KULTUR UND GESELLSCHAFT Organisationseinheit : 46 Reihe : LITERATUR 19.30 Kostenträger : P.6.2.11.0 Titel der Sendung: Literarische Zeitansagen 2011 Autor : Sigried Wesener Redaktion: : Sigried Wesener Sendetermin : 14.12. 2010 Besetzung : Zitator : Zitatorin : Autorin spricht selbst Musik/ o-Ton (V-Sp.*Wesener*) Regie : Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig Literarische Zeitansagen Akustische Kalenderschau 2011 Von Sigried Wesener Musik: Track 3 0- 22'' (als akust. Trenner) Zitator: Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler. (akustisches Ausrufezeichen=aA) - Philippe Djian Zitatorin Der Aufwand dafür ist enorm groß, gegessen und gelesen aber wird viel zu schnell, kochen und schreiben haben viel miteinander zu tun. (aA) - Katja Lange-Müller Zitator: Nimm nie einen Rat an. Zeige oder diskutiere nie ein Werk, das noch in Arbeit ist. Antworte nie einem Kritiker. (aA) - Raymond Chandler Zitatorin: Lesen ist sicher, außer Musikhören, etwas, ohne dass ich nicht sein kann. Wenn ich nicht schreibe, bin ich nach Büchern, nach jedem Fetzen bedruckten Papiers so süchtig, dass ich mir manchmal wünsche, es gäbe Entziehungskurse für Süchtige dieser Art. (aA) - Ingeborg Bachmann Zitator: Ich war immer der Meinung, dass es mit dem Geschichtenerzählen ganz ähnlich ist wie mit dem Jonglieren. Man wirft eine Menge verschiedener Geschichten in die Luft, jongliert mit ihnen und wenn es gut ist, lässt man keine einzige fallen (aA) - Salman Rushdie Musik: Track 3 Autorin: Einprägsame Sätze von bekannten Autoren. Eingesammelt hat sie der Taschenkalender Lesen&Schreiben vom Kunstverlag ars vivendi. Auf dem Leinen - Einband in edlem Grau sticht das Rot der Aufschrift Lesen&Schreiben hervor, fließt in den Vorsatz, behauptet sich auf den graphisch gestalteten Seiten als wiederkehrender Blickfang für Überschriften und Nebensätze oder als Bildhintergrund. Eyecatcher sind rechterhand die graphischen Blätter mit den Schriftsteller-Zitaten, von denen sich der Grafiker Armin Stingl inspirieren ließ. Im Rot-Kreuz-Auto statt Patienten: Bücher, der Satz von Katja Lange Müller ist als Nudel aufgegabelt, dazu bevölkern Zitate die Seiten, die im Abfallkorb landen oder aus dem Buchstabensalat fallen, Fußabdrücke, die in die Irre führen und Fährten, die man lesen kann. Zitator: Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die beißen und stechen - Franz Kafka Autorin: Der graphische Klub in Stuttgart hat den Jahresbegleiter im A5-Format mit einer Silbermedaille prämiert. Die Auswahl verzichtet auf die Jubiläen, die uns 2011 erwarten, übersetzt Worte in Zeichen, Sätze in graphische Sprache. Ein Gesamtkunstwerk, das übers Jahr sein Format behält. Dazu gehört auch das altmodische Lesebändchen. Zitatorin: Mayröcker Am Anfang steht ja das Gefühl, man hat noch nie etwas geschrieben, man kann nicht mehr schreiben, es geht nicht mehr. Autorin: Friederike Mayröckers Zweifel - im Wochenkalender von ars vivendi mit ungelenker Kinderhand geschrieben, korrigierte Schreibfehler inklusive - wird als technischer Vorgang gezeigt. Die Wiener Dichterin ist auch auf dem Lyrik-Postkartenkalender aus dem Daedalus-Verlag "Fliegende Wörter" zu entdecken. Take 1: Friederike Mayröcker Meine Mutter mit den offenen Armen wenn sie mich grüszte wenn ich zu ihr kam meine Mutter mit den zärtlichen Worten wenn ich sie anrief dasz ich nicht kommen könne meine Mutter mit dem abgewandten Gesicht als sie noch sprechen wollte es aber nicht konnte meine Mutter mit den geschlossenen Augen als ich zu spät kam sie ein letztes Mal zu umarmen. Autorin: Der Kalender als Kunstobjekt. Die graphische Gestaltung ist auch für die "Fliegenden Wörter" ein Markenzeichen. Statt Prosa sind es Verse, die in Szene gesetzt werden. Die Auswahl zeigt Entdeckerlust, mischt Stimmen und Stimmungen, lässt sich von Jahrestagen und -zeiten inspirieren, vor allem aber vom guten Gespür für lyrische Texte und bleibt so verführerisch wie anregend. Für Gotthold Ephraim Lessings: "Antwort eines trunkenen Dichters" wird die Titelzeile zum Stiel, der Kelch in weißer und roter Schrift liefert das Gefäß für die Verse Zitator Ein trunkener Dichter leerte Sein Glas auf jeden Zug; Ihn warnte sein Gefährte: Hör auf! Du hast genug. Bereit vom Stuhl zu sinken, Sprach der: Du bist nicht klug; Zu viel kann man wohl trinken, Doch nie trinkt man genug. Autorin: Der Postkartenkalender feiert auch im 17. Jahrgang das einzelne Gedicht und lässt sich nicht auf Jubiläen festlegen. Zu entdecken sind neben der Bulgarin Ana Blandiana, der Wiener Expressionist Albert Ehrenstein oder Wsewolod Nekrassow, russischer Vertreter der konkreten Poesie: Zitator Das darf sich nicht wiederholen ich wiederhole das darf sich nicht wiederholen ich wiederhole das darf sich nicht wiederholen ich wiederhole ... Autorin: Lebenseinsichten und auffallend viele Tiere bevölkern anno 2011 die "Fliegenden Wörter": Igel, Ameise, Blattlaus, Hummel, Grille, Löwe: lauern, galoppieren, krabbeln, zirpen, kreisen durchs Jahr Zitatorin Igel Über dem Igel kreiste ein Storch bekomme ich jetzt einen Igel fragte der Igel Elisabeth Borchers Zitator: Die Schwierigkeit in ein großes Verhältnis, das fand ich oft, ist die Einsicht leicht, das Kleinliche ists, was sich mit Mühe begreift. Heinrich von Kleist Autorin: 2011 ist ein "Kleistjahr"! Der 200. Todestag am 21. November ist ein Muss für die traditionellen Literaturkalender, also auch für das Flagschiff von Artemis&Winkler. Aus seinem Abschiedsbrief an die Schwester Ulrike, den er am Tage seines Freitodes geschrieben hat - hier als Faksimile abgelichtet -, ist jener viel zitierte Satz herausgestellt: Zitator Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war. Autorin: Heinrich von Kleist, ein Außenseiter zeitlebens: In preußischen Diensten, aber gegen jeden Drill, mittellos und kämpferisch, ein geistiger Rebell, der auf den Dichterolymp strebte. Der Himmel versage ihm den Ruhm, wie er an seine Schwester schrieb, "das größte der Güter auf Erden". Autorin: Kleists Ruhm begann erst nach seinem Freitod mit 34 Jahren. Novellen wie "Die Marquise von O", neu eingelesen von Peter Stein und im Deutschlandradio am Himmelfahrtstag gesendet, "Michael Kohlhaas", Stücke wie "Amphytrion", "Penthesilea" und "Der zerbrochene Krug" gehören zum Literaturkanon, wurden verfilmt und immer wieder inszeniert. Goethe selbst brachte das Lustspiel "Der zerbrochene Krug" auf die Bühne, die Inszenierung fiel durch und auch die Beziehung zwischen ihm und dem jungen Kleist zerbrach. Übrig blieben nur mehr Spott und Häme. Davon erzählt- zwischen Goethesprüchen -der Taschenkalender von Artemis& Winkler "Mit Goethe durchs Jahr". Zitator: Herr von Goethe Siehe, das nenn' ich doch würdig, fürwahr, sich im alter beschäftigen! Er zerlegt jetzt den Strahl, den seine Jugend sonst warf Autorin: Zeitenwechsel - Seitenwechsel im Literarischen Kalender von Artemis&Winkler . Musik: Sven Regener Track 3 (Mittelpunkt der Welt) Autorin: Der üppig ausgestattete Wandkalender stellt in der jeweiligen Woche die runden Geburts- oder Todestage aus - so entsteht ein internationales Kaleidoskop, das die Zeiten aufzuheben scheint und die verschiedenen Welten im Auge des Betrachters zu einer Erlebniswelt macht. In diesem Jahr haben die Kalendermacher auf kurze und treffsichere Zitate gesetzt, die mit großflächig-bunten Reproduktionen von Gemälden, Zeichnungen, Fotos korrespondieren und Hinweise auf Autor und Text dazuliefern. Den Auftakt gibt er: Take: Sven Regener - Musik hoch 0:19 - 0:35 / Autorin: Ja, Sven Regener wird 50. Am 1. Januar geboren in Neue Vahr Süd bei Bremen, kam er über Hamburg nach Berlin. Als Musiker ist er Kult und auch als Autor - mit Sätzen wie diesem: Zitator Ich gehe erst einmal los, dachte er. Der Rest wird sich schon noch irgendwie ergeben. Autorin: 1911 war ein für die Literatur produktiver Jahrgang. Die 100jährigen Jubiläen ziehen sich durchs Jahr und erinnern an: William Golding, Hilde Spiel, Luise Rinser, Tennessee Williams: Zitator: Wie sieht der Sieg einer Katze auf dem heißen Blechdach aus? - Zitatorin: Ich wollte, ich wüsste es ... Dass sie es durchsteht, nehme ich an, solang sie nur kann. Autorin: Dazu ein Filmfoto von ihr natürlich, von Liz Taylor, die neben Paul Newman die Rolle der enttäuschten Ehefrau in der Hollywood-Verfilmung von 1958 spielt. Auch die Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus und Czeslaw Milosz sind Jahrgang 1911, der Ire Flann O'Brian und der Autor von "Stiller", "Homo faber", "Mein Name sei Gantenbein" Zitator: Ich bestreite nicht: Es war mehr als ein Zufall, dass alles so gekommen ist, es war eine Ganze Kette von Zufällen ... Autorin: Max Frisch, ausgebildeter Architekt aus der Schweiz, der einst den Wettbewerb um das Freibad in Zürich gewann und mit großen Absichten in die Literatur eintrat. Der Roman "Stiller" brachte ihm 1954 literarischen Ruhm. Stiller hingegen, als Künstler gescheitert, als Ehemann frustriert, legt sich eine neue Identität zu. Aber seine Verwandlung in einen Abenteurer misslingt. Zitator: Ich kann nicht Stiller sein ... . Take: 7:06 - - 7:25 Max Frisch / 3a / 19'' Hinter dem Ganzen steht natürlich ganz sicher ... ein Glaube, wahrscheinlich sehr altmodisch, sehr bürgerliche, sehr europäischer Glaube an das Individuum, an die Person. ... Ich mein schon, neben dem Leben der Gesellschaft, das Recht auf das Leben des Ich. Musik: Track 2 Autorin: Der literarische Wochenkalender von Artemis&Winkler feiert die Dichter mit ihren Texten ... . Zitator Wer alle Macht hat, muss auch alles fürchten Pierre Corneille Autorin: ... . erinnert anlässlich des 150. Geburtstags von Lou Andreas-Salome an sie als Muse von Rilke und Nietzsche, an den 50. Todestag von Ernest Hemingway, zitiert Don DeLillo; der Autor von "Weißes Rauschen" und "Underworld" wird im November 75. ... . Zitator Für die meisten Menschen gibt es nur zwei Orte auf der Welt. Der, an dem sie leben, und ihren Fernsehapparat. Autorin: ... .und verweist auf Rabindranat Tagore, Anfang August jährt sich sein Todestag zum 70. Mal. Der indische Dichter ist heute fast vergessen, in Berlin Grünau trägt eine kleine Strasse seinen Namen. Hier hat Stefan Heym gelebt, beobachtet von der Staatssicherheit, später in der größer gewordenen Republik, überhört von der Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag, als er als Alterspräsident zu ihnen sprach. Er ließ sich indes nie verbiegen oder den Mund verbieten. Den Biografen kam er zuvor, als er auf 850 Seiten seinen eigenen "Nachruf" in der dritten Person schrieb: Take: 4/ 31'' Stefan Heym - Derjenige, der am meisten über mich weiß, bin ich. Ich dachte, das sollte man vielleicht verwerten. Und ich habe meine Hosen ziemlich weit 'runtergelassen". Autorin: Stefan Heym ist als jüdischer Junge mit Unterstützung von Hilfskomitees nach Amerika geflüchtet und als Soldat in amerikanischer Uniform zurückgekehrt, hat über politische Akteure und Opfer wie Lassalle, Karl Radek und über den 17. Juni geschrieben. Er starb im Dezember 2001, war der älteste unter den deutschen Autoren, deren Tod vor 10 Jahren die Literaturöffentlichkeit überraschte. Im Sommer 2001 starb Einar Schleef, Schauspieler, Bühnenbildner, provokanter Regisseur und Stückeschreiber, der soiziale Konflikte grell ins Scheinwerferlicht rückte. Wenige Monate nach dem Kinderbuchautor Peter Brasch meldeten Agenturen den Tod seines Bruders Thomas, bedeutender Shakespeare-Übersetzer, Dichter. Zur Neuausgabe seines Bandes "Vor den Vätern sterben die Söhne" konnte ich ihn im Deutschlandradio befragen: Take: 5/ Brasch: 30.10. 2001 Um es lax zu sagen, auch wenn es flapsig klingt, dass ich meinem eigenen Schreiben nicht mehr getraut habe. Eine Erzählung oder ein Gedicht wird nicht besser, dadurch, dass sie verboten werden ... Aber, Sie sehen mich viel gefühlvoller oder absichtsvoller, als ich bin. Ich versuch einfach nur, gute Geschichten zu erzählen. Autorin: Thomas Brasch war 31 als er nach Westberlin ausreiste. Er wollte als Buchautor wahrgenommen werden und sich nicht wegen einer Veröffentlichung im Westen kriminalisieren lassen. Leiden an Deutschland - ein weites Feld für Dichter, auch für W.G. Sebald, der 1966 in das Land ging, in dem Thomas Brasch 1945 im Exil geboren wurde. Sebald hat der Bundesrepublik den Rücken gekehrt und lebte als Universitätsprofessor und Autor in England. Im Dezember 2001 kam er bei einem Autounfall ums Leben: Take: 6 Sebald / Sie ist immer eine zwiespältige Beziehung geblieben ... . Man sieht bestimmte Dinge sicher etwas klarer von außen ... .Heimat ist ein Begriff, der sich einem einstellt, wenn man sie nicht mehr hat in aller Regel. Für mich ist Europa, vor allem Frankreich, Belgien, England in vieler Hinsicht vertrauter, als das Land, aus dem ich selbst stamme. Autorin: In ihrem Leben und Schreiben ist deutsche Geschichte, sind ihre Traumata und Hoffnungen, die Sehnsucht nach künstlerischer Unabhängigkeit und sozial gerechter Welt eingegraben. Sebald hat es aus der englischen Perspektive getan, hat Debatten wie die über den Luftkrieg in Deutschland ausgelöst, die Auslöschung jüdischen Lebens beschrieben. Der lyrische Postkartenkalender "Fliegende Wörter" erinnert an ihn. In dieser Aufzählung fehlt ein Gesicht auf den Kalendern: Klaus Schlesinger. Der Autor von Büchern wie "Alte Filme", "Berliner Traum", "Die Sache mit Randow", war Grenzgänger zwischen Ost- und Westberlin, eine Wahl, die ihm stets vorkam wie eine zwischen Pest und Cholera, wie er im Essay "Von der Schwierigkeit, Westler zu werden, schrieb. In einer Literatursendung im kommenden Mai, über die Autoren, die das Todesjahr 2001 zusammengebracht hat, wird auch er, der leidenschaftliche Berliner, zu hören sein. Take: 48'' Schlesinger Bd 1 Ich bin hier in dieser Stadt geboren und die hat mich im wesentlichen geprägt und ich nehm die Stoffe aus der Stadt, was soll ich anderes machen. Musik: Track 11 Autorin: Auch der Aufbau - Literaturkalender geht an den großen Jubilaren nicht vorbei. Zeichnungen, Gemälde, Fotos illustrieren Sentenzen und Zitate. Immer wieder verlässt er die erwartbaren Kalendernamen und -daten und überrascht, zum Beispiel mit dem Meisterschüler von Bertolt Brecht Heinz Kahlau, der im Februar 80 wird. Seine Liebesgedichte strahlten in den DDR-Alltag Zitator Weißt du Weißt du, dass die Pfirsichblüten Innen traurig sind? Sie haben nämlich in der Nacht Geweint, weil sie so Sehnsucht hatten nach dem Wind und nach der Sonne, die doch nachts nicht scheint. Weißt du, dass so auch deine Augen sind? Autorin: Der Wochenplaner aus dem Aufbau-Verlag mit neuem Logo: das kleine weiße a auf grünen Kreis: liefert Kalendersprüche, Aphorismen, Verse in Kurzform für den Schreibtisch Zitator Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben. Andre Gide Zitatorin Aber die größte Begabung ist doch die, auf der Welt sein zu können und es auszuhalten, mit einem gewissen Frohsinn. IIlse Aichinger Zitator Den ersten beißen die Hunde. Heinz Knobloch, Autorin: der gebürtige Dresdner, der zu einem der bekanntesten Berliner wurde als Feuilletonist und Buchautor. Er hat immer auch über die Wunden der Stadt geschrieben hat. Im März wäre er 85 geworden. Take: 9 / 23''Knobloch : Lunch mit Großvätern Bd. 1 Ich bin dem Hitler davongelaufen, hab mich selber befreit. Das ist mir wichtig. Und diese Dresdner Kindheit ... , die endete dann als ich 10 Jahre alt war in Berlin, wo ich eine Minderheit war durch die Sprache in der Schulklasse. Damit verbunden die Demütigungen. Musik: Track 10 Zitator Die Weisheit soll die Klugheit zur Dienerin haben. Jene tront, diese regiert. Autorin: Der Kritiker deutscher Zustände Karl Gutzkow, Autor des üppigen Gesellschaftsromans "Die Ritter vom Geiste" wäre im März 200 Jahre alt geworden. Befreundet mit Heine und Börne, Förderer Georg Büchners, verfeindet mit den Mächtigen, die 1848 die Revolution niederkämpfen ließen, aus Preußen vertrieben und dennoch eine wichtige Stimme des "jungen Deutschland", die im Aufbau-Literaturkalender hervorgehoben wird. Take: 10/ 26''/ Vargas Llosa (span.)-. Ich habe nicht eigens jemand im Sinn, vielmehr einen Jugendlichen, der seine Berufung zur Literatur entdeckt und der sich so fühlt, wie ich mich zwischen 15 und 16 gefühlt habe: konfus, verwirrt, voller Illusionen, ohne zu wissen, welchen Weg nehmen, um die Berufung zu verwirklichen. Autorin: Mario Vargas Llosa. Der Aufbau-Literaturkalender hatte eine gute Wahl und dem diesjährigen Literaurnobelpreisträger zum 75. Geburtstag im März einen Platz reserviert. Auf meiner Tour durch die Kalenderdaten 2011 blättere ich mich abschließend durch thematisch gestaltete Jahresweiser. Der literarische Kalender von ars vivendi 2011 fördert Unterhaltsames übers Lesen zutage: zum Beispiel von Cornelia Funke, Miguel de Cervantes und von Woody Allen, der sich Tolstoi vorgenommen hat. Zitator Ich habe einmal einen Kurs in Schnell-Lesen gemacht und Krieg und Frieden in 20 Minuten gelesen. Es geht um Russland. Zitatorin: Es tut gut an fremden Orten seine Bücher dabei zu haben. Zitator Sein Lesen also verwickelte ihn so, dass er die Nächte damit zubrachte, weiter und weiter, und die Tage tiefer und tiefer hineinzulesen; und so kam es vom wenigen Schlafen und vielem Lesen, dass sein Gehirn ausgetrocknet wurde, wodurch er den Verstand verlor. Autorin Vom literarischen Wand- zum Taschenkalender vom Deutschen Taschenbuchverlag- dtv, der anno 2011 in geheimnisvolle Zukunft blickt. Die thematische Auswahl ist vergnüglich, lässt Wunschträume platzen, blufft, gibt sich bissig und lakonisch zum Beispiel mit Wolf Wondratschek und Bob Dylan. Musik - Bob Dylan - Track 4 / 1:55 Well the future for me is already a thing of the past You were my first love and you will be my last. Zitator: Was die Zukunft angeht, bin ich großzügig und habe ach gerade immer soviel Geld bei mir, um mich aus den Fängen mordlustiger Zigeunerinnen befreien zu können, wenn die sich mir in den Weg stellen, um mir Auskünfte über meine Zukunft anzudrehen. Take: 11 Wolf Wondratschek: A: Ach, alles Irdische ... E: ... Autorin Wolf Wondratschek bei einer Poesienacht von Deutschlandradio in Tutzing. Wenig Utopie, kaum Visionen. Da kommt der Küchenkalender des Arche Verlages ganz recht. Hier wird das Kulinarische wörtlich genommen, werden literarische Zitate mit Rezepten und Bildern gemixt. Rose Ausländers 110. Geburtstag gibt im Januar den Auftakt. Dazu ein Rezept vom Apfeltraum, mit Butter, Mandeln Sahne + Rum, schon beim Lesen sind alle Sinne und Geschmacksnerven auf Empfang. Zitatorin Einladung Auf dem Tisch Äpfel und Wein Blumen zerbrechliche Farben Du bist eingeladen Ich wohne im Haus Nummer Null Den Duft malte Monet Äpfel gereift bei Cézanne Den Wein brachte die Flaschenpost Ich wiederhole Du bist herzlich Eingeladen Autorin: Die Baisertorte stammt aus Truman Capotes "Frühstück bei Tiffany", darin versteckt eine als Wettermeldung verschlüsselte Nachricht an Holly Golightly. Auf Milchrahmstrudel als Nachtisch freuen sich Thomas Bernhard und Klaus Peymann. Aal und Gurkensalat gibt es bei Fontane, George Sand kocht Aprikosenkonfitüre und Klaus Stiller stürzt sich in den Wirtschaftswunderjahren auf "Speckknödel". Sybill Gräfin Schönfeld, die diese Auswahl wiederum zusammengetragen hat, schließt das Jahr mit einem Dessert, das Giuseppe Tomasi di Lampedusa für Il Gattopardo angerichtet hat: Zitator Dort: riesige baba, falb wie Pferdefell; mit Schlagsahne zugeschneite Mon-Blancs; beignets Dauphine, von den Mandeln weiß und den Pistazien hellgrün gesprenkelt; mit Schokoladencremesauce übergossene profiteroles-Hügelchen, braun und fett wie der Humus der Ebene von Catania ... . Musik:Track 13 Autorin Orte. Landschaften erkundet der Arche -Literaturkalender 2011 und erhielt für die Bild-Text-Montage ebenfalls eine Medaille des Kalenderclubs. Das Rennen macht Paris, hier meint Franz Hessel im Hotelzimmer die ganze Stadt in seiner Stube zu haben, auch James Joyce erklärt seine Zuneigung, Paris ist die Stadt von George Perec. Lieblingsschauplatz für Andre Gide ist eine Oase. Für ihn ist es der weltabgewandte Bauernhof - Zitator Mein Hof verbirgt, was ich tue. Ich habe ihn zugemauert, ich habe mich eingemauert. Mit recht. Mein Hof schützt mich. Ist er mir unerträglich, laufe ich, fahre ich weg, denn die Welt steht mir offen. Take: 12 / 26'' Bernhard Die glauben, sie schreiben ein Buch und es liest die Omi und der Opa und der blöde Germanist, nicht. Das wär zu wenig. Ausstrahlen: und zwar nicht nur weltweit, sondern universell, jedes Wort ein Treffer, jedes Kapitel eine Weltanklage und alles zusammen eine totale Weltrevolution bis zur totalen Auslöschung. Autorin Thomas Bernhard. Was davon auf dem heutigen Theater noch zu spüren ist, erkunden wir zu seinem 80. Geburtstag im Februar bei Schauspielern und Regisseuren, allen voran Klaus Peymann, der Bernhards Stücke uraufgeführt hat und mit dem Dramatiker - wie wir gehört haben - Milchrahmstrudel gegessen hat. Der Arche Kalender erzählt von verlorenen und wiedergefundenen Orten, von Lust- und Sehnsuchtsorten und von merkwürdigen Begegnungen. Aus Ascona schreibt Franziska von Reventlow: Zitatorin ... Die erste Begegnung war ein alter Russe, der berlinisch sprach, in einem Glashaus wohnte und Pfefferminztee kochte und mich über Wohnungen orientierte Musik: chilen. The Andes /Track 10 Autorin Pablo Neruda - liebte sein Steinhaus in Isla Negra an der südchilenischen Küste: Take: 14 Neruda CD Track 1 (chilen.) Zitator: ... Ich heiße Pablo Neruda ... Ich komme von der Isla Negra, wo mein Haus steht, und ich bitte Dich um die Erlaubnis, in Deine Wohnung eintreten zu dürfen, um Dir meine Verse vorlesen zu dürfen ... Musik: The Andes Track 8 / Track 10 Autorin In Isla Negra erinnert bis heute alles an den Dichter. Fernando Pessoa mag die Schwermut an den Kais von Lissabon, Literaturnobelpreisträger Nagib Machfus die Altstadt von Kairo, Ulrich Plenzdorf zog es in die Uckermark nahe Berlin. Theodor Fontane, Romancier, Lyriker, Reisender und über 20 Jahre Theaterkritiker der Vossischen Zeitung beschreibt ein ambivalentes Gefühl, wenn er seinen Arbeitsplatz im königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt einnahm: Zitator ..ich nahm meinen Kritikerplatz ein. Dies war damals Nummer 23. Schon eine merkwürdige Zahl ... . Es war nämlich kein eigentlicher Parkettplatz, sondern nur ein Annex, ein Vorposten, ein Fort, man könnte auch sagen ein Sperrfort und wuchs, ganz in die scharfe Ecke zwischen Prosceniums- und Parkettlogen hineingebaut ... Knierempeleien waren also was ganz Alltägliches. Das Hässlichste war die Abgesondertheit. Autorin Wir verlassen den Vorposten Nr. 23 und vorab mit Goethe das Jahr, bei dem ich zum 1. Januar im Artemis&Winkler-Taschenkalender diesen Vierzeiler fand Zitator Im neuen Jahre Glück und Heil, Auf Weh und Wunden gute Salbe! Auf groben Klotz ein grober keil! Auf einen Schelmen anderthalbe! Musik: Track 3 - 2:30 (kurz) LIZENZMELDUNG LESUNG Titel der Sendung: "Literarische Zeitansagen" Autor der Sendung: Sigried Wesener Sendedatum: 14.12.2010 QUELLENANGABEN Autor Titel des Buches Verlag Ersch . Jahr Übersetzer Lyrik/ Zeilenanz./ Zeit in Min. Mayröcker, Friederike aus: Ges. Gedichte "Meine Mutter mit den offenen Armen" Suhrkamp 2004 L 8Z Nekrasow, Wsewolod aus:Das darf sich nicht wiederholen "Das darf sich nicht wiederholen" Verlag Helmut Lang 2011 G. Hirt u. S. Wonders L 8 Z Borchers, Elisabeth aus: Die Meisengeige "Über den Igel Hanser 1964 L 6 Z Kahlau, Heinz aus: Du "Weißt Du" Aufbau-Verlag 1971 L 10 Z Ausländer, Rose aus: Dies. Im Ascheregen die Spur Deines Namens "Einladung" S. Fischer 1976 L 12 Z Wodratschek, Wolf Literarischer Kalender dtv 2011 P 3 Z Tomasi di Lampedusa, Giuseppe "Der Gattopardo" Piper 1959/ 2004 Gio Waeckerlin P 4 Z Williams, Tennessee "Die Katze auf dem heißen Blechdach" S. Fischer 1989 Joris van Dyck P 3 Z Kalender 11 18