COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel 17:30-18:00 11.08.2013 Wechsel an der Weser Werder will wieder wer sein Von Hanns Ostermann Red.: Sabine Gerlach M u s i k "Wo die Weser einen großen Bogen macht" Klaus und Klaus, Wo die Weser einen großen Bogen macht... K/Bearbeitung: Erich Storz, Marianne Opitz - LC 00116 (2 Intros a O:20) Autor: Ein beschaulicher, sonniger Nachmittag. Die Weser nutzen zu diesem Zeitpunkt vor allem Ruderer und Kanuten. Nur hin und wieder sind Lastkähne zu sehen. In unmittelbarer Nähe das Stadion, die Wiesen entlang des Osterdeichs laden zum Faulenzen ein. M u s i k frei stehend "Wo die Weser einen großen Bogen macht" //schräg//reißt ab??? "... da ist Werder Bremen, da sind wir zu Haus" bei ca. 1Min. Autor An die schwierige sportliche Lage des SV Werder - auch nicht an das überraschende Pokal-Aus, scheint hier niemand zu denken. Atmo 1: Reportage 1.FC Saarbrücken-Bremen/Wollscheid (SR) Der SV Werder Bremen ist erneut bei einem Drittligisten ausgeschieden. Beim 1.FC Saarbrücken gab es eine 1:3-Niederlage nach Verlängerung. (O:08) Reportage geht noch weiter Autor: (über Atmo oder Intro 1) Bei dieser ersten wichtigen Herausforderung der Saison dürfte ein Mann mit gelitten haben, dem es schwer fällt, seinen Beruf klar zu umreißen: Take 1 Ich bin schon Journalist, denke ich. Wobei ich schon froh bin, dass ich nicht die klassische Sportberichterstattung mache. (O:10) Autor: Neutral, sachlich sein, nein, das will Arnd Zeigler nicht. Er ist mit Leib und Seele Fan. Trotzdem noch einmal: Womit verdient er sein Geld? Immerhin ernährt er zwei Kinder. Und der Mitgliedsbeitrag für den 12-Jährigen muss ja auch irgendwie erwirtschaftet werden. Der kickt in der D-Jugend des SV Werder. Take 2 Ich bin Stadionsprecher, darf Fan bleiben. Ich habe eine Fernseh- Sendung, wo ich subjektiv sein darf und ungerecht. Ich darf in meinen Beiträgen draufhauen, es ist eigentlich ein Paradies für mich, weil ich mir nie was verkneifen muss. (O:14) Autor: Der 48-Jährige moderiert außerdem bei Radio Bremen 4 und ist nicht zuletzt auch noch Buchautor. Er gilt als das "Gedächtnis des SV Werder". Take 3 Ich bin so ein Werder-Fan seit meiner Kindheit, seit 1977 ungefähr, und später, als ich als Journalist Bücher geschrieben habe, habe ich mich als Autor in die Jahre, die ich selbst verpasst habe, auch noch rein gearbeitet. Deshalb habe ich einen umfassenden Überblick, was Werders ... und könnte Ihnen vielleicht auch noch über das Jahr 1967 viel erzählen, obwohl ich da erst ein Jahr alt war (O:18) Autor: Schaffen wir jetzt nicht, aber auf die jüngere Geschichte des Vereins kommen wir noch zurück - versprochen. Was ist hier typisch? über Atmo 2: tickende Uhr Autor: Was fällt Ihnen zu Bremen ein, dem kleinsten Bundesland? Dalli-dalli: Take 4 Zu Bremen? Unaufgeregt, Roland, Stadtmusikanten, Werder, Thomas Schaaf, äh Becks-Bier, das sind übrigens auch die Sachen, die man im Ausland als erstes hört, wenn man sagt, man ist aus Bremen, Weser, ähm ruhig, (ich: Stadtmusikanten), hatte ich schon, glaube ich, Stadtmusikanten müssen wir leider abziehen, hatten wir doppelt, würde jetzt der Schiedsrichter sagen... (O:21) Autor: Stadtmusikanten hatten Sie ja doch schon. Entschuldigung, mein Fehler, Punkt bleibt bei Ihnen. Take 5 Bremen ist eine unaufgeregte Stadt, ohne schnarchig zu sein. 'Warum haben Sie Henning Scherf nicht genannt?' Henning Scherf hätte ich nennen müssen, ja. ,Sind Sie eigentlich echter Bremer?' Ich bin in Bremen geboren, aber in Niedersachsen aufgewachsen, im Umland, nicht weit weg von hier, zehn Minuten raus. (O:18) Autor: Etwas länger anreisen musste Marco Bode. Er wuchs in Osterode am Harz auf und dürfte für die Strecke nach Bremen als junger Mann etwas mehr als zwei Stunden gebraucht haben. Autor: Bode, inzwischen ist er 44, kam an der Weser als Fußballer groß heraus. Hautnah erlebte der Europameister und Vizeweltmeister all die Höhen und Tiefen seines Clubs mit. Heute sitzt der Ehrenspielführer des SV Werder im Aufsichtsrat. Dabei ist er in dieser Gruppe wahrscheinlich der Einzige, der ein paar Semester Philosophie studiert hat. Wenn er an die derzeitige schwierige Lage seines Clubs denkt und an die glänzende Geschichte zuvor: Verkörpert der SV Werder nicht geradezu das richtige Leben? Take 6 (Lacht)... ein Stück weit schon, es gibt ein irisches Sprichwort, bin so ein wenig Irland-affin, (Musik) die Zeilen sind sinngemäß so, ,poor man ...comes sunshine again'. Also, man darf halt nicht untergehen, man muss die Krisen überstehen, und dann ist auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann die Sonne wieder scheint. Ja, Krisen gehören zum Fußball dazu, genauso, wie sie zum Leben gehören. (ev. raus) Man versucht schnell, die richtigen Hebel umzulegen. Ich meine der HSV z.B., unser großer Konkurrent im Norden, wartet schon sehr viel länger auf eine wirklich erfolgreiche Phase. (O:45) Ende Take 6 M u s i k irische Volksmusik Beoga "The flying golf club"/ LC 02624 //Tradional Autor: Wesentlich länger als Marco Bode kämpft Klaus-Dieter Fischer in Bremen an vorderster Front. Der 72-jährige Verwaltungsfachmann ist ehrenamtlicher Präsident des Vereins und hauptamtlich Geschäftsführer der Werder GmbH. So schwer die Zeiten jetzt wieder sein mögen - durchhalten ist seine Devise, nicht aufgeben!! Take 7 Das ist eben das Schöne im Sport und insbesondere auch beim Fußball, dass sich eigentlich die Zeiten sehr schnell wieder wandeln. Und wenn man eine nachhaltige Politik, eine vernünftige Politik, eine ruhige Politik treibt, dann kann man auch immer wieder die Hoffnung haben, dass die guten Zeiten wieder kommen. (O:15) über Atmo 3 Gründung des Vereins am 4. Februar 1899. Erstes Wettspiel am 10. September morgens um 08 Uhr vor 18 Zuschauern. Insgesamt nur vier Wettspiele in diesem Jahr. (O:17) Autor: Die guten und erfolgreichen Zeiten in Bremen werden in einem eigenen Museum dokumentiert. Sie sind vor allem mit zwei Trainern und zwei Managern verbunden: Otto Rehhagel und Thomas Schaaf, Willi Lemke und Klaus Allofs. Autor: Sicher waren auch andere erfolgreich: Sonst hätte es 1965 nicht mit der ersten Deutschen Meisterschaft geklappt oder vier Jahre zuvor mit dem ersten DFB- Pokalsieg. Nachhaltig aber wirkten vor allem diese Vier. M u s i k CD TAKE 2/Intro "Werder, Werder"/Instr. The Thomas Schaaf Project: Sirius. K.: Persons, Arr.: Jörn Becker Archiv-Nummer: 92-21910, LC 10541 Autor: 1981 begann die Zeit des Otto Rehhagel. Dreimal wurde Werder unter seiner Führung, z.T. denkbar knapp, Vizemeister. Dann klappte es 1988 endlich mit dem zweiten Titel. Drei Spieltage vor Ende der Saison ging die Meisterschaft an die Weser. Atmo 4 Flugzeug (O:11) Auf dem kleinen Bremer Flughafen herrschte damals grenzenlose Begeisterung. Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier wusste nur allzu gut: Sportliche Erfolge helfen auch der Region: TAKE 8 DM 1988 Klaus Wedemeier Das ist eine sehr hilfreiche Sache. Ich habe schon vor zwei Jahren, als ich in Japan war, gespürt, dass Werder für das Image Bremens von größter Bedeutung ist. Und da war Werder Vizemeister. Ich denke, dass das jetzt noch besser wird. Ich reise jetzt nach Japan und Südkorea und bin davon überzeugt, dass man viel über Werder Bremen dort hören wird. Insofern ist für uns schon sehr hilfreich. (O:21) Autor: Überglücklich natürlich auch Trainer Otto Rehhagel. Die Mischung aus Spielern wie Rune Bratseth, Uli Borowka, Gunnar Sauer oder Karl-Heinz Riedle im Sturm stimmte. TAKE 9 DM 1988 2426 Otto Rehhagel So los gelöst haben wie Sie selten erlebt. Ich war schon des öfteren mal los. Da waren wir aber nicht dabei. Ist natürlich ein ganz großer Tag für den Verein, für die Mannschaft und für mich persönlich auch, dass wir nach so vielen Jahren vergeblichen Anrennens es nun endlich geschafft haben, wo vor allem niemand damit gerechnet hat, ist es um so schöner. (O:20) Autor: Insgesamt 14 Jahre lang arbeitete Otto Rehhagel an der Weser. Mit seiner kontrollierten Offensive und Spielern wie Dieter Eilts, Klaus Allofs, Wyton Rufer oder Marco Bode gewann er noch einmal, 1993, die Meisterschaft. Zuvor holte er sogar noch den Europapokal der Pokalsieger. Atmo 5 (Europapokal 1992) Fehlpass. Ein Bremer hat aufgepasst. Keine Abseitsposition. Und Wynton Rufer hat die Möglichkeit zum 2:0, umspielt den Torhüter und er macht das Tor, goal, goal (O:17) Reportage geht weiter Autor: Trotz aller Erfolge: 1995 zog es "König Otto" dann doch in die Ferne. Von der Weser an die Isar - ausgerechnet zum großen Konkurrenten der damaligen Zeit, zu Bayern München. TAKE 10 Otto Rehhagel zu seinem Wechsel zu Bayern München Die einzige Motivation, die ich habe, dass ich jetzt sage, ich möchte noch einmal etwas Anderes machen. Bayern München ist für mich auch eine große Herausforderung, wie bei einem Bergsteiger, der viele Berge erklommen hat und dann sieht er den Mount Everest und da möchte er gerne auch noch einmal rauf. (O:13) Autor: Allerdings ging die Rechnung Rehhagels nur vorübergehend auf. Noch heute erinnern sich eingefleischte Werder-Fans ungern an diesen Trainerwechsel, der nicht nur an der Weser hohe Wellen schlug. Henning Scherf, der frühere Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt erinnert sich gut. Häufig beobachtete er die Werder-Spiele von der Ostkurve aus - hier fühlte er sich wohler als auf der Ehrentribüne: Take 13 Henning Scherf Rehhagel ist uns weg gekauft worden von den Bayern. Die haben das Doppelte bezahlt und dann hat ihm Beckenbauer noch versprochen, er wird Nationaltrainer, was er nicht eingehalten hat, und dann ist Otto gegangen, und ist zwar Deutscher Meister geworden, aber hat sich überhaupt nicht wohl gefühlt und ist nach einem Jahr hoch gefrustet weggegangen. Mir hat er gesagt, das ist kein Fußballverein, das ist Hollywood. Also Otto, den hätten wir gerne behalten, klar. (O:30) Autor: Aber auch ohne Rehhagel ging Werder Bremen seinen Weg, wenn auch nicht direkt, eher auf Umwegen Trotz prominenter Trainer wie Felix Magath klappte es zwar zunächst überhaupt nicht. Doch dann begann die Ära eines jungen Mannes, der alles mitbrachte. So Willi Lemke, der damalige Manager. Bremen kämpfte damals verzweifelt gegen den Abstieg, als Amateurtrainer Thomas Schaaf den Ritterschlag für die erste Mannschaft erhielt: Take 14 (Ü RB) Er kennt alles, er kennt das After Shave der Spieler, er kennt die Spielweise, er braucht auch nicht die deutsche Sprache zu erlernen. Er war eigentlich die einzige Lösung, die jetzt sofort umsetzbar war, weil er alles kennt. (O:12) Atmo 6 Werder Fan-Gesänge von CD!!! CD "Lebenslang grün-weiß" (2004), Archiv-Nummer 92-21910 Autor: Wie gut Thomas Schaaf die Mannschaft und das Geschäft kannte, bewies nicht nur der Klassenerhalt. Wenige Wochen, nachdem er den Posten des Cheftrainers übernommen hatte, gelang ihm sein erster ganz großer Erfolg: Ausgerechnet gegen Bayern München, den großen, lautstarken Konkurrenten aus dem Süden. Pokalfinale 1999. Erst ein Elfmeterschießen brachte die Entscheidung: Take 15 Pokalfinale/ Henry Vogt (RB) Eisen-Dieter nennen sie ihn in Bremen, den trockenen Ostfriesen, er läuft an, schießt, Tor. Ausgleich und jetzt kommt der alles entscheidende Schuss. (O:12) Take 16 Scherf Ich weiß noch, wie die im Elfmeterschießen, ich war ja dabei im großen Olympiastadion...(O:O5) Take 17 Pokalfinale/ Hans-Peter Pull (RB) Jetzt kann er einen Schuss für die Ewigkeit setzen, der Stefan Effenberg. Effenberg - Schuss und - drüber (O:18) Jubel/Atmo Take 18 Scherf ... wie der Effenberg drüber weg schoss. Ich habe mich halb tot gelacht. Und wie der Rost, der war damals Werderaner, wie der selber den Elfmeter verwandelt hat, also, das war so was von stark. (O:11) Take 19 Pokalfinale/Pull plus Vogt (RB) Frank Rost, Torhüter des SV Werder ...und schießt und ... verladen... Lothar Matthäus läuft an, schießt und gehalten, gehalten. Aus, vorbei. Bremen ist Pokalsieger 1999 (O:30) Jubel reißt ab!! Take 20 Scherf Da wollte Stoiber die Sieger begrüßen. Ich habe gesagt, Herr Stoiber, das ist jetzt nicht Ihre Aufgabe, Sie sind jetzt für die Mannschaft, die verloren hat, zuständig. Jetzt müssen Sie mir das mal überlassen. War er ganz konsterniert. Und dann habe ich vorne die Fans begrüßt. .. Es war wie ein Märchen. (O:20) über M u s i k Die Original Deutschmacher: Lebenslang Grünweiss/ (Archiv-Nr. 92-21910) instr. CD 2/30 K.: Becker, Brunsen, Zeigler Autor Ein Märchen, das 2004 - nach Jahren des gezielten Neuaufbaus - eine Fortsetzung fand. Vom 16. Spieltag an stand die Mannschaft um den herausragenden brasilianischen Stürmer Ailton an der Tabellenspitze. Und die Meisterschaft, in- zwischen die vierte, sicherte man sich ausgerechnet wieder bei den Bayern - dem schärfsten Verfolger. Take 21 (Ü RB/Henry Vogt (EV. + TOR/) Tor. 3:0 für Werder Bremen durch Ailton. Das wird nicht nur ein Werder-Sieg, das wird eine Demontage des FC Bayern München. Ailton mit seinem 27. Tor in der Fußball-Bundesliga. Was ist das für ein Spiel hier...(O:17) Reportage weiter unter Take 22 Take 22 Scherf Und wir haben das alle auf dem Domshof angeguckt und wir haben getanzt. Alle. Da waren zig Tausend. Und dann sind wir mit diesen Tausenden zum Flughafen gegangen. Und dann kam der Flieger mit den Fußballern. Und der Pilot drehte dann Ehrenrunden und winkte so mit den Flügeln. Das habe ich noch nie gesehen, dass die das überhaupt machen dürfen. Es war ein wunderbares Gefühl. Und dann sind wir gemeinsam mit den Spielern wieder in die Stadt zu Fuß und alle friedlich, keiner hat den anderen angemacht, und Alt und Jung und die Nachbarn haben gewunken und die Großeltern haben den Enkelkindern gesagt, guck' mal an, das sind die Werderaner. Wunderbar, wunderbar. Autor: Damals kamen die Bremer und ihre Fans aus dem Feiern kaum heraus. Durch den Erfolg im Pokal gegen Aachen gelang das Double. Gerührt Trainer Thomas Schaaf, als er in Bremen ein Bad in der Menge nahm: Take 23 (Ü RB) Als wir nach dem Double hier durch die Stadt gefahren sind, und ich 20 000 die Hand gegeben habe, diese Atmosphäre, diese Stimmung, so eine Glückseligkeit. (O:15) Autor: Die Euphorie an der Weser sollte danach nicht mehr allzu lange andauern. Sicher: Werder wurde noch zweimal Vizemeister, 2009 auch noch einmal, zum insgesamt sechsten Mal, Pokalsieger. Der Verein spielte außerdem Jahre lang, wenn auch mit mäßigem Erfolg, in der Champions-League. Das große Ziel aber, sich dauerhaft im nationalen und internationalen Fußball weit oben zu etablieren, rückte in immer weitere Ferne. Der Club rutschte ins Mittelmaß. Und als Manager Klaus Allofs im November 2012 nach Wolfsburg abwanderte, da brachen auch für Thomas Schaaf endgültig schwere Zeiten an. Erst spät schaffte Werder in der zurück liegenden Saison den Klassenerhalt: Take 24 Aus: "Buten und Binnen" (RB TV /M.Arians Die Partie ist abgepfiffen. Werder Bremen erkämpft sich und er- zittert sich ein Unentschieden. (O:10) Autor: Ironie des Schicksals: die sportlichen Intimfeinde, Bayern München und der HSV, hatten gegen die unmittelbare Abstiegskonkurrenz der Bremer - noch mit Thomas Schaaf - gepunktet. Für den Trainer aber war der schwer erträgliche Stress der letzten Monate noch immer nicht vorbei. Kann er noch Impulse setzen, erreicht er noch die Mannschaft? Diese Fragen beschäftigten Fans und Verein gleichermaßen. Präsident Klaus-Dieter Fischer war an den schwierigen Trennungsgesprächen noch vor dem letzten Spieltag unmittelbar beteiligt: Take 25 Fischer Wenn Sie einen so wundervollen Trainer und wundervollen Menschen wie Thomas Schaaf haben, und wenn Sie ihn kennen als Spieler, als Amateurtrainer und dann als Trainer in der Bundesliga, dann weiß man, was man an einem solchen Trainer hat. Aber genau das ist der Punkt, man muss sehen, wie lange geht eine solche Geschichte weiter. Und es ist so gewesen, dass mindestens das letzte Dreiviertel-Jahr, Thomas Schaaf konnte machen, was er wollte, er wurde nicht mehr von den Medien akzeptiert. ... Das heißt der Zeitpunkt der Trennung war für alle Seiten sehr, sehr schmerzhaft. (O:43) Atmo 7 Weser Kurier (O:28) Autor: War Thomas Schaaf wirklich ein Opfer der Medien? Marc Hagedorn, Sportchef des Weser Kurier, sieht das zumindest für seine Zeitung anders. Zusammen mit drei Kollegen betreut er den Bundesligisten. Tag für Tag produziert er jede Menge Stoff - eine 3/4 Seite. Seine Redaktion ist fair mit Schaaf umgegangen. Davon ist er überzeugt. Take 26 Hagedorn Also, es hat aus der Sportredaktion kein Kollege gefordert, Schaaf muss Weg. Wir haben kritisch hinterfragt, was da falsch läuft. Wir haben dieFrage gestellt, ob es möglicherweise auch mal an der Zeit ist, auch mal einen Trainer zu wechseln. Also wir haben es quasi als Frage in den Raum gestellt. Der eine Kollege hat es etwas mehr für sich beantwortet nach dem Motto, es könnte nicht schaden. Aber wir sind als Sportredaktion hier der Meinung, es ist nicht unser Job oder mein Job als Sportchef zu sagen, dieser Mann muss weg, wir reden immer noch über Menschen... Trotzdem ist es unser Job zu sagen, was falsch läuft. Die Konsequenzen aber muss der Verein daraus ziehen. (O:37) Autor: Thomas Schaaf habe seine Chance bekommen, erzählt der 42 Jährige, der Werder Bremen seit sechs Jahren intensiv beobachtet. Die Zeit für einen tiefgreifenden Einschnitt sei ganz einfach reif gewesen: Take 27 Hagedorn Das war das dritte Jahr in Folge, was Werder vermurkst hat. Das Werder unter Schaaf auch vermurkst hat, wo Schaaf auch nach unserer Einschätzung nicht in der Lage war, in drei Jahren einen Ausweg auf- zuzeigen, eine Entwicklung deutlich zu machen. So, das alles haben wir aufgeschrieben und dann kann die Schlussfolgerung natürlich lauten: Ja, wenn man die Mannschaft ausgetauscht hat, wenn der Manager weg ist, dann ist irgendwann nur noch der Trainer das letzte Rad oder die letzte Stellschraube, die noch da ist. Gut und dann hat letztlich der Verein entschieden und das haben nicht Bild oder Weser Kurier oder Kicker entschieden, Schaaf muss weg. (O:37) Autor: Noch vor dem letzten Bundesliga-Spiel trennen sich Verein und Trainer: schweren Herzens, aber in gegenseitigem Einvernehmen - wie es so schön heißt. Viele - nicht nur in Bremen - waren tief beeindruckt, als und vor allem wie sich Thomas Schaaf in den wohl schwersten Stunden seines Trainer-Lebens offiziell verabschiedete. Im Werder-TV, dem hauseigenen Fernseh-Kanal, sagte er am Ende: Take 28 Schaaf-Abschied (Werder TV) Zum Schluss noch mal eine kleine Note ... welches wunderschöne Gesicht unsere Fans mit ihrer Unterstützung dargestellt haben, es war wunderschön, in dieses Gesicht hineinzuschauen. Und ich bitte euch und wünsche mir, dass ihr diesem Gesicht treu bleibt. Danke! M u s i k K./I.: Sportfreunde Stiller "Applaus" (REFRAIN FREISTEHEND) LC 14513 -gesungen und/oder instrumental Take 29 Henning Scherf Es war anstrengend, diese letzten drei Spielzeiten, die waren anstrengend für die Fans. Es hat mir auch so leidgetan, dass der Thomas Schaaf nach der Riesen-Erfolgsgeschichte, die er nun in Bremen gemacht hat, dass er so ein Ende der Karriere erlebt hat. Ich kenne den Thomas. Der war mit meiner ältesten Tochter in einer Klasse, ich kenne ihn als Schüler. Autor: Henning Scherf, der frühere Regierungschef in Bremen und Werder Fan. Rund drei Monate sind seit der Trennung von Thomas Schaaf vergangen. Posttraumatisch könnte man diesen Zustand - sicher überspitzt - in der Hansestadt auch noch im Hochsommer dieses Jahres bezeichnen: Das zweite wichtige Gesicht des Vereins und der Stadt - neben den Fans -, steht nicht mehr am Spielfeldrand. Sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, fällt schwer, findet jedenfalls Arnd Zeigler, der Journalist, Buchautor, Stadionsprecher und vor allem treue Fan des SV Werder: Take 30 Zeigler Mit Thomas Schaaf, das ist eben wie "Wetten, dass" ohne Gottschalk oder als Karl-Heinz Köpke bei der Tagesschau aufgehört hat, es hinterlässt immer erst eine Lücke. Und der Neue kann es noch so gut machen, er ist aber nicht Gottschalk oder Köpke und nicht Schaaf.../Atmo (O:15) Autor: Marco Bode, der selbst noch mit Schaaf zusammenspielte und jetzt im Aufsichtsrat die Fäden in der Hand hält, bezeichnet die Art der Trennung im Mai als suboptimal. Manches lief nicht rund. Trotzdem: Take 31 Bode Wenn ich hundert andere Trennungen von Verein und Trainer anschaue, dann liegen wir, glaube ich, da immer noch unter den besten zehn Prozent (lacht) (O:O8) Atmo 8 Training Take 32 Dutt (RB) Ich glaube, ,Morgn, Morgn' sagt man hier. Habe ich das richtig gesagt? Moin, moin, ja. Ich lerne es noch ein bisschen. Ich bin unwahrscheinlich glücklich. Ich will es mal so ausdrücken, wie es mir wirklich geht. Glücklich, wieder auf der Trainerbank sein zu dürfen, aber dann noch auf der Werder-Trainerbank, das ist schon ein absolutes Highlight, das muss ich sagen. Und so fühle ich mich momentan auch. Euphorie pur. (O:22) Autor: Der neue Mann an der Seitenlinie, als er im Mai vorgestellt wurde. Nach nur neun Monaten in Diensten des Deutschen Fußball-Bundes zog es Robin Dutt zurück zur täglichen, Schweiß treibenden Trainingsarbeit. Dabei war er sich der langen Schatten seines Vorgängers bewusst: Schon in Freiburg hatte Dutt mit Volker Finke einen altgedienten und überaus beliebten Kollegen abgelöst: Take 33 Dutt (RB) Ich versuche erst gar nicht, in seine Fußstapfen zu treten. Ich hoffe, dass ich ganz zarte eigene Spuren machen kann und habe auch dem Thomas persönlich gesagt, die Trennung von Werder ist vielleicht vertraglich eine Trennung, aber ich denke, dass Thomas immer ein Teil von Werder bleiben wird. (O:15) Autor: Robin Dutt steht in Bremen vor enormen Herausforderungen: Viele vermeintliche Stars der Mannschaft liefen und laufen der Form hinterher. Spieler wie Micoud, Ismael oder Mertesacker sind weit und breit nicht in Sicht. Ältere zu motivieren, ist also das eine. Das andere: Der durchaus vorhandene Nachwuchs muss vor allem aus finanziellen Gründen dringend integriert werden. über Atmo 5 Take 34 Hagedorn Das ist, glaube ich, ein Stück weit eine gute und logische Konsequenz, auch weil es ein Stück weit Vertrauen bei den Fans schafft...(O:O9) Autor: Marc Hagedorn, der Sportchef des Weser Kurier: Take 35 ... also man zeigt den Fans, wir präsentieren euch junge Leute, Leute aus dem eigenen Stall, mit denen kann sich ein Fan auch // identifizieren. Wenn ein Spieler für 10 Millionen kommt, keine Leistung bringt, wird, glaube ich, schneller gepfiffen, als wenn ein Spieler mit 19 aus der zweiten Mannschaft kommt, Probleme hat, sich zurecht- zufinden. Ich glaube, da haben die Spieler einen leichten Bonus erst einmal. Der wird auch nicht unendlich sein. Wenn Werder irgendwann mal 16. oder 17. sein sollte oder Abstiegskampf stattfinden sollte, dann ist es dem Fan auch völlig egal, ob man mit jungen Leuten absteigt oder ob man mit Millionenstars absteigt. (O:34) Atmo 8 Training Autor: Robin Dutt kennt dieses "Spannungsfeld" in Bremen - den Kampf zwischen Jüngeren und Älteren, Nationalspielern und hungrigen Talenten. Wie geht er beispielsweise mit Marko Arnautovic um? Der Wiener läuft den Erwartungen hinterher und steht nach seinen Eskapaden außerhalb des Spielfeldes unter ganz besonderer Beobachtung. Wie schürt und fördert ein Trainer also die Konkurrenz zwischen Etablierten und Nachwuchsspielern wie Kroos, Yilderim oder Füllkrug? Take 36 Dutt Stand jetzt sitzen ganz ganz viele Spieler auf der Bank. ...Wenn Sie beim FC Bayern auf die Bank schauen, dann gibt's dort ein größeres Problem. Mit genauso vielen Menschen sind sie gesegnet. Und jeder Mensch, der sich für Profifussball entschieden hat, hat den Wunsch zu spielen und er tut alles dafür, aber der Trainer kann eben nur elf aufstellen. Das ist halt so. Autor: Freundlich lächelnd, mit ziemlicher Geduld, beantwortet Dutt, nach eigenen Worten ein ,demokratischer Diktator', die Fragen. Und erklärt dabei zugleich seine Philosophie: Take 37 Dutt Ich versuche meinen Spielern das Gefühl zu vermitteln, dass alle erste Wahl sind. Wenn man nach 34 Spielen werden ganz viele Spieler 23, 24, also ganz viele Spiele gemacht haben. Und die auf diese Anzahl kommen, waren dann die erste Wahl. Und das werden ganz viele Spieler sein. Deshalb gibt es für uns nicht diese Kategorie erste oder zweite Wahl. Autor: Ausbildung ist mittelfristig ausgerichtet, auch wenn natürlich das Ergebnis im Vordergrund stehen muss, meint der 48-Jährige. Ihm gefällt, dass die Verantwortlichen an der Weser ruhig und besonnen arbeiten, verriet er dem "Werder- Spezial" Magazin vor dieser Saison. Aber bekommt er auch die Zeit - wenn es wieder über längere Zeit schlecht läuft? Die Talfahrt weiter geht? Take 38 Lemke Ich finde, er ist für uns ein Volltreffer, ... Autor: Werder Aufsichtsratschef Willi Lemke über seinen Nach-Nachfolger im Amt des Managers, über Thomas Eichin: Take 39 ... weil es uns gelungen ist, einen Mann aus dem bezahlten Sport, aus dem Eishockey, der dort gezeigt hat, dass er klasse arbeiten kann, ... der aus dem Fußball kommt, von einem sehr sympathischen Verein, Borussia Mönchengladbach, wie wir alle wissen, er macht das bis jetzt ganz hervorragend und ich zweifele überhaupt nicht daran, dass wir hier durch Zufall einen Klasse- Mann gefunden haben, und wir haben es bis jetzt noch keinen einzigen Tag bereut. (O:30) Atmo 9/ Geschäftstelle Autor: Balsam auf die Seele eines Mannes, der Mitte Februar einen Vier-Jahres-Vertrag unterschrieben hat - und der dynamisch-selbstbewusst nicht müde wird zu betonen: Take 40 Eichin Werder Bremen ist ein absoluter Top-Verein in der Wahrnehmung, zählt // in der Wahrnehmung sicher zu den Top 5, hat Werte, eine Philosophie, die vielleicht sogar einzigartig ist in Deutschland/ (O:10) Autor: Auf einen Tabellenplatz will sich der sportliche Leiter Bremens für die kommende Saison verständlicherweise nicht festlegen. Wichtig ist für ihn: Take 41 Eichin Man muss hier eine Entwicklung sehen, wir wollen stabiler spielen, wir wollen mehr Kontinuität in unserem Spiel haben, nicht so ein Auf und Ab, wie es in der letzten Saison war. Das sind erst einmal die kurzfristigen Ziele, wo der Zuschauer merkt, das kann wieder was werden. (O:20) Autor: Als Gegenentwurf zu den Bayern, Dortmundern oder Schalkern ringen die Bremer - ähnlich wie die Freiburger - mit ihren Mitteln um eine gesicherte Zukunft. Dabei will Werder sein Tafelsilber - etwa den Namen des Stadions - nur dann ins Gespräch bringen, wenn finanziell gar nichts anderes mehr geht. Solidität ist wichtiger als Erfolg um jeden Preis - das scheint das Motto in der Hansestadt zu bleiben. M u s i k Die Original Deutschmacher "Lebenslang Grünweiss"/Karaoke K.: Becker, Brunsen, Zeigler (Archiv-92-21910) Egal, wie die Saison verläuft: Mit einem Pfund kann Werder weiter wuchern - mit seinen treuen, fachkundigen und hoffnungsvollen Fans: Take 42 Fan Ich achte hier im Training vor allem auf Makiadi und Petersen, weil ich denke, die werden in der nächsten Saison sehr wichtig für uns. Vor allem vorne, weil da nicht sehr viel Konkurrenz ist, und Petersen einfach auch die Klasse hat, der wird was reißen. Und Makiadi, denke ich, kann den Defensiv-Bereich deutlich stabiler machen kann. Eine sehr engagierte Mannschaft, die auch offen für Neues ist und hoffentlich ehrgeizig in die neue Saison geht. (O:22) Autor: Das hofft ganz sicher auch Marco Bode. Das jüngste Mitglied im Aufsichtsrat. Als Europameister, Vizeweltmeister und langjähriger Bundesligaspieler weiß er ganz genau: Take 43 Also, man darf halt nicht untergehen, man muss die Krisen überstehen, und dann ist auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann die Sonne wieder scheint Ü b e r Musik Take 44 (Dutt) Es macht Spaß, hier zu arbeiten Take 45 (Lemke) Wenn Sie mich persönlich fragen.... Ich hoffe auf einen einstelligen Tabellenplatz Take 46 (Hagedorn) ... wenn es schlecht läuft, mit fünf, sechs anderen Mannschaften nach unten orientieren muss. S. 13