COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandrundfahrt - 30.01.2010 Heute schon die Welt entdeckt? Die Experimentierlandschaft phæno in Wolfsburg Von: Roland Krüger Redaktion: Margarete Wohlan Musik Jingle Kennmusik Take 01 Man kann hier ja anfassen, man kann hier alles machen, man kann experimentieren, und das macht auch Spaß, also nicht nur so in Theorie, sondern auch mal in die Praxis reinzusehen. Also, das macht Spaß. Take 02 "Die Welt der Phänomene zum Staunen und Ausprobieren", das ist so eine Formel. Oder: "Wo man Wundern auf die Schliche kommt". Take 03 Bei Wolfsburgern selber polarisiert das Gebäude sehr stark. Es gibt viele, die sagen, in diesen Betonkäfig gehe ich nie rein, und welche, die sagen, das ist einfach von außen schon so super, das macht neugierig. Das spaltet so´n bisschen die Stadt in zwei Lager, wobei wir immer mehr auch Einheimische gewinnen, die jetzt zu uns kommen. Take 04 Das Spiel nennt sich "Mind-Ball" und man gewinnt hier, wenn man sehr sehr entspannt ist. Das ist ein Tisch, den man hier sieht, bei dem zwei Mitspieler mitspielen können, und man treibt jetzt diese Kugel im Prinzip durch seine Gehiernströme an. Sprecher vom Dienst: Heute schon die Welt entdeckt? - Die Experimentierlandschaft phæno in Wolfsburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Atmo Eisenbahn-Atmo Bahnhof Wolfsburg. Atmo Zugeinfahrt, dann: Take 05 Meine Damen und Herren an Gleis 4: Willkommen in Wolfsburg Hauptbahnhof. Dieser Zug endet hier. Atmo Schritte Autor Wenn ein Zug in Wolfsburg endet, dann hat der Fahrgast eine Reihe von Möglichkeiten: Der technisch Interessierte kann über eine Fußgängerbrücke den Mittellandkanal überqueren und die Autostadt besuchen. Wer gern einkauft, kann ein modernes Outlet-Center nicht weit vom Bahnhof betreten und dort eine Menge Geld ausgeben. Aber was machen die anderen? An Traditionellem bietet Wolfsburg wenig, die Stadt ist ja nicht alt. Gegründet am 1. Juli 1938 als "Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben" heißt Wolfsburg erst seit 1945 Wolfsburg. Wenn man aus dem Bahnhof kommt, sticht eine der neuesten Wolfsburger Attraktionen sofort ins Auge: gleich links scheint so etwas wie ein Raumschiff gelandet zu sein. Es steht auf Kegeln, sogenannten "cones" aus Beton. Direkt vom Bahnhofsvorplatz aus könnte es auch ein gewaltiger heller Schiffsbug sein, möglicherweise dazu bestimmt, als futuristischer Ausgangspunkt der Stadt ein neues Gesicht zu geben. Die Scheiben muten wie Sehschlitze an, sind räumlich gebogen und optisch nach rechts geneigt. Doch, ob Raumschiff oder Schiffsbug, das Gebäude hebt ganz sicher nicht wieder ab. Es ist das Wissenschaftmuseum phæno, auch "Experimentierlandschaft" genannt oder "Science Center". "Wissenschaftsmuseum" ist dabei wohl der Begriff, mit dem sich das phæno am schlechtesten identifizieren lässt, denn mit "Museum" verbindet man ja stets die Dauer-Ermahnung "Bloß nichts anfassen!" Im phæno soll man, muss man, will man förmlich alles anfassen. Ausprobieren, Staunen und Mitmachen sind die drei Grundbegriffe, mit denen die Macher ihre Gäste ins phæno bitten. Also: nichts wie hinein! Den Eingang bilden zwei linksgeneigte durchsichtige Automatiktüren, die sich fast lautlos öffnen und wieder schließen. Und dann ist man drin im phæno, mitten in einer erstaunlichen Welt. Atmo Geräusch Feuertornado Autor Wenn man genau zur vollen Stunde das phæno betritt, dann kann es sein, dass vor einem gerade ein beeindruckendes Feuer entfacht wird ? das sich zu einem imposanten Tornado auswächst. Take 06 Herzlich willkommen, liebe Gäste, herzlich willkommen zu einem der spektakulärsten Experimente hier bei uns im phæno, zum Feuertornado. Warum spektakulär? Dieser Feuertornado ist der größte künstlich erzeugte Feuertornado in ganz Europa. Und zwar mit einer stattlichen Größe von sechs Metern! Wir haben jetzt hier eine Kupferschale und dort ist jetzt eine Flüssigkeit hineingeflossen, und zwar das sogenannte Flugzeugbenzin Kerosin. Dieses Kerosin brennt nicht bei Zimmertemperatur, sondern erst bei 70 Grad plus.Das wird jetzt praktisch erwärmt in dieser Kupferschale und wenn es die richtige Temperatur hat, kann es losgehen. Dann kommt ein Funken, dann entsteht das Feuer. Atmo Geräusch Feuertornado wieder hoch Take 06 weiter Mit dem Feuer haben wir natürlich noch keinen Feuertornado. Sie sehen die vier silbernen Säulen, die hier stehen, und wenn man ganz genau hinschaut, sieht man dort diese kleinen schwarzen Punkte, diese Punkte sind die Düsen, dort wird gleich die Luft hineingepumpt, und zwar immer zur jeweils gegenüber liegenden Säule. So haben wir praktisch dann schon mal diese Rotation und wenn Sie zum Dach des phænos gucken, sehen Sie dieses große schwarze Loch. Ich sag immer gern, das ist unsere große Dunstabzugshaube. Dort wird praktisch das Feuer und die Luft hochgezogen und wir haben unseren Feuertornado. Ja. Ich sehe schon, es fängt an zu qualmen, das ist ein gutes Zeichen, es wird gleich losgehen, und ich wünsche Ihnen dabei ganz ganz viel Spaß. Atmo Feuertornado weiter Autor Der künstlich erzeugte Feuertornado im Wolfsburger phæno verschwindet nach gut eineinhalb Minuten gewissermaßen durch die Abzugshaube, ein Gläschen Kerosin ist dabei verbrannt, mehr nicht. Das Experiment gehört zum Bereich "Wind und Wetter", einem sogenannten Themencluster, der insgesamt 18 Experimente umfasst. Dazu gehören eine Luftkanone, ein Nebelmacher und ein sinkendes Schiff, das in einer Wassersäule plötzlich an Auftrieb verliert, weil aufsteigende Luftblasen die Dichte des Wassers verringern. Schöne Grüße aus dem Bermuda-Dreieck. Musik 01 Chariots of Fire ? Vangelis Autor Im Wolfsburger phæno geht es nicht darum, bestimmte Fachbereiche abzuklappern und Experimente in einer vorgeschriebenen Reihenfolge durchzuführen. Um die 300 Versuche kann man machen, und die Besucher sollen sich am besten durch die Experimentierlandschaft treiben lassen. Auf einem fliegenden Teppich sitzen gerade zwei Kinder: Take 07 Da wird man erstmal so hochgedrückt und das ist dann komisch, irgendwie. Also, man muss erstmal den Schlauch da draufdrücken, bis das Teil hier auf der Sechs ist, und dann muss man den roten Knopf drücken. Autor So einen Teppich hätten die beiden auch gerne zu Hause. Dass der Teppich gehörig Krach macht, stört die beiden nicht. Atmo Fliegender-Teppich-Geräusch = Staubsauger Autor Nachdem die zwei den "Fliegenden Teppich" mit Druckluft befüllt haben, können sie tatsächlich abheben. Sie schweben auf einem dünnen Luftpolster, nur wenige Millimeter über dem Boden. Ein Experiment, das im Wortsinn reibungslos funktioniert. Sprecher Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis. Vielleicht ist keins da. Autor Franz Kafkas Ausspruch ist sinngebend für das phæno. Nur wer lustvoll lernt, lernt richtig. Das phæno will alle Sinne des Menschen ansprechen, denn es ist der ganze Mensch, der lernt und erkennt, nicht nur das Gehirn. Was einem modernen didaktischen Ratgeber entsprungen sein könnte, geht auf den Physikdidaktiker Martin Wagenschein zurück, der 1975 eine berühmte Schrift verfasste. Unter dem Titel "Rettet die Phänomene" schwärmte er vom "Scheinwissen", forderte er den "Mut zur Lücke" und beklagte die Tatsache, dass auch damals schon Begriffe gepaukt wurden, anstelle den Kindern Erscheinungen zu zeigen. Der Effekt: Meist haben schon Kinder von "Strom", "Energie" oder "Atomen" gehört und meinen, sie wüssten, was das sei. Dabei fehlt die Erfahrungsbasis, die solche Begriffe erst sinnvoll macht. Einrichtungen wie das phæno sehnte Martin Wagenschein bis zu seinem Tod 1988 dringend herbei. Wolfgang Guthardt gilt als der "Vater des Wolfsburger phæno". Er war Kulturdezernent der Stadt und blätterte eines freitags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Take 08 Ehrlich gesagt beruht das Ganze auf einem Artikel, der dort erschien, über die Renovierung eines Science-Centers in Los Angeles, und bei der Gelegenheit wurde geschildert, wie die ganze Vorgeschichte war, wie das in Amerika gelaufen ist, von Frank Oppenheimer, im Exploratorium in San Francisco an, und das hat mich dermaßen angesprochen, dass ich eigentlich in der Sekunde, wo ich das las, wusste, das passt nach Wolfsburg, das ist das richtige für unsere Stadt und für die Region. Autor Wolfgang Guthardt überzeugte den Rat der Stadt und los ging´s. Er besuchte vergleichbare Einrichtungen, brachte Anregungen mit nach Hause, trieb Geld auf und kam schnell an den Punkt, an dem es glücklicherweise kein Zurück mehr gab. Take 09 Die ganze erste Phase, den Vorschlag zu machen, eine Studie darüber zu schreiben und dem Rat zu unterbreiten, einen ersten Grundsatzbeschluss vom Rat der Stadt Wolfsburg zu bekommen, einen Architektenwettbewerb zu organisieren, bei dem am Ende dann die berühmte Architektin Zaha Hadid herauskam, das war alles wunderbar. Da war man in Hochstimmung, und diese Hochstimmung gab einem natürlich auch die nötige Kraft, das alles durchzutragen. Autor Durchzutragen gab es eine ganze Menge. Allen voran die Baukosten: 79 Millionen Euro, die zum größten Teil die Stadt Wolfsburg übernahm. Übergeben wurde das phæno an die gleichnamige Stiftung, der mehrere Unternehmen angehören wie zum Beispiel Sennheiser, die Salzgitter AG und ? wie könnte es anders sein ? Volkswagen. Zielsetzung der Stiftung: den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Schule und Öffentlichkeit zu fördern. Take 10 Man hatte es zu tun mit einer fast überfordernden Bauaufgabe, hier so ein kompliziertes Kunstwerk hinzustellen, und da standen wir oft auch schon am Rande des Möglichen. Es heißt so schön in einem Pressetext von Zaha Hadid, sie testete ständig die Ausdehnbarkeit der Grenzen, und das war sehr sehr schwierig. Das hatte dann auch mit Geld zu tun, und wenn uns etwas in der Bevölkerung hier geschadet hat hier im Vorweg, ist, dass es natürlich auch schon während der Bauphase eine Kostenexplosion gab, die Leute waren skeptisch. Sie wussten nicht so richtig, muss man denn sowas haben, und dann auch noch so viel Geld. Und muss das denn so teuer sein? Autor Der Entwurf des Gebäudes ist gewagt. Die mit dem renommierten Pritzker-Preis, sozusagen dem Oscar der Architektur, gewürdigte Londoner Architektin Zaha Hadid wollte eine Formgebung "aus einem Stück". Mit normalem Beton ist so etwas nicht zu machen, ein neuer Baustoff musste her: der selbstverdichtende Beton. Das phæno wurde quasi nebenbei zum größten in dieser Bauweise ausgeführten Objekt in ganz Europa. Am 24. November 2005 wurde das phæno mit einem großen Feuerwerk eröffnet, die Architektin war selbstverständlich dabei und brachte ihren ganzen Stolz zum Ausdruck. Take 11 10-15 Sekunden aus Video: http://vernissage.tv/blog/2005/11/29/zaha- hadid-speaks-at-phæno-opening/ Autor Gut vier Jahre nach Fertigstellung ist der Raum unter dem phæno schon wieder verhüllt, so gut wie gehofft war der selbstverdichtende Beton dann wohl doch nicht. Oder der Asphalt, man musste jedenfalls vor Gericht, denn in der Tiefgarage tropfte es von der Decke. Bei der Gelegenheit soll auch gleich der Platz vor dem phæno schöner gestaltet werden. Wolfgang Guthardt mag nicht ständig über Geld reden, die Aufgaben einer Gesellschaft liegen an anderer Stelle sagt er, und dann zitiert er den Präsidenten der Stiftung phæno, Ulf Merbold, der als Astronaut ohnehin eher zum großen Blick aufs Ganze neigt: Take 12 Eine Generation, die ihren Nachkommen, auch auf dem Gebiet von Kunst und Kultur, und Bildung nichts hinterlässt, sondern alles selbst auffrisst, ist nicht wert, eine Kulturnation genannt zu werden. Ich will´s mal auf Wolfsburg beziehen, dass eine solche Stadt wie Wolfsburg, die ja auch durchaus immer mal wieder ihre reichen Phasen hatte, schon die Verpflichtung hat, der Nachwelt etwas geschaffen zu haben und für sie etwas zustande gebracht zu haben. Musik Electricity ? Orchestral Manoeuvres In The Dark (OMD) Atmo Fußballspiel Autor Ein Spiel dauert neunzig Minuten und das Runde muss ins Eckige. Fußball ist die beliebteste Mannschaftssportart weltweit, und das gilt zur Zeit in Wolfsburg erst recht. Der VfL Wolfsburg ist amtierender Deutscher Meister in der Ersten Bundesliga. So etwas beflügelt alle Mannschaften eines Vereins, auch wenn die Erstligisten zurzeit im Mittelfeld vor sich hin dümpeln. Atmo Laute Spielszene Autor Aus den U17- und den U19-Spielern hat Trainer Stephan Schmidt zwei gemischte Teams zusammengestellt, rot spielt gegen blau. Das Trainingsspiel dauert viermal 10 Minuten, drei Tage später sollen die Unter-19-jährigen in Berlin zeigen, was der VfL drauf hat. Für den Trainer sehen am Abend die Spieler mit den roten Westen besser aus: Take 13 Also, die Roten haben klar das Spiel gewonnen und entschieden. Aber wichtig ist, dass wir sie im täglichen Training beobachten, wichtig auch, dass wir zusammenarbeiten, U17 und U19, unser Primärziel ist es, die Profis von morgen zu formen, und das ist auch ein Teil, den wir dazu beitragen, in dem heutigen Training. Autor Und was macht einen guten Fußball-Spieler aus? Ist es jemand, der nicht in die Abseitsfalle tappt, schneller läuft als alle anderen, offensiv spielt statt der Viererkette anzuhaften? Trainer Stephan Schmidt bemüht sich, die ganze Person im Blick zu haben. Wille steht bei ihm noch über der Muskelkraft: Take 14 Ich denke, primär sind es die volitiven Eigenschaften. Das ist die Grundvoraussetzung. Wie Willen, Einstellung, auch Disziplin mitzubringen, täglich an sich hart zu arbeiten, das ist die Grundvoraussetzung, um auch die nächsten Schritte zu machen. Darüber hinaus ist es klar, dass auch im technischen Bereich der Spieler ein gewisses Portfolio haben muss, um unter Zeitdruck, unter Gegnerdruck und unter Raumdruck auch bestehen zu können. Autor Das Wolfsburger phæno ist keine drei Kilometer vom Stadion entfernt. Auch hier kann man Tore schießen, allerdings nicht, indem man unter Zeit- und Raumdruck wiederum den Gegner unter Druck setzt. Ganz im Gegenteil, wie phæno-Mitarbeiter Dominik Essing erklärt: Take 15 Das Spiel nennt sich "Mind-Ball" und man gewinnt hier, wenn man sehr sehr entspannt ist. Das ist ein Tisch, den man hier sieht, bei dem zwei Mitspieler mitspielen können, und man treibt jetzt diese Kugel im Prinzip durch seine Gehirnströme an. Die Gehirnströme werden gemessen, und je entspannter ich bin, desto mehr wird die Kugel von mir weg getrieben. Das heißt, wenn ich unentspannt bin, dann hab ich auch noch, dass der Ball auf mich zuläuft, dass ich also merke, ich verliere grade das Spiel, das macht mich noch unentspannter, dadurch verstärkt sich natürlich dieser Effekt noch. Autor Zwei Jugendliche nehmen Platz und entspannen sich um die Wette. Beide setzen ein Stirnband mit je drei Sensoren auf, die mit einem sogenannten Bio-Sensor-System verbunden sind. Ein Bildschirm zeigt den Grad der Entspannung an, sehr zur Belustigung der Umstehenden. Atmo Durcheinanderrufen Take 16 Man teilt die Gehirnströme in bestimmte Bereiche ein, und zum Beispiel Alpha- und Theta-Wellen sind Gehirnstöme, die man sehr gut messen kann, wenn man in einem entspannten und trotzdem konzentrierten Zustand ist, also wenn man sich gerade einen Hochspringer vorstellt, der kurz vor seinem Sprung ist, der darf nicht verkrampft sein und muss aber trotzdem sehr fokussiert sein, und wenn man da messen würde, Alpha- und Theta-Wellen, die würde man sehr stark messen. Autor Die Kugel bleibt eine ganze Weile an ihrem Ausgangspunkt liegen. Beide Kontrahenten haben die Augen geschlossen, aber dann wird einer ungeduldig, riskiert einen Blick und vorbei ist es mit seiner Entspannung. Sein Gegenspieler bleibt ruhig, gedankenlos wäre wohl der falsche Ausdruck, wie auch immer: er schiebt die Kugel ins Tor. Glückwunsch! Nun ist er aus dem Häuschen, und er beschwert sich über das Band, das leichte Druckstellen an seiner Stirn erzeugt haben soll. Take 17 Eins zu Null, ja. Ja, ich gewinne. Man hat so geschwitzt und dann hat der Kopf hier hinten so weh getan, Entspannung, aber Kopf tut schon n bisschen weh, ja, ich krieg Kopfschmerzen. Atmo Fußballspiel (Swoosh-Geräusch) Autor Zurück zu den Nachwuchsfußballern des VfL Wolfsburg und zu deren Trainer Stephan Schmidt. Entspannung, findet auch er, ist sehr wichtig, doch er denkt dabei nicht an Alpha- oder Theta-Wellen, Entspannung heißt für ihn Regeneration: Take 18 Gerade im Bereich der Trainingslehre ist es wichtig, dass die Jungs regenerieren. Wir haben auch die Möglichkeiten in unserem Nachwuchsleistungszentrum dafür geschaffen, mit einer Sauna, mit einem Ermüdungsbecken, und das ist auch wichtig, damit sie auch mal auf dieser Entspannungsebene dann nicht nur über Fußball nachdenken, sondern auch mal abschalten. Autor Sportliche Regeneration und Entspannung im phæno-Sinn scheinen zwei sehr unterschiedliche Methoden zu sein. Während bei dem Experiment im phæno ein Bewusstseinszustand gefragt ist, den auch Mönche während der Meditation erreichen, streben die Fußballer nach einer Entlastung ihrer Muskulatur. Das schwierigste Spiel ist ja bekanntlich immer das nächste. Der Wolfsburger U19-Torwart Marius Sauss trainiert fast täglich, und die Worte seines Trainers gibt er fast buchstabengetreu wieder. Auch, was die Notwendigkeit der Entspannung angeht: Take 19 Regeneration, Entspannung muss auch da sein. Man kann nicht jeden Tag hundertprozentig immer voll trainieren. Irgendwann geht's einfach nicht mehr, dann kann der Körper nicht mehr, aber ich denke, wer im größeren Verein spielt, wie wir, da wird das von den Trainern schon gemanagt, dass man genug Regenerationszeit bekommt. Autor Das Spiel gegen Tennis Borussia Berlin am Sonntag nach dem Training ging übrigens unentschieden aus, zwei zu zwei. Aber spannend soll es gewesen sein. Beide Mannschaften waren offenbar gleichermaßen entspannt. Musik Gerry and the Pacemakers: You´ll never walk alone Take 20 Wolfsburg sieht sich nicht nur als Sportstadt, oder als Automobilstadt, sondern als moderne und sehr dynamische Stadt. Und da passt natürlich so ein auffälliger, auch sehr eigenwilliger Bau wie das phæno, mitten im Stadtkern, am Rande des Kanals, wo VW ist, am Nordkopf, als wichtiges Element einer modernen Stadt, die damit ja auch zeigt, wir sind wer. Wir haben was Besonderes zu bieten. Autor Michael Kothe leitet die Redaktion der Wolfsburger Nachrichten, sein Schreibtisch steht nur einen Steinwurf von der Wolfsburger Experimentierlandschaft phæno entfernt. Die Bewohner der Stadt ? das hört er auf seinen Reportagen immer wieder ? sehen das phæno als Aushängeschild, und die Mehrzahl hat längst ihren Frieden mit dem eigenwilligen Gebäude geschlossen. Take 21 Wolfsburg setzt darauf, dass das phæno, im Kollektiv, sag ich mal, mit anderen Attraktionen, die die hier haben, sei es die Autostadt, die ja gleich nebenan ist, mit ´ner Brücke verbunden, sei es das Designer-Outlet, das Einkaufszentrum, oder, wenn Sie die Möglichkeit haben, Leute die durch das phæno hierherkommen, auch andere Sachen entdecken: den Allersee, zum Fußballspiel mit dem Meister gehen, in die VW-Arena, oder eben auch mal die neue Markthalle in der Nähe angucken. Das ist ein wichtiges Mittel, um Leute auf diese Stadt, die ja oft als hässliches Entlein immer noch verschrien wird, obwohl sich sehr sehr viel getan hat in den letzten Jahren, anzureizen, dazu zu bringen, sich das anzugucken, und auch darüber zu reden gegenüber anderen Leuten, die sagen: "Och, Wolfsburg muss ich eigentlich nicht hin." Und warum sollte das den Wolfsburgern nicht gefallen? Autor Wolfsburg ist mit seinen 72 Jahren eine sehr junge Stadt, die sich auch gerne so präsentiert, sagt Michael Kothe. Seiner Ansicht nach völlig vergessen wurden Lebensbereiche für Senioren: Freizeiteinrichtungen, Wohnmöglichkeiten, auch der öffentliche Personenverkehr. Die Stadt müsse sich auch etwas einfallen lassen, um Touristen zur Übernachtung in der Stadt zu bewegen. Etwas mehr Marketing könnte da wohl nicht schaden. Doch das ist gar nicht so leicht, denn: Ein Wolfsburger gerät nicht so schnell aus dem Häuschen: Take 22 Die Mentalität hier ist nicht so, dass die ´n ganzen Tag mit stolzgeschwellter Brust durch die Gegend gehen und ständig Jubelschreie ausstoßen. Da ist zweierlei Stolz: Natürlich, dass man es im Fußball geschafft hat, dass man es nebenbei auch den immer neidischen Nachbarn Braunschweig gezeigt hat, die mit ihrem Drittligisten sowas mal vor zwanzig Jahren geschafft haben, aber auf der anderen Seite natürlich auch Stolz darauf, erstens: wir haben es Porsche gezeigt, und zweitens, wir sind noch nicht in der Krise, zumindest nicht fühlbar. Das Lebensgefühl im Moment ist in stabiler Erwartung. Autor Auch auf ihr phæno sind die Wolfsburger stolz. Die Besucherzahlen sind seit der Eröffnung 2005 sehr gut, in den vergangenen zwei Jahren kamen jeweils deutlich über 200.000 Interessierte. Aber: wäre das phæno ein Auto, dann wäre es gerade in der Werkstatt. Beton und Asphalt sind rissig geworden, der untere Gebäudeteil ist mit einer Plane verhüllt, und es wird schon wieder eine ganze Menge gebaut. Der Redaktionsleiter der Wolfsburger Nachrichten sieht das aber nicht nur mit einem weinenden Auge: Take 23 Schön, dass der Asphalt so schlecht war, oder so rissig war, dass es in die Tiefgarage getropft ist und die Stadt nun hofft, diesen Schaden von knapp 3,2 Millionen Euro, das ist hier alles im siebenstelligen Bereich, durch Schadensersatzforderungen wieder reinzuholen. Es ist dann immerhin daran gedacht und erlaubt, zwei, drei Sitzbänke da auch ma vorzustellen, dann sieht´s nicht ganz so öde aus, gebremster Optimismus, der Eindruck: riesige, ungestaltete Fläche wird natürlich bleiben. Aber das war der Wunsch der Architektin, die Angst hatte, dass eine optische, stärker, tiefer gehende Gestaltung des Vorplatzes den Eindruck ihres Bauwerks schmälern könnte. Autor Die Angst der Architektin Zaha Hadid, eine Umgestaltung des Platzes vor ihrem phæno könnte den Eindruck des Bauwerks schmälern, gehört sicher zu ihrem Beruf, im Fall phæno ist sie allerdings unbegründet. Der Bau domininiert weit und breit. Längst haben Filmleute das Bauwerk als eindrucksvolle Kulisse entdeckt. Martina Flamme-Jasper ist seit drei Jahren für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im phæno zuständig. Mit spannenden Dreharbeiten hat sie immer wieder zu tun: Take 24 Das spektakulärste Filmteam, was wir bislang hier hatten, das war wirklich eine Spielfilmproduktion, der Film heißt "The International". Das war ein Spielfilm, da war der Tom Tykwer als Regisseur dabei, wirklich gute Schauspieler: Clive Owen, Naomi Watts und Armin Müller-Stahl. Das war so´n Finanzkrimi, der in ganz Europa spielte, und das phæno wurde witzigerweise nach Italien versetzt in eine Kulisse an einem See, und dahinter ragte eine steile Felswand auf. Also eine ganz irre Montage, und viele Innenraumaufnahmen haben hier auch stattgefunden, also wir waren das Büro von etwas zwielichtigen Menschen. Atmo O-Ton aus Film: "The International" http://www.sonypictures.de/landing/the-international/trailer.html# Autor Als Experimentierlandschaft musste das phæno zu dieser Zeit geschlossen werden. Besondere Angelegenheiten erfordern eben besondere Maßnahmen. Martina Flamme-Jasper war allerdings insgeheim froh, als Sony Pictures alles im Kasten hatte. Take 26 Dieses Filmteam hat uns eine Woche lang mit zehn Trucks rundherum hier belagert, hat quasi die ganze Stadt in Aufruhr gebracht. Wir mussten alle Fenster abhängen, weil von außen durften keine Paparazzi irgendwie reinfilmen oder fotografieren. Also, das war bei uns Ausnahmezustand. Das war wirklich so das größte Projekt, was wir bislang hatten, da haben wir richtig die Hälfte des Hauses dafür leerräumen müssen, das war der Auftaktfilm zur Berlinale. Autor Das Wolfsburger phæno als Filmkulisse. Mit Wolfsburg oder als Experimentierlandschaft hat das Gebäude in solchen Fällen nicht mehr viel zu tun. Fast wird es dann selbst zu einem physikalischen Experiment, einem, bei dem Raum und Zeit keine Rolle mehr spielen, weil das phæno in die unendlichen Weiten des Weltraums vorgestoßen ist. Nachprüfbar auf der Leinwand. Take 27 Wir hatten auch gerade ein studentisches Filmteam beispielsweise, da ging´s um eine Master-Arbeit, die haben einen Science fiction gedreht und haben unter dem Gebäude, in einem überdachten Außenraum ganz wilde Simulationen gemacht und haben uns tatsächlich in den Weltraum katapultiert. Was häufig auch kommt, sind Anfragen für Werbefilme, Automobile oder Büromöbel. Also allein diese ungewöhnlichen Fensterformen, diese schrägen Wände, viele Modeaufnahmen, eine große Modemarke hat bei uns die ganze Kollektion fotografiert. Also nicht nur Filmanfragen haben wir, sondern sehr viel Fotoanfragen. Musik Jean-Michel Jarre: Magnetic Fields, Part 2 Atmo Geräusche im langen Rohr Autor Die Echoröhre ist ein Blickfang der Ausstellung im Wolfsburger phæno, der Experimentierlandschaft, die das Thema der heutigen Deutschlandrundfahrt ist. Fast jeder Besucher des "science centers" stellt sich vor die Öffnung einer 30 Meter langen Röhre und klatscht. Atmo Flatterndes Echo Autor phæno kommt von Phänomen, und die Experimente sind nach sogenannten Themenclustern sortiert, die sich über siebentausend Quadratmeter Fläche zur Wissenschaftsvermittlung verteilen. Nicht brav, eins hinter dem anderen oder in Reihe und Glied nebeneinander, die Natur hat schließlich auch nicht die Akustik in den Wald verfrachtet, während sie optische Phänomene exklusiv in den Himmel verlegt hätte. Die Idee: Alles kann fast überall vorkommen. Von der Äolischen Landschaft bis zur Wimmelbewegung gibt es unglaublich viel zu entdecken: Zwei Sprecher, am besten Mann und Frau, im Wechsel, ca. 30 Sekunden: Äolische Landschaft Trickfilmstudio Antischwerkraft Schwebender Ball Luftdruckwunder Fahrradkreisel In einem Dreh Vogel im Käfig Knochen Verstärkte Brücke Seltsame Wand Schatten Kartesische Taucher Engelssäulen Kettenbogen Chaotisches Pendel Ausgewischtes Gesicht Farbige Schatten Secret Life String Theory Kleiner Gelber Stuhl Retinal Sculpture Cabinet Strom Toposonic Tunnel Wärmeströmungen Eckspiegel Blutkörperchen im Auge Lichtbrechung Gerade und Zykloide Elektromotor Generator und Motor Verzögerte Rückmeldung Lichtbeugung Disco Schön Hässlich Do Undo Echo in der Röhre Wirbelstrombremse Elektrische Flöhe Leistung und Energie Erosionstisch Du oder Ich Autor Dominik Essing ist kein einfacher phæno-Man. Er arbeitet im wissenschaftlichen Team für Programme und Ausstellungen, holt neue Ausstellungen ins phæno, entwickelt selbst Exponate und stellt die Programme für Besuchergruppen zusammen: Schulklassen, Seniorengruppen, Wissenschaftler, Familien, Geschäftsleute. Dominik Essing ist selbst Physiker, und damit er morgens schnell ins phæno kommt, ist er extra dicht an den Hauptbahnhof gezogen. Nicht in Wolfsburg, sondern in Berlin! Aus der Hauptstadt fährt er mit dem Zug fast täglich in die Autostadt zur Arbeit ? eine gute Stunde dauert das. Bis zum 6. April gilt sein besonderes Augenmerk der Sonderausstellung im phæno mit dem Titel: "Bausteine des Lebens, genetischen Phänomenen auf der Spur". Take 29 Das ist eine neue biotechnologische Ausstellung, wo wir versuchen, Themen, die sonst vielleicht auch in ´nem Science Center und in Museen nicht so häufig behandelt werden, auch darzustellen. Weil Biologie natürlich auch n sehr wichtiger Teil unseres Lebens ist, es geht uns alle an, und die Konzepte dafür zu vermitteln, ist schon ein Ansatz, den wir jetzt verfolgen wollen. Autor An 17 Experimentierstationen können die Besucher zum Beispiel ihrer genetischen Einzigartigkeit auf die Spur kommen, herausfinden, welche Augenfarbe die eigenen Kinder oder Enkel haben werden oder entdecken, welche merkwürdigen optischen Auswirkungen genetische Defekte bei Pflanzen haben. Take 30 Da haben wir jetzt hier eine Experimentierstation, die heißt "Entdecke deine Gene", und da kann man dann schauen, wie ist denn meine Augenfarbe, wie ist zum Beispiel die Form meiner Ohren? Sind meine Ohrläppchen angewachsen oder sind die frei stehend? Wie ist die Haarfarbe, wenn sie natürlich ist? Wie sind zum Beispiel meine Füße? Das wissen viele gar nicht, dass zum Beispiel der zweite Zeh, der kann manchmal länger sein als der erste große, dicke Zeh und das ist auch ´ne Sache, die sich vererben kann, und diesen Phänomenen oder Merkmalen wollen wir jetzt hier auf die Spur kommen, und die Besucher machen eine Reihe und schreiben diese verschiedenen Eigenschaften. Autor Eine Schülergruppe vom Wolfsburger Fachgymnasium Wirtschaft hat großes Interesse an genau diesen biotechnologischen Fragen. Ihre Lehrerin hat sie mit einem Fragebogen ausgestattet, und nun ermittelt jeder seine Einzigartigkeit. Take 31 Bei den Leuten, die vor mir hier dran waren, da war mal eine Person wie man selbst und so, aber ich denke mal, es kommt jetzt von der Mehrheit darauf an, wie die Gene und so weiter sind. Autor Fast noch mehr als die genetische Übereinstimmung interessiert die Schüler, was die Lehrerin mit den Arbeitszetteln vorhat. Take 32 Der soll abgegeben werden, aber ich glaube nicht, dass es benotet wird, glaub ich nicht. Autor Nicht weit davon entfernt hängen Flachbildschirme. Vor allem Schülerinnen stehen davor. Sie tragen Kopfhörer, sehen sich kurze Interviews an und schreiben dann eine Notiz auf einen gelben Haftzettel, den sie neben die Monitore kleben. Take 33 Da gibt es verschiedene Interviews mit Menschen, zu verschiedenen Themen. Also, wir haben das Interview Eins, da geht es darum, ob eine Mutter halt ihr Kind gebären will oder auch nicht, und es können verschiedene Tests gemacht werden, um schon vorher zu sehen, ob das Kind gesund zur Welt kommt oder auch nicht. Und sie ist sich halt unsicher, ob sie diese Tests durchführen möchte. Ich kenne das jetzt nur von dem, ob man diese Tests eben durchführen soll, obwohl ein Risiko besteht, dass das Kind durch diese Tests eben krank werden kann. Autor Richtig oder falsch wird hier nicht abgefragt, es sind Gewissensentscheidungen, die man vielleicht besser oder zumindest sachlicher beantworten kann, wenn man ? noch ? nicht selbst betroffen ist. Take 34 Ich wäre gegen diesen Test, weil, man kann es nicht beurteilen, ob das Kind jetzt gesund zur Welt kommt oder eben nicht. Aber es kann auch sein, dass es gesund zur Welt kommt und dann würde ich das Risiko nicht eingehen. Take 35 Ja, ich seh das genau so. Also, ich find, man sollte eh´ überhaupt kein Kind abtreiben, ob das jetzt behindert ist oder nicht, also, das Kind hat Chance auf´n Leben, und so seh´ ich das halt auch, also. Autor Und die Lehrerin? Sonja Rohloff war vorher schon im phæno, um sich die Fragen zu überlegen, die jetzt auf den Arbeitsbögen der Schüler stehen. Ihr liegt vor allem daran, dass der Blick für Gentechnik geschärft wird. Wo ist Gentechnik sinnvoll und wo ist sie überflüssig? Take 36 Also, es geht dann in Richtung Bio-Ethik, dass man sich mal Gedanken darüber macht, wofür Gentechnik überhaupt eingesetzt wird, da gibt es einmal natürlich die Möglichkeit, Erbkrankheiten herauszufinden vorher, andererseits aber auch Genreis, der möglicherweise angebaut wird, wo man aber noch nicht weiß, welche Auswirkungen das auf die Natur hat, oder bei Schwangerschaften, möglicherweise, was dazu führt, dass man an eine Abtreibung denkt. Das sind also wichtige ethische Fragestellungen, die mit dem Biologieunterricht zu tun haben. Das finde ich für die Schüler auch wichtig, dass wir uns da auch mal Gedanken drüber machen. Autor Für Lehrerinnen und Lehrer in Wolfsburg ist es natürlich klasse, dass das phæno vor der Haustür liegt. Sonst müsste Sonja Rohloff das meiste rein theoretisch angehen: Take 37 Es gibt ja einige Stationen, die man auch im Unterricht nachstellen kann. Wie zum Beispiel die Vererbung von Haarfarbe, Augenfarbe, und so weiter, das kann man auch im Unterricht nachstellen. Aber es ist natürlich schöner, weil hier mehr Anschauungsmaterial ist, das die Schüler dann auch haben, und das haben sie in der Schule definitiv nicht, so viel Anschauungsmaterial. Autor Welche Schule könnte es sich schon leisten, eine ganze Termiten-Kolonie in einem Termitarium zu halten, diese mehrmals täglich zu erschrecken, damit sie ihren Darm entleeren und Bakterien ausscheiden, die Cellulose in Zucker verwandeln? Nach dem Vorbild dieser Insekten könnte man sogar Biodiesel herstellen. Die studierte Biologin findet aber nicht alles in der Ausstellung gut. Über Details kann man ja immer streiten, aber die Sonderausstellung hätte sie anders konzipiert: Take 38 Ich hab ehrlich gesagt zum Anfang bisschen mehr erwartet. Dass man ´n bisschen mehr machen kann. Es gibt ja auch diesen Workshop, der ganz interessant ist, aber für uns wieder nicht durchführbar ist, weil da maximal 16 Schüler dran teilnehmen dürfen, der dauert drei Zeitstunden, das würde für uns bedeuten, vier Unterrichtsstunden an zwei verschiedenen Tagen, unser Fach ist nur zweistündig, das heißt, ich müsste anderen Lehrern ganz viel Unterricht klauen, und das ist in der Oberstufe nicht möglich, weil da die Zeit unheimlich knapp ist, und mit den Klausuren ist es ganz schwierig. Musik The Cars: Drive Take 39 Jetzt ist halt die hintere Achse einfach nur aufgewickelt, und es wird einfach nur losgelassen, Andy, guckst du mal in etwa? - Jaja ? (Fahrgeräusch) Autor Ein kleines Modellfahrzeug fährt 40 Meter über einen Flur in der Wolfsburger Hochschule für angewandte Wissenschaften, Ostfalia; keine zwei Kilometer vom phæno entfernt. Das Modellauto sieht aus wie eine kleine Holzwippe, über die Hinterachse sind vier Luftballons gewickelt worden, die nun unter Spannung stehen. Beim Fahren klappt die Wippe nach vorn, und treibt die aus CDs bestehenden Räder an. Der entscheidende Gedanke war, dass nicht etwa der Rückstoß von aufgeblasenen Luftbalons das Auto antreibt, sondern die Dehnung der leeren Ballons ? so wie bei einem gespannten Schießgummi. Gebaut wurde das kleine Auto von einer studentischen Projektgruppe, und das Ganze ist ein Wettbewerb mit sehr strengen Spielregeln. Take 40 Hinter dem Wettbewerb steht ´n ganzes Planspiel, wo man einerseits das Auto bauen muss und andererseits auch noch die ganze Struktur dahinter, um ein Auto in Großserie fertigen zu können. Bei dem Auto selbst gibt's dann speziell die Disziplin, dass wir möglichst weit fahren müssen, wo wir als antrieb nur vier Luftballons haben, wo wir nur Schweißdraht, Angelsehne, CDs nehmen dürfen, und Holz. Dann gibt's noch weitere Disziplinen, wo wir einen Würfel abwerfen müssen nach exakt fünf Metern, der darf halt nicht davor oder dahinter liegen, der muss am Fahrzeug befestigt sein und wird dann abgeworfen. Autor Am Wolfsburger Ostfalia-Institut für Fahrzeugtechnik studieren die Fahrzeug-Ingenieure von morgen. Nach ihrem Abschluss wechseln sie vielleicht geradewegs über den Mittellandkanal und verdienen ihre Brötchen bei VW. Es geht an der Hochschule aber beileibe nicht nur um die Technik. Ein funktionierendes Projekt muss auch kaufmännisch durchdacht sein. Take 41 Die Idee hinter dem Ganzen ist, dass wir einen Auftrag bekommen, dass wir ne Firma sind, die eigentlich in wirtschaftlichen Problemen steckt, die eigentlich ein neues Produkt auf den Markt bringen will. In diesem Fall ist es ein Bausatz, den man machen kann, wo Maßgabe ist, dass wir 500 Stück am Tag produzieren müssen, das heißt, es muss auch eine ganze Kostenkalkulation von den Studenten aufgestellt werden, wo jeder der Studenten in Teams unterteilt wird, seine einzelnen Abteilungen, Marketing, Entwicklung, Fertigung reinkommt und da das Ganze durchgeplant werden muss. Also, nicht nur, dass ein Auto gebaut wird, sondern auch das Leben dahinter, was wir halt später als Ingenieure später kennen lernen sollen, damit wir schon ´n Bezug zur Praxis später kriegen. Autor Die Studenten bauen aber auch größere Autos. Seit einigen Jahren schon schickt die Ostfalia einen Rennwagen auf verschiedene Strecken, und auch in dieser Klasse gibt es strenge Reglements. Gero Mulkau gehört zum Formula Student Team der Hochschule. Take 42 Das Ganze ist ne weltweite Rennserie, und es geht darum, dass in den 80er-Jahren die amerikanische Wirtschaft gemerkt hat, die Studenten, die von den Hochschulen kommen, haben nicht genug Praxiserfahrung. Da wurde die Idee der Formula student ins Leben gerufen, da geht es darum, dass man ´n Ingenieurbüro darstellt, was n Fahrzeug entwickelt, was für nen Wochenend-Rennfahrer geeignet sein soll, und wo man es schaffen muss, tausend Stück im Jahr zu bauen. Es geht nicht nur ums Konstruieren, sondern wir müssen das Fahrzeug auch verteidigen auf diversen Events, die weltweit stattfinden, und wir müssen den Business- Plan präsentieren, wo wir ner fiktiven Firma dann unsere Idee vorstellen und sagen, okay, bitte investieren Sie Ihr Geld in unsere Firma, weil wir Ihnen dann dieses Gesamtpaket bieten könnten und so soll dann Ihre wirtschaftliche Lage aussehen. Autor Jedes Jahr entsteht auf diese Weise in Wolfsburg ein neuer Rennwagen. Von Jahr zu Jahr ist das Fahrzeug leichter, holt aus dem gleichen Motor mehr PS und wird ? natürlich ? immer schneller. Für die Vermarktung ist Studentin Fabienne Fahrenholtz zuständig, die seit 2007 an der Ostfalia eingeschrieben ist. Take 43 Ich hab mich vorher eigentlich nicht so für den Motorsport interessiert, wurde dann aber hier an der FH darauf aufmerksam, von den Info- Veranstaltungen, die das Team angeboten hat und das hat mich dann einfach interessiert, diese Zusammenarbeit von den Studenten, zusammen was auf die Beine stellen, Praxiserfahrungen zu sammeln. Autor Eine Idee, die aus dem phæno stammen könnte. Nirgends unnötige Theorie, wo die Praxis den springenden Punkt anschaulich zeigt. Der Vizepräsident für Lehre, Studium und Weiterbildung an der Ostfalia, Manfred Hamann hält diese Mischung für das A und O: Take 44 Wir bemühen uns ja, unsere Leute auf der einen Seite wissenschaftlich auszubilden, auf der anderen Seite aber ihnen so viel Praxiserfahrung zu geben, dass sie auch später wissen, worauf sie sich einlassen, wie man´s macht, nicht nur, wie es gehen sollte, sondern wie es tatsächlich funktioniert. Etwa ein Viertel des Studiums sind praktische Tätigkeiten in Laboren, und Experimentierfeldern, solchen Projekten wie hier, wo quasi der ganze Betrieb simuliert wird, also nicht nur einzelne Arbeitsschritte oder Theorien, sondern das Zusammenspiel von Technik, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, die Waren anpreisen. Es ist ja heute nicht nur so, dass man die Waren nur herstellen muss, man muss sie auch verkaufen. Atmo Tischlerei Take 45 Eigentlich steht der Tüftler und Erfinder hier rechts neben mir, von dem kommen die Ideen, und wir sind die Praktiker, ich bin Tischlermeister und ich muss die Ideen von unseren Tüftlern umsetzen. Natürlich gehört da auch so´n bisschen künstlerisches Dasein mit rein. Wir arbeiten immer daran, noch perfekter zu werden. Wir erfinden eigentlich einmal die Woche das Rad neu. Autor Hans-Werner Kroll ist Tischler im phæno. Und er ist ein begnadeter Tüftler; die Übergänge scheinen fließend zu sein. Ohne ihn und seine Kollegen im Erdgeschoss der Experimentierlandschaft würde vieles oben in der Ausstellung nicht funktionieren. Oder höchstens eine Weile. Wenn Dominik Essing ein neues Exponat wünscht, dann muss Hans-Werner Kroll ran. Wenn etwas kaputt geht, dann sowieso. Nur an einem Teil eines künstlerischen Experiment wird er wohl nie etwas tun müssen: Es heißt "Machine and concrete", Maschine und Beton. Und es lässt seinen Betrachter vergänglich erscheinen: Ein Elektromotor treibt ein Zahnradgetriebe an. Das Getriebe besteht aus 25 Doppelzahnrädern, die außen jeweils 120 und innen 14 Zähne haben. Bis zum letzten Zahnrad, welches in Beton gegossen ist, gibt es 24 Kraftübertragungen. Das erste Zahnrad dreht sich in sechseinhalb Sekunden einmal um sich selbst. Bis das letzte Zahnrad eine komplette Umdrehung hinter sich gebracht hat, dauert es schon länger: 594 Billionen Jahre. Bis dahin können noch sehr viele Züge von und nach Wolfsburg fahren. Atmo Bahnhof: Ansage Zugabfahrt, Fahrgeräusch Sprecher vom Dienst: Heute schon die Welt entdeckt? - Die Experimentierlandschaft phæno in Wolfsburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Seite 1 von 24