Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Plattenbau oder Puppenstube? Potsdams neue Mitte, der Staudenhof und der Umgang mit der Ostmoderne. Autorin Seidl, Sarah Redaktion Stucke, Julius Länge 20'15'' Sendung 01.06.2012 - 13 Uhr 07 (gekürzte Wiederholung eines Beitrags vom 28.03.2012 - gesendet im rbb Kulturradio) Potsdam bekommt eine neue Mitte. Am Alten Markt - dort, wo einst das historische Zentrum war - soll auch in Zukunft das Herz der Stadt schlagen. Doch wie soll die neue Mitte aussehen? Eine historische Rekonstruktion wollen die Einen. Andere kritisieren das als "barocke Puppenstube". Es geht um Ästhetik, um Lebensraum und die Frage: wie gehen wir mit der Ostmoderne um - Abriss oder Erhalt? M A N U S K R I P T B E I T R A G Autorin Potsdam bekommt eine neue Mitte. Am Alten Markt, wo sich einst das historische Zentrum befand, soll auch in Zukunft das Herz der Stadt wieder schlagen. Über das Erscheinungsbild der Neuen Mitte gibt es unterschiedliche Vorstellungen: Auf der einen Seite stehen die Verfechter der historischen Rekonstruktion, auf der anderen Seite die Kritiker der - wie sie es nennen - "barocken Puppenstube". Und dann gibt es noch die, denen es nicht um Ästhetik geht, sondern um ihren Lebensraum. So wie Helga Mayer. Helga Mayer Ich bin ja nicht abgeneigt, dass die alte Mitte wieder entstehen soll. Aber dabei dürfen die Bürger nicht zu kurz kommen. Die Bürger sollen nicht aus der Stadt raus. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo hinzuziehen, wo nichts ist, wo kaum Geschäfte sind, wo ich keine Menschen kenne. Hier kenne ich Menschen, viele Menschen. Das würde mir sehr leid tun. Ich glaube, dann würde ich eingehen wie eine Primel. Das könnte ich nicht. Nochmal weggehen von hier, wo ich mich hier so eingewöhnt habe. Wir kennen uns ja nun schon zig Jahre hier im Haus alle. Und sollen alle auseinander gerissen werden? Das würde mir sehr weh tun. Autorin Helga Mayer lebt im Staudenhofblock, dem 7-geschossigen Wohn- und Geschäftshaus am Alten Markt. Das Haus gehört mit der Fachhochschule und der Bibliothek zu einem Ensemble, das Anfang der 1970er Jahre gebaut wurde, zusammengefasst von einem begrünten Hof, dem Staudenhof. Als bereits 1990 in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung die, wie es hieß, "behutsame Wiederannäherung an den charakteristischen, historisch gewachsenen Stadtgrund- und aufriß" beschlossen wurde, schien das Schicksal dieses Gebäudeensembles besiegelt und der Abriss unabwendbar. Im vergangenen Jahr hat sich die Potsdamer Fotografin Kathrin Ollroge mit dem Staudenhof und dem angrenzenden Wohnblock künstlerisch auseinandergesetzt und hat Bewohner des Staudenhauses und ihre Wohnungen fotografiert. Die Fotografin interessierte sich für die Menschen hinter der Plattenbaufassade. Wenn das Staudenhaus abgerissen wird, so sollten die Menschen mit ihren Geschichten und Erfahrungen nicht spurlos verschwinden, wie die Betonplatten des Gebäudes. Helga Mayer aus dem Staudenhaus erinnert sich an das Kunstprojekt. Helga Mayer Wir haben unsere Wohnungen gezeigt, geöffnet. Dadurch sind wir mehr in die Öffentlichkeit gekommen. Es wurden nicht nur Bürger angesprochen, die hier wohnen oder in Umgebung, sondern auch andere, die von uns noch nie etwas gehört haben, die immer den Bau gesehen haben als unmöglicher Klotz, unansehnlich, hässlich, der muss weg. Aber, wo sie aber gehört haben, welche Probleme es gibt. Weg - das ist schnell gesagt, aber was wird mit den Leuten, mit den Mietern, die hier wohnen. Und da wurden sie alle hellhörig und haben gesagt: So geht das aber nicht. Autorin Ende 2011 beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, den Erhalt des Staudenhofes zu prüfen. Eine überraschende Wende in der Debatte um Potsdams Neue Mitte, die mit der dramatischen Lage auf dem Potsdamer Wohnungsmarkt begründet wurde. Potsdams Bevölkerung wächst stetig, Wohnraum ist knapp und teuer. Vor diesem Hintergrund sei ein Abriss des Staudenhauses mit seinen 182 kleinen und preiswerten Wohnungen "nicht vermittelbar". Immerhin ist das Gebäude vollständig vermietet. Rosemarie Preuß wohnt seit über 40 Jahren hier. Als Erstmieterin zog die heute 75- jährige ehemalige Pädagogik-Dozentin kurz nach Fertigstellung in ihre knapp 33 m² große Einraumwohnung. Rosemarie Preuß Es lässt sich hier sehr gut wohnen. Ich habe viele Bekannte im Haus. Ich habe sehr guten Kontakt zu meiner Nachbarin. Ich war mal längere Zeit krank, da hat sie mich sehr unterstützt. Autorin Vor dem Balkon von Rosemarie Preuß erhebt sich die Nikolaikirche mit ihrer imposanten Kuppel zum Greifen nah - eine Nähe, die die Anhänger der historischen Rekonstruktion missbilligen. Einer von ihnen ist der Architekt Ludger Brands, Professor für Architektur und Städtebau an der Potsdamer Fachhochschule. Er fordert den Abriss des Staudenhofs mit sämtlichen anliegenden Gebäuden der Nachkriegszeit und plädiert für eine konsequente Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses in der Potsdamer Innenstadt. Ludger Brands Der historische Stadtgrundriss ist ja 1945 zerstört worden, aber nicht beseitigt worden. D.h. der historische Stadtgrundriss war nach der Kriegszerstörung noch sichtbar und vorhanden. Und ist dann aber im Sinne des modernen Wiederaufbaus radikal verändert worden. D.h. die sog. sozialistische Stadtplanung hat sich ganz bewusst gegen den historischen Stadtgrundriss mit Errichtung ihrer Neubauten gestellt. Das war das Haus der Lehrerbildung, wo jetzt die Fachhochschule noch untergebracht ist mit einigen Fachbereichen. Das war der Staudenhof. Das war das neue Theater, das als Rohbau bis Beginn der 90er Jahre gestanden hat, dann aber abgerissen worden ist. Von dem historischen Stadtgrundriss ist letztendlich nichts mehr übrig geblieben. Es ist einhergegangen mit einer dramatischen Aufweitung der Straßenräume von der langen Brücke über die Friedrich-Ebert-Straße in die Innenstadt hinein. All das kann man ja im Moment z.T. noch wahrnehmen. Das waren ganz gravierende Veränderungen im Verständnis von Stadt, wie wir das heute sehen. Autorin Das Staudenhaus steht als L-Form auf dem Grundstück, das bis zu seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg von einem Karree aus Wohnhäusern bebaut war. Ein Flügel öffnet sich zum Staudenhof, der andere säumt die Straße am Kanal. Dort sind in einem eingeschobenen Flachbau die Apotheke, die Sparkasse und ein Blumenladen untergebracht. Die Giebelseite des Hofflügels weist auf die Rückseite der Nikolaikirche und wendet sich zugleich schroff von ihr ab. Denn an dieser Stelle zeigt sich die bittere Realität: Zwischen Giebelwand und Nikolaikirche führt eine Zufahrtsrampe in einen offenen Schacht, der den Hof wie einen Krater aufreißt - ein grauer Schuhkarton aus Beton, mit geparkten Autos, Mülltonnen und eisernen Toren, die zu den Kellerräumen der anliegenden Gebäude führen. Einen solchen Schandfleck mitten im Zentrum von Potsdam - Barbara Kuster findet das unerträglich. Die Potsdamer Kabarettistin ist eine der Initiatoren der Bürgerinitiative "Mitteschön", die sich für die Rekonstruktion der historischen Mitte engagiert. Barbara Kuster Das Zentrum wird ja dort nicht mehr empfunden, dort war ja Brache. Und was im Sozialismus gebaut worden ist. Das harmonierte überhaupt nicht mit dem, was da stand. Ich hab das immer als diffus empfunden, im Gegenteil zu dem, was ich vorher noch erlebt hatte, nämlich eine richtige kleinteilige Innenstadt mit Straßen, die dann weg waren plötzlich, mit Sichtachsen, die da waren. Da hat man über Straßen einfach ein Gebäude gebaut. Und deshalb ist es heute auch so schwierig, bestimmte Gebäude zu erhalten, weil sie über die Struktur gebaut sind. Autorin Deshalb, findet Barbara Kuster, muss das Staudenhaus weg, und das Potsdamer Stadtschloss wieder her. Barbara Kuster Das ist wichtig für eine Stadt, damit sie ein Gesicht hat, was Einmaliges. Komm ich in Köln eingefahren mit dem Zug, seh ich den Kölner Dom. Und die Kölner, ich weiß nicht, was die machen würden, wenn der Dom nicht mehr da wäre. Die würden den wieder aufbauen, garantiert. Und so ist das auch mit dem Stadtschloss. Das war die Visitenkarte von Potsdam. Autorin Auch Professor Ludger Brands betont die architektur- und kunsthistorische Bedeutung des Stadtschlosses und seine auratische Wirkung auf die Umgebung. In dieser Aura kann ein Wohnblock wie das Staudenhaus nur als störender Fremdkörper wirken. Ludger Brands Das ist noch mal ein wichtiger Aspekt zu unterscheiden zwischen durchmischter, engbebauter Innenstadt und den Solitären. Die Solitäre sind immer die großen öffentlichen Gebäude gewesen. Das sind die kirchlichen Bauten, in diesem Fall die Nikolaikirche. Das ist das Stadtschloss. Und die Frage ist, wie viele Solitäre verträgt die Stadt. Ich denke mit Schloss, was die politische, weltliche Seite vertritt, und der Nikolaikirche haben Sie zwei große Solitäre am Ort. Und drum herum sollte dann doch als Komplementär ein fein gegliedertes und parzelliertes Innenstadtquartier entstehen. Einen dritten Solitär wird man an dieser Stelle schwer vertragen. Michael Braum Jetzt ist der aber da. Und deswegen steht neben der Kirche als Solitär und dem Landtagsschloss als Solitär der Staudenhof als Solitär, fertig, da haben wir drei Solitäre, und alle drei Solitäre bekommen ein Umfeld, was dem aufmerksamen Betrachter der Nachwelt deutlich macht: Da ist ja mal was passiert. Autorin Professor Michael Braum ist Geschäftsführer der Bundesstiftung Baukultur und verfolgt die Debatte um Potsdams Neue Mitte mit großem Interesse. Die Bundesstiftung Baukultur ist 2006 eingerichtet worden, um den öffentlichen Dialog über Baukultur anzuregen und die Bevölkerung für die gebaute Umwelt zu sensibilisieren. Ihren Sitz hat die Stiftung passenderweise in Potsdam: Michael Braum Es liegen in Potsdam die Nerven besonders blank, wenn es um die zeitgenössische Architektur geht, weil diese Stadt im Zuge des Wiederaufbaus mit diesem Leitbild des sozialistischen Städtebaus einen Bruch in ihrer Geschichte durchlaufen hat. Autorin Die aktuellen Rekonstruktionspläne im Potsdamer Zentrum sieht Michael Braum kritisch: Michael Braum Wir diskutieren die Potsdamer Stadtsilhouette, eine Zeit, die längst vergangen ist, die Garnisonkirche, die Nikolaikirche, das Schloss, die Heiliggeistkirche, ein paar Windmühlen, dann die schöne Wohnbebauung, ganz vorsichtig an der Alten Fahrt, die Landschaft, die sich reinzieht, Sichtbezüge, das sind die prägenden Faktoren. Ich diskutiere das ganz anders. [...] Die Silhouette ist ja durch die Veränderungen anders geworden. Ich finde, dass diese Hochhäuser - mag ich sie lieben oder nicht lieben - in Teilen zu dieser neuen Silhouette gehören und dass man die Silhouette unter dem Aspekt dieser Ergänzungen mit neu denken muss.[...] Die Kunst ist, eine Stadt so weiter zu denken, dass sie mit den Qualitäten, die die unterschiedlichen Zeiten mit diesen ganz unterschiedlichen Bedingungen hervorgebracht haben, dass sie diese Qualitäten möglichst authentisch erhält und akzeptiert, dass eine Stadtentwicklung immer ein Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Bedingungen ist, unter denen sie entstanden ist. Das setzt voraus, dass man sehr sorgfältig auf Qualitäten in diesen unterschiedlichen Phasen achtet. Autorin Die Qualitäten des Staudenhauses liegen aus Sicht von Michael Braum auf der Hand, denn es unterscheidet sich in Architektur und Gestaltung von der Stangenware des DDR- Wohnungsbaus. Die seltene L-Form, die vergleichsweise aufwendige Fassadengestaltung, der Einschub der Ladenzone unter den Wohnblock - diese Details machen das Staudenhaus zu einem Unikat. Michael Braum Das ist ein ganz besonderes Gebäude. Die Architekten, die sich das ausgedacht haben, die haben viel von ihrem Fach verstanden. Also, meine Hochachtung. Ich finde, das ist ein Haus ... Man wird ja auch nicht auf die Idee kommen, die Habitation in Marseille abzureißen. Musik Autorin Einer der Architekten des Staudenhauses ist Hartwig Ebert. Der heute 73-jährige Bauingenieur gehörte zu dem Projektierungskollektiv, das für den Wiederaufbau des Stadtzentrums im sozialistischen Sinn zuständig war. Beim Staudenhaus war Hartwig Ebert mit dem Flachbau beauftragt, der als eingeschobenes monolithisches Element unter dem Wohnblock gebaut werden sollte. Außerdem hatte er die Aufgabe, sich über die Fassadengestaltung Gedanken zu machen. Schließlich sollte ein Wohnhaus in dieser zentralen Lage anders aussehen als die Plattenbauten in Potsdams Vorstadtsiedlungen "Schlaatz" oder "Stern". Hartwig Ebert Dann hieß es, das Wohnhaus soll auch noch etwas schöner aussehen als die Platten. ,Das muss unverwechselbar sein!' Da habe ich noch die Fassade erfunden, die jetzt so morbide ist. Da habe ich noch großen Ärger gekriegt, weil unsere Kombinatsleitung sich so geäußert hat: Ich würde sie in den Ruin treiben. In so einem individuellen Bau, da mussten wir so viel erfinden. Und wenn man's gezeichnet hatte, musste man jemanden suchen, der einem das gebaut hat. Autorin Der Architekt und Professor Ludger Brands findet die Architektur des Staudenhauses in höchstem Grad banal. Das Staudenhaus sei ein banaler Vorstadttypus, der in die Innenstadt implantiert worden ist und maßgeblich verhindert, dass sich in seinem Umfeld ein lebendiger Innenstadtraum entwickelt. "Europäische Stadt" ist das Zauberwort, wenn Ludger Brands über das zukünftige Potsdamer Zentrum spricht: eine einheitliche Blockrandbebauung, kleingliedrig und verdichtet, mit einheitlichen Gebäudehöhen, ansprechenden, an historischen Vorbildern orientierten Fassaden und eine möglichst hohe Nutzungsvielfalt aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Ausgehen. Bei dieser Vision gerät Barbara Kuster von der Bürgerinitiative Mitteschön ins Schwärmen: Barbara Kuster Wir freuen uns einfach, wenn die Innenstadt wieder Potsdam wird. Die Vorstellung: Ich sitz am Palast Barberini beim Kaffeetrinken. Die Sonne scheint, an dieser Stelle besonders lange, weiß ich. Und dann steht das Schloss da. Die Leute flanieren über den Platz. Überall sind Cafés. Junge Leute sind da, machen da Musik. Nee, das wird richtig schön! Autorin Richtig schön soll die Mitte werden, fordert die Bügerinitiative "Mitteschön". Wie das genau aussieht, zeigen aufwendige Computergrafiken in 3D, die die Bürgerinitiative in Auftrag gegeben hat. Auf den Bildern säumen Barockhäuser und -paläste mit üppigen Fassaden die Kopfsteinpflasterstraßen und kleinen Plätze. Weder Auto- noch Straßenbahnverkehr stören die Stadtansichten. Nur wenige Menschen beleben die Szenen. Alles ist makellos - und wirkt dabei unwirklich und steril. Diese leblose Schönheit wirft die Frage auf, wie und von wem die schöne neue Mitte genutzt werden soll. Das ist, wie so oft, vor allem eine Frage des Geldes. Im regionalen Vergleich nehmen die Potsdamer Mieten und Immobilienpreise bereits den Spitzenplatz ein. Es braucht also nicht viel Fantasie zu spekulieren, dass die Grundpreise Am Alten Markt mit der geplanten hochwertigen Bebauung exorbitant hoch sein werden. In diesem Preissegment machen sich erfahrungsgemäß Luxuswohnungen, Geschäftsräume führender Unternehmen, Banken, Hotels und gehobene Gastronomie breit, garniert mit exklusiven Läden für Touristen. Für Michael Braum von der Bundesstiftung Baukultur bedeutet das das Todesurteil für ein Stadtzentrum: Michael Braum Das können doch nicht die Seniorenresidenzen für Zweitwohnsitze sein, wo sich irgendwelche Leute einkaufen, die an Weihnachten in die Nikolaikirche hingehen, und ansonsten wohnen sie in Baden-Baden! Autorin Auch die Bewohner des Staudenhauses, wie Rosemarie Preuß und Helga Mayer, befürchten, dass die Potsdamer Innenstadt nach der Rekonstruktion nur noch zum Stelldichein der Reichen und Touristen einlädt. Rosemarie Preuß Ich meine, man kann eine Innenstadt nicht nur für Touristen machen. Und der Landtag und der Rechnungshof im entstehenden Schloss dort, so massenwirksam ist das auch nicht, (lacht) finde ich jedenfalls (lacht). Helga Mayer Warum soll man hier Luxuswohnungen bauen? Nur für Leute, die viel Geld haben? Die wollen hier im Zentrum wohnen, weil es so schön ist. Warum sollen immer nur die Reichen, die viel Geld haben, da wohnen, wo es schön ist? Es sind schon so viele Luxuswohnungen in Potsdam gebaut worden, da träumen wir von, da können wir nicht hinziehen, da können wir nicht mal langgehen. Autorin In keiner anderen ostdeutschen Stadt sind die sozialen Gegensätze so groß wie in Potsdam. Das liegt vor allem daran, dass die Stadt seit 1989 eine ausgesprochen wohlhabende Klientel aus Berlin und Westdeutschland anzieht wie ein Magnet. Es sind die Villen, die Schlösser und Gärten, in die sich die Zugezogenen verliebt haben, und es ist das Potential zum Mitgestalten, das die schöne, alte, aber vielfach marode Bausubstanz der historischen Stadt bietet. Die neuen Potsdamer wollen ihren Beitrag dafür leisten, dass Potsdam aus dem Dornröschenschlaf erwacht und dass die vielen architektonischen Perlen wieder auf Hochglanz poliert werden. Es wird sehr viel Geld für die Rettung und den Wiederaufbau des Alten Potsdams locker gemacht - Geld, das der Stadt zwar zu Gute kommt, das aber zugleich die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich in Potsdam offenbart. Wie auch die Kluft zwischen Alt- und Neu-Potsdamern, auf die Steffen Pfrogner hinweist. Der Potsdamer Architekt ist Mitglied der Partei Die Linke, die sich für den Erhalt des FH- Gebäudes und des Staudenhauses ausspricht. Mit Blick auf die umfangreichen Veränderungen des Potsdamer Stadtbildes warnt er vor Identitätsverlust. Steffen Pfrogner Ich erlebe, dass ein Großteil der Bevölkerung dieser DDR-Potsdamer sich zurückzieht in einer gewissen Resignation, weil der Zuzug derjenigen, die von außen kommen, in so einem rasanten Maß und mit so einer Kraft von Geld, von Macht und Eigentum herrscht, dass man sich an die Seite gedrängt fühlt. Autorin Dagegen erlebt Barbara Kuster das Engagement der Neu-Potsdamer als Gewinn für die Stadt und für ihre Initiative Mitteschön. Sie wünscht sich, dass sich alle Potsdamer mit der Neuen Mitte identifizieren werden. Barbara Kuster Es ist auch wichtig, dass die Potsdamer und die Brandenburger sich freuen. Die wollen's chic haben in der Landeshauptstadt. "Mutti, heute fahren wir mal in die Landeshauptstadt. Wir machen uns schön." Und dann wollen se aber auch wat Schönet sehen und nicht den Staudenhof. Autorin Auf solche Positionen reagiert die Staudenhaus-Bewohnerin Helga Mayer ungehalten: Helga Mayer Das sind Leute, die haben so ,ne starre Haltung. Die sehen nur, wies mal ausgesehen hat. Und so möchten sie, dass Potsdam wieder entsteht. Aber inzwischen sind so viele Jahre vergangen, es ist eine neue Generation herangewachsen. Wir haben dazu keinen Bezug. Wir kennen alle diese Bauten, kennen alles nach 45, was aufgebaut wurde und wir fanden das auch schön. Wir wollen hier wohnen bleiben und darum kämpfen wir. (lacht) Und da wir schon lange hier wohnen, bleiben wir hier. Autorin Am Staudenhof scheiden sich die Geister. Hier wird es keinen Kompromiss geben können. Abriss oder Erhalt - nur eins von beidem geht. Eine Machbarkeitsstudie soll prüfen, ob sich das Staudenhaus städtebaulich integrieren lässt. Sicher ist, dass die Mieten auf Dauer nicht so preiswert bleiben können wie bisher. Das Gebäude ist dringend sanierungsbedürftig. Michael Braum von der Bundesstiftung Baukultur möchte das Staudenhaus als baukulturelles Zeichen unbedingt erhalten und hat auch eine Idee, wie: Michael Braum Ich würde die Diskussion des Staudenhofes, des Gebäudes unter dem Aspekt preiswerten Wohnraums in der Stadt als befristete Lösung ansehen. Ich würde niemanden, der jetzt dort wohnt, aus dem Haus rausjagen, sondern ich würde das solange erhalten und würde das sukzessive umbauen und würde auch bei den Umbaumaßnahmen zusehen, dass ich da keine Luxussanierung mache. [...] Also ich mach nen Konzept, was das eigentlich kosten muss, dann mach ich da Maisonettewohnungen rein. Das können ja nicht diese kleinen Wohnungen bleiben, die da jetzt sind. Da mach ich richtig cooles zeitgemäßes Wohnen für den Urbaniten rein, damit die Potsdamer neben ihren historischen Schöngeistern auch ein paar urbanistische Querdenker kriegen. Und die mieten sich in dieses Ding dann ein in 20 oder 30 Jahren. -E N D E- 1