COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel - 25.05.2008 Alles im Takt Das Zusammenspiel von Pop und Sport Von Susanne Burg Musik Blur, "Out of Time" Autorin Im Pop und im Sport geht nichts unter hundert Prozent. O-Ton Damon Albarn I am hundred percent on record as a Chelsea fan. Autorin Er ist ein hundertprozentiger Chelsea-Fan: Damon Albarn, britischer Pop-Gott und der Kopf von bedeutenden Bands wie Blur, den Gorillaz und The Good, the Bad and the Queen. Und hundertprozentig haben Pop und Fußball für ihn nichts miteinander zu tun. O-Ton Albarn It's a debate that should be put in its little box, have the little key turned and thrown away. It's a tenuous link between football and music. Voiceover Diese Debatte sollte man in eine kleine Schatulle tun, abschließen und den Schlüssel wegwerfen. Es gibt keine Verbindung zwischen Fußball und Musik. Musik The Good, the Bad and the Queen O-Ton Phil Thornton Damon Albarn - he's always changing his mind, one minute he wants to be mainstream and populist, one minute he wants to be avantgarde, so I think he's back to being his avantgarde alter ego. Voiceover Mann Damon Albarn ändert häufiger mal seine Meinung. Einen Moment lang will er Mainstream sein, den nächsten Avantgarde. Jetzt ist er zurück bei seinem avantgardistischen Alter Ego. Autorin Phil Thornton, Autor eines Buches über Mode, Pop und Fußball in Großbritannien. Musik hoch Autorin Es mag eine launenhafte, manchmal auch neurotische Beziehung sein zwischen Bühne und Ball, aber eine Beziehung ist es allemal. Über vierzig Jahre gewachsen. So sehr verknüpft, dass für junge britische Bands wie Milburn das eine nicht ohne das andere vorstellbar ist. O-Ton Carnall It's always been intertwined in Britain, football and music.... .....replacing the name of the team with the name of the band you are going to see before the band comes on Voiceover Mann Fußball und Musik waren in Großbritannien immer miteinander verflochten. Das siehst du alleine daran, dass bei manchen Konzerten eine Atmosphäre wie im Stadion herrscht. Die Fans singen Fußballsongs und ersetzen den Namen ihres Teams durch den der Band. Musik Milburn Autorin Alle vier Mitglieder von Milburn sind Fußballfans. Sie haben sich als Kinder kennen gelernt - beim Kicken im heimischen Verein in Sheffield. O-Ton Carnall we were in Aberdeen the other day ... ... it does get like that in Newcastle and Sunderland. Voiceover Mann Wir haben vor ein paar Tagen ein Konzert in Aberdeen gegeben. Und zwischen unseren Songs haben die Fans Aberdeen-Hymnen gesungen. Das war lustig. Es wird nur ein bisschen heikel, wenn Fans von zwei feindlichen Fußballmannschaften da sind, wie von Newcastle und Sunderland. Atmo Liverpool singen We are the best behaved supported supporters in the land. Autorin Wir sind die artigsten Fans des Landes, singen einige Dutzend Liverpool- Anhänger. Mit mindestens einem Bier in der Hand stehen sie in den engen Straßen rund um das Stadion an der Anfield Road und stimmen sich ein auf das Rückspiel im Champions League Halbfinale gegen Chelsea. Pop und Fußball - hier in Liverpool haben sie sich einst kennen gelernt, umworben und vermählt. O-Ton / Atmo It's very bad language, do you want us to sing one? Voiceover Mann Sollen wir was singen? Der Text ist nicht ganz sauber.... singen: Fuck off Chelsea FC you ain't got no history. 5 European cups and 18 leads, that's what we call history O-Ton So basically what this song is about is that Chelsea has won nothing for years and years Voiceover Mann Also im Grunde genommen geht's in dem Song darum, das Chelsea seit Jahren nichts gewonnen hat, wir aber schon. Atmo singen oh Campione Autorin (20'') Mindestens 1.000 Promille Mensch strebt kurz vor Spielbeginn Richtung Stadion und hinterlässt eine Glas- und Mülllawine, als sei hier fünf Tage lang die Love Parade durch die Straßen gezogen. Die Fans, die sich keine Karte für das Spiel leisten konnten, verlegen das Trinken und Singen von der Straße in den Pub. Atmo singen Pub oh when the saints Autorin In den nächsten zwei Stunden erklingen mindestens 30 verschiedene Songs. O-Ton Fan We are anglo-saxons, we like a drink and we like a song Autorin Wir sind Angelsachen, sagt ein Fan lapidar. Wir trinken und singen halt gerne. Atmo singen Autorin Angefangen hat das mit den Fangesängen im Liverpool der 60er Jahre. Mit einer lokalen Band namens The Beatles. Liverpool-Fan Frank Graceffa hat diese Zeit knapp verpasst. O-Ton Frank Graceffa It was just a case of because they were so staunch, wanted to get behind the team they were in the ground so early they started to sing along with the records. Voiceover Mann Die Fans warteten damals im Stadion aufs Spiel. Und um sich die Zeit zu vertreiben, haben sie die Hits gesungen. Atmo Liverpool-Fans singen "She loves You" O-Ton Graceffa There was a delince late 60s, early 70s, the dock started declining.... ....we can change it into a Liverpool song, and that's how it started. Voiceover Mann In den 60ern ging es mit dem Hafen in Liverpool drastisch bergab und Fußball war die einzige Ablenkung für die Menschen hier. Die Fans waren schon Stunden vor dem Spiel im Stadion, 27.000 Leute hinter dem Tor, eingezwängt wie die Sardinen. Man konnte noch nicht mal auf die Toilette gehen. Sie haben also gesungen und irgendwann haben sie dann angefangen, die Texte der Lieder zu ändern. Atmo singen Yellow Submarine Autorin In den späten 60er und frühen 70er Jahren bevölkerten Skinheads die Stadien. Die hatten allerdings nichts mit den Bomberjacken tragenden Nazi-Nachfahren von heute zu tun. Sie hörten Reggae und trugen amerikanische College-Hemden und Mohair-Anzüge. Gut gekleidet zu sein war wichtig, sagt Autor Phil Thornton. Denn Mode spielte schon immer eine große Rolle im strikten Klassensystem Großbritanniens. O-Ton Phil Thornton Footballers have always been working class.... ... working class players always had that thing with dressing and football. Voiceover Die Fußballer und die Fans kamen aus der Arbeiterschicht. Dort gibt es die Tradition, sich gut anzuziehen. Bei mir auf der Schule konnte ich früher immer sofort ausmachen, wer aus der Mittelschicht kam. Die sahen immer etwas verlottert aus. Musik Bowie, "Young Americans" Autorin Musik, Mode, Fußball - die heilige Dreieinigkeit der Popkultur. Als David Bowie und T. Rex die Charts eroberten, wurde der Fußball-Look feminin, schrill, glitzernd. Mode im Stadion war so wichtig, dass Peter Hooton Anfang der 80er ein Fan-Magazin gründete, das er bei den Spielen verkaufte und das heute legendär ist: The End. O-Ton Hooton It wasn't a football fanzine... ...We were interested in everything, in music, in football, fashion, the culture that surrounded going to the match. Voiceover Es war kein typisches Fußball-Fan-Magazin. Wir schrieben lustige kleine Artikel, in denen wir uns über die Klamotten der gegnerischen Mannschaften lustig machten. Es gab auch Musik-Kritiken. Uns interessierte alles: Musik, Fußball und die Kultur rund um den Fußball. Autorin Ende der 80er schlief die Zeitung ein, denn Peter Hooton und seine Freunde widmeten sich zunehmend einer anderen Liebe: der Musik. Zum ersten Mal standen mit der Band The Farm Fußball-Fans auf der Bühne. Musik The Farm, "All Together Now" O-Ton Hooton When we started off in the 80s it was very unfashionable to be into football... ....a few years before, based their image on us, Voiceover Mann Als wir in den 80ern angefangen haben, war es absolut nicht angesagt, Fußballfan zu sein. Fußballfans waren der Staatsfeind Nummer 1. Thatcher hatte ihnen den Krieg erklärt. Sogar 1990 / 91, als wir tourten, haben uns die Leute gefragt: was, ihr mögt Fußball und Musik? Bei der Europameisterschaft 1996 änderte sich das. Da haben die Werbung und das Fernsehen Fußball für sich entdeckt. Und Bands wie Oasis liefen plötzlich wie The Farm herum. Autorin Selbst Hardcore-Hooligans waren milder geworden, organisierten inzwischen Fan-Merchandising und berieten Fernsehfirmen. Fußball wurde vom Arbeiter- zum Mittelschicht-Sport, die Symbiose von Popmusik und Fußball einträglich, aber für jeden Musiker auch zu einem Bekenntnis zum Mainstream. Kein Wunder also, dass Popstar Damon Albarn, der seine Avantgarde-Seite wiederentdeckt hat, heute nicht mehr gerne über diese Verbindung redet, sondern recht unwirsch an Oasis oder Rod Stewart verweist. O-Ton Albarn Listen, if you wanna talk about fucking music and fucking football talk to Oasis. Or Rod Stewart. Don't talk to us about it. Musik New Order, "World in Motion" Autorin Im Vergleich zu England ist deutscher Fußball-Pop ein Trauerspiel. Deutsche haben nach der Erfahrung im Dritten Reich nicht gerade ein entspanntes Verhältnis zu Hymnen, die die Massen in Wallung bringen. Während zur Weltmeisterschaft 1990 New Order für England mit der Hymne "World in Motion" aufwartete, trat für Deutschland schlagernd Udo Jürgens an. Musik Udo Jürgens, "Wir sind schon auf dem Brenner, wir brennen schon darauf". Autorin Durchaus beliebt war es allerdings in den 70ern, dass Fußballer vors Mikro traten. Großartige Werke der Peinlichkeit sind auf diese Weise entstanden, sagt Trevor Wilson. Er betreibt mit einem Freund zusammen fc45, ein Online-Archiv für Fußballsongs und hat mittlerweile 6.000 davon gesammelt. O-Ton Wilson Wenn ein Fußballer sich vorm Mikro blamiert, das ist großartig. Einfach fantastisch. Die großen Bayernstars aus den 70ern haben alles gemacht. Beckenbauer, Maier, Müller - die drei haben alle Platten rausgebracht. Und eine Sepp Maier-Platte ist eigentlich recht Schrott. Beckenbauer kann richtig singen und Gerd Müller kann überhaupt nicht singen. Furchtbar, aber geniale Platten. Musik Gerd Müller Autorin Seit Sportler Image-Berater haben, sind allerdings auch singende Kicker immer seltener geworden. O-Ton Pander Für mich ist es einfach so eine Abwechslung. Musik Christian Pander Autorin Auf dem Platz ist Christian Pander die Nummer 24 bei Schalke, im Studio ist er Funky Pee. Aber Funky Pee betont immer wieder, dass Hiphop für ihn nur ein Hobby ist. O-Ton Pander Während andere Leute Golf spielen gehen, gehe ich ins Studio ein bisschen Musik machen. Das ist für mich ein Ausgleich, wo ich so'n bisschen abschalten kann und auch von diesem Druck wegkomme und Spaß habe, weil es natürlich auch ein Hobby ist, das ich schon Jahre lang verfolge. Musik Pander, "Meine Story" Autorin Christian Pander muss seine Songs heute nicht auf Vinyl pressen. Ganz informell kann er sie ins Internet stellen, um sich bei Fans zu bedanken. Dagegen hat wohl auch ein Image-Berater nichts einzuwenden. Musik Boxhymne Doro Pesch, "She's like Thunder" Autorin Musik zur Motivation, um in Stimmung zu kommen, um Sportler und Zuschauer anzuheizen - bei Sportarten wie dem Boxen eine feste Einrichtung. Zur Rock- Hymne zieht Weltmeisterin Regina Halmich in den Ring. Den Soundtrack dafür schafft seit zehn Jahren Doro Pesch, Deutschlands weibliche Heavy Metal- Ikone. O-Ton Doro Man geht so intuitiv vor, dann habe ich mir gedacht, ein bisschen soll es so klingen wie die Rocky-Hymnen. Und dann halt mit Orchester hat halt auch wahnsinnig Spaß gemacht. Da kann man so schön emotionale Sachen mit machen. Und dann dachte ich mir: Regina ist halt wie Feuer, wie Donner, wie Blitz. Und dann dachte ich mir: She's like Thunder. Musik hoch Autorin Die stärkste Frau im Ring setzt sich in Szene - mit Hilfe der härtesten Frau am Mikrofon. Das Image passt perfekt. Auch wenn Doro Pesch das etwas anders sieht. O-Ton Doro In unserem Job und ich glaube bei Regina ist das ähnlich, ist man glaube ich ganz selten Frau. Also das ist so im Training ist es genauso hart wie wenn Männer trainieren und bei uns auf Tour und im Tourbus, da habe ich wenig Spielraum, um überhaupt frauliche Sachen zu machen. Auch Regina im Boxsport, sie hat's bestimmt nicht einfach gehabt. Und bei uns, es hat ja angefangen mit Heavy Metal, das war auch eigentlich sehr untypisch, dass es ne Frau war, aber man macht einfach sein Ding, muss vielleicht doppelt so hart arbeiten. Autorin Doro hat früher selbst Thai-Boxen trainiert, und Regina Halmich ist für ihre letzte Hymne ins Studio gegangen und hat mitgesungen. Über die letzten zehn Jahre haben sich die Sängerin und die Boxerin angefreundet. Ähnlichkeiten verbinden. O-Ton Doro Dass es halt immer um ganz viel geht, bei jedem Kampf. Bei uns ist es bei jeder Tournee, bei jeder Platte, man muss halt immer alles geben, immer 120%. Kann da nicht rumschwächeln. Das erfordert halt viel Disziplin, man muss viele Sachen entbehren, auf vieles verzichten, also n normales Privatleben ist schwierig zu machen. Da sind Parallelen. Auch dass man immer im Rampenlicht steht und dann halt gut drauf sein muss, auch wenn's einem mies geht. Man muss halt funktionieren. Autorin Vor Tourneen engagiert Doro Pesch den gleichen Energy Coach wie Regina Halmich. Der macht sie fit für die langen Strapazen. Musiker und Sportler brauchen eben Kondition. Aber das ist bei weitem nicht die einzige Verbindung zwischen den beiden Berufen. Als Profis üben beide Tag für Tag Bewegungsabläufe. Der Musiker spielt Tonleitern auf dem Klavier oder der Geige, der Sportler trainiert Aufwärtshaken, springt Dutzende Male täglich über die Hochsprunglatte. Atmo Basketball Autorin Oder übt Freiwürfe beim Basketball wie der 17jährige Steven Monse, der bei Alba Berlin in der U19-Bundesliga spielt. O-Ton Monse Beim Freiwurf kommt's eigentlich auf die Perfektion an. Es kommt darauf an, immer den gleichen Rhythmus zu haben. Ich mache vor jedem Wurf gehe ich an die Dreierlinie. Mache einmal die Schuhe sauber, auch wenn's damit nichts zu tun hat. Werf mir den Ball vor, mache vier Dribblings, komm runter mit meinem ganzen Körper, dann probiere ich meinen Arm durchzustrecken so wie immer und immer die gleiche Bewegung, Hand abklappen... Das muss man einfach perfekt können und um's perfekt zu können, muss man jeden Tag üben. Atmo Basketball Kreuzblende Atmo Uni Autorin Zehn Musikstudentinnen laufen mit großen Schritten durch einen Raum an der Berliner Universität der Künste. Sie sollen die Musik in Bewegung umsetzen. Am Klavier sitzt Grazyna Przbylska-Angermann. Sie ist Musik- und Bewegungspädagogin. Ihr Ziel: sie will den Studentinnen vermitteln, wie wichtig ein ausgeprägtes Körpergefühl fürs Musizieren ist. O-Ton Przbylska-Angermann Ich sehe ganz oft, dass die Studierenden manchmal nur durch eine ganz leichte Veränderung in dem Halten der Schulterblätter eine ganz andere Freiheit im oberen Bereich, also Oberarme, Unterarme bekommen und damit die Geläufigkeit der Hände schon frei ist. Aber das ist eine ganz feine Arbeit. Jeder Klang hat so viele Nuancen, jeder angeschlagene Ton, und wenn sie nicht fein vom Körper machbar sind, dann werden sie nie feiner als sie sein können. Und das kann ich mir vorstellen, bei einem Hochleistungssportler ist diese Feinheit der Arbeit eine Meisterstufe. Atmo Klavier Autorin Ob ein Pianist eine Sonate einstudiert oder ein Golfer das Einlochen übt, für das Gehirn geht es in beiden Fällen um feinmotorische Bewegungsabläufe. Wobei das Gehirn zwischen neuen und bereits bekannten Bewegungen unterscheidet. Neue Bewegungen werden vom Stirnhirn verarbeitet und halten es ziemlich beschäftigt, sagt Eckart Altenmüller, Professor für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. O-Ton Altenmüller Am Anfang, wenn ich eine Bewegung einstudiere, sind diese frontalen, präfrontalen Zentren in der Großhirnrinde vorne sehr stark aktiviert. Und im Laufe des Lernens einer motorischen Bewegung werden die Bewegungen zunehmend ökonomisiert und die Nervenzellen werden ebenfalls zunehmend effizienter zusammen geschaltet und Bewegungsanteile werden dann eben in automatisierte Regionen verlagert. Und da nimmt man heute an, ist eines der ganz wichtigen Zentren, sitzt tief innen im Gehirn die sog. Basalganglien. Dort werden dann automatische Bewegungen abgespeichert und die können dann als Routinen herangeführt werden. Also ein Beispiel: Ein Klavierschüler, wenn der frisch begonnen hat, wenn der seine ersten fünf Fingerübungen macht, dann wird das Stirnhirn noch unglaublich genau programmieren müssen und mit viel Aufwand und vielen Nervenzellen die Bewegung ansteuern. Aber wenn er das dann einige Wochen gemacht hat, dann braucht er nur noch eine ganz geringe Hirnaktivität. Autorin Automatisierung entlastet also das Gehirn und macht Kapazitäten für andere Arbeiten frei. Atmo Basketball Autorin Zurück beim Basketball-Training. Dribbling und Freiwürfe können die Spieler im Schlaf. Das ist die Grundvoraussetzung, damit sie offen sind für die taktischen Tricks, an denen Matej Mamic heute mit ihnen arbeitet. Wenn man sich mit dem Trainer unterhält, tauchen immer wieder zwei Begriffe auf, die auch in der Musik zentral sind: Rhythmus und Timing. O-Ton Mamic When something happens on one side the guy from the other side must look when is the best time to do that, to do his movement.... .... If I have that I am on winning side. Voiceover Mann Wenn etwas auf der einen Seite passiert, muss der Spieler auf der anderen Seite genau zur richtigen Zeit vorstoßen. Wenn der Zeitpunkt nicht stimmt, gibt's keinen Korb. Das ist Timing. Die Mannschaft funktioniert wie ein Orchester. Sie müssen alle zur gleichen Zeit zusammen arbeiten. Jeder einzelne muss seinen eigenen Rhythmus entwickelt haben. Aber für mich ist es wichtig, diese einzelnen Rhythmen in einen Teamrhythmus zu bringen. Nur so kann man gewinnen. Atmo Basketball Autorin Regelmäßiges Training und regelmäßiges Musizieren haben einen großen Einfluss auf die Hirnstruktur. Das haben Forscher herausgefunden. Und damit auch eine Debatte in der Bildungspolitik losgetreten. Denn lange vernachlässigte Schulfächer wie Kunst und Leibesübungen, so die Überlegung, sind vielleicht doch zentraler für die Entwicklung von Kindern als früher angenommen. Eckart Altenmüller vergleicht den Einfluss, den Sport auf das Gehirn hat mit dem des Musizierens: O-Ton Altenmüller Es ist so, dass beim Sport sportliche Aktivität zu ner verbesserten Durchblutung führt, auch zu ner verbesserten Neuroneogenese, d.h. dass sich vermehrt neue Nervenzellen bilden und dass auch die spezialisiert eingesetzten Hirnregionen, die zum Beispiel für Beine oder für die Koordination der Hände zuständig sind, dass die etwas vergrößert sind. Allerdings sind diese Effekte lang nicht so deutlich wie beim Musizieren. Autorin Das Musizieren vernetzt das Gehirn also stärker als der Sport. Das, so Altenmüller, liegt unter anderem an der Übedauer. Denn ein Hochspringer kann schlecht acht Stunden ununterbrochen über die Latte fliegen. Während ein Pianist durchaus acht Stunden täglich am Klavier sitzt. O-Ton Altenmüller Der zweite Punkt ist der, dass diese Veränderung der Hirnstruktur, die sind stark abhängig tatsächlich von der Motivationslage. Das ist bislang noch nicht sehr gut verstanden, aber wir gehen davon aus, dass das Musizieren auch ein sehr lustbetonter Vorgang ist. Und diese starke emotionale Beteiligung, die ist vielleicht beim Musizieren noch ein bisschen dauerhafter als beim Sport. Beim Sport sind's dann Spitzenerlebnisse, wenn man etwas erreicht hat, aber so ne dauerhafte emotionale Glücksausschüttung ist da vielleicht nicht so das übliche. Atmo Capoeira Autorin Folgerichtig müsste das Gehirn Purzelbäume schlagen vor Glück, wenn der Mensch beides miteinander verbindet. Etwa beim Capoeira, einer Kampfkunst aus Brasilien. O-Ton Nativa So viele Gruppen, wie's jetzt in Berlin gibt, Capoeira-Gruppen, es wächst von Jahr zu Jahr. Atmo hoch Autorin Ein Dutzend weiß gekleideter Menschen steht in einem Kreis, der so genannten Roda. Drei spielen Instrumente und geben den Rhythmus vor, die Lehrerin Nativa singt, die anderen stimmen immer wieder ein und klatschen dazu. Der eigentliche Kampf - das Spielen wie es im Brasilianischen heißt - findet in der Roda statt. Zwei Frauen umkreisen sich kurz - bis sich eine von ihnen um ihre eigene Achse dreht und ihr hinteres Bein in Richtung Brust der Gegnerin schwingt. Die weicht aus und steht kurz darauf in einem Kopfstand. Nie berühren sich die beiden. Eine Bewegung geht fließend in die nächste über. Nach kurzer Zeit tritt ein Mann in den Kreis und löst eine Kämpferin ab. Auch die Sänger und Instrumentalisten wechseln sich unmerklich ab. Atmo hoch O-Ton Was ich toll finde am Capoeira ist diese Abwechslung, die unterschiedlichen Dinge, die man machen kann, die Akrobatik, die Tritte, dann gibt's noch unterschiedliche Arten zu spielen, schön abwechslungsreich Im Prinzip sollte man auf Dauer alles können, die Musik, man sollte die Instrumente lernen und natürlich auch das Spiel beherrschen Atmo hoch O-Ton Und gerade dieser Anteil der Musik, den finde ich auch faszinierend. Die gibt die Energie in die Roda, die Spieler kriegen von draußen, von der Musik, vom Klatschen kriegen sie die Energie zum Spielen. Man merkt das wirklich. Wenn keine Musik da ist, dann macht das nicht so viel Spaß wie wenn Musik da ist Autorin Die Wirkung von Musik auf den Körper ist beim Capoeira also für die Spieler deutlich spürbar. Capoeira ist eben weit mehr als reiner Muskelaufbau oder Leistungsschau, sagt die Lehrerin Nativa. O-Ton Nativa Das ist ein starker Faktor bei der Kampfkunst, die innere Stärke, die man bekommt. Die einen durchs Leben tragen kann. Man lernt teilzunehmen, man lernt sich kennen, man lernt sich zu kräftigen, man lernt, was der Körper braucht, um sich gut zu fühlen. Autorin Der Mensch lernt sich kennen, erlebt sich selbst. In den letzten Jahrzehnten sind Sportarten immer beliebter geworden, bei denen Rhythmusgefühl und Gleichgewicht gefordert sind - wie Snowboarden, Mountain Biken oder Aqua Aerobic. Eine Gesellschaft, die sich stark am Verstand orientiert, entdeckt das Erleben wieder, die Erfahrung durch Bewegung. Und die unmittelbare Wirkung der Musik. O-Ton Przbylska-Angermann Ich glaube, wir haben seit der Romantik einen sehr hohen Drang nach Virtuosität und nach einer gewissen Leistungsmessung. Wir feiern nicht Feste mit Musik und Kunst, sondern wir messen uns. Es gibt mehr Wettbewerbe als Festivals. Das Wort Fest ist miteinander feiern, mit unterschiedlichen Mitteln und das Wort Wettbewerb bedeutet, dass man am Ende einem Kind oder einem sich bemühenden Menschen sagt: du bist schlechter als der und der. Es waren 99,9 Prozent Menschen, die mittels Musik erfahren haben, dass sie schlecht sind. Und das ist furchtbar. Atmo Fangesänge Autorin Eine Nische ist allerdings stetig gewachsen, in der es nicht um virtuose Leistung geht: die Fankurve der Fußballstadien. Der durchschnittliche Fan in der Nord-, West-, Ost- oder Südkurve kennt rund fünfzig Lieder. Auswendig. Und lernt ständig neue Melodien. Warum tun die Menschen das? Diese Frage hat sich der Musikpsychologe Reinhard Kopiez gestellt. Die Antworten, die er in seiner Studie über Fangesänge gefunden hat, weisen alle auf sehr archaische Rituale hin. Singend geht der Fan in der Gruppe auf und verhält sich ganz anders als zu Hause. Singend leidet er. Denn die leidende Kreatur artikuliert sich über die Stimme. Der Dichter Gottfried Herder nannte das einst das Wehklagen des Individuums. Und singend ruft der Fan um Unterstützung durch die Gruppe. O-Ton Kopiez Das hat Darwin sehr schön erklärt. Also man ist so eine Rotte, die sich zusammen getan hat und dieses Rudel, das solidarisiert sich und weiß, wer ist Freund und wer ist Feind und man markiert sein Territorium damit. Und dieser Ruf um Unterstützung trifft auch sehr schön zu, wenn man sich die klanglichen Eigenschaften anschaut. Diese Gesänge sind nämlich hoch, schrill und unerfreulich. Und genau das ist das Merkmal, was Darwin sagt, das muss man machen, um dem Gegner Angst einzuflößen. Einem feindlichen Aggressor, der einen bedroht auf seinem Territorium. Atmo Fangesänge Autorin Ebenfalls ganz wichtig im Stadion: singend ruft der Fan höhere Mächte an. O-Ton Kopiez Was wir dort haben, ist die Überwindung des Alltags und die Anrufung der höheren Götter, der Fußballgötter, um Unterstützung. Und die Voraussetzung dafür ist, dass man etwas nicht Alltägliches tut. Man begibt sich in ein Stadion, das ist ein nicht alltäglicher Ort. Man kleidet sich nicht alltäglich, hat diese Kutten an und Schals, man bewegt sich nicht alltäglich, man tanzt zum Beispiel. Und man nimmt ein nicht alltägliches Getränk zu sich: das ist das Bier, der Alkohol. Und diese Kombination ist die Voraussetzung für das Ritual der Anrufung der höheren Mächte. Autorin Ob nun höhere Mächte oder archaische Triebe - auf jeden Fall können sich die Menschen treiben lassen, in mächtige Gefilde voller Emotionen. Musik Sportfreunde Stiller ´54, ´74, 90, 2006 Autorin Die inoffizielle deutsche WM-Hymne der Sportfreunde Stiller hielt sich 29 Wochen in den Charts und erreichte Platin-Status. Pop und Sport - auch in Deutschland laufen sie inzwischen mehr und mehr im Takt. Und manchmal auch einträchtig gemeinsam auf der Bühne. O-Ton Florian Weber Ich mache kein Hehl daraus, Konzerte zu spielen und nebendran unten neben meiner Trommel einen kleinen Fernseher zu haben, der dann das Spiel überträgt. Das klappt und ich bin mindestens genauso, wenn nicht noch leidenschaftlicher beim Schlagzeugspiel dabei, weil ich ja unten immer schön inspiriert werde vom Fußballspiel. 18