Deutschlandradio Kultur Länderreport vom 01.09.2011 COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport: Zuckerbrot und Peitsche Wie RWE Kommunen in NRW bei der Stange hält Länderreport von Friederike Schulz Anmoderation: RWE ist der große Stromanbieter in Nordrhein-Westfalen. Doch immer mehr Kommunen wollen sich unabhängig davon machen, produzieren eigenen Strom und wollen auch die Netze von RWE kaufen. Doch das will der Konzern nicht so einfach hinnehmen. Mal wird mit Abschaltung gedroht, mal mit großzügigen Sponsorenverträgen geworben. Vor allem die Grünen, die in vielen Stadträten in der Opposition sind, stoßen sich am Verhalten des Stromkonzerns, den sie als bösen Energieriesen wahrnehmen. Doch ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht - eine Geschichte über komplizierte Verträge und die Machtkämpfe auf dem Strommarkt in Nordrhein-Westfalen von Friederike Schulz. Musik "I love the flowers..." Mit großen Schritten watschelt der Energieriese durch die Landschaft und pflanzt Windkrafträder. Das graue Monster, auf dessen Rücken Gras und Bäume wachsen, ist das Maskottchen von RWE. Er taucht in jedem Werbespot des Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerks, wirkt aber trotz des gutmütigen Gesichtsausdrucks und der fröhlichen Melodie ein wenig unheimlich. Unwillkürlich wartet der Betrachter darauf, dass das Ungetüm ein Spielzeughaus zertrampelt oder eine Stromleitung umreißt. Das weiß auch der Essener Konzern und hat deswegen für irritierte Kunden auf seiner Internetseite eine Erklärung formuliert. Zitat 1 "Der Energieriese ist 112 Jahre alt - genau wie RWE. Er ist groß, stark, freundlich, gut 60 Meter hoch, wiegt knapp 300 Tonnen und heißt einfach nur "Der Energieriese". Mit dem bekannten, freundlichen Filmmonster Shrek aus dem Sumpf hat der Energieriese nur so viel gemeinsam, dass beiden zuerst nur negative Vorurteile entgegengebracht werden." Deutschlands zweitgrößtes Energieunternehmen hat ein Imageproblem - das macht nicht zuletzt der unfreiwillig komisch wirkende Werbespot deutlich. Dabei wollte Noch-RWE-Chef Jürgen Großmann unbedingt weg vom Ruf des bösen Atom- Konzerns. Als Großmann vor vier Jahren das Ruder übernahm, schrieb er sich den Ausbau der Windkraft auf die Fahnen. Eine Milliarde Euro wollte das Unternehmen jedes Jahr in die Erneuerbaren Energien stecken, um 2020 ein Viertel seiner Stromproduktion damit zu bestreiten. Dann stellte die Schwarz-Gelbe Bundesregierung längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke in Aussicht - Jürgen Großmann witterte Profit. Um kurze Zeit später allerdings resigniert festzustellen, dass auf CDU und FDP kein Verlass mehr ist. Nach den massiven Protesten in Folge des Atomunglücks in Fukushima ruderte die Bundesregierung zurück - Großmann polterte daraufhin, RWE werde gegen den Ausstieg klagen. Seither gilt der Zwei- Meter-Mann selbst als böser Energieriese und muss sich dauernd rechtfertigen: O-Ton 1 Großmann "Also, erst mal leben wir ja in einem Rechtsstaat, und Klagen gegen den Staat gehören zur Tagesordnung. Insofern sollte man keinen, der in einem Rechtsstaat ein Urteil sucht, verdammen. Klar ist auch, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach Aktienrecht dem Wohl, also dem Vermögen der AG und damit auch dem Vermögen der Aktionäre, sich entsprechend dafür einsetzen muss. Er muss Vermögensschäden vermeiden. Insofern hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft unserer Meinung nach - und wir haben uns da natürlich auch extern juristisch beraten lassen - kaum eine andere Möglichkeit, als zu entscheiden, dagegen zu klagen." Musik wieder hoch Doch nicht nur mit der Bundesregierung hat RWE derzeit Ärger, gegen den Riesen formiert sich seit einiger Zeit auch noch ein Zwergenaufstand einiger aufsässiger Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Atmo Schweinegrunzen Im Stall von Ludger Strahten herrscht Mittagsruhe - rund 20 Ferkel dösen unter den Wärmelampen. Strahten ist Biobauer in der Gemeinde Wachtendonk am Niederrhein. Bei der Schweinezucht fällt jede Menge Gülle an - die kippt der Landwirkt nicht direkt auf die Felder, sondern produziert damit Dünger und Strom, in der hofeigenen Biogasanlage. Neben dem Misthaufen stehen drei große Tanks, so genannte Fermenter. Darin zersetzen Mikroorganismen die Biomasse - das entstehende Methan wird einem Biogasmotor zugeführt. Den Strom verkauft Ludger Strathen an die Stadtwerke. O-Ton 2 "Wir erzeugen bis 470kw die Stunde. Und das 24 Stunden rund um die Uhr. Das ist so unsere Maximalleistung." Damit lassen sich rund 1000 Haushalte im Jahr mit Strom versorgen. Ludger Strathen ist nicht der einzige in Wachtendonk, der sich auf diese Weise gutes Geld hinzuverdient: Im Ort gibt es noch weitere kleine erneuerbare Energieproduzenten: rund 200 Fotovoltaik-Anlagen, acht Windräder und eine weitere Biogasanlage gibt es hier, erzählt Bürgermeister Udo Rosenkranz stolz: O-Ton 3 "Alles in allem kommen wir auf eine Selbstversorgung von 78 Prozent, und wir werden in Kürze bei 85 Prozent sein, weil es noch weitere projektierte Fotovoltaik- Anlagen gibt. Wenn man nur die Privathaushalte nimmt, sind wir schon lange autark, da schaffen wir es schon lange." Wachtendonk hat die Energiewende also geschafft: weg von Kohle- und Atomstrom, hin zu regionalen Anbietern. Als dann im vergangenen Jahr auch noch der Konzessionsvertrag für das Stromnetz in der Stadt auslief, wurde man im Stadtrat mutig und überlegte, ob man nicht auch dort auf mehr regionales Engagement setzen sollte. Bis dahin hatte die Gemeinde immer RWE die Konzession für das Betreiben des Stromnetzes überlassen. Das wollte die Gemeinde nun neu gestalten. Christian Growitsch vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln erklärt, wie dieses komplizierte System funktioniert. O-Ton 4 "Die Konzessionen, die vergeben werden, beziehen sich auf die Nutzung kommunalen Eigentums in einem Gebiet. Üblicherweise laufen diese Konzessionsverträge bis zu 20 Jahre. Jetzt kommen wir gerade in eine Phase, seit vorvergangenem Jahr etwa, in der viele dieser 20 Jahre laufenden Verträge auslaufen. Nun werden diese Konzessionen neu vergeben, und damit ergibt sich die Chance, hier die Netze zurückzukaufen." Das Netz selbst kaufen - das wollten die Wachtendonker nicht unbedingt. Denn ein Stromnetz zu betreiben, heißt zunächst, viel Geld zu investieren. Geld, das die Gemeinde nicht ausgeben wollte. Sie wollte vielmehr konkrete Zusagen von RWE, in den nächsten Jahren die Netze auszubauen und zu modernisieren. Und so freute man sich im Gemeinderat über die Bewerbung eines zweiten Kandidaten, die ihnen bei den Verhandlungen eine bessere Position verschaffte: Die Stadtwerke des 25 Kilometer entfernten Krefeld, die bis dahin, wie bei Stadtwerken allgemein üblich, nur ihr heimisches Netz betrieben, hatten am Wachtendonker Netz ebenfalls Interesse angemeldet. Das Unternehmen, das der Stadt Krefeld gehört, ist eine Gewinn orientierte Holding.,Sie betreibt nicht nur das Stromnetz, sondern verkauft auch als Grundversorger Strom an Privat- und Geschäftskunden. Der Energiebereich ist dabei nur eines von mehreren Geschäftsfeldern: Wasser, Verkehrsbetriebe, Abfallentsorgung. Jährliche Dividende: 25 Millionen Euro - entsprechend selbstbewusst präsentiert man sich im Internet: Zitat 1 "Unser wirtschaftlicher Erfolg bleibt in Krefeld. Die Gewinne der SWK versickern nicht an den Finanzmärkten, wandern nicht in die Taschen anonymer Aktionäre, die an Krefeld und der Region kein Interesse haben. Unsere Gewinne werden wieder hier vor Ort investiert - in unsere Projekte und Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur und über den städtischen Haushalt zur Erfüllung der vielfältigen kommunalen Aufgaben. Des Weiteren tragen wir wesentlich zur Finanzierbarkeit des öffentlichen Personennahverkehrs bei, indem wir die Verluste im Geschäftsfeld Verkehr konzernintern wirtschaftlich ausgleichen." Da die Stromsparte zu den profitablen Geschäftsbereichen gehört, hatte sich die Konzernspitze schon länger mit Expansionsplänen getragen. So überlegte man nicht lange, als sich in Wachtendonk die Gelegenheit bot, erzählt Vorstand Carsten Liedtke: O-Ton 8 "Die Motivation steckt zum einen darin, dass wir sagen, wir möchten wie jedes Unternehmen gern wachsen. Wir möchten aber nicht in irgendwelchen neuen Geschäftsfeldern wachsen, sondern in dem Feld, in dem wir uns auskennen. Und wenn Stadtwerke, das glaube ich, für alle Stadtwerke in Deutschland sagen zu können, eine Kompetenz haben, dann ist das der Betrieb des örtlichen Mittel- oder auch Niederspannungsnetzes, neben unserer Tätigkeit als Vertriebsgesellschaft für Strom und Gas. Von daher lag es sehr nahe, diese Kompetenz, die wir in Krefeld unter Beweis stellen, auch in Wachtendonk zum Erfolg zu führen." Die Stadtwerke Krefeld warben damit, dringend notwendige Investitionen sofort zu tätigen und den Netzzugang für die vielen kleinen Ökostromproduzenten im Ort zu optimieren. Das Interesse der Stadtwerke dabei: neue Kunden hinzuzugewinnen. Wer das lokale Stromnetz betreibt, hat einen Heimvorteil - die Nähe zu den Verbrauchern. Zwar kann jeder seinen Stromanbieter frei wählen, doch wer das aus Bequemlichkeit nicht tut, bezieht seinen Strom automatisch vom Grundversorger - dem Betreiber des Netzes. Außerdem ist es verhältnismäßig wenig aufwändig ein neues Netz zu integrieren, wenn man einmal die Logistik, also die Leitstellen und Umschaltwerke installiert hat. Daher lohnt es sich, für einen Netzbetreiber fast immer, weitere Netze dazuzukaufen. Als das Feilschen in Wachtendonk begann fuhr RWE ein schweres Geschütz auf, erinnert sich Bürgermeister Udo Rosenkranz. Damit hatte der Stromriese auf einmal den ganzen Gemeinderat gegen sich. O-Ton 5 "Der Hauptgrund war eigentlich der, dass die RWE-Vertreter im Stadtrat deutlich gemacht haben, dass die Stromleitungen bei einer anderweitigen Vergabe der Konzession physikalisch zu trennen seien. Das wurde dann sehr plakativ dargestellt, indem man sagte: Dann schneiden wir die Leitungen durch. Das löste dann bei den Ratsvertretern eine gewisse Angst aus, dass dann Wachtendonk praktisch keinen Strom mehr hätte, und vor diesem Hintergrund hat man sich dann für die Stadtwerke Krefeld entschieden." Der Schuss ging also nach hinten los, wobei RWE den Verlauf der entscheidenden Ratssitzung anders darstellt. Unternehmenssprecher Sebastian Ackermann: O-Ton 6 "Es gab ganz klar keine Drohungen. Bei einem Netzübergang muss es immer eine technische Trennung von dem umgebenden Flächennetz geben, und eine definierte Anbindung an das überregionale Flächennetz muss geschaffen werden. Es handelte sich hierbei um eine rein technische Angelegenheit. Von dem Vorwurf, RWE hätte hier gedroht, kann keine Spur sein." Tatsächlich handelt es sich um eine technische Angelegenheit. Wenn RWE das Netz abgibt, muss es auch seine Schaltungen kappen - das geschieht allerdings erst, wenn sich der neue Betreiber aufschaltet - bisher sind noch in keiner Gemeinde, die sich einen neuen Netzbetreiber gesucht hat, die Lichter ausgegangen. Es war also vor allem eine Frage der Formulierung. Auch der Bürgermeister versichert im Nachhinein übrigens, er persönlich habe sich nicht bedroht gefühlt - doch für die Mehrheit der Ratsmitglieder stand das Urteil fest: Sie wollten mit dem trampeligen Energieriesen nichts mehr zu tun haben. Zum ersten Mal in der Geschichte der Gemeinde vergaben sie die Konzession für den Netzbetrieb kurzentschlossen nicht an RWE sondern an die Stadtwerke Krefeld. Die betreiben jetzt seit einem Jahr das Wachtendonker Netz. Atmo Leitstelle Die Leitstelle in Krefeld erinnert an die Kommandozentrale einer Raumstation. Vor den Computerbildschirmen sitzen drei Mitarbeiter und kontrollieren die Stromzufuhr für Wachtendonk. An der Wand gegenüber ist ein riesiger Monitor angebracht - darauf leuchten in verschiedenen Farben die Schaltkreise des Netzes der Achttausend-Einwohner-Gemeinde, erklärt Netz-Geschäftsführer Frank Burau: O-Ton 9 "Das ist der Schaltplan von Wachtendonk. Der war ja in unseren Systemen zunächst gar nicht vorhanden. Die Kollegen haben sich dann hingesetzt und haben die einzelnen Stationen und Kabel und alle anderen Informationen, die wir über dieses Netz haben, in das System übertragen. Hinter jedem Schaubild steckt natürlich eine technische Komponente. Vor Ort wird dann gemessen, werden Stände aufgenommen, Temperaturen gemessen, Spannungen gemessen, daraus wird dann dieses Schaubild generiert. Und im zweiten Schritt kann man dann sagen, jetzt steuern wir, das heißt, die Kollegen greifen ein und schalten auch im Netz." Nach einem Jahr ist es für Frank Burau und seine Kollegen Routine, neben dem eigenen Netz für 250.000 Einwohner auch noch das der kleinen Nachbargemeinde Wachtendonk mit zu betreiben. Im ersten Jahr hat das Unternehmen bereits zwei Millionen Euro investiert, um oberirdische Leitungen unter die Erde zu verlegen und weniger anfällig für Stürme zu machen. Dennoch: Vorstand Carsten Liedke ist sicher, dass sich die Investitionen langfristig rechnen. Und das, obwohl der Gewinn, den man aus dem Betrieb erzielen darf, von der Bundesnetzagentur gedeckelt wird. Schließlich handelt es sich bei den Netzen um ein Monopol. O-Ton 10 "Natürlich versprechen wir uns davon, auch Geld zu verdienen. Wir können sicher zum jetzigen Zeitpunkt ein gutes Jahr nach der Übernahme sagen, auf welchen Wert sich das am Ende einpendelt, aber natürlich haben wir die Absicht mit dieser Übernahme auch langfristig Geld zu verdienen." Die Wachtendonker sind zufrieden mit dem Engagement - endlich kommen die lästigen Freileitungen unter die Erde, freut sich Bürgermeister Udo Rosenkranz. O-Ton 10a "Da geht sehr viel Geld rein, um das Stromnetz der Gemeinde Wachtendonk sicher zu einem der modernsten in ganz Deutschland zu machen." Noch feilschen die Anwälte der Stadtwerke allerdings mit RWE um den endgültigen Preis für das Netz. Unter Vorbehalt hat Krefeld eine Summe gezahlt, die allerdings nach Meinung von Vorstand Carsten Liedtke eindeutig zu hoch ist. RWE möchte die teuren Investitionen der Vergangenheit bezahlt haben - Krefeld hält dagegen: Die Investitionen seien längst abgeschrieben. Noch wird verhandelt, möglicherweise wird allerdings erst ein Gericht den endgültigen Preis klären. Schließlich geht es für RWE in Wachtendonk um viel mehr als ein auf den ersten Blick nur kleines unbedeutendes Stromnetz irgendwo am Niederrhein. Der Verkauf der Leitungen wird in der Essener Zentrale als strategische Niederlage wahrgenommen. RWE möchte unbedingt die kommunalen Stromnetze behalten, nachdem es im Sommer schon sein überregionales Netz verkaufen musste. Das hatte die EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen seit längerem gefordert - auch von der Konkurrenz: Vattenfall und E-on. Während die den Schritt aber schnell vollzogen, zierte sich RWE-Chef Großmann lange Zeit, um dann doch nachzugeben, schon allein, weil er dringend Kapital brauchte. Die Verluste aus dem vorgezogenen Atomausstieg wogen zu schwer - der Börsenwert des Unternehmens ist seit Februar um mehr als acht Milliarden Euro gesunken. Jetzt lautet das Motto aber: Wenn wir schon die Autobahn verkaufen müssen, wollen wir wenigstens die Landstraßen und Feldwege behalten, sagt Unternehmenssprecher Sebastian Ackermann: O-Ton 11 "Das so genannte Mittel- und Niederspannungsnetz ist, wenn Sie so wollen, das Netz der Land- und der Kreisstraßen in Deutschland. RWE betreibt diese Netze seit 120 Jahren mit sehr viel Erfolg. Daran wollen wir festhalten." Noch hält RWE in 1.900 Kommunen in ganz Deutschland Konzessionen. Aber man fürchtet nun, dass das Beispiel von Wachtendonk Schule machen könnte, zumal die Stadtwerke Krefeld anscheinend Gefallen am Expansionskurs gefunden haben. O-Ton 12 "Wir haben zu Beginn dieses Jahres gemeinsam mit unserem Partner Stadtwerke Goch sowohl die Strom- als auch die Gasnetze in der niederrheinischen Stadt Kranenburg übernommen. Und wir haben erst vor wenigen Wochen auch den Konzessionsvertrag im Strombereich in der Gemeinde Straelen auch am Niederrhein übernommen. Und das ist vor dem Hintergrund, dass das Gebiet der Gemeinde Straelen direkt an Wachtendonk angrenzt, für uns besonders interessant." Bei Carsten Liedtke rufen seither immer wieder interessierte Kollegen aus anderen Kommunen an und wollen wissen, wie man es als kleines Stadtwerk anstellt, dem Riesen RWE die Konzessionen abzuluchsen. Musik "I love the flowers..." Nicht weit von Wachtendonk entfernt liegt die Stadt Kalkar - ein Ort, der noch auf lange Zeit mit dem Energieriesen verbunden sein wird. Der pflanzte hier nämlich keine Windräder wie im Werbespot sondern den "Schnellen Brüter". Das Atomkraftwerk wurde in den 70er Jahren gebaut, ging jedoch nie ans Netz - zu energisch war der Protest nach der Katastrophe von Tschernobyl. Es gab Zeiten, da gingen in Kalkar 50.000 Menschen gegen den Schnellen Brüter auf die Straße. 1991 war es so weit, da knickte die Bundesregierung ein und gab das Milliardenprojekt auf. Der Brüter ging nie ans Netz und wurde stattdessen in einen bunt angemalten Freizeitpark verwandelt. Einer, der wie kein zweiter für Protest gegen das AKW steht, ist Willibald Kunisch, der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Er sitzt seit 1984 im Stadtrat - und legt sich seitdem ausdauernd mit RWE an. Damals war es der Brüter, heute ist es das Stromnetz. Willibald Kunisch hätte es nur zu gern gesehen, wenn Kalkar dem Beispiel von Wachtendonk gefolgt wäre. Doch der Bürgermeister und die Ratsmehrheit von CDU und SPD wollten davon nichts wissen, kritisiert Willibald Kunisch. O-Ton 13 "Die Konzessionsvertragsverlängerung wurde ausgeschrieben im Sommer letzten Jahres. Das ist ein ganz normales Verfahren, denke ich. Ich war etwas überrascht, dass der Vertrag erst Ende 2013 auslief und wir den schon 2010 ausgeschrieben haben. Über so eine frühe Ausschreibung wirst du als Kommunalpolitiker misstrauisch. Was steckt dahinter? Ich wurde noch misstrauischer und erkundigte mich daraufhin auch beim Landeskartellamt, als ein Alternativangebot überhaupt nicht geprüft wurde. Es wurde im Grunde nur das Angebot des RWE befürwortet." Kunischs Verdacht: Mauschelei - es könne ein Zusammenhang bestehen mit einem lukrativen Geschäft für die Stadt: dem, wie er meint, überteuerten Verkauf des Straßenbeleuchtungsnetzes an RWE, dessen Wert die Stadt selbst auf 250.000 Euro geschätzt hatte. O-Ton 14 "Der Preis war um ein dreifaches des Sachwertes, rund 750.000 Euro. RWE sagte, das sei ein üblicher Preis, also kein besonderes Verhandlungsgeschick des Bürgermeisters der Stadt Kalkar, sondern eindeutig ein Kopplungsgeschäft. Und wenn man gleichzeitig bedenkt, dass unser Bürgermeister Mitglied im Kommunalbeirat von RWE ist, dass ich dann davon sprach, dass man hier den Eindruck haben kann, dass es mafiöse Beziehungen zwischen der Verwaltung und dem RWE gibt, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen." Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe von sich - der Bürgermeister möchte sich nicht im Interview äußern, sondern verweist auf einen schriftlichen Kommentar: Alles sei in einer nicht öffentlichen Sitzung "unter strikter Beachtung der maßgeblich Rechtsvorschriften" gelaufen. Das betont auch RWE-Sprecher Sebastian Ackermann: O-Ton 15 "Das Straßenbeleuchtungsnetz in Kalkar wurde bewertet, wurde dann auch zu einem branchenüblichen Preis bezahlt, allerdings wie stark der Eigentümer dann das Netz wirklich abgeschrieben hat, das weiß man als Käufer schlichtweg nicht. Der Vorwurf, man hätte für das Straßenbeleuchtungsnetz in Kalkar einen deutlich über dem Buchwert liegenden Preis gezahlt, ist so schlichtweg falsch." Willibald Kunisch will jetzt die Staatsanwaltschaft Bochum einschalten, die für Wirtschaftskriminalität zuständig ist. Erst mal soll er jedoch selbst ein Ordnungsgeld zahlen. Er hat für einen Fernsehbeitrag das Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung in die Kamera gehalten. Nun muss er sich auf Beschluss von CDU und SPD in einem Ahndungsverfahren erklären. Kunisch nimmt es gelassen - er ist es schon lange gewöhnt, sich wegen seiner unbequemen Haltung gegenüber RWE Feinde zu machen. Musik "I love the flowers..." In Kalkar hat der Riese die Konzession für die nächsten 20 Jahre sicher - und nebenbei auch in vielen anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Noch kann er in Ruhe weiter durch die Landschaft stapfen und Strommasten pflanzen. Um Wachtendonk, Straelen und Kronenburg wird er dabei künftig einfach einen Bogen machen müssen und hoffen, dass es in der Zwischenzeit nicht zu weiteren Zwergenaufständen kommt. 1