COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Eine wackelige Angelegenheit Erdbebenschwärme im Südwesten Sachsens Autorin Claudia Altmann Redaktion Claus Stephan Rehfeld, Reportage & Hintergrund MOD 05.01.2012 - 13.07 Uhr Immer wieder überziehen Schwarmbeben das Vogtland. Im Herbst 2011 gab es schon mal mehrere Tausend Stöße pro Woche, teilweise über Stärke 4. Und war noch in Leipzig zu spüren. Was für die Bewohner eine lästige Erscheinung ist, das ist für Wissenschaftler ein für Europa außergewöhnliches Phänomen mit einmaligen Bedingungen für die Forschung. Claudia Altmann informiert uns. LR Erdbebenschwärme / Altmann ? 19?25? Heike Popp Mittwochmittag, um zwölf oder halb eins war mein Hund ganz unruhig und hat sich verkrochen und gejault und dann hab ich auf?m Balkon gemerkt, dass es ganz schön vibriert. Das war eigentlich das stärkste. Und dann war in der Nacht immer wieder mal. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag war?s so schlimm, dass die Gläser im Schrank geklirrt haben und Schmuck auf?m Nachttischl hat so leicht vibriert und geklimpert. Und da wird?s einem schon bissl unheimlich. Wir wohnen im vierten Stock im Neubau. Das war gruselig. Sprecher Taxifahrerin Heike Popp wohnt seit ihrer Kindheit im Kurort Bad Brambach an der tschechischen Grenze und ist es eigentlich gewöhnt, dass es immer mal wackelt. Aber was sie in der letzten Augustwoche vergangenen Jahres erlebt hat, war schon besonders heftig. Seitdem überziehen Schwarmbeben das Vogtland. Die Seismographen registrierten in den Hochzeiten im Herbst sogar Stärken 4 auf der Richterskala. Bis ins 120 Kilometer entfernte Leipzig wurden die Erdschwankungen wahrgenommen. Heike Popp Wenn?s so langsam grollend kommt und dann Rums und dann isses wieder weg. Das ist immer ein, zwei Sekunden. Aber es kommt einem halt ewig vor. Am schlimmsten war?s 1985. Da war?s am allerschlimmsten. Da war?s so, dass in Eger Häuser Risse gekriegt haben, die Straßen Risse gekriegt haben. Da war?s richtig lange, mehrere Sekunden und das war schon unheimlich. Da war?s oft so ? da war ich ja noch Kind ? dass wir dann auf die Straße naus sind, weil?s uns im Haus zu gruslig war. Sprecher Wie damals liegt auch das Epizentrum der jetzigen Beben zehn Kilometer östlich jenseits der Grenze im tschechischen Novy Kostel. In Sachsen werden die Bewegungen mit einem Stationsnetz durch Messungen des Grundwasserspiegels und von Veränderungen der Erdoberfläche beobachtet. Räumlich spielt sich das Naturereignis immer wieder im selben Gebiet ab, erklärt Dr. Ottomar Krentz vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Ottomar Krentz Aktivität im Vogtland beschränkt sich auf einen mehr oder weniger Nord-Süd-streichenden Abschnitt, der ca 20 Kilometer breit ist. Wir nennen die Zone ?Regensburg-Leipzig?, weil sich hier die Erdbebenaktivität scheinbar konzentriert. Und so alle 200 bis 300 Jahre treten doch recht heftige Beben auf in Sachsen. Ziemlich starke Schwarmbeben hatten wir Anfang des 20. Jahrhunderts. 1902, 1908, 1912 war?s gewesen. Sprecher Ein besonders großes mit Stärke 6 erschütterte im Winter 1872 Mitteldeutschland bei Gera. In Kirchenbüchern aber ist erstmals schon 823 die Rede von einem Erdbeben. Chronisten berichten von mehr als 20 zwischen den Jahren 1000 und 1675. Sie wurden von den Menschen im Erzgebirge als Zeichen göttlichen Gerichts und bevorstehender Strafen gesehen. Durchaus nachvollziehbar, wirft man einen Blick in alte Quellen, die die Empfindungen der Menschen angesichts des für sie Unerklärlichen beschreiben. Sprecher 2 Ostertag 1552: ?grausame Erschütterung der Erden?, Dauer: 4 Tage nacheinander (bis zum Donnerstag), Tag und Nacht, 10 Mal ?daß zu Freyberg / im Joachimsthal / und auch in Bergstädten hier die Fenster in Häusern zerschellet und gebrochen / und die Steinfelsen erschüttert / ja die Schlösser an der Eger und Wolkenstein sich so bewegt / daß darinnen etliche Gefässe umgefallen. Sprecher 3 15.11.1674 - Beben Tag und Nacht und dauerte 3 Wochen, ?dann und wann / daß die Fenster klirreten / das Bier in Gefässen auff dem Tische sich bewegte / und die Fässer fortkugelten. In Schächten und Berg-Gruben fieng es an zu röhren / und erschreckte die Bergleute / daß sie eilends ausfuhren / hat auch damahls das Gebirge auff Strecken und Stöllen so erschellet / daß darauff etliche Schächte verstürtzet / und ein Steiger zum Breitenbrunn in der Grube erschlagen worden.? Sprecher 2 02.06.1694 - Erdbeben vormittags 9 Uhr zwischen Johanngeorgenstadt und Eibenstock von Bergleuten erlebt und erzählt, danach eine große Wasserflut, Regen und Sturm, wobei auch aus der Erde viel Wasser hervordrang. Sprecher 3 15.09.1590 - ?ist allhier, ja gantz Meisen ein schrecklich Erdbeben gewesen: Hat unter andern allhier den Kirchthurm dermaßen beweget, daß das Häwerglöcklein am Holtze angestossen.? Atmo Kirchenglocke Sprecher Inzwischen weiß man mehr über den Ursprung des Naturphänomens. Aber völlig klar sind die Ursachen noch nicht, erklärt Professor Frank Krüger vom Erd- und Umweltwissenschaftlichen Institut der Uni Potsdam. Frank Krüger Also das eine ist, dass wir es tatsächlich mit einem alten, vielleicht absterbenden Vulkanismus zu tun haben, oder mit einem der nur auf sehr langen Zeitskalen immer mal wieder aktiv wird. Es gibt ja hier auch heutzutage noch vulkanische Resterscheinungen. Es gibt auch zwei kleine Vulkankegel hier in der Nachbarschaft und es ist möglich, dass hier doch noch ne gewisse Aktivität im Untergrund ist. Darauf deuten auch gewisse geochemische Messungen hin, die hier gemacht worden sind. Sprecher Von diesen Aktivitäten zeugen Fluide, vor allem Kohlendioxid und Helium, die hier aus dem Erdinneren aufsteigen. Die Hauptursache für die Beben aber liegt weit weg: Druck vom Nordatlantischen Rücken und von den Alpen bringen hier Phyllit, Glimmerschiefer und Granit zum Knacken. Frank Krüger ?so dass hier ein sehr kompliziertes tektonisches Geschehen sich abspielt von Zeit zu Zeit. Auch dafür gibt es Belege. Wir finden praktisch nach Norden von diesem Gebiet hier aus fortziehend die so genannte Gera-Jachymov-Störung, die auf jeden Fall bis Richtung Leipzig eventuell noch sehr viel weiter nördlich zieht, die auch in der Vergangenheit zum Beispiel bei Gera eben das Mitteldeutsche Erdbeben produziert hat, das das schon fast Magnitude 6 erreicht hatte. Und die endet im Grunde genommen im Moment hier und es könnte sein, dass wir es eben auch mit nem Störungskopf zu tun haben, der Richtung Süden sich sozusagen gerade ausbreiten möchte. Sprecher Bislang hat die Natur die Menschen sieben, acht Jahre in Ruhe gelassen. Es dauert seine Zeit, bis die Spannungen im Gestein wieder aufgebaut sind, ehe sie sich erneut entladen. Aber der letzte Erdbebenschwarm mit etwa 10.000 Stößen liegt erst drei Jahre zurück. Dies, zusammen mit der relativ großen Magnitude hat die Wissenschaftler um Professor Krüger aufhorchen lassen. Nicht zum ersten Mal, denn sie beobachten die Region schon lange. Frank Krüger Diese hier vorkommenden so genannten Schwarmbeben, also dass man so episodenhaft im Abstand von einigen Jahren ? ich sag jetzt mal ? Ausbrüche von Seismezität hat, wo dann in weinigen Wochen mehrere Tausend Ereignisse dann stattfinden, das ist schon ziemlich außergewöhnlich. Das kennt man an sich meistens ? würde ich mich trauen zu sagen - nur im Zusammenhang mit vulkanischen Erscheinungen. Dass das aber mitten in einem stabilen Kontinent stattfindet, ist schon was ausgesprochen Außergewöhnliches. Atmo Schritte im Gras und Schaufeln Sprecher Um herauszufinden, was diese Besonderheit auslöst, warum die Erde hier dauerwackelt, haben die Wissenschaftler etwa 20 Messstationen in den Bad Brambacher Boden eingebuddelt. Frank Krüger Man hat hier ein Seismometer. Dann hat man hier ein Datenaufzeichnungsgerät. Also da wird praktisch das, was jetzt an Signalen aus dem Seismometer kommt, digitalisiert und schließlich hier auf ne Festplatte dauerhaft weggeschrieben. Hier haben wir noch einen GPS-Empfänger, damit wir ne genaue Zeit und Ort ? aber hier kommt es hauptsächlich auf die Zeit an - genaue Zeitgebung haben. Und dann die Stromversorgung und das zusammen macht die Station aus. Sprecher Die Stationen werden an ruhigen Orten wie hier auf der großen Rasenfläche hinter dem Einfamilienhaus von Ralf Schüller aufgebaut. Der Mittvierziger sieht die Sache eher gelassen. Und das, obwohl sein Haus im Ortsteil Rohrbach schon 1850 und damit garantiert nicht erdbebensicher gebaut wurde. Ralf Schüller Naja, es wackelt halt, ja. Es kommt angerollt wie beim Kegeln, macht einen großen Schüttler und rollt wieder weg. Ich fühl mich nicht schlecht, ich hab auch keine Angst. Aber ich glaub, die älteren Herrschaften haben schon ein bissl Schiss. Sprecher Sein Bruder Jürgen dagegen wohnt mitten in Brambach und sein Haus steht direkt auf felsigem Untergrund. Bei ihm rumpse es viel kräftiger, erzählt er. Die Anwesenheit der Potsdamer Wissenschaftler findet er spannend und er packt die Gelegenheit beim Schopfe, um mehr zu erfahren. Frank Krüger u Jürgen Schüller Schüller: Jetzt muss ich mal blöd fragen: Die Stationen, brauchen sie da im Umkreis viel Ruhe oder? Krüger: Ja, insbesondere Autos und auch Maschinerie, wenn jetzt Pumpen oder so was laufen. Wasser und so was ist eigentlich ein bisschen problematisch. Aber hier ist es eigentlich ganz günstig. Sprecher Schüller lässt sich vom Experten die tektonischen Besonderheiten erklären, der dabei auch gleich mit kursierenden Falschthesen aufräumt. Frank Krüger und Ralf Schüller Krüger: Und es kann sein, dass der alte Vulkanismus noch ne Rolle spielt. Schüller: Weils mal hieß, war auch mal in der Zeitung gestanden, dass da eine Magmablase drunter ist. Krüger: Das würde ich mir nicht so vorstellen, dass da ne richtige Vulkankammer oder so was druntersitzt. Ich stells mir eher so vor, dass wir hier so viele tektonische Störungen haben, dadurch ist das Material geschwächt und dadurch kann dann auch mal was von unten so ein bisschen hochsteigen. Aber das wird kein großräumiger Vulkanismus sein. Das sind die Ausgasungen, die wir da haben und alle 10.000 Jahre kommt auch mal ein kleiner Schlackenbühl oder Eisenbühl da hoch. Das ist eigentlich das, was hier passiert. Sprecher Außerdem informieren die Potsdamer Forscher die Bewohner Brambachs per Handzettel darüber, was sie hier eigentlich machen. Uns erklärt es Krüger so: Frank Krüger Also was wir hier aufbauen ist ne spezielle Einrichtung, also ein dicht gesetztes Stationsnetzwerk. Man nennt so etwas ein seismologisches Array. Man kann sich das am besten vorstellen wie eine Richtantenne. Wir können also auch sehr sehr kleine Signale damit auch deutlich dann aus der Bodenunruhe heraus stapeln, so nennt man das, indem wir Spuren summieren und entsprechend filtern und bearbeiten. Wir können auch ? so hoffen wir zumindestens ? sehr kleine Phasen detektieren, die uns Aufschluss geben über kleine Veränderungen im Quellgebiet selber. Sie können sich vorstellen, wenn sich das Material da so ein bißchen rearrangiert, werden Wellen, die dieses Material durchlaufen auch etwas anders gestreut. Und wir hoffen insbesondere im Vergleich mit den Messungen, die wir 2008, 2009 gemacht haben, dass wir da leichte Veränderungen sehen und finden können. Sprecher Die Forschungen haben aber auch einen höchst praktischen Nutzen, nicht nur für die Vogtländer. Frank Krüger Also was wir jetzt unmittelbar hier machen, ist eigentlich Grundlagenforschung. Also wir versuchen, mehr über praktisch Erdbebenauslösung herauszufinden. Es gibt allerdings einen Aspekt, der hat tatsächlich, wenn Sie so wollen, ne richtig schadensrelevante Bedeutung. Es ist so, dass es eigentlich relativ wenige Aufzeichnungen weltweit gibt, von so genannten Festgesteinsstandorten und kleineren Beben im Nahbereich der Erdbeben, also über die Bodenerschütterungen im Bereich von kleineren Beben. Und es kann eben schon durchaus sein, dass ein Magnitude-4-Beben eben doch auch kleine Schäden macht. Und das haben wir bereits vervollständigen können mit diesen Messungen 2008, 2009. Und jetzt ist gerade um Novy Kostel ein etwas nördlicher gelegenes Erdgebiet aktiv. Da können wir also diese Erschütterungsmessungen jetzt auch noch ergänzen und dann zu Modellen weiterverarbeiten, die dann auch weltweit tatsächlich genutzt werden können. Sprecher Gut zwei Monate ? von September bis Anfang November ? haben die Geräte jede Bewegung registriert. Inzwischen sind die Stationen abgebaut, werden die Daten ausgewertet. Beobachtet wird aber weiter und zwar durch die Physiker des Sachsennetzes. Dessen erste Station wurde am 2. August 2000 im Vogtland eingerichtet. Das Datum war gut gewählt, ohne es zu wissen, erinnert sich Dr. Siegfried Wendt, vom Geophysikalischen Observatorium Collm bei Oschatz. Siegfried Wendt Das war also vier Wochen bevor der große Schwarm 2000 begann, der also bis in den Dezember gegangen ist und wo wir 10einhalb Tausend Beben registriert haben. Damit war die Station Wernitzgrün die nächste deutsche Station überhaupt die nächste zum Herd in Novy Kostel mit etwa zehn Kilometer Herdentfernung und wir haben systematisch in den nachfolgenden Jahren weitere Stationen aufgebaut. Haben jetzt also zehn Stationen in der Region stehen. Und haben damit natürlich exzellente Registrierbedingungen dadurch, dass wir sehr dicht am Herd dran sind. Der Herdabstand nur wenige Kilometer. Der Stationsabstand nur zehn bis 15 Kilometer . Das sind - sag ich jetzt mal so aus Spaß - südkalifornische Verhältnisse. Sprecher Kein Vergleich zu den vorher 130 Kilometern Entfernung bis zur Schwarmgegend. Siegfried Wendt Und damit können wir natürlich sehr genaue Aussagen machen über die Herdtiefe überhaupt über die Lokalisierung, denn letzten Endes wollen wir natürlich wissen: Wo sind die Verwerfungen und wo sind die gefährlichen Linien, auf denen sich etwas verschiebt, wo man natürlich schon auch vorsichtig sein muss mit erschütterungssensiblen Bauwerken wie Staumauern. Wenn die also grad draufstehen, haben die natürlich schon ein gewisses Gefährdungspotential. Sprecher Die Erdbebenwarte gibt es seit 1932 und sie registriert rund um die Uhr von Neujahr bis Sylvester alle geophysikalischen Ereignisse in der Region. Dazu dient ein in einem Bunker in 300 Meter Tiefe installiertes digitales Breitbandgerät. Die in Collm und den anderen Stationen gewonnenen Daten sind sofort online verfügbar, werden ausgewertet., hier sowie in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover archiviert und sind weltweit abrufbar. Siegfried Wendt, der seit 33 Jahren auf dem Collmberg arbeitet, hat in dieser Zeit mehr als eine Revolutionierung der Datenerfassung erlebt. Dennoch ist er voller Respekt für die Arbeit der Altvorderen. Bevor die ersten Seismografen zum Einsatz kamen, war man auf die menschliche Wahrnehmung angewiesen. Aber die Forscher wollten die untypischen Bodenbewegungen für die Wissenschaft brauchbar registrieren. Die Lösung fand im neunzehnten Jahrhundert der Begründer der sächsischen Geologie, Herrmann Credner. Siegfried Wendt Da hat also Credner den genialen Gedanken gehabt, die Bahnbeamten zu beauftragen, dass das, was sie an Erschütterungen gespürt haben, an eine zentrale Stelle mitzuteilen ist. Das hatte den Vorteil, dass man also flächendeckend eine große Region überblickt hat. Die Bahnbeamten hatten alle Telefon. Es waren von Natur aus ordentliche Menschen, waren ja Beamte, und hatten auch genaue Uhrzeit. Das war zuverlässiger als wenn man auf die zufällige Meldung von Personen angewiesen war, die es mal gemeldet haben und mal nicht. Sprecher Besonders stolz ist Wendt auf eine historische Besonderheit der abseits im Wald liegenden Erdbebenwarte. Atmo Schritte zur Station u Tür Etwa 100 Meter vom weißen Hauptgebäude entfernt steht seit 1935 ein Wiechert-Seismograph. Das mechanisch mit einem Horizontalpendel funktionierende Gerät ist das weltweit älteste seiner Art, das immer noch schreibt und schreibt und schreibt. An seinem ersten Standort in Leipzig hatte es kurz nach der Inbetriebnahme 1902 sein erstes Fernbeben auf den Molukken registriert. Seit 1923 zeichnet es lückenlos alle Zuckungen unseres Planeten auf. Die beiden Nadeln des fleißigen Museumsstückes streichen wie eh und je über Rußpapier, das immer wieder neu hergestellt werden muss, erklärt die technische Mitarbeiterin der Warte, Petra Buchholz. Petra Buchholz Jetzt nehm ich die zusammengeklebten Streifen. Hier kommt eine Rolle rein als Gegengewicht. Und jetzt wird das ganze über der Flamme gleichmäßig bewegt, über dem Kerzendocht. In den Behälter ist Petroleum eingefüllt und dieses Petroleum erzeugt eine schöne dunkle Rußschicht und die muss gleichmäßig aufgebracht werden?. Ruß wird eigentlich deshalb verwendet für dieses Gerät, weil nämlich der Reibungseffekt noch am geringsten ist im Vergleich mit einer Registrierung bei der Tinte verwendet wird. Sprecher Die älteste originale Aufzeichnung ist 100 Jahre alt und dokumentiert ein Beben in Zentralasien. Aber die Warte hat noch mehr Außergewöhnliches zu bieten. Petra Buchholz zeigt in einem Schaukasten auf einen ziemlich weit oben hängenden Streifen. Petra Buchholz Das Auflegedatum werden Sie nicht so ohne weiteres erkennen können bei diesem Wiechert-Streifen, aber es ist das Beben von Nordsumatra am 26. 12. 2004, das hier registriert worden ist. Und das Beben ist so stark gewesen, dass auf dem Streifen die Nadel abgeworfen worden ist. Also die Registrierung endet irgendwann mal, weil der nämlich der Zeiger aus den Gelenken, also aus diesen Pfannengelenken gesprungen ist nach einer dreiviertel Stunde. Sprecher Von derartig katastrophalen Beben wie diesem mit Stärke 9,1 und 230.000 Toten bleibt Sachsen verschont. Aber immerhin werden hier selbst in ruhigen Jahren bis zu 600 Beben registriert. In diesen Tagen aber kommt Siegfried Wendt aus dem Arbeiten gar nicht raus. Kein Tag ohne Beben. Ein richtig ausgewachsener Schwarm, sagt er. Anhand einer dreidimensionalen Computeranimation erklärt er die Schwarmbeben von vor drei Jahren. Viele grüne, gelbe, lila, orange und rote kleine und große Punkte drängeln sich auf dem betroffenen Areal. Siegfried Wendt Wir haben also bei dem vorhergehenden Schwarm 2008/2009, da hab ich mal ne Animation zusammengestellt, wo man wirklich sieht, wie der Herd gewandert ist. Er ist also vom Süden, vom Südwesten nach Norden gewandert bei gleichzeitiger Verringerung der Herdtiefe. Also es ist ganz systematisch eine Migration zu beobachten gewesen. Und diesmal ist es komplizierter. Diesmal haben wir also ein ziemliches Gemisch von verschiedenen Herdvorgängen, also insbesondere dem auf der Südost-Nordwest streichenden und dazu senkrechten Linie. Aber es gibt durchaus auch den Trend, dass es also eine richtige Migration zeigt. Das ist also auf jeden Fall drin. Sprecher Auch nach den jetzigen Schwärmen werden solche Bilder entstehen. Siegfried Wendt Das ist typisch für Schwärme. Es ist also zeitlich konzentriert und es ist räumlich konzentriert. Das ist also ein ziemlich eng zusammenhängendes Gebiet. Wobei es eben so ist, dass bei einem so großen Schwarm durchaus eine ganze Linie nachher besetzt ist. Wir haben also eine Verwerfungslinie, die so vom Südosten nach Nordwesten zeigt. Und dann gibt?s ? das ist bemerkenswert ? dazu senkrecht oder fast senkrecht dazu noch eine kleine Linie, wo also auch Verwerfungen wirklich sind. Wir haben also durchaus dazu auch senkrecht noch einen Bruch, der also ganz dicht besetzt ist, wo man durchaus sagen kann, also hier ist ein neuer Bruch entstanden praktisch. Sprecher Und diese Erkenntnis könnte Auswirkungen auf die Bauten und die Verlegung unterirdischer Versorgungsleitungen in dieser Gegend haben. Aber so weit ist es noch nicht. Gedanken um die Sicherheit ihrer Wohnhäuser müssen sich die Menschen im Vogtland allerdings nicht machen. Auch wenn Heike Popp leichte Zweifel hat, wenn sie an ihren Neubau denkt. Heike Popp Eigentlich heißt es immer, er ist erdbebensicher gebaut. Aber die sind vor der Wende gebaut worden. Ich weiß nicht, ob?s da überhaupt so was schon gab. 88 so. Ich weiß es net, ob man sich darauf verlassen kann. Sprecher Laut Behörden kann man sich darauf verlassen. Schon seit DDR-Zeiten wird im Vogtland erdbebensicher gebaut. Die älteren Häuser können versichert werden. Die traditionellen Fachwerkhäuser sind wegen ihrer Elastizität ohnehin nicht einsturzgefährdet. Schlaflose Nächte werden die Brambacher indes in den nächsten Jahren wohl weiter haben. Jürgen Schüller Nicht, weil es irgendwie beunruhigend ist oder was. Aber wenn dir alle Viertelstunde einer gegen?s Bett latscht, das nervt. Und wenn dann mal bissl länger Ruhe war, denkste: Isses vorbei? Dann kommste a nicht zum Schlafen und dann kommt der Nächste. -ENDE Beitrag Altmann- MOD Eine wacklige Angelegenheit. Erdbebenschwärme im Südwesten von Sachsen. Claudia Altmann hatte das Thema fest im Griff. Morgen dann im Länderreport ab 13.07 Uhr : Ländersache Kultur. Die Kulturpolitik der Länder. Eine neue Reihe im Länderreport. Zum Auftakt wirft er einen Blick auf das Verhältnis von Bund und Ländern in Sachen Kulturpolitik. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-