Manuskript "Eine andere Sicht auf die Dinge bekommen" Aufsuchende Familientherapie im Landkreis Ostprignitz-Ruppin Ein Länderreport von Clarisse Cossais Thema: Aufsuchende Familientherapie im Landkreis Ostprignitz-Ruppin Sendung: Länderreport 4.10. 2012 Redaktion: Heidrun Wimmersberg Atmo 1 Atmo Autofahrt Autorin 1 Im Auto auf dem Weg zu einem Dorf bei Wusterhausen - circa 100 km nordwestlich von Berlin entfernt - hier treffen sich die beiden Familientherapeuten Peter Bergner und Franziska Störl von der Initiative Jugendarbeit Neuruppin. Seit fast einem Jahr bieten sie mal in wöchentlichen mal in zweiwöchentlichen Abständen der Familie Hoffmann, deren wahrer Name hier nicht erwähnt wird, Familientherapie an. Atmo 2 Auto + Ankunft auf dem Hof Autorin 2 Der ehemalige Bauernhof mit Gebäuden aus Ziegelsteinen, an denen noch renoviert wird, sieht ein wenig verlassen aus. Eine fünfköpfige Familie wohnt hier, der Vater arbeitet als Handwerker, die Mutter, Mitte dreißig, ist schon seit längerem arbeitslos. Sie haben eine fünfzehnjährige Tochter aus einer früheren Beziehung der Mutter und zwei Jungen im Alter von 8 Jahren. Die Hunde sind im Hause, getigerte Babykatzen flitzen vorbei, ab und zu kommt ein Pferd und schnauft freundlich ins Mikrofon. Bevor die Therapeuten zum ersten Mal auf den Hof kamen, hatte es schwerwiegende Konflikte innerhalb der Familie gegeben. Sie eskalierten so sehr, dass zu befürchten war, die Tochter müsste woanders untergebracht werden. Lisa wollte der Enge der Familie und des Dorfes entfliehen. Der Streit zwischen Frau Hoffmann und ihrer Tochter schien unauflösbar zu sein, jedes Wort gab das Nächste, die Kommunikation zwischen den beiden war zerstört und damit der Familienfrieden. O-Ton 1 Frau H. Der Kontakt zu den Therapeuten ist entstanden, indem ich zum Jugendamt hier bei uns gegangen bin und dort eben halt nach einer Hilfe gefragt habe. Es ging eigentlich relativ schnell, es hat ungefähr 6 Wochen gedauert, ehe der Kontakt zustande kam. Autorin 3 Den Hauptgewinn, den sie aus der Zusammenarbeit mit den Therapeuten zieht, beschreibt Frau Hoffmann so: O-Ton 2 Frau H. Man hat eine andere Sichtweise bekommen auf manche Dinge, also ... Warum mein Kind oder warum Kinder so reagieren? Warum wir Eltern so reagieren? Also, ja man wurde echt gezwungen so umzudenken. Also man muss schon selbst an sich arbeiten und dat auch wollen und dann funktioniert das eigentlich auch ... das war so wie ein Aha-Effekt und dann kam dat ... und dann irgendwann wurden ja die ... ich will nicht sagen die Probleme, die man hatte ... doch die wurden weniger, die man hatte und dann hat sich so ein 14-Tage-Rythnmus eingepegelt, weil man wusste, nach einer Woche ... dat kam einem zu kurz vor ... da wusste man ja nicht mehr ... hm ... wat war da eigentlich ... also die Probleme wurden weniger oder die Sichtweise dann ... Autorin 4 Und ihre Tochter ergänzt: O-Ton 3 Lisa Ich finde es gut, da meine Mama sich in dem Bezug auch geändert hat, sie versteht mich in vielen Punkten mehr und da merkt man halt, dass sie viel mit ihr gearbeitet haben, weil vorher war es ja nicht so und manchmal würde ich mich wünschen, dass sie mehr mit mir arbeiten würden, oder mit meiner Mama zusammen ja ... Autorin 5 Bevor die beiden Therapeuten Franziska Störl und Peter Bergner von der Initiative Jugendarbeit Neuruppin zur Familie Hoffmann kamen, hatte sich Frau Hoffmann um Unterstützung bei dem Jugendamt bemüht. Sozialarbeiter kamen in die Familie, um zu helfen, konkrete Maßnahmen zu gestalten, Anträge zu stellen, Betreuung für die Kinder zu finden. Dieses Angebot streckte sich auf z.T. sehr lange Zeiträume. Bei der aufsuchenden Familientherapie hingegen, ist der Zeitrahmen vorgegeben: Maximal ein Jahr darf die Intervention dauern. O-Ton 4 Manche Male freut's mich, weil man kann jede Menge lernen ... oder über sich selbst erfahren oder wirklich mal aus ... einem ganz anderen Hintergrund aber manche Male grault's einem auch, ja ... weil da werden Themen bearbeitet, die wirklich sehr unangenehm sind ja ... und ... die möchte man nicht so aufgreifen und dann war's das. Manche sind eher unangenehm. Nach einem Jahr ist es endgültig vorbei, es gibt eine Anzahl von Stunden, die haben wir dann bis ... November aufgebraucht und dann ist definitiv Schluss also mit den beiden ist dann Schluss. Und dann hoffen wir, dass wir alle Sachen im Griff haben. Autorin 5 Zuversichtlich in dieser Hinsicht sind Franziska Störl und Peter Bergner, die nach folgender therapeutischer Methode arbeiten: O-Ton 5 Bergner + Störl Bergner: Also wir haben einen systemischen Familientherapeutischen Ansatz, das heißt, wir orientieren uns an der Situation in der Familie, es geht um Beziehung, es geht um Kommunikation, es geht um familiäre Interaktion, das ist so der Fokus und das lässt sich nicht über einen Kamm scheren sondern es ist eine sehr individuelle Perspektive, die wir dann im fachlichen Kontext unseres Teams immer reflektieren und überlegen, was könnten so in dieser Familie Schritte sein, die in dieser Familie vielleicht hilfreich sind? Störl: Ich denke, dass es auch häufig so ist, dass wir in die Familien kommen und es steht schon fast eine Trennung im Raum zwischen Kindern und Eltern, das ist manchmal so und es ist schon ein großes Erlebnis, wenn die Kinder in der Familie verbleiben können und alle Beteiligten wieder Hoffnung schöpfen, wie kann es jetzt weiter gehen. Bergner Ja, so eine Hoffnung und ein bisschen Zuversicht bringen, manchmal ist es so etwas mehr Humor und mehr Lachen in die Familie hineinzubringen damit sich diese dysfunktionale Muster und Schleifen, die in vielen Familien sind, sich also etwas lockern können und dadurch entsteht mehr Spielraum und mehr Idee für Neues, Inspiration in die Familie zu bringen. Das ist glaube ich manchmal eine wichtige Aufgabe. (lacht) Autorin 6 Die beiden Therapeuten gehören zu einem 7-köpfigen Team, dessen Leiter - der Psychologe und Familientherapeut Thomas Frermann ist. Er hat das Konzept der Aufsuchenden Familientherapie in den 1990er Jahren mit der Psychologin Marie-Luise Conen entwickelt - einer Koryphäe auf dem Gebiet der systemischen Familientherapie. O-Ton 6 Frermann Die aufsuchende Familientherapie ist insofern ein neues Konzept, dass wir angefangen haben, zu Familien nach Hause zu gehen und Familientherapie vor Ort zu machen. Bisher kennt man nur Beratungssettings, in denen man in einem Büro, einer Beratungsstelle Beratung anbietet und das war tatsächlich neu, dass wir angefangen haben 1994, 1995 in Berlin, "aufsuchend" zu arbeiten. Ja, also es gab schon immer aufsuchende Hilfen in den Familien aber noch nicht eine aufsuchende therapeutische Hilfe, das war damals neu. Das waren die ursprünglichen Erfahrungen, welche Familien wird von den Therapien eigentlich wenig erreicht, also was sind das für Familien, die man in Beratungsangeboten schwer rein bekommt, die kamen zu einem Termin und dann waren die wieder weg und daraus ... , aus dem Bedarf heraus, dass diese Familien Unterstützung brauchen ist eigentlich die Idee entstanden, zu den Familien nach hause zu gehen. Autorin 7 Thomas Frermann erinnert sich an die Anfänge der Zusammenarbeit mit dem Neuruppiner Verein: O-Ton 7 Frermann Der Bereichsleiter von unserem Träger hatte von unserem Konzept gehört und hatte mich angesprochen, ob ich nicht mal erzählen kann, was wir in Berlin da so tun, wie diese Hilfe aussieht und daraus ist eine Kooperation entstanden, dass ich Teammitglied wurde und dann haben wir sofort mit Herrn Illing und den Kollegen damals zusammen gesessen, um das Konzept zu besprechen und denen vorzustellen und zu installieren. Das Konzept der aufsuchenden Familientherapie arbeitet in enger Kooperation mit dem Jugendamt, also Familien werden übers Jugendamt an uns weitergeleitet, das ist so, dass die Kollegen aus dem allgemeinen sozialen Dienst uns anrufen und uns sagen, wir haben eine Familie und dann treffen wir uns zu einem Vorgespräch, zum Fallgespräch und dann kommt es zu der Entscheidung, ob wir dieses Konzept anwenden, oder ob es eine andere Hilfe in der Familie geben wird. Autorin 8 Jens Illing ist Sozialpädagoge und arbeitet seit 1990 beim Jugendamt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin in Neuruppin. Er ist dort Sachgebietsleiter im Allgemeinen und Sozialen Dienst und zuständig für die Vermittlung aufsuchender Familientherapeuten. O-Ton 8 Illing Wie weit kann die Familie zulassen, dass zum Beispiel jemand in die Familie kommt? Manche Familien sagen, nein, wir wollen niemanden zuhause sehen, wir kommen lieber in die Beratungsstelle, das gibt's natürlich auch ... wenn die Familie die Hilfemöglichkeit erörtert bekommt, dann ... entscheiden sich relativ viele Familien für diese ... aufsuchende Familientherapie wenn die Problemlage ... vorher so herausgearbeitet wurde. Autorin 9 Diese Anfangsphase, bei der erörtert wird, ob diese Therapie-Form für die hilfesuchende Familie angebracht ist, ist der sogenannte "Clearing-Prozess." Wenn diese Therapie-Form optiert wird, wird nach einigen Terminen gemeinsam mit der Familie entschieden, woran gearbeitet wird, welche Veränderungen eingeführt werden, nach welchem Umgang man innerhalb der Familie strebt. Für viele, die es aus ihrem eigenen Elternhaus nicht anders kennen, ist der respektvolle Umgang mit der Familie die größte Herausforderung. Ein wichtiger Aspekt dieser Therapie-Form ist die Tatsache, dass die aufsuchenden Therapeuten, die ein Co-Team bilden, Mann und Frau sind. Thomas Frermann: O-Ton 9 Frermann Ja, wir achten darauf, dass wir immer in der Kombination Mann und Frau in den Familien arbeiten, der Vorteil für uns, ist dass wir sowohl einen männlichen Blick auf die Familiensituation haben aber auch einen weiblichen Blick auf die Familiensituation haben ... da ergeben sich schon unterschiedliche Sichtweisen, die wir in den Prozess mit einfließen lassen, die wir den Familien wieder erzählen und sagen: Mensch, meine Kollegin sieht es so, ich sehe es so, was denken Sie denn? Und so im Nachgang für unsere Reflektion, für unsere Vorbereitung ist es natürlich viel leichter zu zweit, die Situation einzuschätzen, zu beraten und uns vorzubereiten als wenn man alleine ist. Autorin 10 Momentan profitieren circa 20 Familien von dem Angebot im Landkreis Ostprignitz-Ruppin: O-Ton 10 Illing 20 Familien sind in etwa knapp 10 Prozent von einem Großteil der ambulanten Hilfe aus der sozialpädagogischen Familienhilfe also ich denke, dass ist schon ein relativ großer Anteil. Zum Bedarf selbst kann man nicht so pauschal formulieren, möglicherweise gibt es bei vielen Familien den Bedarf auf diese Hilfeform. Vielleicht waren die noch nicht beim Jugendamt, vielleicht brauchen die einen Moment, um den Schritt zu gehen ... ausnahmslos alle Familien, die wir zu dem Thema befragt haben im Programm von Hilfeplanung, die die Mitarbeiter begleiten sind von diesem Konzept sehr überrascht, weil es sehr kurzzeitig doch sehr positive Veränderungen oder nicht nur positive aber Veränderungen in der Familie bringt, die das Familienleben befördern. Es muss nicht immer eine positive Veränderung sein, es kann auch eine Entwicklung hin zu einem Schritt ... zu einer Trennung etc, die dann aber klarer rausgearbeitet wird von allen Beteiligten und die dann als besprochen und abgemacht gilt und nicht dem Zufall überlassen wurde. Autorin 11 Thomas Frermann, der ebenfalls als aufsuchender Familientherapeut arbeitet, deutet die Gefahr an, dass die Therapeuten von den Familien als Kontrolleure empfunden werden: O-Ton 11 Frermann Das machen wir gleich am Anfang klar, dass wir eine Hilfe sind, dass wir ein freiwilliges Hilfeangebot sind und dass unsere Rolle ist nicht zu kontrollieren, es ist die Rolle des Jugendamtes und das ist die Rolle des Sozialarbeiters, ja zu kontrollieren, unsere Rolle ist ganz auf Seite der Familie zu arbeiten, und Hilfe anzubieten, Unterstützung anzubieten, das beinhaltet natürlich, wenn wir von schwierigen Situationen erfahren oder auch von problematischen Situationen, dass wir die mit den Familien besprechen und dann auch sagen, dass wir die nicht geheim halten können, sondern, dass das natürlich ein Stück weit öffentlich werden muss. Wenn es um Gewalt geht, um Straftaten, das sagen wir den Familien vorher, dass das eine klare Regel ist, für uns alle. Also wenn wir von Situationen erfahren, die für Kinder gefährlich sind, werden wir das dem Jugendamt mitteilen. Autorin 12 Seine Kollegin Franziska Störl hat auch eine präzise Erinnerung an eine Begebenheit, die sie beeindruckte: O-Ton 12 Störl In einer Familie wurden wir eine Zeit lang zu Beginn der Therapie immer in die Küche eingeladen und gesetzt und irgendwann an irgendeinem neuen Termin wurden wir plötzlich ins Wohnzimmer eingeladen und da war uns so bewusst, es gibt offensichtlich eine Veränderung, wie man uns bewertet, dass wir jetzt ins Wohnzimmer dürfen. Autorin 13 Die Gegend hat sich sehr verändert. Als Frau Hoffmann hier als Kind aufwuchs, arbeiteten die meisten in den LPGs, heutzutage sind viele arbeitslos. Die Dörfer kommen einem ziemlich leer vor, alles sauber und aufgeräumt, ab und an ein leeres herrenloses Backsteingebäude, hier eine Bio-Gas-Anlage, da eine Brauerei, eine kleine Druckerei. Aber wenig Leben. Frau Hoffmann erinnert sich daran, dass es hier auf dem Lande ganz anders war, als sie klein war: O-Ton 13 Frau H. Dort hatten wir zu DDR-Zeiten Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Konsum, Bank also eigentlich alles, was man heute in der Stadt hat, ne? Und jetzt hat man ebend halt nichts mehr. Ja und heute fehlt das alles ... selbst auch zwecks der Arbeit, die Mutter und Vater alle hatten und heutzutage ist es echt schon ein Kampf, es ist ja ein Elternteil fast immer zu Hause und wenn nicht sogar zwei und ich glaube schon, dass es sich auf die Erziehung und auf die Sozialisierung der Kinder oder der Jugendlichen schon auswirkt, ja, auf jeden Fall und det nicht immer zum Positiven. Es ist schwierig ... und auch mit drei Kindern, weil man ja nachmittags kaum Betreuung hat oder eben die Betreuung muss man für doll zahlen, viel Geld bezahlen eigentlich ... Also dat ist schon ... ja ... nicht wat wir früher hatten nee wo der Staat halt vieles finanziert hat. Autorin 14 Das sieht Jens Illing vom Jugendamt Neuruppin ebenso: O-Ton 14 Illing Was die Bereitschaft der Eltern betrifft, aktiv zu werden, da sind auf dem Land manchmal auch wirklich sehr enge Grenzen gesetzt also öffentlicher Nahverkehr fährt ist häufig nur zu Schulzeiten aktiv, in den Ferien sind manche Orte nicht öffentlich zu erreichen ... wenn man dann arbeitslos ist, hat man möglicherweise kein Geld für ein Auto, so dass man diese ganze Palette, die man heute den Kindern bieten könnte, den Kindern nicht bieten kann, ... oft schon aus finanziellen Gründen nicht und manchmal ist es auch so dass Familien in eine gewisse Lethargie verfallen bis man von außen ... bis jemand von außen kommt und das System ein bisschen anrüttelt. Autorin 15 Jens Illing spricht von der desolaten Geburtenrate in Brandenburg, von Dörfern, in denen nur noch ein Kind einer Altersklasse lebt, von sozial isolierten Kindern, die ausschließlich in der Schule Kontakt mit Gleichaltrigen haben. Hinzu kommt das Problem - die jungen Leute wandern ab. Ein Problem, das der sich stetig aber langsam entwickelnde Tourismus in der Gegend nicht aufwiegen kann. Noch generiert er nicht so viele Jobs wie nötig wären. O-Ton 15 Illing Ja, das wurde auch politisch gefördert, da mein'ick, das war ein Fehler, die Leute rauszulocken mit besonderen Angeboten und auch noch zu prämieren, dass sie sich woanders eine Ausbildung suchen anstatt zu sagen, ich brauche die Leute in 10 ... in 15 Jahren brauche ich die Leute hier wieder, ich muss einen Weg finden, sie hier zu halten, ich muss hier attraktive Angebote schaffen aber ... das ist in der Rückschau immer einfach zu sagen ... Autorin 16 In einer Gegend, in der es kaum öffentlichen Nahverkehr gibt, ist aufsuchende Familientherapie angesagt. Das ist sie auch bei Familien, in denen es den Familienmitgliedern schwerfällt, kontinuierlich an der Lösung ihrer Probleme zu arbeiten. In denen oft nicht möglich ist, miteinander zu reden. Das gemeinsame Erarbeiten von neuen, respektvollen Umgangsweisen innerhalb der Familie hat auch eine präventive Wirkung. Thomas Frermann: O-Ton 16 Frermann Die Familientherapie, die Familiengespräche sind quasi Modell: Wie redet man miteinander? Das allein in Familien zu installieren, sich zuzuhören, wann dürfen die Kinder sprechen, wann reden die Erwachsenen, sich ausreden zu lassen, sich zuzuhören, das ist schon ein wichtiger Schritt und auch quasi ein kleines Modell, wie es dann weiter geht und wie es mit den anderen Kindern dann auch geht. Wenn es jetzt als Beispiel Konflikte mit einem großen Kind gab, hat es natürlich Modellwirkung auch auf die Erziehung der kleineren Kinder, so will ich das schon bestätigen. Autorin 17 Frau Hoffmann zieht nach fast einem Jahr aufsuchender Familientherapie folgende Bilanz: O-Ton 17 Frau H. + Tochter Im Moment läuft es super, es gibt noch zwei, drei kleine Sachen, die wir noch zu bearbeiten haben bis zum Ende aber ich denke auch, das werden wir hoffentlich schaffen mit der Hilfe von den beiden. Also es ist absolut positiv, hätte ich mir nicht so vorgestellt ... Tochter: also ... mir ist das auch nicht peinlich da drüber zu reden, weil ich stehe da drüber und bin froh wenn es hier zuhause besser läuft als bevor die Hilfe da war. . Autorin 18 Ihre Tochter Lisa hat ihr Interesse kundgetan: Sie möchte auch mit den Therapeuten zusammenarbeiten, nachdem die beiden sich viele Monate mit ihrer Mutter beschäftigt haben: . O-Ton 18 Frau H. Ja ja ... sie möchte auch, dass wat verändert wird ... na dass wir uns alle verändern, also nicht nur Mutti oder Mutti und Papa, na gut, der weniger, der ist ja nun kaum da aber dass wir uns ... ja ... dass wir uns mehr zusammenraufen weil da ... ist et allet nicht mehr so angespannt. Und wenn dann noch gearbeitet wird mit ihr, wie kann sie mit vielen Sachen umgehen, ja vielleicht wird's da mal besser. Also ich kann mit Lisa über viele Sachen nicht reden also ich selber kann's nicht, sie öffnet sich dann nicht und von daher geht's ihr manche Tage sehr schlecht, tja, man weiß nicht, was soll man machen und vielleicht haben wir noch die Chance, dass sie ihr erklären können, wie kann sie mit vielen Sachen anders umgehen ... Aber im Grunde genommen gibt es viele Sachen, die sie interessieren, die meine Tochter interessieren, die sie beschäftigen, und die möchte sie gerne aufgearbeitet haben für sich ... Daher hofft sie, denke ich mal, naja, vielleicht wird's ja wat. . Autorin 19 Nicht immer erreicht die aufsuchende Familientherapie ein solches Ergebnis, manchmal brechen die Familien frühzeitig die Therapie ab, manchmal muss ein Kind doch stationär untergebracht werden oder in eine Pflegefamilie gegeben werden. Manchmal gelingt es den Therapeuten nicht, eine neue Basis für einen Dialog in der Familie zu installieren und der Konflikt bleibt bestehen. Und jedoch, indem sie versucht, mit den einfachsten Mitteln des Zuhörens und Miteinanderredens, der gemeinsamen Zieldefinition, dem klaren abgegrenzten Zeitraum von ca. einem Jahr, der Zuverlässigkeit eines extra dafür ausgebildeten 2er- männlich-weiblichen Teams, kann sie für viele ansonsten therapiefernen Familien in Konfliktsituationen eine große Hilfe sein. Früher zogen die Ländärzte, die Pfarrer und die Hebammen durch die Lande. Heute sind Therapeuten unterwegs, in ihren Taschen haben sie Zeit, Verständnis und Zuwendung für Leute, die oft sich selbst überlassen sind. v 4 8