COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Forschung und Gesellschaft am 20. August 2009 Übernahme SÜDWESTRUNDFUNK SWR 2 Wissen vom 29. Juni 2009 Alles, was geht? Israel und die Biomedizin Von Martina Keller V/Schul/Clas/Manus/Israel Biopolitik Alles was geht.doc Atmo 1, Stammzelllabor Haifa (unscheinbar, hängt am Cut vorne dran) Cut 1, Ilana Goldberg Cohen This is our lab ... Übersetzerin: Das ist unser Labor, es ist eines der größten in der Fakultät, das sind neue Flure hier. ... Dieser Flur ist speziell für die Stammzellforschung ... Specifically for stem cell research Regie: Cut weiter unterlegen Sprecherin: Ramban Medical Center in Haifa. Hoch oben im zehnten Stock liegt das Labor von Joseph Itskovitz. Über dem renommierten Stammzellforscher residieren nur noch die beiden Medizin-Nobelpreisträger der Fakultät. Cut 2, Ilana Goldberg Cohen The work is divided ... Regie: Atmo 2, Labor unterlegen Übersetzerin: Die Arbeit ist in zwei Bereiche geteilt, da ist die Arbeit mit den Zellkulturen, das heißt, wir versuchen die Zellen fortzupflanzen, und hier ist die Molekularbiologie, wir versuchen herauszufinden, ob die Eingriffe, die wir an den Zellen durchgeführt haben, das gewünschte Ergebnis gebracht haben. ... yielded something we wanted. Sprecherin: Wissenschaftlerin Ilana Goldberg Cohen übernimmt die Führung durchs Labor. Der Chef selbst ist zu beschäftigt. Joseph Itskovitz gilt als Pionier der Stammzellforschung. Er hat dazu beigetragen, dass 1998 erstmals menschliche embryonale Stammzellen gewonnen wurden. Der Amerikaner James Thomson hatte die Technik entwickelt - Itskovitz lieferte Rohmaterial, menschliche Embryos. Sie waren bei Unfruchtbarkeitsbehandlungen in Israel übrig geblieben, und Paare hatten sie der Forschung gespendet. Ansage: Alles was geht? Israel und die Biomedizin. Eine Sendung von Martina Keller. [Cut 3, Ilana Goldberg Cohen We keep the cells in those tanks... Übersetzerin: Wir halten die Zellen in diesen Tanks, das sind Tanks mit flüssigem Stickstoff, in jedem haben wir sechs Gestelle, und jeder hat zehn wie diese (öffnet einen Tank). ... ten I think like that ...] Regie: Atmo, Klappern (hängt am Cut) unterlegen Sprecherin: Die kostbaren Zellen lagern gleich am Eingang des Labors, tiefgefroren bei minus 200 Grad. Es ist der Stoff, von dem die Welt nichts weniger als medizinische Wunder erwartet. Embryonale Stammzellen können sich noch in jeden der 210 Zelltypen des menschlichen Körpers entwickeln. Zumindest theoretisch sind sie damit ein ideales Ersatzgewebe für Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Diabetes. Atmo Klappern Cut 4, Ilana Goldberg Cohen So, this is how we keep them ... Übersetzerin: So bewahren wir sie auf: Dies sind gefrorene Zellen in einer Lösung, die sie am Leben hält, wir können sie herausnehmen, wann immer wir wollen, und auftauen... (Atmo Rumpeln, weiter unterlegen) ... and thaw them. Sprecherin: Therapieversuche sind allerdings - bis auf eine Ausnahme - noch in weiter Ferne. Die amerikanische Firma Geron erhielt 2009 die Genehmigung, embryonale Stammzellen versuchsweise an Patienten mit Rückgratverletzungen einzusetzen - eine umstrittene Entscheidung der amerikanischen Gesundheitsbehörde: Die Risiken für die Patienten sind womöglich nicht ausreichend untersucht. Abgesehen davon betreiben die Wissenschaftler weltweit Grundlagenforschung. Stammzellen sind dafür eine geeignete Ressource. Im Prinzip lassen sie sich unbegrenzt vermehren. Cut 5, Ilana Goldberg Cohen We have about 10 000 vials like that ... Übersetzerin: Wir haben rund 10 000 Fläschchen wie diese hier drin, wir verteilen sie, wir geben sie an verschiedene Labors in der ganzen Welt, in Europa, in den Vereinigten Staaten ... ... in the United States Sprecherin: Auch deutsche Wissenschaftler arbeiten mit den Schätzen aus Itskovitz' Labor. Dabei ist es ihnen bei Strafe verboten, selber Stammzellen aus Embryos herzustellen. In den Medien wurde erregt diskutiert: Ausgerechnet israelische Wissenschaftler brächten Deutschlands Bioethiker in Zugzwang. Diesen sei durch die deutschen Verbrechen während der Nazizeit eine besondere Last in der Ethikdebatte auferlegt. Und nun verursachten just jüdische Fortpflanzungsmediziner einen Tabubruch. Cut 6, Joseph Itskovitz The people in Germany ... Übersetzer: Die Deutschen sollten weniger emotional sein und die Sache lieber rational angehen ... Meine Frage an die Deutschen ist: Angenommen im nächsten Monat haben wir eine Zelltherapie, um eine wirklich schwere Krankheit zu heilen, Alzheimer, Diabetes, Herzschwäche, Krebs, was weiß ich. Was wird passieren? Die Menschen in Deutschland dürfen sich nicht therapieren lassen oder sie müssen schmuggeln oder nach Großbritannien reisen, um die Behandlung zu bekommen. ... and get the treatment or what? Sprecherin: Für Joseph Itskovitz war die Debatte in Deutschland eine ungewohnte Erfahrung. In Israel gibt es, wenn überhaupt, nur positive Schlagzeilen zur Stammzellforschung. Die israelische Öffentlichkeit hinterfragt nicht, ob Embryos für die Forschung verwertet werden dürfen. Sie hat auch kein Problem damit, dass Stammzellen, gewonnen aus israelischen Embryos, nach Deutschland exportiert werden. Cut 7, Joseph Itskovitz If you can save lives, cure people ... Übersetzer: Leben retten, Menschen heilen - das ist eines der wichtigsten Gebote, so einfach ist das, das ist die treibende Kraft. Und dann die Neugier, Grundlagenforschung zu machen. Und Sie haben die Unterstützung der meisten Menschen in Israel - nicht aller, einige sind auch dagegen, aber nur sehr wenige. Das ist eine ideale Situation, eine Win-Win-Situation. ... win-win-situation. Sprecherin: Wollte man in der Biomedizin, vor allem in den Bereichen Fortpflanzung und Verwertung von Embryos, zwei globale Gegenpole bezeichnen, so wären dies Israel und Deutschland. Der eine Staat, Israel, ist, was die Biomedizin betrifft, extrem liberal und wenig reguliert, der andere, Deutschland, eher restriktiv. Die Haltung beider Staaten ist durch historische Erfahrung beeinflusst. Die deutsche Bioethik wurde geprägt von den Nürnberger Prozessen, als nationalsozialistische Ärzte sich vor Gericht für ihre Verbrechen an Juden und anderen Gruppen verantworten mussten. Auch in Israel bestimmt der Holocaust die Haltung zu vielen Fragen. Allerdings haben Juden ihn als Opfer erlitten, während Deutsche die Täter waren. Cut 8, Barbara Prainsack Die, die überlebt haben, sind sozusagen immer auch mit denen da, die nicht überlebt haben. Die sind immer präsent, und denen, die nicht überlebt haben, denen schuldet man ja was. Man muss für die Sache, oder für das Sein, weiterkämpfen. Die Reproduktion wird manchmal auch in dem Sinn als Kampf betrachtet. Sprecherin: Die Politologin Barbara Prainsack lehrt am King's College in London. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit israelischer Biomedizin. Für ihre Dissertation zu diesem Thema hat sie nicht nur Mediziner, Rabbiner und Ethiker interviewt, sondern auch private Einblicke gewonnen. Cut 9, Barbara Prainsack Mir haben persönlich Leute in Israel gesagt, dass sie nicht aufhören wollten, nachdem sie zwei Kinder haben, um zu zeigen, dass wir überleben können - trotz dem, was passiert ist. Und es gibt auch Kommentatoren des Zeitgeschehens, die sagen, wir leiden immer noch an der Einbuße reproduktiven Materials durch den Holocaust, also müssen wir das wieder aufholen. Das ist einerseits explizit, wird es erwähnt - auf der anderen Seite, es wird fast als individuelle Pflicht gesehen. Sprecherin: Das Gefühl existentieller Bedrohung beförderte 1948 die Gründung des israelischen Staates, und es wird durch die geografische Lage des Landes wach gehalten. Israel ist umgeben von arabischen Staaten mit einer schnell wachsenden Bevölkerung. Die israelische Regierung begegnet der Bedrohung unter anderem durch eine aktive Bevölkerungspolitik. Bereits 1949 führte sie einen Anerkennungspreis für Mütter von zehn oder mehr Kindern ein - und schaffte ihn zehn Jahre später wieder ab, als sich zeigte, dass überwiegend arabische Frauen Preisträgerinnen wurden. Mit fast drei Kindern pro Frau, bei einem arabischen Bevölkerungsanteil von 20 Prozent, ist die Geburtenrate in Israel dennoch höher als in den anderen Ländern der westlichen Welt. Der starke Wunsch nach Nachwuchs verbindet sich mit nahezu unbegrenztem Vertrauen in die moderne Medizin. Israel hat die meisten Unfruchtbarkeitskliniken pro Einwohner und mit Abstand die höchste jährliche Rate an künstlichen Befruchtungen, den sogenannten In-Vitro-Fertilisationen, kurz IVF. Cut 11, Meira At the beginning ... Übersetzerin: Am Anfang nahm ich nicht viele Hormone, und deshalb hatte ich keine Eizellen, es braucht immer eine Zeit, bis sie meinen Körper kennengelernt haben, was zu tun ist, es brauchte Zeit und IVF-Versuche. ... it took time and IVF. Cut 12, Barbara Prainsack Israel ist das einzige mir bekannte Land, wo In Vitro Fertilisation sehr großzügig gezahlt wird von der nationalen Gesundheitsversicherung. Nämlich für Paare, die aus der bestehenden Beziehung keine Kinder haben, das heißt die können theoretisch aus einer vorherigen Ehe Kinder haben, aber trotzdem, wenn aus der bestehenden Beziehung keine Kinder entstanden sind, und wenn sie nicht über einer bestimmten Altersgrenze sind, die aber relativ hoch ist, haben sie Anspruch darauf, dass der Staat die In-Vitro-Fertilisation bezahlt, bis zum zweiten lebend geborenen Kind. Das heißt, das ist nicht auf eine bestimmte Zyklenanzahl beschränkt, es kommt auf den Output an, es kommt drauf an, wie viele Kinder man mit nach Hause nehmen kann. Sprecherin: Für die Patientinnen ist es unter diesen Umständen nicht leicht, ein Therapieende zu finden, wenn sich der Kinderwunsch nicht erfüllt. Meira, deren wirklicher Name anders lautet, hat acht Jahre durchgehalten. Cut 13, Meira I have a lot of ... Übersetzerin: Ich hatte viele Probleme. ... es fiel mir schwer zu sitzen, im Bett zu liegen, es war sehr schwierig, ich habe gelernt, damit zu leben. ... to live this. Sprecherin: Für ihr Ziel, ein Kind zu bekommen, nahm Meira alles in Kauf: die jahrelange hormonelle Stimulation, die Eizellentnahmen, den Sex nach der Uhr, die Auszeiten vom Job, den Streit mit ihrem Mann. Cut 14, Meira I want to continue ... Übersetzerin: Ich wollte weitermachen und Ergebnisse sehen ... Mein Mann dachte ans Aufhören, aber ich nicht, ich habe es für mich getan, um eine Mutter zu sein. ... to be a mother. Cut 15, Jehoshua Dor We are here in the first IVF unit... Übersetzer: Dies ist die erste IVF-Abteilung in Israel, sie wurde 1981 eingerichtet, nachdem wir vom Gesundheitsministerium die Genehmigung bekamen, Unfruchtbarkeitstherapien anzubieten, und wir haben hier in dieser Klinik das erste israelische IVF-Baby zur Welt gebracht, im September 1982. ... in September 1982. Sprecherin: Meiras letzte Hoffnung war Jehoshua Dor - drei andere Ärzte hatten sie ohne Erfolg behandelt. Der 62-jährige Dor ist einer der berühmtesten Fortpflanzungsmediziner Israels. Er praktiziert am staatlichen Sheba Medical Center in Tel Hashomer - vormittags. Nachmittags arbeitet er in einer Privatklinik, die von verzweifelten Frauen aus dem ganzen Land aufgesucht wird. Cut 16, Meira Someone told me ... Übersetzerin: Jemand sagte mir, dass er der beste ist, wenn er keinen Erfolg hätte, bleibe nichts mehr zu tun ... Er war der, der mein Leben gerettet hat. ... who saved my life. Sprecherin: Meira wurde schwanger, nach 22 vergeblichen Befruchtungszyklen. Sie brachte Zwillinge zur Welt - sechs Jahre ist das jetzt her. Doch Meira ist weiterhin Patientin von Dor, ein halbes Dutzend neuerliche Therapiezyklen hat sie hinter sich gebracht. Cut 17, Meira I want more ... Übersetzerin: Ich will mehr, ich will schwanger sein, ich will viele Kinder, oder wenigstens noch eins. Um eine Mutter zu sein, um eine normale Frau zu sein, ich wollte wie alle anderen sein. ... like all, like the other one. Cut 18, Jehoshua Dor I think this is... Übersetzer: Ich denke, es ist ein sehr starker Antrieb, Kinder zu wollen. Sehen Sie sich die Natur an, ich will nicht Menschen mit Tieren vergleichen, aber jeder möchte sich fortpflanzen. Ich weiß, da ist ein Trend. Ich weiß, wir sehen immer nach Westeuropa, zum Beispiel nach Deutschland, da sind viele Paare, die kein Kind wollen, sie sind glücklich mit dem Hund - hier nicht. ... not here. Sprecherin: Israel ist in vieler Hinsicht extrem, wenn es um Fortpflanzungsmedizin geht. Was anderswo heiß diskutiert oder sogar verboten ist, wird hier akzeptiert. Zum Beispiel die sogenannte Präimplantationsdiagnostik, kurz PID. Dieses Verfahren wurde entwickelt, um Embryos vor der Einpflanzung im Reagenzglas auf schwere Genschäden zu untersuchen und sie gegebenenfalls auszusortieren. Der 62-jährige Dor setzt das Verfahren allerdings auch ein, um taube oder blinde Embryonen zu erkennen. Und er hat die Diagnostik auf das sogenannte BRCA-Gen ausgedehnt - die Trägerinnen werden vielleicht als Erwachsene an Brustkrebs erkranken. In Deutschland ist die PID verboten. Cut 20, Jehoshua Dor The word... Übersetzer: Das Wort Selektion ist in Deutschland ein schlechtes Wort, zumindest hat es einen schlechten Klang, aber beispielsweise Embryos anzusehen und zu entscheiden, welcher Embryo wird die besten Chancen bei der Einpflanzung haben, das ist nicht gegen die Ethik, in meinen Augen. ... in my eyes. Cut 21, Yael Hashiloni-Dolev I was pregnant ... Übersetzerin: Ich war zum ersten Mal schwanger und erfuhr vom genetischen Screening, das seinerzeit vor neun Jahren schon üblich war. Ich fühlte mich unwohl damit, ich fand es seltsam zu entscheiden, bestimmte Babys zu bekommen und andere nicht. Ich war damit sehr beschäftigt, und dann fand ich heraus, dass Israel sehr einzigartig ist, auch heute noch. ... still very unique. Sprecherin: Es sollen nicht nur viele Kinder in Israel geboren werden, sondern auch gesunde. Als Yael Hashiloni-Dolev schwanger wurde, fiel ihr ein, dass ihre Eltern vor ihrer Geburt die humangenetische Beratung aufgesucht hatten. Yaels ältere Schwester war mit zehn Jahren an Diabetes erkrankt, und die Eltern wollten wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass auch ihr zweites Kind erkranken würde. Da die Auskunft lautete, das Risiko sei gering, entschieden sie sich, Yael zu bekommen. Und hier ist sie nun, 28 Jahre später. Cut 22, Yael Hashiloni-Dolev I didn't like ... Übersetzerin: Ich mochte nicht die Art, wie es an mich herangetragen wurde. Ich mochte nicht, dass niemand es hinterfragt, dass es in Israel so normal ist ... Wenn du schwanger bist und erstmals den Gynäkologen aufsuchst, ist es vollkommen selbstverständlich, dass man dir rät, dich genetisch testen zu lassen - und viele Frauen tun es. ... many women do it. Sprecherin: Israel hält den Weltrekord an Gentests vor oder während der Schwangerschaft - 14 sind bei nichtorthodoxen Frauen üblich. Selbst kleinere Abweichungen von der Norm führen häufig zur Abtreibung, mitunter genügt eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, die im Ultraschall auffällt. Hashiloni-Dolev ist Soziologin an der Universität Tel Aviv. Sie begann sich auch wissenschaftlich für das Thema zu interessieren und entdeckte eine Studie, die Einstellungen von Humangenetikern aus 37 Ländern verglich. Die beiden Pole bildeten wieder einmal Israel und Deutschland, die eine Seite aufgeschlossen, die andere zwiegespalten, was den Nutzen vorgeburtlicher Diagnostik betrifft. Hashiloni-Dolev, die neben dem israelischen auch einen deutschen Pass besitzt, beschloss, die Praxis in beiden Ländern zu untersuchen. Mehrere Monate forschte sie im Geburtsland ihres Vaters. Die Ergebnisse veröffentlichte sie 2007 in einem Buch - A Life (un)worthy of living - Ein lebens(un)wertes Leben. Cut 23, Yael Hashiloni-Dolev German counselers ... Übersetzerin: Deutsche Berater sind schuldgetrieben und mehr beschäftigt mit ethischen Fragen als israelische Berater, und die israelischen Berater werden nicht viel kritisiert von der Gesellschaft, in der sie leben. Die deutschen dagegen haben mit Ressentiments zu kämpfen, sie arbeiten in einer ganz anderen sozialen Atmosphäre. .. Und israelische Berater drängen mehr in Richtung Abtreibung. ... toward abortions. Cut 24, Barbara Prainsack Wenn man in einem Land aufwächst, in dem die Schrecken der Vergangenheit omnipräsent sind, dann möchte man natürlich betonen, dass man aus der Geschichte gelernt hat ... Sprecherin: Barbara Prainsack, die Politologin Cut 25, Barbara Prainsack Und man möchte es nicht nur betonen, sondern zeigen, dass es nicht mehr die Unterscheidung zwischen lebenswertem und unwertem Leben gibt, sondern dass jedes Leben gleich viel wert ist. Die israelische Sichtweise, ich formuliere das etwas salopp, wäre zu sagen, dass das Überkompensation ist: Also früher habt ihr euch eines Verbrechens schuldig gemacht und jetzt überkompensiert ihr das, indem ihr die Worldchampions of Morality sein wollt. Sprecherin: Der Unterschied in der Haltung der Humangenetiker zeigte sich bei 20 von 26 möglichen Diagnosen. Israelische Berater tendieren deutlich häufiger dazu, einen Schwangerschaftsabbruch zu empfehlen als ihre deutschen Kollegen; das gilt selbst bei geschlechtsspezifischen Chromosomenstörungen, deren wesentliche Folge Unfruchtbarkeit ist. Cut 26, Yael Hashiloni-Dolev A part of it they can be very ... Ein Teil der Betroffenen sind ganz normale Leute, mit einigen Problemen zwar, aber die sind nicht schwerwiegend: Sie können intelligent sein, lange leben, sehen normal aus, da ist kein Problem ... In Deutschland sagt man in diesem Fall, es geht nur um Unfruchtbarkeit, das ist kein Thema, und die zusätzlichen Risiken sind minimal ... In Israel haben wir eine Kultur, die Fruchtbarkeit für sehr wichtig hält, vielleicht für das Wichtigste im Leben. Du wirst beurteilt nach deiner Fruchtbarkeit, deshalb ist Unfruchtbarkeit wirklich ein Problem. ... really a problem. Sprecherin: Seid fruchtbar und mehret euch - dieser Satz findet sich in der christlichen Bibel wie in der Thora, dem wichtigsten Teil der hebräischen Bibel. Für orthodoxe jüdische Gläubige ist er ein bindendes Gebot. Aber auch im säkularen Teil der Bevölkerung wirkt die Aufforderung weiter. Eine erbliche Unfruchtbarkeitsstörung kann daher sehr wohl ein Grund sein, eine Schwangerschaft zu beenden. In Israel ist der Abbruch leicht möglich und gesellschaftlich akzeptiert. Nur in der orthodoxen jüdischen Welt sind Abtreibungen verboten. Hier hat man einen Weg gefunden, der weltweit einzigartig ist. Atmo 2, Telefon wählen, Piep Piep Cut 27, Anrufbeantworter Dor Yeshorim You have reached Dor Yeshorim, the comitee for prevention of Jewish genetic diseases. If you know your party extension dial it at any time of this message ... Sprecherin: Wer die Nummer 001-718-384-6060 wählt, erreicht einen Anrufbeantworter in New York - den der Brooklyner Einrichtung Dor Yeshorim. Das heißt wörtlich Generation der Gerechten, frei übersetzt Generation derer, die eine gute Entscheidung treffen. Cut 28, Anrufbeantworter Dor Yeshorim For testing locations please press one, to check compatibility please press two, to order the new familial dysautonomia test please press three ... Sprecherin: Im Zentralcomputer von Dor Yeshorim sind genetische Daten von mehr als 200.000 orthodoxen Juden aus Israel, den USA und Europa gespeichert. Die Organisation wurde in den achtziger Jahren von dem New Yorker Rabbiner Joseph Ekstein gegründet. Er hatte vier seiner zehn Kinder durch das sogenannte Tay-Sachs- Syndrom verloren, eine genetische Störung, die vermehrt unter osteuropäischen Juden auftritt; sie führt im Kleinkindalter zum Tod. Bereits mit 17 Jahren liefern junge Orthodoxe Dor Yeshorim ihre Blutproben und lassen sie auf versteckte genetische Krankheiten testen; sie zahlen dafür einen durch private Spenden subventionierten Preis - bis zu 200 Dollar. Zehn Tests sind derzeit üblich, darunter auch der auf Tay- Sachs. Cut 29, Avraham Steinberg Nobody is happy ... Übersetzer: Niemand ist glücklich mit Tay Sachs, die Kinder überleben das nicht ... Nehmen wir an, ich weiß, ich bin ein Träger, und ich will keine Frau heiraten, die auch Trägerin ist ... habe ich dann etwas Falsches getan? ... wrong? Sprecherin: Rabbi Avraham Steinberg ist Arzt am Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem und Spezialist für jüdisches Recht in der Medizin. Cut 30, Avraham Steinberg You can find them out before marriage ... Übersetzer: Sie können es vor der Hochzeit herausfinden. Sie müssen nicht unbedingt jemanden heiraten, mit dem eine 25-prozentige Chance besteht, ein Kind mit einer schweren Krankheit zu bekommen. Vielleicht wäre das Kind glücklich damit, aber es bleibt eine schwere Krankheit. Also diese Art von Selektion oder besser Prävention ist auf jeden Fall erlaubt, und ich denke, das ist universell akzeptabel, selbst aus christlicher Sicht. ... christian point of view. Sprecherin: Ob Gencheck vor dem ersten Rendezvous oder Gentests bei Schwangeren - eine kritische ethische Diskussion zu diesen Fragen gebe es in der israelischen Öffentlichkeit nicht, bemängelt die Soziologin Hashiloni-Dolev. Sie sieht aber auch die deutsche Haltung kritisch. Zum Beispiel kommt es hierzulande ebenfalls vor, dass eine Schwangerschaft bei schwerwiegenden Fehlbildungen des Embryos abgebrochen wird. Dies geschieht allerdings stets mit der Begründung, dass der Frau schwere körperliche oder seelische Beeinträchtigung drohe. Die Möglichkeit, eine Fehlbildung des Embryos anzuführen, wurde 1995 abgeschafft. In einer langwierigen Diskussion hatte sich die Auffassung durchgesetzt, die Regelung stigmatisiere behindertes Leben. Cut 31, Yael Hashiloni-Dolev It is hypocrit ... Übersetzerin: Das ist scheinheilig, ... Die deutsche Kultur ist sehr rigide und idealistisch, ... sie ist nicht pragmatisch, nicht so wie Menschen wirklich sind, ... In Israel gibt es den Druck abzutreiben, in Deutschland den Druck, ein behindertes Kind zu bekommen, auch wenn es verhindert werden könnte. Es ist der entgegengesetzte Druck: Man muss jedes Kind als Geschenk akzeptieren, dann fühlt Deutschland sich moralisch. Aber am Ende muss der Einzelne das Kind aufziehen - die Gesellschaft kann dabei helfen, aber wenn das Kind krank ist und leidet, dann weint nicht die Gesellschaft in der Nacht - die Eltern tun es. ... his parents are. Sprecherin: Der unbekümmerte israelische Umgang mit Eugenik mag auch mit dem zionistischen Erbe des Landes zusammenhängen. Die jüdische Nationalbewegung begann Ende des 19. Jahrhunderts sich zu organisieren. Zionismus und Eugenik waren Kinder derselben Zeitperiode. Die Zionisten propagierten den gesunden und starken Muskeljuden, als Gegenbild zum unterdrückten Diasporajuden. In der Praxis der Gentests lebt dieser Wunsch nach dem besseren Menschen weiter. Anders als in Deutschland ging Eugenik in Israel allerdings nie mit staatlichem Zwang einher. Zudem entwickelte der Zionismus als egalitäre sozialistische Bewegung keine Rassenhierarchie. Selbst israelische Behindertenorganisationen sehen deshalb keine Verbindung zwischen vorgeburtlicher Auswahl und den Verbrechen, die im Namen der Eugenik verübt wurden. Vorbedingung des genetischen Screenings ist zudem ein grundlegend anderes Verständnis vom Embryo als in der christlichen Dogmatik. Cut 32, Avraham Steinberg This has to do with the definition of the begining of life. Übersetzer: Das hat mit der Definition vom Beginn des Lebens zu tun. Sprecherin: Rabbi Avraham Steinberg. Cut 32a, Avraham Steinberg From the Christian point of view ... Übersetzer: Aus christlicher Sicht beginnt Leben mit der Empfängnis ... Wenn man Eizelle und Sperma in der Petrischale vereint und die Zellen beginnen sich zu teilen, ist der Embryo ein menschliches Wesen und hat volles Existenzrecht, ob es defekt ist oder nicht. Die Eliminierung derer, die krank sind, ist, als würde man sie töten. Deshalb erlaubt die christliche Gemeinschaft es nicht. In jüdischer Tradition gibt es keine Definition eines menschlichen Wesens außerhalb des Leibes. Nur wenn der Embryo in den Leib kommt, beginnt er ein potentielles menschliches Wesen zu werden. Aber selbst dann gibt es verschiedene Stadien während der Entwicklung des Fötus, bis hin zur Geburt. ... until it is being born. Sprecherin: Rabbiner und Wissenschaftler arbeiten in Israel einvernehmlich zusammen. So hat die jüdische Religion gegen künstliche Befruchtung nichts grundsätzlich einzuwenden, es sollte nur sichergestellt werden, dass Sperma nicht verwechselt wird - denn das würde Ehebruch bedeuten. Deshalb gibt es in den Labors der Fortpflanzungsmediziner eine Vielzahl religiöser Frauen, die kontrollieren, dass solche Missgeschicke nicht vorkommen. n das Klonen von Menschen ist derzeit aber auch in Israel nicht zu denken. Cut 34, Barbara Prainsack Wie wir aus dem Tierklonen wissen, sterben die meisten Föten, die Mütter sterben bisweilen. Es ist völlig undenkbar, dass man das im Moment an Menschen ausprobiert. Sollte das jemals sicher sein, so der Konsens, gäbe es kein absolutes Argument, das das reproduktive Klonen verbieten würde. Sprecherin: In der internationalen Staatengemeinschaft markieren Israel und Deutschland in der Klonfrage Gegenpole. Die deutsche Position lautet, unter Berufung auf die Menschenwürde: Das Kopieren von Menschen muss in jedem Fall verhindert werden. Aus israelischer Sicht ist Klonen im Prinzip eine weitere Methode der Unfruchtbarkeitsbehandlung. Cut 35, Barbara Prainsack Wenn zum Beispiel ein Mann absolut unfähig ist, Spermien zu erzeugen, wäre das Klonen eine Möglichkeit für ihn, ein Kind zu haben, das mit ihm biologisch verwandt ist. Manche orthodoxe Paare haben auch Probleme mit dem Akzeptieren von genetischem Spendermaterial. Das hat viele Gründe, die in der Halacha liegen, also die im religiösen Gesetz liegen, ... in dem Kontext ist es für manche orthodoxe Menschen schwierig, Spendermaterial zu akzeptieren, und für diese Leute wäre das natürlich auch eine Möglichkeit, ein Kind zu bekommen, ohne Spendermaterial zu brauchen. Sprecherin: Israel hat vorerst kein absolutes Klonverbot beschlossen, sondern ein Moratorium. Es wurde 2004 um fünf Jahre verlängert. Falls die Klontechnik eines Tages ausgereift sein sollte, werden die Rabbiner wohl keine Einwände gegen sie erheben. Gott spielen, wie es die Christen nennen und als frevelhaft bewerten, ist im Judentum eine Tugend, denn der Mensch gilt als Gottes Partner in der Schöpfung. Der Mensch hat das Recht, und bei therapeutischen Fragen sogar die Pflicht, sie zu verbessern. Mit Allmachtsphantasien hat das nichts zu tun, sondern mit der Gottes- Ebenbildlichkeit des Menschen. Wie heißt es in der Midrash Tahuma, einer Thorah- Auslegung: Gott sagt: Alle, die handeln, wie ich handele, werden sein, wie ich bin. * * * * * 1