COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt 5.7.2008 Haubentaucher, Schnatterente und die Diepholzer Moorschnucke Naturpark Dümmer See Von Paul Stänner Musik Titelmusik Oton Müller: Die Schafe, haben so 'ne Art an sich, man kann nicht mehr weg von denen. Musik Titelmusik Oton Hacke: Der Dümmer hat jede Menge Fische noch Musik Titelmusik Oton Lindemann: Wenn mich früher einer gefragt hätte oder gesagt hätte, ja Du wohnst mal mit deinen Schwiegereltern zusammen und mit deiner Schwiegeroma zusammen, hätte ich gesagt, Nee! Glaub ich nicht! Musik Titelmusik Oton Schomaker: Der Haubentaucher ist der bekannteste Vogel auf dem Dümmer, man braucht nur einem mit dem Tretboot oder Ruderboot oder Segelboot rausfahren, den Haubentaucher trifft man überall. Musik Titelmusik Sprecherin v.D. Haubentaucher, Schnatterente und die Diepholzer Moorschnucke Der Naturpark Dümmer See in Niedersachsen. Eine Deutschlandrundfahrt mit Paul Stänner Regie Wellengeplätscher, Archiv Autor In Niedersachsen, zwischen Osnabrück und Bremen, liegt der Dümmer See. Man muss zugeben, als Binnengewässer ist der Dümmer nicht so richtig beeindruckend. Er erstreckt sich über 5 Kilometer von Nord nach Süd und über dreieinhalb Kilometer von West nach Ost, hat aber nur eine Tiefe von einem bis eineinhalb Metern. Wenn es Ihnen also zu langweilig werden sollte, in Ihrem Tretboot die Pedale zu treten, dann können Sie einfach aussteigen und schieben. Bei der Gelegenheit nehmen sie gleich ein Schlammbad, was gut ist für die Gelenke. Um die Segelboote müssen sie sich keine Sorgen machen. Segelbootkapitäne auf dem Dümmer sind sehr umsichtige Navigatoren, weil sie beständig in der Gefahr sind, im Schlick stecken zu bleiben. Sie können also in Ruhe ihr Boot schieben. Kümmern sie sich nicht darum, dass Sie einen komischen Eindruck machen. Sie sind Tourist. Sie dürfen das. Musik 1: RinneRadio feat.Wimme: Aromaa alt too K: Tapari Rinne RCA, LC-Nr. 316, 668752-2 Autor Der Dümmer See liegt inmitten einer ausgedehnten, zum größten Teil kultivierten Moorlandschaft. Eine dieser Landschaften ist das Rehdener Geestmoor. Der Blick geht weit über das Land. Weit weg am Horizont stehen Bäume und die weißen Spargel der Windkraftanlagen. Davor ragt wenig in die Höhe, eigentlich nur: Simone Müller. Müller Ich stamme eigentlich aus Berlin, 83 bin ich da weg, Schäferei gelernt, in Mecklenburg damals --- Autor Simone Müller ist schlank, hoch gewachsen und macht einen kraftvollen, zähen Eindruck. Unter die linke Achsel hat sie den Schäferstab mit dem Fanghaken geklemmt, auf den sie sich bequem abstützt. Den linken Fuß hat sie locker beiseite gestellt und so steht sie unbewegt wie eine Statue in der Ereignislosigkeit des Hochmoores. Warum Schafe? Müller Das ist so. Die Schafe haben so 'ne Art an sich, das sagt fast jeder Schäfer, wenn man einmal Schafe hatte, man kann nicht mehr weg von denen. Man kann dat nicht wirklich erklären, das ist wirklich ein Beruf. Autor Als Großstädter schweigt man staunend. "Das Schaf hat so'ne Art an sich" ...Vielleicht 50 oder 60 Meter entfernt döst die Herde von ca. 350 Tieren in der Mittagshitze. Es sind - und bleiben noch über die nächsten Stunden - mehr als 30 Grad. Mensch und Tier sind damit beschäftigt, sich still zu verhalten. Im Normalfall ist der Schäfer, die Schäferin, allein mit der Herde. Der, der es nicht kennt, fragt sich, was geht einem den ganzen Tag so durch den Kopf, wenn man so über seine Schafe schaut? Müller Nicht wirklich was. Klar, man beschäftigt sich mehr mit seinen eigenen Gedanken und ist nicht abgelenkt durch die Situation, die man hier draußen hat, man kann sich ja nicht so wie andere, die einen Fernseher einschalten oder Radio, man muss sich hier mit seinen eigenen Problemchen beschäftigen und denkt dadurch vielleicht andere Dinge zu Ende als andere das tun und ist dadurch vielleicht ausgeglichener als Stadtmenschen. Autor Um uns liegt schweigend das Moor. Der Bewuchs ist flach und eintönig, aber dicht. Gräser blühen, ein paar verkümmerte Birken, die zuviel Wasser an den Wurzeln hatten, krümmen sich wie Skelette, die ihren Tod nicht akzeptieren wollen. Gelegentlich erschallen Kuckucksrufe. Müller Im Moment les ich gerne so Fantasie-Romane, in die Richtung, "Herr der Ringe" und so ne Sachen. Autor Vor uns liegt ein Tümpel mit klarem Wasser und moosigen Rändern. Er erinnert an Szenen aus dem Film "Der Herr der Ringe". In einer Episode trieben in solchen Gewässern bleiche Leichen. Das wiederum halten wir Touristen für das typische Bild des Moores: Wasser, butterweicher Untergrund und Moorleichen. Is' nicht, sagt Simone Müller mit dem Dialekt aus Berlin-Hohenschönhausen. Regie Atmo Grasrupfende Schafe Müller Hier bei uns nicht: Wir sind ja hier eine Hochmoorregion, d.h., das ist ein Torfboden, da kann man nicht so wie in einem Niedermoor, wo man dann einsackt und reingesaugt wird, das geht bei uns nicht. Hier gibt's zwar schon Wasserstellen, die sehr modrig und wo Schafe mal stecken bleiben können, aber das liegt dann nur an der Anatomie der Tiere, weil sie halt so dünne Beinchen haben. Autor Was das Schaf an sich eher ungeeignet für morastigen Untergrund macht. Andererseits sind die beiden Rassen Bentheimer Landschaf und Diepholzer Moorschnucke, die hier das Gras niedrig halten, spezielle Rassen für wenig ergiebige Böden. Mit entsprechend geringer Ausbeute, max. 40% des Tierkörpers sind verwertbar. Das Bentheimer beispielsweise liefert eine Wolle, die man als ökologisch sinnvolles Isoliermaterial nutzen, aber nicht zu Pullovern verstricken kann. Und viel Fleisch kommt auch nicht zusammen. Beide sind vom Aussterben bedrohte Rassen, die über Stiftungen und ökologische Zuchtprogramme am Leben erhalten werden. Müller Die Moorschnucke, die sind noch etwas kleiner, die Tiere, und damit auch noch weniger Fleisch, aber die sind halt noch etwas anspruchsloser als die Bentheimer und damit für diese Moorregion noch geeigneter, weil die noch etwas anspruchsloser sind und speziell für diese Moorregion gezüchtet wurden. Autor Auf die Schnucke kommen wir später noch. Sie als Tourist in dieser Region werden sie schätzen lernen. Regie Hundehecheln, Kuckucksrufe aus Archiv Autor Zu Simone Müllers Füßen hecheln zwei Hunde - Valdes, ein alte, erfahrene Hütehündin, und Hummel, ihre Enkelin. Mit schwarzem und braunem Fell sehen sie aus wie geschrumpfte Polizeihunde. Hummel ist noch in der Ausbildung, aus ihr soll noch einmal eine zuverlässige Hütehündin werden. Im Moment ist sie noch das, was der Volksmund korrekt als jungen Hund bezeichnet - sie ist neugierig, schnuppert umher, fällt in der Hitze platt ins Gras, springt wieder auf und langweilt sich zu Tode, weil alle Schafe schlafen. Grundsätzlich ist es so, dass die Schäferin das Leitschaf abgibt, dem die Herde folgt, während die Nachzügler, von denen ich bisher gedacht hatte, es seien die Dicken und die Faulen, von den Hunden getrieben werden. Es sind aber nicht die Dicken und die Faulen. Müller Genau, diesen Spruch, den Letzten beißen die Hunde, der kommt von der Schäferei. Weil ganz hinten laufen immer, sagen wir mal, die ängstlichsten Schafe, die nervösesten Schafe, und die werden natürlich vom Hund, wenn überhaupt der Hund irgendwo beißt, dann muss er ganz weit hinten beißen, da ist der Schäfer weit weg, da hat man den Hund nicht so unter Kontrolle Und vorne laufen die Schafe, wenn man mit der Herde zieht, die eigentlich am zutraulichsten sind, am mutigsten sind, die das halt schnell begreifen, wenn sie in der Nähe vom Schäfer sind, passiert ihnen nichts. Autor Sie unter unseren Zuhörern, die Sie in Ihrem Beruf regelmäßig an den beliebten Abteilungssitzungen teilnehmen müssen, kennen dieses Verhalten. Immer hübsch vorn beim Schäfer sitzen!, heißt die Regel, hinten wird gebissen. In der Hitze des Nachmittags trotten die Hunde zu dem flachen Tümpel und werfen sich ins Wasser. Das Wasser hier ist sauber und sauer, so dass es weder Verunreinigungen noch Würmer gibt. Das Wasser ist gut für die empfindlichen Mägen der Schafe, die robusten Mägen der Hunde und auch Simone Müller hat schon davon getrunken. Ist eben sauber. Die Ausbildung und Erziehung der Hunde ist eine Arbeit, die viel Aufmerksamkeit und Konsequenz erfordert - Arbeit, die sich viele Hundehalter ersparen. Müller Und deshalb gibt es so viele Probleme mit den Hunden, weil die Hunde einfach nicht erzogen sind, Autor Die Folgen sind uns allen bekannt: Nervtötende Kläffer, die die Straßen und Häuser verpesten. Müller Ein Hund ist ein Rudeltier und die Gesellschaftsform in einem Wolfs- oder Hunderudel ist eine Hierarchie. Das ist so, das ist ein Naturgesetz. Und Hierarchie ist ja, also wenn man so hört, denkt man ja leider immer so ein bisschen an Gewalt, aber das ist ja nicht schlimm, man muss einfach konsequent sein. So wie der ältre Hund auch mal dem jungen Hund die Zähne zeigen. Und wenn das Knurren nicht reicht, muss ihm auch mal in den Nacken beißen, sinnbildlich gesprochen, ne. Regie große Aktion, Hund läuft weg. Schäferin und Autor hinterher. Wo sich Gelegenheit ergibt, spricht Autor über den Oton. Autor Hummel hat die Chance ergriffen und macht Jagd auf Schafe. Die Herde kommt durcheinander, läuft auseinander, aufgeregte Schafe springen gegeneinander, und immer dazwischen Hummel und schnappt nach rechts und links. Hummel stiftet mit Feuereifer Unruhe, die Schafe sind verstimmt. Müller Hummel bleib raus...da, dat mein ich, ist halt ein junger Hund ---- das hat sie natürlich ausgenutzt, sieht jetzt, Frauchen ist abgelenkt, aber sie kennt das Kommando "Raus!", sonst wäre sie ja jetzt nicht, wenn ich auf sie zugehe... hat sie das Schaf da gebissen, fand sie jetzt lustig... ...und jetzt kommt sie und hat ein schlechtes Gewissen, merkt man sofort, hat sie die Ohren angelegt, setzt sich vor mir hin (hechelt) und weiß eigentlich genau, dass das nicht gut war , was sie da gemacht hat - stimmt's? Autor Hummel ist hundgewordene Unschuld. Legt ihre Schnauze lang auf das Bein der Schäferin und blickt ihr treuherzig in die Augen. Dass sie keine Schafe beißen darf, ist ihr völlig neu. Hummel verspricht, sie tut es nie wieder. Aber ihren Augen sieht man: Es hat verdammt Spaß gemacht. Musik 2 The Jazz Crusaders: Agua dulce K: Joe Sample Blue Note, LC-Nr. 133, Bestell-Nr. 521688-2 Autor Sie kennen das: Jeder hat zumindest einmal in seinem Leben eine schwache Minute, in der er sich zurückerinnert und versucht, herauszufinden, warum er so geworden ist, wie er geworden ist. Bei mir verbindet sich diese Rückerinnerung mit dem Ort Vechta in Niedersachsen und - etwas weiter südlich - dem Dümmer See. In Vechta lag die Schule, die ich besuchen musste. Die schönste Episode meiner Schulzeit sind ein oder zwei Wochen, die ich in einem Jugendheim auf der Westseite des Dümmer-Sees verbracht habe. Ich erinnere mich an ein dunkles Haus, in der Sommerhitze muffig riechend, gemütlich mit einem Reetdach und dicht am Ufer gelegen. Zu dem Jugendheim gehörten zwei ozeantaugliche Rettungsboote. Verglichen mit den Tretbooten der Touristen und den Kleinseglern der lokalen Wassersportler waren diese Rettungsboote wahre Schlachtschiffe, mit denen wir Schüler Piratenkämpfe und Seeschlachten ausführten. Das Schönste am Dümmer aber war, dass er so flach war. Ein bis eineinhalb Meter Wassertiefe, das bedeutete, dass auch ein Zwölfjähriger mit einer sportlichen Bewegung nach unten greifen, eine überquellende Handvoll Schlamm vom Seegrund holen und sie seinem Lieblingsfeind, vorzugsweise dem blasshäutigen Streber in Mathe und Physik, auf die Kurzhaarfrisur hauen konnte. Es gab so glückliche Momente damals. Ich wusste seinerzeit nichts vom Haubentaucher und dem Moorschaf, aber an den Ort der Schlammschlachten wollte ich wieder zurück. Und herausfinden, was der Dümmer ist. Hacke Er ist entstanden am Ende der letzten Eiszeit vor ca. 11 - 12 000 Jahren, und war damals 150 km² groß, und hatte eben eine riesige Ausdehnung, vor allen Dingen eben Richtung Osten und Richtung Norden, nach Westen ging es nicht so gut wegen den Dammer Bergen. Autor erläutert Sabine Hacke. Sie leitet das Dümmer Museum in Lembruch. Das Haus wurde 1968 gegründet und bietet den Besuchern einen Überblick über die Gestalt und die Geschichte des Dümmer Sees. Hier erfährt man beispielsweise, dass der Name des Sees nicht einer drolligen, aber dümmlichen Steigerung zu verdanken ist, sondern aus dem Althochdeutschen stammt, wo "dün" so viel wie neblig, sumpfig, morastig bedeutete, womit die Gegend um den See schon sehr präzise beschrieben ist. Denn der Dümmer ist nur eine flache Senke inmitten einer ausgedehnten Moorlandschaft, die in regelmäßigen Abständen überflutet wurde. Hacke Grundlegend hat es damit zu tun, dass der See nur einen Meter tief ist, auch seit seiner Entstehung, je nach Wasserwirtschaft ist heute er heute einMeterdreißig oder einMeterfünzig, also es ist ein Flachsee, von daher sehr schnell gesättigt, das Land um den Dümmer herum kann auch kein Wasser richtig aufnehmen, weil es eben Niedermoor ist es ist gesättigt vom Grundwasser her und wenn es eben Schneeschmelze ist, aber es passiert auch im Sommer vielleicht mal so eine Regenperiode ist oder ein besonders starkes Gewitter eben ist, dass ganz schnell das Land um den Dümmer herum unter Wasser steht. Autor Wasserfläche und Moor haben der Landschaft ihre charakteristische Flora und Fauna gegeben, vor allem aber eine Vogelwelt angelockt, die einzigartig ist. Und damals, vor ein oder zwei Generationen, gab es auch noch besondere Winterfreuden für die Menschen, die um den Dümmer lebten. Hacke Ältere Herrschaften erzählen heute noch, dass vor der Eindeichung in strengen Wintern sie Schlittschuh fahren konnten von der Stadt Diepholz, die 12 Kilometer weit weg liegt, bis an den Dümmer, weil eben die Wiesen waren überschwemmt und gefroren und auch der See friert eben ganz schnell zu und so haben sie eben einen wunderschönen Ausflug auf den Schlittschuhen und Gleitschuhen eben gehabt zum See und zurück. Autor Zwölf Kilometer geradeaus Schlittschuh laufen; in der freien Natur! Damit war Schluss, als 1953 der See eingedeicht und in sein 13,5 km² großes Bett gezwängt wurde. Weil aber auch die Winter nicht mehr so sind wie früher, gibt es dieses frostige Vergnügen wohl nur noch in der Erinnerung einer aussterbenden Generation. Gegenwärtige Generationen vergnügen sich bei frühsommerlichem Sonnenschein mit einem maßvollen, bürgerlichen Spaziergang auf dem Deich, einmal rund um den See. Und erfreuen sich an den Wunschträumen der Segelbootsbesitzer, wie sie in den Namen ihrer Schiffe einfangen sind: Da hüpft Viola auf den Wellen neben einem dümpelnden Albatros, ausgerechnet ein Freizeitkahn mahnt Carpe Diem, - Nutze den Tag!, und ein Dreimeterholzstück trägt hochtrabend den Titel Rhapsodie. Wenn es regnet, gehen wir Touristen ins Museum. Hacke Das ist eine Harpune, die im See gefunden worden ist. Sie besteht aus Geweih von einem Rothirschen und ist nur ein Teilstück, die obere Spitze, und die Länge der Vitrine soll eben verdeutlichen, dass sie in Wirklichkeit viel länger gewesen ist - Autor ungefähr mannshoch, würde ich schätzen Hacke aber kulturgeschichtlich ist eben das Interessante: Sie ist untersucht worden und sie wird auf ungefähr 10 000 vor Christus datiert, und das bedeutet, dass im Grunde mit der Entstehung des Sees schon die ersten Menschen hier sind und mit der Harpune jagen. Autor: In den Räumen des Dümmer-Museums treibt in einem Aquarium ein Hecht, das Maul zur Frontscheibe gerichtet und starre, glotzäugige Blicke zu beiden Seiten. Regungslos steht er im Wasser, bewegt sich nicht einen Millimeter, als wäre er sein eigenes Denkmal. Heinrich der Hecht. Hacke Wir stehen in der Tat vor dem Abteil des Großaquariums, wo die Raubfische, die so genannten Raubfische des Dümmers eben leben und der Hecht starrt uns an. Und wenn er so still steht, dann ist das immer ein Zeichen, dafür, dass er satt ist, denn er hat am Wochenende ganz viele Futterfische bekommen - und: Sehen Sie noch welche ? Autor Es ist Montagmorgen, und das Aquarium ist bestens aufgeräumt. Nicht eine einzige Schuppe schillert mehr. Kein Fisch im Wasser außer Hecht Heinrich und einem Aal, der sich aber, vermutlich weil er am Wochenende seinen Zellengenossen beim Fressen beobachten musste, hinter einem versunkenen Ast nahezu unsichtbar gemacht hat. Hacke Was leider fehlt - darf ich das erzählen? - sind die Barsche. Die hat nämlich unser Hecht Heinrich den Winter über gefressen, obwohl sie wirklich nicht klein waren, aber er muss da in Museumsdingen noch ein bisschen dazulernen. Autor Heinrich der Hecht scheint, wohl bedingt durch die Enge seiner Unterkunft, einen massiven Hospitalismusschaden erlitten zu haben. Oder vielleicht mag er nur einfach keine anderen Fische. Aus Prinzip gewissermaßen. Jedenfalls - der Aal ohne Namen tut gut daran, immer ein Stück Holz in seiner Nähe zu haben. In der freien Wildbahn dagegen, in eineinhalb Metern Tiefe, ist für jeden was da, versichert Sabine Hacke. Hacke Der Dümmer hat jede Menge Fische noch, wobei die Fische eben seit der Entstehung über die Hunte eingewandert und die Hunte ist eben der natürliche Fluss, entspringt im Wiehengebirge und bedeutet eben auch in der Übersetzung "fischreicher Fluss". Musik 3: Bayon: Finale aus Suite V K: Christoph Theusner Buschfunk, LC 6312, Bestell-Nr. 0076-2 Autor Südlich des Dümmer-Sees in Niedersachsen liegt der Stemweder Berg, einer der Höhenzüge, die in früheren Jahrtausenden die Ausdehnung des Ur-Dümmer begrenzt haben. Höhenzug heißt, mit dem Wind im Rücken könnte man drüber hinweg spucken, aber in einer sonst tischplatten Landschaft ist das schon eine Menge. Am Fuße dieser Menge liegt Stemshorn, und hier lebt die Familie Lindemann. L-mann Gebürtig komme ich vom Niederrhein und habe in Dortmund studiert, auf Lehramt, Autor sagt Cordula Lindemann, Lehrerin und Mutter dreier Töchter. L-mann Habe dann in Düsseldorf mein Referendariat gemacht und danach gab's in Nordrhein-Westfalen keine Stelle und ein Schulrat war's in Neuss, der sagte mir, Niedersachsen sucht Lehrer, bewerben sie sich in Niedersachsen - wenn sie flexibel sind. Autor Cordula Lindemann war flexibel und zog in Richtung Dümmer-See. Vorübergehend, wie sie dachte. Dann war sie ganz schnell verheiratet und Tochter Rieke war unterwegs. Das ergab, zusammen mit der Großmutter, den Schwiegereltern, den Eltern - Generation Nr. 4. Vier Generationen, die unter einem Dach leben. Die Lindemanns - Ein Familienstück auf dem Lande. Sprecherin Vorhang auf! Musik 4: Titelmelodie "Lindenstraße" - Orchester K+Dirigent: Jürgen Knieper Polystar, LC 04324, Bestell-Nr. 553792-2 Sprecherin Auftritt - Cordula Lindemann, die Mutter Oton Wenn mich früher einer gefragt hätte oder gesagt hätte, ja Du wohnst mal mit deinen Schwiegereltern zusammen und mit deiner Schwiegeroma zusammen, hätte ich gesagt, Nee! Glaub ich nicht! Also ich habe für mich alleine gewohnt, ich hatte meine eigene Wohnung, ich konnte kommen gehen, wann ich will, ich konnt es mir nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin. Autor Warum nicht? Oton Einfach nie seine Ruhe haben können vielleicht, alleine sein können. Sprecherin Auftritt - Die Schwiegermutter Oton Ich war früher schon immer derjenige, der alleine ziehen wollte, das ging aber nicht, weil Schwiegervater verunglückte und dann wir hier bleiben mussten, von daher gesehen, war ich früher auch diejenige, die gern alleine gewohnt hätte. Autor Woraus man erkennen kann, dass die Sehnsucht, allein zu leben, nicht erst ein modernes Großstadtphänomen ist. In Großstädten wie Berlin, Hamburg, München sind über 50% der Haushalte Single-Haushalte. Ehepaare leben meist allein, oder mit ihren Kindern. Eine größere Spanne von Generationen in einer Wohnung findet man kaum. Was meist schon an der verfügbaren Wohnungsgröße liegt, aber auch an dem mangelnden Willen zum Zusammenleben. In Stemshorn sieht das anders aus. Oton Sind wir hier geblieben und man hat sich dran gewöhnt. Autor War's schwer? Oton Nein, schwierig ist es nicht, man muss nur eben manche Sachen ein bisschen zurückstecken, das ist alles. Autor Der geneigte Hörer beachte den norddeutschen Hang zu trockenen Feststellungen. Hier noch einmal: Oton Man muss nur eben manche Sachen ein bisschen zurückstecken, das ist alles. Autor Das Haus der Lindemanns liegt in einer abgelegenen Seitenstraße, die hinter diesem Haus als Schotterpiste weiterläuft. Das Haus ist nicht groß, nach modernen Maßstäben von einer oder zwei Generationen komfortabel zu bewohnen. Es sind aber vier, in zwei Haushalten auf zwei Etagen. Sprecherin Auftritt - die Mutter Oton Wenn man sich gut versteht, muss man sich ja auch nicht aus dem Wege gehen, und wenn man sich mal, was weiß ich, wirklich aus dem Wege gehen wollen würde, dann würdet ihr vielleicht nicht hochkommen zu uns, wir würden vielleicht nicht unbedingt hier durchgehen, sondern vorne durchgehen wollen, aber das ist bisher noch nicht vorgekommen. Autor Wobei man wissen muss, dass man auf dem Lande gemeinhin das Grundstück durch die Gartentür verlässt oder betritt. Das gilt auch für die Nachbarin, die mal kurz vorbeischaut und gleich wieder verschwindet. Durch die Vordertür kommt eigentlich nur, wer eine Krawatte trägt und offizielle Nachrichten überbringt. Aber immerhin, es gäbe zwei Türen für zwei Haushalte. Sprecherin Auftritt - die Schwiegeroma Oton Ist doch schön... Autor sagt sie. Die Schwiegeroma sitzt mit adrett gescheiteltem, weißem Haar an der Stirnseite des Tisches, trägt ein Hörgerät und ein sanftes Lächeln. Der Religionsstifter Buddha hätte sein Vergnügen an diesem Lächeln. Oton Ich finde das gut, alle so zusammen, können uns gut vertragen - immer jemand da, bin nie alleine, essen zusammen, eine Gemeinschaft. Sprecherin Auftritt - der Mann, Autor Der Mann ist Vater der Kinder, zur Zeit in der Elternzeit. Oton Ja das ist immer so gewesen. Also hier im Haus ist das immer so gewesen, hier waren immer alle Generationen zusammen, auch im Krieg, und die Verwandten, die kamen. Und in Lindemanns Haus war immer was los, immer viele Leute, immer der ganze Tisch voll, die gehörten einfach alle mit dazu. Und für unsre Oma, solange die Kinder hier, seitdem die da sind, ist sie auch besser zufrieden. Sie hat immer einen mit dem sie rumspielen kann und mit dem sie was erzählen kann. Omi kümmert sich um die kleinen, Rieke ist vor sieben Jahren geboren worden und wie die geboren wurde, hatte Omi was zu tun, die musste Kinderwagen schieben, die wurde gebraucht einfach. Wenn die alten Leute eine Aufgabe haben, denn haben sie auch nicht Zeit für was anderes und auf dumme Gedanken zu kommen. Autor Die Höflichkeit, die dem Gast zukommt, verbietet es, nachzufragen, auf welche dumme Gedanken alte Leute kommen können. Rieke ist sieben Jahre alt, hat sich vor dem Mikrophon auf den Schoß ihrer Mutter geflüchtet und findet das Leben mit vielen Generationen gut. Sprecherin Auftritt Rieke Oton Ich find das gut, dass Oma und Opa unter uns wohnen, weil wenn Mama und Papa mal weg sind, dann können wir nach unten laufen und wenn Oma und Opa weg sind, dann können wir oben bleiben. Autor Darüber hinaus schätzt Rieke, dass ihr mehrere Quellen für's Abschnorren von Süßigkeiten zur Verfügung stehen. Und noch zwei Schwestern zum Spielen. Uneinigkeit gibt es in Fragen des neuen Hühnerhofes, der am unteren Ende des Grundstücks angelegt wurde. Oton Doch, du hast gesagt, du möchtest Hühner haben. - Ja - Und du hast gesagt, du willst dich kümmern - Ja, aber nicht um alle drei. Eins, nicht alle drei. Ida kriegt eins, und das andere Huhn Papa. - Wir kümmern uns schon zusammen um die Hühner, und wenn wir das nicht machen, macht Opa das bestimmt. Wir machen eben alles zusammen hier im Hause. Autor Auf der Suche nach den Rissen in der heilen Welt von Stemshorn findet der Zuhörer hier endlich einen Ansatzpunkt. Das Aufräumen, die Ordnung, das ist immer ein zuverlässiger Treibsatz für häuslichen Ärger. Oton Ne, eigentlich nicht, Opa sagt zwar immer nichts, weil er alles wegräumen muss, aber er tut ja trotzdem. Autor sagt Vater. Sprecherin Auftritt Schwiegervater, auch Opa genannt Oton Ärgern ist ein bisschen übertrieben. Ärgern tut man sich nicht. Man denkt, wieso kann er das nicht selber wegräumen? aber das ist nicht nur bei meinem Sohn so, das ist bei allen so. Das war früher genau das Gleiche. Das ist aber fast überall so, dass die Eltern wegräumen, wenn die Kinder das nicht machen. Autor Schon wieder diese Harmonie. Soziologen in den Metropolen arbeiten an kostspieligen Expertisen, um Ideen über die Zukunft des Wohnens und die Zukunft des Lebens im Alter und die Zukunft des Umgangs der Generationen miteinander zu entwickeln. Und hier tun sie so, als sei das alles ganz normal. Sprecherin Auftritt - die Mutter, auch Lehrerin Oton Wie gesagt, ich konnte es mir nicht vorstellen, aber es klappt. Es klappt wunderbar. Autor Ist es nun eine Frage des Modells, das es generell denkbar ist, mehrere Generationen zusammenleben zu lassen, oder ist dieses Modell abhängig von den Personen, den Persönlichkeiten, die miteinander leben? Oton Ja, ich denk, dass ist schon abhängig von den einzelnen Personen, weil, man muss schon Kompromisse eingehen, das hat meine Schwiegermutter ja auch gesagt, und trotz alledem, dass man zwei Haushalte hat, es ist zwischendurch so, dass man sagt: Ja (tiefer Ausatmer), okay, einmal durchatmen und dann ist das in Ordnung. Autor Der Besucher aus der Großstadt versucht einen letzten Trick, um der wahren Wahrheit auf die Spur zu kommen. Er fragt nach Vor- und Nachteilen. Der Vorteil, zusammengefasst: Keiner ist allein! Die Nachteile: Oton Lindemann Die Nachteile ? - Was sind die Nachteile? Schwiegervater Nachteile? Wüsst ich nicht. Schwiegermutter Ja, was sind Nachteile? Keine Ahnung. Wüsst ich echt nicht im Moment. Autor Dann ist das wohl die wahre Wahrheit. Musik 5: Lindenstraße Sprecherin Der Vorhang schließt sich Musik 6: Jeff Lorber: Snakebite K: Gerald Albright Triloka Records, LC 10836, Bestell-Nr. 20000-2 Autor Dümmer See, Niedersachsen, ein Vogelrastplatz von internationaler Bedeutung. Man denkt: Vögel, was soll daran schon interessant sein? Meist sieht man sie nicht richtig, weil sie zu schnell sind, und wenn man sie hört, weiß man nicht, wer da singt oder pfeift. Aber es gibt kaum etwas Unterhaltsameres, als sich eine Liste von Vogelnamen laut vorzulesen. Da gibt es die "Schnatterente" - lateinisch Anas strepera -, die bekanntlich den Schnabel nicht halten kann. Es gibt die "Kurzschnabelgans", die vermutlich etwas weniger redet, und ihren persönlichen Feind, den "Gänsesäger", der ein besonders unfreundlicher Zeitgenosse zu sein scheint - wer sägt schon Gänse? Es gibt die "Großtrappe" und die "Zwergtrappe", während das evolutionäre Zwischenstück, die Mitteltrappe, überhaupt nicht erwähnt wird. Man findet die asoziale "Schmarotzerraubmöwe" oder die humorvolle "Lachmöwe", die melancholische "Trauerseeschwalbe" und den "Wendehals", der später in die Politik ging. Vögel erklären uns die Welt. Die Gaststätte Schomaker in Dümmerlohhausen - so heißt der Ort wirklich - Dümmerlohhausen, ist ein ausgedehntes Anwesen im Ortskern, dem man ansieht, wie über die Jahrzehnte und die Moden hinweg aus einem landwirtschaftlichen Betrieb mit angeschlossener Mehrfachnutzung eine zeitgenössische, schützenfesttaugliche Großgastronomie wurde. Hier treffe ich Heinrich Schomaker - und wir gehen nach nebenan zu einem modernen Klinkerbau mit weißem Vordach und großen, weißen Silhouetten ziehender Schwäne. Es gibt Dinge, die dem Wandel der Zeit standgehalten haben, und das sind die Vogelpräparate von Schomaker. Wir stehen in einer großen, weißen Halle, um uns herum Vögel in allen Größen und Farben. Schom Begonnen hat das mit der Sammlung 1935, damals wohnte bei uns ein Dr. Reichling, der war an Ausgrabungen im nördlichen Seebereich beteiligt und der hat sich mit meinem Großvater angefreundet und dann ist zwischen den beiden die Idee entstanden, Stoffpräparate zu sammeln, so dass die Dümmerbesucher auch mal Tiere aus nächster Nähe beobachten konnten. Autor Großvater Schomaker lebte am Dümmer-See in einer Zeit, in der man noch kämpfen musste um seinen Lebensunterhalt. Er war Tischlermeister, Postbeamter, und Gastwirt. Und Jäger und Fischer. Die Freundschaft zwischen dem Gastwirt und dem Archäologen initiierte eine Sammlung von Vogel-Präparaten, die nach und nach die Wände der Gastwirtschaft füllten. Schom Das älteste Präparat ist der Seeadler. Da hat das mit begonnen, ist der Seeadler, der war früher am Dümmer hier als Brutvogel und gleichzeitig in den 30er Jahren wurde in Diepholz der Militärflugplatz gebaut, im Zuge der Kriegsvorbereitungen, da war hier sehr viel Fluglärm am Dümmer, und infolge ist der Seeadler, Fischadler, verschiedene Gänsearten und auch Vogelarten weggezogen, weil es eben unerträglich war wegen dem Fluglärm. Autor Mittlerweile ist der Fischadler wieder heimisch geworden. Es gibt zwei Brutpaare in der Dümmerregion, die in den letzten sieben, acht Jahren neun Jungvögel großgezogen haben. In der heutigen Zeit werden ca. 276 Vogelarten am Dümmer gesichtet. Damals müssen es noch mehr gewesen sein, man kann sich ausmalen, wie viel Stoff es gab für die Sammlung. Schom Wie gesagt, der Seeadler war das erste Exponat. Es ging kontinuierlich weiter, es ging damals relativ schnell, weil es gab kaum Naturschutzgesetze, es durften Tiere geschossen und gefangen werden, heute Gott sei Dank nicht mehr, und deshalb war es möglich auch viele Arten relativ schnell zu sammeln. Autor Jetzt ist die Sammlung in der dritten Generation. Über die Jahre zeigte sich, dass die Kollektion in der Gaststätte nicht zu halten war. An den Wänden kein Platz mehr, der Tabakrauch der Gäste setze den Präparaten zu und abstauben konnte die vielen Exponate auch keiner mehr. Schom Die Sammlung war bis 2005 privat, das war die größte private Vogelsammlung Norddeutschlands, und nach 2005 haben wir die Sammlung in die Stiftung mit eingebracht, wir haben hier für diese Einrichtung eine Stiftung gegründet... Autor Unter der Beteiligung von Wissenschaft und Politik. Geld wurde gesammelt und professionelle Maler und Ausstellungskünstler richteten die Ausstellungshalle ein. In großen Vitrinen kann der Tourist die Vögel aus der Nähe betrachten, die er sonst nur durch den Feldstecher sieht. Schom Wir haben hier 195 Vogelarten ausgestellt, ursprünglich hatten wir 440 Vogelarten im Saal damals ausgestellt, aber in diesen Vitrinen hatten wir nicht so viel Platz, deshalb haben wir uns entschlossen, von jeder Vogelart ein Exponat auszustellen und zwar die Männchen. Autor Diese Auswahl, verehrte Hörerin, verehrter Hörer, wird vielleicht ihre politisch korrekte Denkweise verletzen, ist aber absolut im Gefolge der natürlichen Ordnung. Evolutionär ganz und gar korrekt. Trotzdem bleibt die Sache heikel. Schom Die Männchen sind eben im Gefieder - äh - Autor Jetzt nur kein Fehler! Schom - interessanter gezeichnet. Die Weibchen sehen dagegen etwas trist aus. Das ist von der Natur aber so gewollt, weil die Weibchen eben überwiegend das Brutgeschäft tätigen und somit eine bessere Tarnung haben. Autor Als der örtlich zuständige Politiker das Vogelhaus einweihte, glaubte er in seiner - wie er fand - launigen Rede einige gattungsübergreifende Bemerkungen machen zu müssen über die Schönheit von Männchen und die eintönige Tracht von Weibchen. Das kam ganz! schlecht! an, war aus verlässlicher Quelle zu erfahren. Merke: Vögel können Karrieren machen! Schom Zum Beispiel die Krickente - der Erpel, der ist schwarzgrünweißgrau graugestreift, gezeichnet, dagegen das Weibchen ist im tristen Braungrauenschwarz, so ähnlich wie der Erdboden oder wie trockene Sträucher aussehen, so dass sie während der Brutzeit kaum auffallen. Musik 7 Sting: Fragile K+T: Sting A&M Records, LC 0485, Bestell-Nr. 393912-2 Autor Der Naturpark Dümmer zählt zu den 600 Feuchtgebieten, die weltweit für den Schutz von Zugvögeln vorgehalten und durch ein internationales Abkommen geschützt werden. Sieben global reisende Vogelarten rasten hier, dazu kommen noch 26 Arten von nationaler Bedeutung. Der Dümmer und die ihn umgebenden Schutzräume des Naturparks sind ein unverzichtbarer Bestandteil für die Vogelwelt, die sich über Deutschland bewegt. Darunter auch mein Lieblingsvogel. Schom Der Haubentaucher ist der bekannteste Vogel auf dem Dümmer, man braucht nur einem mit dem Tretboot oder Ruderboot oder Segelboot rausfahren, den Haubentaucher trifft man überall auf der offenen Wasserfläche. Wir haben ca. 120 - 130 Brutpaare hier am Dümmer. Regie Atmo Natur, dazu Plätschern aus dem Archiv Autor Da sitzen Sie also als Tourist in ihrem Tretboot, oder Sie nehmen die Sache sportlich, stehen bis zur Hüfte im Wasser und schieben das gute Stück über den Schlick, da taucht urplötzlich neben Ihnen ein Vogel auf, der einen stark verwirrten Eindruck macht. Im ersten Moment sind Sie ein wenig erschrocken, denn das Tier mit dem langen Schnabel und der durchgeknallten Frisur sieht aus wie ein Punk. Sie können aufatmen, es ist ein friedfertiger Haubentaucher. Schom Wir sehen hier das Männchen, während der Balz stellt das Männchen diesen Kragen auf, diesen Schmuckkragen, und das dauert so sechs bis acht Wochen und nach der Balz legt das Männchen den Kragen wieder ab und sieht dann genauso aus wie das Weibchen mit einem glatten Hals. Autor Aber bevor der Ehealltag und das Brutgeschäft ihren Gang nehmen, wurde das Weibchen umworben mit einer rauschenden Federnpracht wie in einem besonders illustren Cabaret aus Paris. Der hohe, weiße Hals des balzenden Haubentauchers endet unter dem Schnabel in einem breiten Kragen aus langen, rotbraunen Federn mit schwarzen Spitzen. Darüber der dornartige Schnabel im weißen Gesicht mit den verdächtig roten Augen. Und on top eine wogende Krone wirr abstehender schwarzer Federn im out-of-bed-style - oder anders, der Haubentaucher im Liebeswahn sieht aus, als sei er nach einer spektakulär durchgefeierten Nacht gerade erst aus den Federn gekommen. Regie Ende Atmo Musik 8 Sting: Fragile Schom Ich bedaure jeden einzelnen, der kein Interesse an der Natur hat. Autor Die Vogelschau in Dümerlohhausen wird zwar von einer Stiftung getragen, ist aber immer noch Heinrich Schomakers ganz persönliches Kind. Wenn Schomaker zum Beispiel Schulklassen aus den umliegenden Städten Osnabrück, Münster, Bielefeld durch die Vogelschau führt und er sieht, diese Kinder kennen die Natur nur als Lila Kuh aus dem Fernsehen, dann weiß er, hier fehlt Information. Dass es im wirklichen Leben schwarzbunte und rotbunte Kühe gibt, wissen die Kinder nicht. Aber das muss nicht so bleiben. Auch für Haubentaucher und Uferschnepfen kann man Kinder begeistern. Schom Ich hab fast bei jeder Schulklasse, vor allen Dingen Grundschüler oder sagen wir mal bis zur fünften, sechsten Klasse, die sind so interessiert, selbst wenn die anfangs desinteressiert sind, je mehr Informationen die bekommen, einmal über den See als Flachsee mit dem Fischbestand, und so weiter, und dann werden Vögel erklärt, der Lebensraum wird erklärt, dann wird die Neugierde geweckt. Wenn wir hier eine Stunde bis eineinhalb Stunden eine Führung gemacht haben, habe ich zumindest dreiviertel einer Schulklasse so interessiert, dass sie am liebsten noch ,ne Stunde dranhängen würden. Musik 9: Ziggy Marley: Rainbow in the sky K: Ziggy Marley Private Music, LC 7309, Bestell-Nr. 411636-2 Regie Atmo Kinokasse "Sex and the city" wird bestellt, Frauenstimmen Oton Wir haben einen Frauenanteil von über 60 % und das wirkt sich auch im Programm aus, wir gehen auf die Frauen ein, deshalb kann es schon sein , dass Romanzen eine lange Laufzeit haben... Autor sagt Karl-Heinz Meier, genannt der "Fuchs". So nannten sie schon seinen Vater, der auch schon das Kino betrieb, wie schon der Großvater. Aber so könnte Karl-Heinz Meier auch genannt werden, weil er den Fuchs im Gesicht trägt - schnell, flink, listenreich. In seinem Kino "Lichtburg" läuft an: "Sex and the City" - was nicht weiter erstaunlich wäre, denn der Film steht jetzt auch auf dem Programm in Berlin, Hamburg, München - und Quernheim. Quernheim ist mit gerade einmal 465 Einwohnern ein Ortsteil von Lehmförde, was auch nicht gerade eine Weltstadt ist, und dieser Unterortsteil einer wenig bedeutenden Stadt am Dümmer See zieht gleich mit den großen Kinometropolen. Das ist das Erstaunliche. Womit wir wieder bei Karl-Heinz Meyer wären. Oton Ja, ich bin im Kino aufgewachsen, das ist automatisch, die ersten 10 Jahre durfte ich keinen Film gucken nur die Wochenschauen. // Ich durfte mit 12 Jahren Süßwaren verkaufen, das war für mich das Größte, mein Vater hat immer, Süßwaren erst mit zwölf, vorher nicht. Ich konnt's gar nicht abwarten. Ich habe Tagebuch geführt, Tarzan und Zorro und Fuzzy und Dr. Fu Man Chu, die gab ja damals alle. Das war wunderbar. Autor Das Kino "Lichtburg" ist umgeben von Bauernhöfen und Ställen. Ein paar Höfe sehen so aus, als hätten sich gut verdienende Rechtsanwälte hier niedergelassen, andere werden traditionell landwirtschaftlich genutzt. Direkt neben dem Kino weiden auf einer Koppel Stuten mit ihren Fohlen. Vögel zwitschern, Pferde schnauben, Sex und die City sind undenkbar weit entfernt. Drinnen müht sich die alte Wurlitzer-Musicbox um eine Platte. Regie knackend wird die Platte aufgelegt, dann beginnt Lee Marvin "I was born under a wandering star" Oton Diese beiden Gasträume sind seit fünfzig Jahren unverändert, wie gesagt mit den Musicboxen, und die Leute lieben das Klassische, seit fünfzig Jahren geht es hier durch die Gaststätte in Kino, finden die wunderbar. Die kommen heute mit ihren Enkelkindern "Da guck mal, als ich klein war, war ich auch hier." Das hat schon was. Autor Vielleicht macht das den Charme dieser "Lichtburg" aus - während das Rauhbein Lee Marvin in einem ungleichen Kampf mit den Tücken des Gesangs mannhaft zu Boden geht, werden draußen die Pferde von der Weide geholt. Im Vorbeigehen wiegen ihre Köpfe im Takt der Westernballade. Regie Marvin frei und weg unter Autor Autor Der Gastraum mit den rauchgebeizten Hölzern und den teakholzfarbenen Schränken hinter dem Zapfer sind original die Dorfkneipe von früher. Auch das karierte Hemd von Karl-Heinz Meier. Auch die Speisekarte mit dem ewigen Schnitzel und dem Kartoffelsalat. Auch die Getränkekarte mit dem Bier und dem Schnaps. Regie wieder Atmo aus Gastraum Autor Die Kinos dagegen sind ganz technische Gegenwart. Kino 2 zum Beispiel mit "Sex and the City" hat einen spezialroten Vorhang, der so spezial ist, dass er aus Paris geholt werden musste, weil es dieses Rot in Deutschland nicht gab. Wenn Karl-Heinz Meier sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann muss es auch so sein und nicht anders. Unter der Kinodecke hängt ein Sternenhimmel aus feinen Lichtpunkten, der aus dem Erlebnis Kino einen emotionalen Höhepunkt macht. Oton Wir haben in diesem Kino schon zwei echte Heiratsanträge gehabt, das heißt schon was. Richtig echte mit Sekt und Weinen, wo die Frau nichts wusste und richtig live Heiratsantrag, mit dem Beamer kommt der Heiratsantrag auf der Leinwand, die sitzt da mit ner Freundin und verkriecht sich und da kommt der aus der Seitentür mit roten Rosen und fragt, Willst Du meine Frau werden? - ich sagt's Ihnen, toll!... Autor Was diesen kleinsten Kinoort Deutschlands so unwiderstehlich macht - die schier grenzenlose Filmbegeisterung desjenigen, der ihn betreibt. Das ganze Haus mit den zwei Kinos, dem Open-Air-Kino und dem Schießstand, der zum Landleben gehört wie die Fliegen, atmet Kino. Oton Nein - das ist der Film, das ist einfach Kino. Vom Winde verweht, das ist Kino und diese Pausenszene aus Vom Winde verweht lässt jedes Mal mein Herz erbeben. Das ist ein Wahnsinnsfilm, das ist ein Film - sehen Sie mal, Casablanca auch. Den kennt jeder aus dem Fernsehen und dann haben wir den im Open Air Kino gespielt und hier im Kino mit Sektempfang, das war ein ganz anderer Film, das können Sie sich nicht vorstellen, was für ein toller Film. Musik 11 Kim Carnes: Bette Davis Eyes K+T: Jackie DeShannon/Donna Weiss edel, LC-Nr. 1666, Bestell-Nr. 0159102 Autor Zurück zur Moorschnucke, dem feinen Schaf. Das vornehmste Schicksal der Diepholzer Moorschnucke ist es, gebraten zu werden. Dass es sie überhaupt noch gibt, ist einer konzertierten Aktion zu verdanken, die Norbert Dieler, Koch des Restaurants Strandlust am Dümmer See, erläutert. Oton Zu Anfang hatten wir erstmal so eine Aktion gemacht, um halt mehr oder weniger die Diepholzer Moorschnucke zu retten in Einheit mit diesen Schäfern, die hier leben. Damit das halt auch ein bisschen mehr gefördert wird, haben wir vor drei Jahren das erste Mal eine Aktion gemacht. Seit über einem Jahr, fast zwei Jahren ist das ständiger Bestandteil auf unserer Karte. Autor Die Rettung der Moorschnucke führte ironischerweise über ihren Verzehr. Damit das gelingt, muss sie etwas Besonderes haben: Oton Sie hat einen sehr leichten, feinen Lammgeschmack und es ist aber auch ein leichter Wildgeschmack rauszuschmecken und muss dann natürlich sehr vorsichtig sein mit dem Würzen, dass dieser Eigengeschmack nicht übertüncht wird, weil es halt ein sehr milder Geschmack ist. Autor Der Wildgeschmack ergibt sich aus der Herkunft der Schnucke. Der Fachmann: Oton Weil das eben eine Rasse ist, die früher eben auch wild gelebt hat, es ist keine reine Schafrasse, also es ist eben zum Teil auch ein Wildtier, und die lebt halt eben im Moor und ernährt sich hauptsächlich von diesen Moorpflanzen, die da wachsen. Autor Durch ihre eigene Ernährung mit Moorkräutern gut vorgewürzt, entfaltet die Moorschnucke in Norbert Dielers Küche ihre wahren Qualitäten: Oton Wir machen Steaks von der Moorschnucke, die schneiden wir dann aus der Keule, da muss man aufpassen, dass die nicht zu sehr durchgebraten wird, weil: Sonst wird's zu trocken. Wenn man sonst die Keule weiterverarbeiten möchte, muss man sie dann richtig gut schmoren, dass sie halt richtig zart wird oder sie muss, wenn sie kurz gebraten ist, am besten rosa gebraten gegessen werden. Regie Atmo Ende Autor Ich kann Ihnen versichern, die Schnucke hat nicht umsonst das Moor vom Wildwuchs befreit. Sie hat, wenn sie aus der Pfanne kommt, einen sehr markanten Geschmack. Dieser Geschmack verlangt seinerseits wieder nach markanten Beilagen, Rosmarin- oder Speckkartoffeln und Ratatouille. Auch der Rotwein dazu sollte erdig und voll schmecken, besser noch geht ein in der Region gebrautes Weizenbier. Wie Simone Müller schon sagte - Müller die Schafe haben so 'ne Art an sich, man kann nicht mehr weg von denen... Musik Titelmusik Sprecherin Haubentaucher, Schnatterente und die Diepholzer Moorschnucke Der Naturpark Dümmer See in Niedersachsen. Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt mit Paul Stänner 1