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Nach der Partie, die per Doppelpack von Mölders 2:2 unentschieden endete, sagte FCA-Trainer Jos Luhukay: Take 2 (0:13) Luhukay: Das ist unser Erfolgsrezept - so können wir auch nur die Klasse halten dieses Jahr, dass wir einen Kader haben, wo ich persönlich auch immer Schwierigkeiten mit haben muss, welche 11 spielen oder welche Jungs sitzen auf der Bank, wer kommt zum Einsatz... Autor: Ein typischer Luhukay, würden Insider sagen. Der Trainer vermeidet in der Regel allzu starkes Einzellob, setzt lieber auf Teamwork, auf mannschaftliche Geschlossenheit. Er gilt als einer der wichtigsten Architekten des Aufstiegs. Der Holländer kam 2009 und führte die Mannschaft innerhalb von zwei Jahren in die erste Liga. Manager Andreas Rettig verteilt Bestnoten für die jüngste sportliche Entwicklung. Take 3 (0:21) Rettig: In den letzten beiden Jahren hat die Mannschaft und auch der Trainer hier einen großartigen Job gemacht. Wir haben einmal 62 Punkte geholt und einmal 65 Punkte, sind ins DFB- Pokalhalbfinale gekommen, wir haben nebenbei noch n Stadion gebaut - der Weg stimmt und die Entwicklung macht Freude, wenn ich auch das ganze Drumherum sehe: Mitgliederzuwächse, Dauerkartenverkauf undund. Autor: Tatsächlich schlägt die Fußballbegeisterung in Bayerisch-Schwaben derzeit hohe Wellen. Die Mitgliederzahlen haben sich in kürzester Zeit von 3.500 auf 8.000 mehr als verdoppelt. Rund 18.000 Dauerkarten wurden abgesetzt. Alle 52 Logen der neuen Arena sind verkauft und auch bei den Business-Seats geht inzwischen nichts mehr. Vor wenigen Jahren noch sah die Situation ganz anders aus. Take 4 (0:21) Schmoll: Man war ja lange Zeit Fußball-Diaspora, hat Dritte Liga, Vierte Liga gespielt. In den vergangenen zehn Jahren hat der Fußball in Augsburg einen enormen Aufschwung genommen. Und für die Stadt ist es sehr wichtig, für das Selbstwertgefühl, aber sicherlich auch für Gewerbe, Handel, Gastronomie in der Stadt, und ich glaub, das tut Augsburg gut. Autor: Sagt Herbert Schmoll, langjähriger Sportredakteur beim Regionalblatt "Augsburger Allgemeine". Er erinnert sich noch an Geisterkulissen im traditionellen Rosenau-Stadion, bis vor zwei Jahren Spielstätte der Rot-Grün-Weißen. Take 5 (0:17) Schmoll: Das altehrwürdige Rosenau-Stadion hat neben guten Zeiten auch ganz schlechte Zeiten gesehen. Es gab Spiele, wo der Kassierer die Zuschauer einzeln per Handschlag an der Kasse begrüßen konnte - 300, 400, 500 Zuschauer - das war über Jahre hinweg so der Alltag in Augsburg. Autor: Ganze 238 Zuschauer, so weiß die Vereinschronik, wollten im Jahr 2000 die Augsburger gegen den ASV Neumarkt spielen sehen. In der Hinrunde hätten Fans damals eine Benefizveranstaltung organisiert, um der Mannschaft das Wintertrainingslager zu finanzieren. Zuvor hatte der DFB den Verein zum Zwangsabstieg in die Bayernliga verdonnert. Wie es dazu kam, erläutert FCA-Aufsichtsratsvorsitzender Peter Bircks: Take 6 (0:11) Bircks: Wir haben die sportliche Qualifikation für die Regionalliga geschafft, aber finanziell nicht. Da fiel dann eine Bürgschaft aus, und dann waren wir eigentlich konkursreif. Und dann hamse sich wieder an uns Alte erinnert und uns gebeten, zu helfen. Autor: Bircks war bis 1996 selbst Präsident beim FCA und hatte nach eigenem Bekunden den Verein schuldenfrei übergeben. Seine Nachfolger wirtschafteten offenbar weniger solide. Zunächst war guter Rat teuer. Ein Reporter der Augsburger Allgemeinen hatte die zündende Idee. Take 7 (0:17) Bircks: Und dann hat mir der Journalist den Tip gegeben, Mensch, da gibt's einen Walther Seinsch, der eigentlich fußballaffin ist, sprich doch mal mit dem! Und so hab ich bei dem angerufen, und dann hab ich ihn besucht. Das anfängliche Verhältnis war sehr kühl und sehr distanziert, aber langsam, aber allmählich wuchs dann eine wunderbare Freundschaft daraus. Autor: Der Rheinländer Walther Seinsch hatte sich aus kleinen Verhältnissen zum Selfmade- Millionär emporgearbeitet. Sein Vermögen machte er als Mitgründer und Miteigentümer der Textilketten Takko und Kik. 1994 kandidierte er auf Vorschlag des einstigen Bundeswirtschaftsministers Jürgen Möllemann für das Präsidentenamt bei Schalke 04, zog seine Bewerbung später aber wieder zurück. Auch beim SSV-Reutlingen engagierte er sich vorübergehend. Aber erst beim FC Augsburg fiel sein Einsatz auf fruchtbaren Boden. Zunächst, so berichtet er, habe er bei den Gläubigern erfolgreich Klinken geputzt, um sie zum Verzicht auf ihre Forderungen zu bewegen. Take 8 (0:22) Seinsch: Danach war ich so der Oberbettler vom FCA und hab also über all die Jahre Leute gesucht, die sich finanziell einbringen. Auch die Mitglieder der Investorengruppe, für die ich als Treuhänder, für deren Kapital ich als Treuhänder beim FCA eingesetzt bin. Ich selbst bin auch mit einer kleinen Summe beteiligt, und wir zusammen haben das möglich gemacht. Autor: Von jetzt an ging es bergauf beim FCA. 2002 Aufstieg in die Regionalliga Süd, vier Jahre später in die Zweite Bundesliga. 2010 scheiterten die Augsburger beim ersten ernsthaften Anlauf zum Sprung ins Oberhaus in der Relegation am 1. FC Nürnberg. In der abgelaufenen Saison war es dann so weit. Ein Durchmarsch, der ein wenig an die Erfolgsstory der TSG 1899 Hoffenheim erinnert. Den Vergleich mit Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp hält Seinsch jedoch für unpassend. Take 9 (0:28) Seinsch: Herr Hopp ist ein wunderbarer Mann, der viele gute Dinge macht im sozialen Bereich. Der hat mit der Jugendabteilung in Hoffenheim angefangen, der lässt armen Kindern Golf beibringen, der unterstützt die Universität in Heidelberg und viele andere Dinge mehr. Insofern ist es ein Vorbild für mich. Was das Finanzielle betrifft, ist der Vergleich natürlich absurd, weil da fehlen mir, glaube ich, vier Nullen. Autor: Beim Aufstieg in die Zweite Bundesliga wurde die Lizenzspielermannschaft in die neu geschaffene FC Augsburg 2007 GmbH & Co. KG ausgegliedert. Aufsichtsratschef Bircks zur Rolle von Präsident Seinsch und seiner finanziellen Mitstreiter. Take 10 (0:23) Bircks: Er ist zwar die führende Persönlichkeit dieser Investorengruppe, das sind aber insgesamt sieben Leute, die das Geld eingegeben haben und das Geld aber auch wieder haben wollen, mit Zinsen. Natürlich ist das high risk Kapital, weil sie net wissen, ob das alles funktioniert, dass sie ihr Geld wieder bekommen. Aber das ist kein Mäzenatentum, das ist ein Investment in eine GmbH & Co. KG auf Aktien, wo die Investoren hoffen, das Geld irgendwann wieder zu sehen. Autor: Wie Präsident Seinsch stammt auch Manager Andreas Rettig aus dem Rheinland. Was unterscheidet die Arbeit in Augsburg von seinen früheren Stationen, etwa von Leverkusen oder Köln? Take 11 (0:14) Rettig: Das ist n Standort, bei dem die Biergläser am größten sind, und das bereitet mir als Rheinländer etwas Kummer, weil als Kölner bin ich es gewohnt, aus kleinen Gläsern zu trinken. In Bayern und beim FCA trinken wir aus großen Gläsern. Das ist schon ne Umstellung. Autor: Der Mann hat offenbar Humor. Rettigs Hauptjob bestand zuletzt darin, eine wettbewerbsfähige Mannschaft für die Erste Bundesliga zusammen zu stellen. Keine leichte Aufgabe in einem Verein, der nicht aus dem Vollen schöpfen kann wie der große Nachbar aus München. Die Bundesligatabelle, dies seine Überzeugung, sei mittelfristig immer ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Take 12 (0:17) Rettig: Die, die viel Geld haben, stehen oben - in der Regel. Aber da die Regel ab und zu Ausnahmen hat, daraus schöpfen wir unsere Kraft. Wir haben den mit Abstand kleinsten Etat in der ersten Liga. Auch nur mal n Vergleich dazu: Eintracht Frankfurt hat in der Zweiten Liga einen höheren Personalkosteneinsatz als der FC Augsburg in der Ersten Bundesliga. Autor: 26 Millionen Euro gibt der FCA in dieser Saison für seinen Spielerkader aus. Startransfers und hohe Ablösesummen kommen da nicht in Frage. Der von Rettig propagierte "Augsburger Weg" machte in den letzten Jahren aus der Not eine Tugend. Der Klub holte entweder Spieler, die bei ihren bisherigen Klubs auf dem Abstellgleis standen. Oder er sicherte sich talentierte Spieler aus der zweiten Reihe. Aus Wolfsburg kamen etwa der von Felix Magath aussortierte Torwart Simon Jentzsch und Augsburgs amtierender Kapitän Uwe Möhrle. Torjäger Michael Thurk, bei der Frankfurter Eintracht kaum im Einsatz und der Ex- Herthaner Ibrahima Traoré machten in Augsburg Furore. Auch auf charakterliche Mindeststandards legt der Klub großen Wert. Take 13 (0:18) Rettig: N bisschen Fußball sollnse ja auch spielen können, bei allen positiven Charaktereigenschaften, die uns wichtig sind. Wir können den schnöseligen, arroganten, selbstverliebten Jungprofi hier nicht gebrauchen. Aber uns sind eben Dinge - nicht nur, ob er dreimal den Ball hochhalten kann - wichtig, sondern auch n paar andere Sachen wie eben angedeutet. Autor: Das findet auch Trainer Jos Luhukay. Take 14 (0:14) Luhukay: Ja, erstmal denke ich, leben wir von die Geschlossenheit und vom gesamten Team. Wir bestehen nicht aus Einzelpersonen oder Einzelspielern, wir haben den Erfolg die letzten zwei Jahre bewerkstelligt durch, dass die Mannschaft wirklich sowas von geschlossen aufgetreten ist, dass sie gemeinsam immer wieder das gleiche Ziel verfolgt hat. Autor: Mit dieser Einstellung gelang es auch, kleinere und größere Krisen zu überwinden. Als der FCA zu Beginn der vergangenen Saison vier Partien in Folge verlor, der Aufstieg gefährdet schien, wurde nicht etwa der Trainer in Frage gestellt. Im Gegenteil: Entgegen den Gesetzen der Branche bot der Vorstand Luhukay eine Vertragsverlängerung an. Ein Treuebekenntnis, das sich schon in der folgenden Begegnung gegen Union Berlin auszahlte. Kapitän Uwe Möhrle erinnert sich an dieses Spiel besonders gern. Take 15 (0:16) Möhrle: Wir...lagen 0:1 zurück und dann hab ich aus über 50 Metern das 1:1 geschossen. Das Spiel haben wir noch in der Nachspielzeit gewonnen, und von dem Zeitpunkt an haben wir glaube ich dann ne Siegeserie gestartet, und das ist doch sehr prägend gewesen. Weil ich erstens nicht zu oft n Tor schieße und auch nicht aus 55 Metern. Atmo: Klangschale Autor: 2026 Jahre hat die von den Römern gegründete Stadt am Lech auf dem Buckel. Damit ist Aufsteiger Augsburg die älteste Bundesligastadt aller Zeiten. Und aller Fußball-Dominanz der Münchner Bayern zum Trotz: Lokalpatriotische Chronisten Augsburgs erinnern gelegentlich daran, dass die heutige Landeshauptstadt München erst im Jahre 1158 die Gründungsweihen erhielt. Und zwar auf dem Reichstag zu Augsburg, abgesegnet von keinem geringeren als Kaiser Barbarossa. Doch von der Erinnerung an mittelalterlichen Glanz und Reichtum der Fugger können sich die Schwaben nichts mehr kaufen. Das einstige Überlegenheitsgefühl der Augsburger gegenüber München ist im Laufe der Zeit einem tief verwurzelten Minderwertigkeitskomplex gewichen. Nach Jahren der Unterklassigkeit galt das auch im Fußball, wie Sportredakteur Herbert Schmoll einräumt. Take 16 (0:20) Schmoll: Den gab's tatsächlich, aber ich muss auch sagen. Auch durch den Fußball ist jetzt das Selbstwertgefühl der Augsburger oder des Augschburgers wieder gestiegen. Man kann gerade nach München wieder mit breiter Brust fahren. Wobei der Augsburger sich immer wieder sagt: Das Schönste an München ist der Zug, der am Abend nach Augsburg wieder zurück führt. Autor: Kapitän Uwe Möhrle hofft, dass Augsburg künftig als Fußballstadt stärker wahrgenommen wird. Take 17 (0:18) Möhrle: Na ja, wenn ich ein paar Jahre zurückdenke, dann war es schon so, dass auf der Landkarte im Süden natürlich Augsburg gar nicht aufgetaucht ist, nur ein kleines Lichtlein war. Und jetzt sind wir natürlich schon stolz darauf, dass wir gegen den Nachbarn aus München spielen dürfen, gegen die Großen, nicht mehr gegen die Blauen, jetzt gegen die Bayern spielen dürfen. Autor: Die Blauen, damit meint Möhrle die Kicker von 1860 München, in den Jahren der Zugehörigkeit zur Zweiten Liga die regionalen Hauptkonkurrenten des FCA beim Kampf um den Aufstieg. Ironie der Geschichte: Nicht die frischgebackenen Erstligisten machten Augsburg einer größeren internationalen Öffentlichkeit bekannt. Bereits während der Frauenfußball-WM, als drei Spiele aus der neuen Arena übertragen wurden, erfreute sich die Stadt zwei Wochen lang einer überregionalen Medienpräsenz. Mit durchaus nachhaltiger Wirkung, wie die Stadt- und Stadionführerin Brigitte Althammer unlängst erlebte. Take 18 (0:13) Althammer: Ich war jetzt in den USA in Urlaub, und normalerweise, wenn man gesagt hat, man kommt aus Augsburg, muss man erst mal erklären, wo das ist. Und dann kam also doch tatsächlich irgendwas von Frauenfußball-Weltmeisterschaft. Der Bekanntheitsgrad der Stadt ist auf jeden Fall um einiges gestiegen. Autor: 104 Jahre nach der Gründung am 8. August 1907, damals noch unter dem Namen FC Alemania Augsburg, schreibt der Verein jetzt Bundesligageschichte. Dabei hatte er schon früher einen guten Klang, galt geradezu als Talentschmiede des deutschen Fußballs. Take 19 (0:33) Schmoll: Das ging ja in den sechziger Jahren schon los mit Helmut Haller, dem legendären Helmut, einem der besten deutschen Fußballer aller Zeiten vermutlich. Dann später in den 80er, 90er Jahren unter dem Jugendtrainer Heiner Schumann, der Talente wie Bernd Schuster, Karl- Heinz Riedle, Armin Veh, Christian Hofstätter (gemeint ist wohl: Hochstätter, d.A.), Raimund Aumann, Roland Grahammer und viele, viele mehr herausgebracht hat. Der Verein konnte die Jungs allerdings nicht halten, war drittklassig oder viertklassig, und die sind dann in die große, weite Fußballwelt hinaus nach Barcelona, nach Madrid oder eben zu den Bayern. Autor: Sagt Sportredakteur Schmoll, der die Geschicke seines Heimatvereins seit mehr als 30 Jahren publizistisch begleitet, mit bedauerndem Unterton. Was nur noch Insider und Klubanhänger wissen: Der FCA brachte auch einen der "Helden von Bern" hervor: Uli Biesinger, siebenfacher Nationalspieler und Mitglied des Weltmeisterkaders von 1954. Der damals 20jährige kam als jüngster Spieler seinerzeit allerdings nicht zum Einsatz. Biesinger, der "stille Star", wie man ihn in Augsburg nannte, beendete seine Karriere 1966. Den Aufstieg seines Klubs in die deutsche Eliteliga konnte er noch mitfeiern. Den Start in die Bundesligasaison erlebte er nicht mehr. Take 20 (0:22) Schmoll: Er war FCA-ler mit Leib und Seele, hatte auf der Haupttribüne seinen Stammplatz mit seiner Frau, war bei jedem Heimspiel da, hat auch die Augsburger Prominentenmannschaft, die Datschiburger Kickers, mitbetreut teilweise. Er war im Mai noch beim entscheidenden Spiel gegen den FSV Frankfurt im Stadion und ist jetzt leider plötzlich verstorben an einem Herzinfarkt. Autor: Eine weitere FCA-Legende ist Helmut Haller, 33facher Nationalspieler, Teilnehmer des WM- Finales im Londoner Wembley-Stadion 1966. Ein Auszug aus der Reportage von Herbert Zimmermann. Take 21 (0:12) Repo WM 1966 Finale: Die deutsche Mannschaft greift an. Held zieht die Flanke weit hinüber auf die rechte Seite, aber Haller kann an den Ball kommen, kann auch schießen, TOOR! TOOR für Deutschland! Autor: Bei dieser WM erzielte Haller sechs Tore, musste aber dem Portugiesen Eusebio knapp die Krone des Torschützenkönigs überlassen. Haller, der seinerzeit vor den Augen der Queen den WM-Ball als persönliches Souvenir stibitzte, war einer der ersten deutschen Fußballer, die im Ausland ihr Glück suchten. Mit dem FC Bologna, später mit Juventus Turin, wurde er dreimal italienischer Meister. Später kehrte er nach Augsburg zurück, spielte mit seinem Heimatverein noch einige Zeit in der Zweiten Liga, ehe er 1979 seine Karriere beendete. Inzwischen ist er schwer krank und hat sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Take 22 (0:10) Schmoll: Hinter der Haupttribüne der neuen SGL-Arena ist ja der Helmut-Haller-Platz, und wenn man auf die Haupttribüne will, muss man an dem vorbei. Aber er kann da selber leider nicht mehr vorbeigehen und kann auch nicht mehr ins Stadion gehen. Autor: Seit zwei Jahren spielt der FCA in einer mehr als 30.000 Zuschauer fassenden Arena. Ein moderner Fußballtempel, überwiegend eigenfinanziert von der Investorengruppe um Präsident Walther Seinsch, abgesichert aber durch eine kommunale Bürgschaft. Ursprünglich hatte der Verein der Stadt vertraglich zugesagt, als Gegenleistung für das Grundstück und die infrastrukturelle Anbindung der Arena diese mit einer attraktiven Umhüllung zu versehen. Nach der Eröffnung bekamen die Vereinsoberen kalte Füße und rückten schrittweise von dem 2,5-Millionen-Euro-Projekt ab. Anstelle eines bereits erstellten Entwurfs, nach dem ein Gespinst aus Alu-Rohren um die Arena gebaut werden sollte, grüßt den Besucher weiterhin eine blanke Beton-Schüssel. Nicht alle Augsburger mochten sich damit abfinden, ein Architekturstreit war programmiert. Unter der Überschrift "Hüllenlos - das passt nicht" schrieb im Frühjahr eine Kulturredakteurin in der "Augsburger Allgemeinen": Zitator 1: Auf der einen Seite die billige Garagenarchitektur eines Möbelmarkts, auf der anderen die nackte Betonkonstruktion des Stadions. Das soll das Tor zur Stadt sein? Es mögen sich doch die, die Architektur und Städtebau für vernachlässigbare Größen halten, daran erinnern, wie die Freie Reichsstadt Augsburg einst ihre Besucher aus dem Süden empfing: mit dem Roten Tor des großen Baumesters Elias Holl, einem subtil gegliederten Torturm von allerschönster Erscheinung. Autor: Alle Proteste nutzten nichts. Kaum war der Aufstieg geschafft, lenkte die Stadt ein. Der Verein signalisierte, das ursprünglich für die Fassade vorgesehene Geld könne besser für den Kauf neuer Spieler und ein Trainingszentrum für den Nachwuchs eingesetzt werden. FCA- Manager Rettig rückblickend zu diesem speziellen Augsburger Kulturkampf. Take 23 (0:09) Rettig: Es gab die Künstler, die sich verwirklichen wollten auf der einen Seite und die Pragmatiker und die, die sich von wirtschaftlicher Vernunft leiten lassen, das sind die Vereinsvertreter. Autor: Auch für Aufsichtsratschef Bircks ist die Debatte damit erledigt. Take 24 (0:14) Bircks: Die Diskussion ist a bissel a Geisterdiskussion gewesen, die ist ja gottseidank jetzt vom Tisch. Der Stadtrat hat uns aus dieser Verpflichtung entlassen, und das Stadion ist innen wunderbar, das wird uns von allen Seiten bestätigt, eines der schönsten Stadien in D. Am steilsten gebaut, am nächsten dran, von der Akustik, der Stimmung her. Und außen, da ist es nicht so kriegsentscheidend wie ein Stadion von außen ausschaut. Da gibt es immer unterschiedliche Geschmäcker. Thema ist vom Tisch - wir sind froh drum! Atmo (0:15) Fangesänge anspielen, unterlegen Autor: Große Sprünge kann sich der FCA bei seinem knappen Etat nicht leisten. Ob der Kader bundesligatauglich ist, muss sich zeigen. Nur wenige Spieler haben Erstligaerfahrung. Dazu zählen etwa Torwart Simon Jentzsch, der Ex-Herthaner Nando Rafael sowie die Ex- Mönchengladbacher Jan-Ingwer Callsen-Bracker und Marcel Ndjeng. Nicht zu vergessen der Ex-Frankfurter Michael Thurk, immerhin Zweitliga-Torschützenkönig der Saison 2009/2010. Take 25 (0:15) Stadionansage: 89. Spielminute: Der FC Augsburg erhöht auf 2:0. Der Torschütze mit der Nummer 27: Michael Thurk! Autor: Dieser Treffer, den Thurk vor vier Wochen in einem Vorbereitungsspiel gegen die Mannschaft von Al-Saat aus Katar im Tiroler Trainingslager erzielte, war möglicherweise sein letzter im Dress des FC Augsburg. Völlig überraschend wurde der Mittelstürmer eine Woche vor dem Ligastart vom Spiel- und Trainingsbetrieb suspendiert. Offenbar keine rein sportliche Entscheidung. Der bei den Fans populäre Thurk gilt als eigensinnig und renitent. Ein Verlust an spielerischem Potential, den jetzt andere kompensieren müssen. Mannschaftskapitän Uwe Möhrle setzt auf spezielle Augsburger Tugenden. Take 26 (0:10) Möhrle: Dafür braucht man vielleicht n Stück mehr Herz, mehr Leidenschaft, braucht mit Sicherheit n gutes Spielsystem, ne gute Taktik, und es muss eben schon vieles zusammen passen. Aber ich sehe uns da durchaus als konkurrenzfähig an. Autor: Einer, der solche Tugenden verkörpert, ist Links-Allrounder Axel Bellinghausen. Innerhalb von zwei Spielzeiten avancierte er zum Publikumsliebling. Ein Typ, der schon mal die Klappe auf- und seine Mannschaft mitreißen kann. Den Spitznamen Bello verdankt er auch seinem Rottweiler Rüden "Chuck vom Kirmesplatz". Viermal pro Woche hat er eine eigene Sendung beim lokalen Radio Fantasy. Take 27 (0:14) Bellinghausen: Das Ganze heißt "Gassi gehen mit Bello" und wir reden über die normalsten Dinge, über alles Alltägliche. Natürlich über meinen Hund auch und das, was ich an dem Tag erlebt habe bzw. auch was mein Freund Stefan, der Moderator, erlebt hat. Autor: Prunkstück der letzten Zweitligasaison war vor allem die Abwehr. Im Offensivbereich hapert es dagegen noch, findet Trainer Luhukay. Take 28 (0:15) Luhukay: Wo wir vielleicht jetzt zulegen müssen, weil es ne andere Liga ist, ist das Thema Tempo, die Handlungsschnelligkeit, das schnelle Umschalten in beide Richtungen - also das sind so die Grundtugenden, die wir verbessern können, wo wir uns drauf fixieren müssen. Autor: Entscheidende Impulse für den Spielaufbau erwartet Luhukay von Neuzugang Lorenzo Davids. Der Mittelfeldspieler ist der Cousin des ehemaligen niederländischen Nationalspielers Edgar Davids. Er hat jede Menge guter Vorsätze: Hart arbeiten, mit der Mannschaft Spiele gewinnen und das Leben genießen. Take 29 (0:12) Davids: I think I shall work hard, support the team and win games. And of course enjoy life. Autor: Wie der große Edgar fällt auch Lorenzo im Spiel sofort wegen seiner prächtigen, zu Zöpfen geflochtenen Rastalocken auf. Vergleiche mit seinem Cousin ist er gewohnt. Take 30 (0:20) Davids: (Ich bin natürlich nicht der gleiche Spieler wie mein Cousin. Ich will aber genauso viel erreichen wie er. Dafür bin ich bereit, mehr als 100 Prozent zu geben.) Atmo (0:10) Fangesänge: Autor: Lange Zeit galt es als nicht besonders schick in der Region, sich zum FCA zu bekennen. Selbst viele Augsburger zogen es vor, zum Bundesligafußball nach München oder Nürnberg zu reisen als beim wenig spektakulären Drittligakick das heimische Team zu unterstützen. Sportreporter Herbert Schmoll: Take 31 (0:16) Schmoll: Man hatte schon nen schlechten Ruf, wenn man gesagt hat, dass man FCA-Fan ist. Es war wirklich so. Es ist zwar krass, aber diese Leute kommen jetzt natürlich auch wieder ins Stadion. Sie wollen dabei sein. Fußball ist wieder in in Augsburg. Take 32 (0:16) Edin: Wir haben viele junge Fans nachbekommen, man sieht's ja am M-Block, Stehplatzblock. Die machen halt Stimmung, haben halt tolle Choreo gemacht. Das ist ne Generation, die jetzt nachwächst, und die natürlich sehen, dass jetzt erste Liga da ist, und a Euphorie ist wahnsinnig da, und das muss man natürlich auch koordinieren. Autor: Sagt Alexander Edin, seit kurzem Fanbeauftragter des FCA. Doch die Euphorie scheint nach dem plötzlichen Abgang von Torjäger Thurk ein wenig gedämpft. Dies belegt ein Dialog kurz vor der Saisonpremiere gegen Freiburg mit einer Gruppe von FCA-Fans in Gladiatorenkostümen auf dem Helmut-Haller-Platz. Take 33 (0:20) Fansprüche Was hat der rote Federbusch zu bedeuten? Seid ihr FCA-Gladiatoren? Jaaaa, so gehört's sichs doch! - Was erwartet ihr vom FCA in der ersten Spielzeit? Gar nichts. Ohne Thurk erwarten wir gar nichts. - Aber der FCA ist doch nicht nur Thurk, da haben doch ein paar andere auch Tore geschossen, oder? - Ja, aber Thurk ist der FCA - der Leitwolf - Thurk, Thurk, Thurk! Autor: Frage an Herbert Schmoll: Sieht so der typische FCA-Fan aus? Take 34 (0:16) Schmoll: Ha, der typische FCA-Fan. Der ist für mich, wie man in Augsburg sagt - ich betone Augschburg - ist ein Grantler, ist ein Nörgler, aber auch einer, der sehr schnell begeisterungsfähig sein kann, wie man jetzt die letzten Jahre gesehen hat. Autor: Und wie man am Jubel über den Doppelpack von Neuzugang Sascha Mölders ablesen konnte. Die Augsburger Fankultur knüpft vielfach an die über 2000 Jahre alte Geschichte der Fuggerstadt an. Neben der Ultra-Gruppierung Legio Augusta, so berichtet Fanbeauftragter Edin, gibt es eben auch diesen "Klub der Legionäre". Take 35 (0:18) Edin: Und die verkleiden sich als Legionäre, die waren auch in Berlin, im letzten Spiel gegen Hertha, in der Zwoten Bundesliga, sind die plötzlich aufgelaufen, 10, 15 Leute in Legionärskleidung, lassen sich alle was einfallen. Man muss auch sagen: Augsburg, Römerstadt, 15 vor Christus, das wird oft vergessen, das muss ich betonen: Wir sind einfach ne sehr schöne, alte Stadt und kein Vorort von München. Autor: Mögen die Bayern einen Ribery haben, die Schalker einen Raúl - beim FCA heißt der wahre Star Jos Luhukay. Jos we can - skandierten die Fans nach dem Aufstieg. Und die Stuttgarter Zeitung übertrieb nur unwesentlich, als sie unlängst schrieb: Zitator 2: Im Stadtrat hätte es keinen gewundert, wenn der Antrag auf ein Denkmal eingegangen wäre. Autor: Präsident Walther Seinsch ging so weit, Luhukay eine hundertprozentige Jobgarantie zu geben. Selbst bei 34 Saisonniederlage werde der Trainer nicht infrage gestellt. Da wundert es kaum noch, dass Luhukay in der Gunst des Volkes einen anderen berühmten Sohn der Stadt aussticht. Take 36 (0:10) Autor/Edin: Wer ist populärer in Augsburg: Bertolt Brecht oder Jos Luhukay? - Das ist ne gute Frage. Also ich bin schon Brecht-Fan, aber momentan ist es Jos Luhukay, ganz klar. Autor: Bei all diesen Huldigungen und Gunstbezeugungen bleibt der so Gepriesene nüchtern und bescheiden. Take 37 (0:08) Luhukay: Jeder weiß, dass wir den kleinsten Etat der Liga haben und dass wir bei all meinen Kollegen als erster direkter Absteiger gesetzt werden. Autor: Dennoch: Als nach dem ersten Spieltag der FCA in der Tabelle vor den großen Nachbarn aus München rangierte, war die Genugtuung in Bayerisch-Schwaben groß. Ersten Forderungen der Fans, demnächst den Bayern die Lederhosen auszuziehen, begegnet Trainer Luhukay mit Nachsicht. Seine Saisonziele sehen anders aus. Take 38 (0:13) Luhukay: Das heißt, das erste Jahr auf jeden Fall versuchen, die Klasse zu halten und danach sich zu etablieren. Und das wird für das relativ kleine FC Augsburg nicht so einfach sein, das wird sauschwer sein, und da tun wir aber alles für, um das vielleicht zu bewerkstelligen. Autor: Auch bei den anderen Klubverantwortlichen gibt man sich realistisch. Für wirtschaftliche Abenteuer ist Aufsichtsratschef Peter Bircks nicht zu haben. Take 39 (0:11) Bircks: Wir haben n Etat aufgestellt, der sich selber trägt, der muss sich selber tragen. Wir dürfen nicht mehr ausgeben, wie wir einnehmen. Das unterscheidet uns nicht von 34 anderen Bundesligisten. Da haben es nur die Wolfsburger und die Leverkusener etwas besser. Autor: Vorstandschef Walther Seinsch hatte bereits Ende letzten Jahres angekündigt, mitsamt der Investorengruppe sein finanzielles Engagement zu beenden. Als Präsident will der rüstige Siebzigjährige vorläufig weiter machen. In Sachen Klassenerhalt gibt er sich optimistisch. Take 40 (0:04) Seinsch: Wir werden sicherlich hinten stehen, aber auf keinen Fall auf den letzten drei Plätzen. Autor: Nicht viel anders sieht es auch Manager Andreas Rettig. Take 41 (0:07) Rettig: Es geht nur über die Gruppe, die Summe der Leistungen aus elf Einzelspielern muss mehr sein als elf. Dann haben wir ne Chance. Ansonsten geht's schief. Autor: Sportreporter-Urgestein Herbert Schmoll drückt seinen Augsburgern jedenfalls die Daumen. Auch die Augsburger Allgemeine profitiert vom Aufstieg des lange Zeit vor sich hin dümpelnden Traditionsklubs. Das Blatt würdigte die Leistung der heimischen Kicker mit einem informativen und vorzüglich gestalteten Bildband. Titel "Oben. Der lange Weg des FCA in die Bundesliga". Auch künftig will man die gegenwärtige Euphorie publizistisch befeuern. Take 42 (0:18) Schmoll: Ja, die Berichterstattung wird sicherlich noch weiter ausgebaut. Ich mein, das ist natürlich für unser Haus ne tolle Sache, jetzt über die Erste Liga berichten zu können. Ich sag immer: Auch die Reporter steigen mit auf oder steigen mit ab mit den jeweiligen Mannschaften. Wir werden das sicherlich sehr wohlwollend, aber auch kritisch begleiten, das Ganze. Autor: Und so hoffen alle Fans des FCA, dass in dieser Spielzeit Jim Knopf und Lukas der Lokmotivführer möglichst oft musikalisch in der Arena in Erscheinung treten. Als offizielle Torhymne ertönt da bekanntlich das schöne Lied von der Insel mit zwei Bergen. Nur bei den Toren der Augsburger, versteht sich. Damit Jim und Lukas dem FCA weiterhin Glück bringen, will Mannschaftskapitän Uwe Möhrle nun auch endlich mal eine Vorstellung der Augsburger Puppenkiste besuchen. Take 43 (0:09) Möhrle: Ich muss gestehen, da war ich noch nicht. Aber ich hab jetzt seit sieben Monaten nen Sohn, und wir haben jetzt auch Autogrammkarten-Fotos gemacht, aber der Termin ist schon fest eingeplant. Musik (instrumental): Eine Insel mit zwei Bergen... 1