterer Mann): "Pourquoi... Warum spricht Nicolas Sarkzoy so wenig über seine europäischen Erfolge oder den G20, den er initiiert hat, das waren doch Erfolge! ...des succes." SKRIPT: Dann beginnt die Wahlkampf-Fernsehsendung mit Sarkozy. Die Gastgeberin schaltet das Gerät in der Salonecke an, lädt ein, die Sendung gemeinsam zu schauen. Atmo 11: Fernseher, Verabschiedung... SKRIPT: Benjamin und der Nachbar setzen sich mit ihren Champagnergläsern vor den Fernseher, die anderen verabschieden sich. Zur gleichen Zeit - nur knappe zwei Kilometer entfernt, im Einwandererviertel Belleville - beginnt der Twitterabend der Jungen Sozialisten. Journalisten haben diesmal Zugang. Blende auf Atmo 12: ruhige Kneipe SKRIPT: Eine arabische Kneipe am Boulevard Ménilmontant: Am abgenutzten Tresen steht eine junge Frau mit locker hochgesteckten Haaren, am Revers ihrer schwarzen Lederjacke einen roten Sticker: - Hollande 2012.' Sie bezahlt ihren Rotwein, trägt ihn nach hinten, in einen kleinen Saal. Atmo 13: Saal mit Fernsehdebatte, SKRIPT: Im bläulich-schummrigen Licht sitzen gut drei Dutzend Jungsozialisten an zusammen gerückten Tischen. Die einen schauen sich die Wahlkampfsendung mit Nicolas Sarkozy auf dem großen Flachbildfernseher an. Andere tippen auf Notebooks oder texten auf Smartphones. "Twitt-riposte" - Twitter-Gegenangriff, nennen sie das. Der dreistündige Fernsehauftritt Sarkozys wird live im sozialen Netzwerk kommentiert. Atmo 14: Tippen auf Computer-Tastatur /kurz frei SKRIPT: Besonders eifrig schreibt Sylvain. Er dreht den Laptop, zeigt seinen letzten Tweet. O.TON 9 (junger Mann): "Obligé de se... 'Sarko gezwungen sich zu rechtfertigen. Endlich!' ... Ich schreibe das, weil die letzten 5 Jahre als Präsident musste er keine Rechenschaft ablegen. Heute Abend - als Kandidat - ist er dazu gezwungen, wird endlich mit seinen Taten konfrontiert. ...devant ses actes." Atmo 15: Sarko über Merkel (15:30) SKRIPT: Im Fernsehen spricht Nicolas Sarkozy über sein gutes Verhältnis zu Angela Merkel. Wird er wieder gewählt, gilt sein erster Auslandsbesuch "selbstverständlich" der deutschen Kanzlerin. Er prangert diejenigen an, die Deutschland und die Deutschen anfeinden, erinnert an die Millionen Tote der Kriege zwischen den beiden Ländern. SKRIPT: Sylvain reagiert sofort. O.TON 10 (junger Mann): "J'espère... Ich hoffe, Sie glauben nicht, dass wir deutschenfeindlich sind?! Sarkozy spielt auf Hollandes Positionen zur europäischen Krisenpolitik an. - Der will sich gegenüber Frau Merkel behaupten, hat nicht vor, bei allem was sie sagt, zu gehorchen. Aber deswegen von Kriegsgefahr zu sprechen ist total absurd! ...du même bord. SKRIPT: Die jungen Sozialisten sind aufgekratzt, lachen viel. Meistens über Nicolas Sarkozy. Atmo 16: Fernseh-Sarko spricht, Gelächter im Raum SKRIPT: Sarkozys Auftritte haben Unterhaltungswert, lästert ein junger Ingenieur, seit einem Jahr Mitglied der Jungen Sozialisten. O.Ton 11 (junger Mann): "C'est marrant... Das ist lustig. Lächerlich. Nach fünf Jahren kennen wir Nicolas Sarkozy und seine Macken nur zu gut. Seine witzigen Gesten, seine sprachlichen Ticks. Wir warten schon darauf. Atmo 17: Vorfreude... SKRIPT: Der Sozialist und Expremierminister Laurent Fabius steigt in den Fernseh-Ring. Auf diesen Moment haben alle gewartet. Er gilt als geschickter Rhetoriker, soll dem politischen Gegner die Hölle heiß machen. Atmo 18: Fabius begrüßt Sarkozy... SKRIPT: Doch das Rededuell entpuppt sich schnell als enttäuschend: wenig Inhalt, viele persönliche Angriffe. - Die meisten kommen von Sarkozy, der Auge in Auge mit dem Gegner plötzlich auflebt. Die jungen Hollande-Anhänger vor dem Fernseher werden immer stiller, ihre Gesichter ernst. O.TON 12 (junger Mann): "Il faut dire... Man muss schon sagen: Sarkozy ist ein exzellenter Vollblut-Politiker. Er beherrscht die Kunst der Kommunikation, geht mit dem Medium Fernsehen sehr geschickt um. Damit hat er keine Probleme. ...pas de souci. SKRIPT: Am Nachbartisch scrollt sich Clement durch die neuesten Twitter-Nachrichten. O.TON 13 (Clement, junger Mann): Sur Twitter... Auf Twitter sind die Reaktionen ziemlich heftig. Nach dem, was ich hier sehe, richten sich die meisten Tweets gegen Nicolas Sarkozy. ...Sarkozy. Die jungen Sozialisten machen den Superpräsidenten verantwortlich für die schlechten Zukunftsperspektiven ihrer Generation: über 23 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, grassierende Wohnungsnot, steigende Studiengebühren, immer weniger Aussicht auf feste Jobs. Clement, der mitten in der Ausbildung zum Gastronomiefachmann steckt, opfert jede freie Minute für den Wahlkampf, damit sich das ändert. O.TON 14 (Clement): "Notre premiere... Für uns ist es das Wichtigste, die Jungen zu mobilisieren, damit sie wählen gehen und ihre Stimme François Hollande geben. Nicht nur um Sarkozy abzuwählen. Hollande macht aus der Jugendpolitik eine Priorität. ...priorité Atmo 19: Frau geht an den Tresen... SKRIPT: Laura - die junge Frau mit dem Hollande-Sticker - holt sich noch ein Glas Wein. Sie macht ein langes Gesicht, hat die Nase gestrichen voll von Sarkozy, sagt sie. Auch die Studentin aus Bordeaux hofft auf eine bessere Zukunft mit dem Sozialisten Hollande. - Ein anderes Leben... O.TON 15 (junge Frau): "Pour un tas... Für ganz viele Leute. Zum Beispiel homosexuelle Paare, die dann endlich heiraten und Kinder adoptieren können. Ich hoffe, dass die Sozialisten eine Politik umsetzen, die sich wirklich vom Gesellschaftsmodell der Rechten unterscheidet. ...par la droite, quoi." Atmo 20: Parkplatz Messegelände, Busse fahren, SKRIPT: Auf dem Messe-Parkplatz in Villepinte treffen Reisebusse im Minutentakt ein. Heraus steigen, UMP-Parteimitglieder aus dem Großraum Paris, schleppen aufgerollte Transparente und Parteibanner. Sie wollen unbedingt dabei sein, beim Sarkzoy-Meeting der Superlative. O.TON 16 (junge Frau): "On est la... Wir sind gekommen, weil wir Nicolas Sarkozy unterstützen wollen. Wir wollen, dass er ein zweites Mandat macht. Er ist die beste Lösung gegen die Krise. Wir sind für ihn, weil wir Frankreich lieben und stolz sind Franzosen zu sein. ...d'être fançais, voilà." Atmo 21: Ordner rufen SKRIPT: Freiwillige Ordnungskräfte schleusen die Menschenmengen durch Gänge und elektronische Sicherheitspforten - in eine gigantische Halle. Atmo 22: Begeisterte Menschenmenge in der Halle, "Sarko Président!" SKRIPT: Mehrere zehntausend Menschen sitzen oder stehen dicht an dicht im blau-weiss- roten Dekor, schwenken Frankreichfahnen. Die Stimmung ist wie elektrisiert, Wellen der Begeisterung rollen durch die immense Menschenmenge. Benjamin Lancart, der junge Politikstar, drängt sich an den vielen Menschen vorbei, zu den Rängen der Jungen Konservativen. Ihnen ist ein eigener Bereich reserviert. Gut sichtbar für die Fernsehkameras mit ihren weißen T-Shirts, auf den der leuchtend blaue Slogan steht: ,Die Jungen für Sarkozy'. Sie steigen sie auf ihre Stühle, reißen wie im Rausch die Arme hoch, brüllen den Namen ihres Kandidaten und stimmen spontan die Marseillaise an. Innerhalb von Sekunden springt der Funke auf die Menge über. Atmo 23: singen Marseillaise SKRIPT: Sie singen aus voller Brust, mit glänzenden Augen, der Hollywood reifen Bühne zugewandt: eine große schneeweiße Scheibe, die an eine überdimensionale Sahnetorte erinnert. Darauf stehen prominente Parteipolitiker, wechseln sich am Rednerpult ab. Atmo 24: schwulstige Rede..../kurz frei, dann unters Skript SKRIPT: Seiner Stärke, seiner grandiosen Geschichte - und seinem Retter und Hoffnungsträger: Nicolas Sarkozy. Atmo 25: wieder hoch: "...Nicolas Sarkozy!", Applaus SKRIPT: Dann endlich ist es so weit. Die eigens für den Kandidaten komponierte Wahlkampfmusik setzt ein. Atmo 26: pompöse Musik SKRIPT: Umringt von Bodyguards und Kameraleuten betritt der Präsident die Halle, schüttelt Hände, die sich ihm entgegen strecken. Er strahlt, lacht, schüttelt die nächsten Hände. Gute 5 Minuten dauert es, bis er die Bühne erreicht. Einsam und allein steht er fast bewegungslos auf der großen weißen Fläche. Ihm zu Füßen tobt das Parteivolk vor Begeisterung. Atmo 27 (158): Sarkozy redet, Jubeln, Applaus/ kurz frei, dann unters Skript SKRIPT: Sarkozy redet über das "starke Frankreich", dem "Genie" des französischen Volkes. Dann reißt er ein politisches Thema nach dem anderen an, bindet daraus einen bunten Strauss vollmundiger Versprechungen. Vor allem aber streut er rechtspolitische Kampfansagen: Atmo 28 (172): Sarko über Ausländer , tosender Applaus/Sprechchöre SKRIPT: Gegen eine zu großzügige Einwandererpolitik, gegen ausländische Spekulanten und Kapitalisten, die Frankreichs Landwirtschaft und Industrie zerstören; gegen religiöse Minderheiten, die die laizistische Republik bedrohen und Franzosen, die auf Kosten des Staates leben. Atmo 29: tosender Applaus... SKRIPT: Bevor er das Rednerpult verlässt schaut Sarkozy seinem Wahlvolk noch einmal tief in die Augen, schlägt einen flehenden Ton an: Atmo 31 (Sarkozy): "Aidez moi! (Applaus) Aidez moi! ... Helfen Sie mir!... Helfen Sie mir! Frankreich ist groß, wenn es für die anderen groß ist. Dieses Frankreich will ich aufbauen. Dazu brauche ich Sie! Es lebe Frankreich! ...Vive la France!"...Applaus etc SKRIPT: "Helfen Sie mir" sagt er , "Frankreich ist groß, wenn es für die anderen groß ist". Dieses Frankreich will er mit ihnen aufbauen SKRIPT: Die Mammut-Veranstaltung ist ein voller Erfolg. Nicolas Sarkozys Umfragewerte steigen. Zum ersten Mal seit Kampagnenbeginn liegt er bei den Prognosen für den ersten Wahldurchgang nur kapp hinter seinem sozialistischen Gegner. Atmo 32 (Kreuzblende): Zuschauerränge des Cirque d'Hiver SKRIPT: Der Druck auf die Sozialisten wächst. Sie kontern. Der Kandidat - der ein "normaler" bescheidener Präsident werden will, lädt seine Anhänger in den Pariser Winterzirkus. Im traditionsreichen Saal mit seinen 1500 Sitzplätzen will er die junge Generation der Kulturschaffenden würdigen. Atmo 33: Marshall-Beck unterhält sich... SKRIPT: Der Vorsitzende der sozialistischen Jugendorganisation Thierry Marchal-Beck ist auch da. Ein dunkelblonder schlanker Jeansträger mit ernstem Gesicht. Er sitzt auf einem der rot bezogenen Klapp-Sitze direkt an der Manege. Neugierig beobachtet der 26-Jährige die vielen Gäste, die nacheinander einem alten Herren drei Plätze weiter die Hand schütteln. - Stéphane Hessel, Autor des Bestsellers "Empört Euch!", Star der französischen Linken. Thierry Marshall-Beck ist mehr als empört, sein Ton der eines aggressiven Wahlkämpfers. O.TON 18 (Thierry, junger Mann): "Mais oui, je suis... Ich bin links. Ich bin gegen ein wirtschaftsliberales Europa, das Europa der Profite und der Sparpolitik, gegen ein Europa mit Millionen von armen Arbeitern. Das Europa von Merkel und Sarkozy - ohne Bedenken, ganz klar - das werfen wir in den Mülleimer! ...la poubelle! SKRIPT: Sein Nachbar stößt ihn an, zeigt nach oben auf einen kleinen Balkon. Dort steht eine junge Schriftstellerin im Scheinwerferlicht. Sie blättert Seiten, beginnt zu lesen. Atmo 34: sie liest vor SKRIPT: "Mazarine, François Mitterands Tochter" raunt Thierry Marchal-Beck. Die prominente Tochter macht den Anfang des Pro-Hollande-Bekennerabends, an dem Berühmtheiten der linken Pariser Künstler- und Intellektuellenszene teilnehmen, darunter Chansonsängerin Juliette Greco oder Kunstmäzen und Le Monde-Aktionär, Pierre Bergé. Die wenigen jungen Künstler des Abends sind nicht bekannt, liefern unten in der Manege den bunten Rahmen des Polit-Spektakels. Atmo 35: Beatboxer, algerische Musik SKRIPT: - Ein schwarzer Beatboxer, junge Frauen singen algerische Folklore. Eine Gruppe Hip-Hopper verbreitet urbane Rhythmen. der Vorsitzende der Jungsozialisten klatscht begeistert. Diversité - nennt er das. Politisch-korrekter Begriff für Multi-Kulti. Die Banlieue- Jugend ist seiner Partei besonders wichtig, versichert der spröde wirkende Vollzeitpolitiker, der - genauso wie der Vorsitzende der Jungen Konservativen - Politik an der renommierten Elitehochschule Science-Po studiert hat. Mechanisch spult er seine Antworten ab, als hätte er sie auswendig gelernt. O.TON 19 (Thierry): Nous les jeunes... Wir jungen Sozialisten sind ständig in den Banlieues und Einwandererviertel unterwegs. Wir organisieren gerade eine Flugblattaktion, die sich an Nichtwähler richtet. Die sind diesen Vierteln besonders zahlreich. Wir Jungsozialisten haben auch dafür gesorgt, dass konkrete Vorschläge gegen Diskriminierung in François Hollandes Programm aufgenommen wurden. Zum Beispiel gegen willkürliche Ausweiskontrollen. In unserem Land gibt es Diskriminierung und Rassismus. Die Rolle der Sozialisten ist es dagegen zu kämpfen. ...des socialistes. Atmo 36: lauter Applaus SKRIPT: François Hollande kommt aus den Kulissen in die Manege. Der Politiker mit dem rundlichen Gesicht schüttelt Stéphane Hessel und seiner Begleiterin kurz die Hand, dann steht er auch schon am Rednerpult. Er lächelt, stellt sich auf die Fußspitzen, rollt ab auf die Fersen und zurück. Atmo 37: Beginn der Rede "Chers amis... SKRIPT: Er beginnt seine Rede mit der großen Bedeutung der Kultur im Allgemeinen und den Verdiensten der Sozialisten um Frankreichs Kultur im Besonderen. Dann konjugiert er aktuelle Themen durch: Urheberecht im Internet, Sparpolitik und Kultur. Europapolitik und Kultur, Filmförderung. Eine Rede, die niemandem weh tut, den Kulturschaffenden im Saal schmeichelt. Atmo 38: Foyer SKRIPT: Während Hollande spricht, sitzen zwei schwarze Frauen auf einer Holzbank im Foyer. Die Beine übereinander geschlagen, das Kinn aufgestützt, starren sie gelangweilt vor sich hin. Die Veranstaltung enttäuscht sie. Es wurmt sie, dass sich die Wahlkämpfer der Partei mit jungen Künstlern aus den Einwanderervierteln schmücken. Heuchelei, sagen sie bitter. O.TON 20 (Frau): " Au PS... Wer bei den Sozialisten ist schwarz oder arabischer Herkunft und hat eine einflussreiche Position in der Partei?! Nee ehrlich. Das ist nur Wahlkampf. Sie wissen, dass die Bewohner der Einwandererviertel eher links wählen. Deswegen versprechen sie, mehr für uns zu tun. Aber wenn dann der Kandidat gewählt ist - dann war es das, dann fällt der Vorhang wieder. ...le rideau." SKRIPT: Der öffentliche Teil der Wahlveranstaltung ist vorbei, Hollande und seine Wahlkämpfer ziehen sich zurück. - Zu einem Cocktailempfang der Partei mit ausgesuchten Künstlern und Presseleuten. Die beiden Frauen ziehen ihre Mäntel über. Sie werden den sozialistischen Kandidaten trotzdem wählen. - Die einzige Möglichkeit, eine Wiederwahl Nicolas Sarkozys zu verhindern, sagen sie.. Atmo 39: ... Un vote utile, on n'a pas le choix..., Raumatmo langsam ausblenden Sie gehen Arm in Arm durch die schweren Flügeltüren hinaus auf die dunkle Strasse. 1