COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport "Der Mensch ist frei" Die Geschichte der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz Autor Ludger Fittkau Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 18.05.2012 - 13.07 Uhr Länge 19'56" Musik 1) Wolf Biermann: Trotz Alledem, Track 7 (Titel: Trotz Alledem) Gesamtlänge: 4,29 Min, Gesendete Länge, 0,45 Min)/ Liederproduktion Alto (Indigo) , ASIN: B000O3IE7O 2) Marseilaise Ukulele, Anonymer Jugendlicher, Quelle: You Tube daraus ca. 30" Moderation "Der Mensch ist frei." Nur in Rheinland-Pfalz beginnt der erste Artikel der Landesverfassung mit diesem Satz! Das ist kein Zufall. Ebenso wenig ist es ein Zufall, dass eine Originalfahne des Hambacher Festes vom Mai 1832 heute den Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags schmückt. Die besondere, geradezu "radikalliberale" Betonung der individuellen Freiheit des Bürgers ist der Bogen, der sich vom Vormärz und dem Hambacher Fest bis zur rheinland-pfälzischen Verfassung schlagen lässt. Ein interessantes Thema also auch in diesen Tagen. Ludger Fittkau trug interessante Aussagen darüber zusammen. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Teil 1: 65 Jahre Verfassungsgeschichte in Rheinland-Pfalz ----------------------------------------------------------------------------- O-Ton: 20 Uhr und 3 Minuten. Reichssender Flensburg und die angeschlossenen Sender. Wir bringen heute den letzten Wehrmachtsbericht dieses Krieges. Als am 9. Mai 1945 dieser letzte Wehrmachtsbericht des Zweiten Weltkrieges ausgestrahlt wird, ist Koblenz schon seit einigen Wochen von den Nazis befreit. O-Ton (Fortsetzung von oben) Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht nun den Kampf an allen Fronten eingestellt. "Der Mensch ist frei". Die rheinland-pfälzische Landesverfassung ist die einzige hierzulande, deren erster Artikel mit diesem Satz beginnt. Sicher, er findet sich auch in anderen Landesverfassungen - etwa in Hessen. Doch ganz am Anfang steht " Der Mensch ist frei" nur in Rheinland- Pfalz. " Das ist kein Zufall. Die rheinland-pfälzische Landesverfassung wird nach der Befreiung vom Nationalsozialismus Ende 1946 in Koblenz geschrieben, der ersten Hauptstadt des jungen Bundeslandes. Die Federführung hatte der bei Koblenz lebende Adolf Süsterhenn. Der Staatsrechtler wird unmittelbar nach dem Krieg Mitbegründer der CDU und Vorsitzender der "Vorbereitenden Verfassungskommission" für das neue Land Rheinland-Pfalz. Süsterhenn gehört 1948 auch zu den führenden Mitgliedern des Parlamentarischen Rates in Bonn, der das Grundgesetz für die Bundesrepublik ausarbeitet. "Der Mensch ist frei" - dieser Satz in der Landesverfassung bringt für den heutigen rheinland- pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck den politischen Zeitgeist im Südwesten nach der Befreiung vom Nationalsozialismus auf den Punkt: Ohne Zweifel. Denn diese Gedanken sind in diesem kurzen und prägnanten Satz ausgedrückt - es ging nicht besser. Und es ist auf der anderen Seite auch eine Anlehnung an die christliche Tradition, da treffen sich auch Gedanken der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit. Die französischen Besatzungsoffiziere am Rhein vertrauen Adolf Süsterhenn als Verfassungsautor, denn er ist ein aktiver Nazi - Gegner. In der Zeit der Weimarer Republik war er Mitglied der katholischen Zentrumspartei. Nach dem Verbot der Partei verteidigt er während der NS-Zeit als Anwalt in Köln mutig ehemalige Zentrumspolitiker und Ordensgeistliche, die ins Visier des Regimes geraten waren. In einer niederländischen Zeitung veröffentlicht er unentdeckt eine Artikelserie gegen die Nazis. Von Köln aus hält er Kontakt zu niederländischen Gewerkschaftern. In der letzten Kriegsphase unterstützt Adolf Süsterhenn die Widerstandsorganisation des 20. Juli 1944 um den Hitler-Attentäter Stauffenberg: Filmausschnitt aus ZDF-Doku: "Die Stunde der Offiziere" (Dialog Stauffenberg-Beck): S.: Hitler ist tot. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, wie er herausgetragen wurde. B.: Er lebt. S. Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen gesehen, wie er herausgetragen wurde. Im Falle eines geglückten Attentats auf Hitler wäre Adolf Süsterhenn für die Verbindung der neuen Regierung zu niederländischen Widerstandsgruppen zuständig gewesen. Ein bisschen Marseillaise auf Ukulele, überblenden mit Text. Liberté steht vor Egalité und Fraternité: "Der Mensch ist frei" - in diesem einem Satz drückt sich der Bogen aus, der sich im Südwesten von der Mainzer Republik über das Hambacher Fest und die Revolution von 1848 bis zur rheinland-pfälzischen Verfassung von heute schlagen lässt: Es geht um die starke Betonung der individuellen Freiheit des Menschen gegenüber seiner Kollektivexistenz. Jedes Jahr am 18. Mai feiert man mit einem "Verfassungsfest" im Mainzer Landtag den Tag, an dem die Landesverfassung in einer Volksabstimmung von den Rheinland-Pfälzern angenommen wurde- dieses Jahr zum 65. Mal. Im Plenarsaal des Landtages hängt eine große, schwarz-rot-goldene Originalfahne des Hambacher Festes - für die Parlamentarier stetige Mahnung, den in der rheinland- pfälzischen Verfassung so stark betonten republikanischen Freiheitsgedanken nie zu vergessen, so Kurt Beck: Ich hoffe es sehr, weil neben dem Bewusstsein, welchen Wert eine freiheitliche Gesellschaft hat, was an Kämpfen dahintersteht, bis es soweit war. Bis wir mit der Bundesrepublik Deutschland und jetzt erst seit 20 Jahren in ganz Deutschland eine freiheitliche Gesellschaft hatten, daran muss man erinnern. Politische Kämpfe gab es auch in Rheinland-Pfalz vor 65 Jahren, bevor das Volk über die Verfassung abstimmte. Die SPD war nicht begeistert von Süsterhenns Verfassungsentwurf und lehnte die Gründung von Rheinland-Pfalz zunächst ganz grundsätzlich ab. Widerstand gegen die neuen "Bindestrich-Länder" gab es aber auch in anderen Regionen, etwa in Baden-Württemberg. Daran erinnert der Mainzer Politologe Jürgen Falter: Das heißt mit anderen Worten: Rheinland-Pfalz ist nichts Außergewöhnliches im dieser Länder- Neugliederung, Länderschaffung nach dem zweiten Weltkrieg. Rheinland-Pfalz hat es aber geschafft, so etwas wie ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Nach dem Krieg war das ganz anders. Kommunisten und Sozialdemokraten riefen das Volk an Rhein und Mosel am 18. Mai 1947 auf, gegen die Verfassung von Rheinland-Pfalz zu stimmen. Die Sozialdemokraten lehnten vor allem die von der CDU in der Landesverfassung vorgesehenen christlichen Bekenntnisschulen ab. Die KPD wiederum verlangte, eine Bodenreform und die Sozialisierung von Unternehmen in die Verfassung aufzunehmen. Die liberalen Parteien riefen zur Annahme der Verfassung, aber zur Ablehnung der Schulartikel auf. Schließlich wurde die rheinland-pfälzische Landesverfassung mit knappen 53 Prozent Mehrheit angenommen, das Bindestrich-Land war geschaffen. Ein bisschen Marseillaise auf Ukulele, überblenden mit Text. Allerdings: Die französischen Besatzungsbehörden sprachen bei der Bildung des neuen Bundeslandes im Südwesten nach den Zweiten Weltkrieg ein gehöriges Wort mit. Auch sie waren aufgrund der laizistischen Tradition nicht begeistert über die christlichen Bekenntnisschulen in der Landesverfassung, die die CDU durchsetzte. Die Franzosen erzwangen eine getrennte Volksabstimmung über die Schul-Artikel in der Verfassung. Doch auch hier setzten sich die Christdemokraten mit 52,4 Prozent durch. In den 1960er Jahren wurden die christlichen Bekenntnisschulen dann Schritt für Schritt abgeschafft - übrigens durch christdemokratische Modernisierer wie Helmut Kohl und seinem Nachfolger Bernhard Vogel. Ihr CDU- Parteifreund Adolf Süsterhenn, der rheinland-pfälzische "Verfassungsvater", war zwar bei der Schulfrage anderer Meinung als die französische Besatzungsbehörde. Einig war sich der Christdemokrat der ersten Stunde in Rheinland-Pfalz mit den Franzosen aber in der Bejahung der Todesstrafe. Also bekam das junge Bundesland eine Guillotine - eben auch das französische Tradition. Neun Menschen werden zwischen 1945 und 1949 zum Tode verurteilt. Doch geköpft werden sie nicht - denn die Guillotine wollte lange Zeit niemand bauen! Sie stand erst fünf Tage vor dem Datum bereit, an dem der Parlamentarische Rat in Bonn die Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland abschafft. Die rheinland-pfälzischen Todeszellen werden wieder geräumt. Jürgen Falter, Politologe an der Uni Mainz: Das Rechtsystem im südlichen Rheinland-Pfalz war geprägt von den Franzosen. Es hat eine Zeit der Code Napoleon gegolten und das hat auch Auswirkungen gehabt auf das Selbstverständnis. Aus der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz wurde die Todesstrafe offiziell erst 1991 gestrichen - ein Jahrzehnt später als in Frankreich. Die rheinland-pfälzische Guillotine steht heute im Haus der Geschichte in Bonn. Jürgen Falter: Rheinland-Pfalz hat es aber geschafft, so etwas wie ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. In der Zwischenzeit sind sie Leute eben nicht nur stolz, Pfälzer zu sein oder Westerwälder zu sein, sondern auch Rheinland-Pfälzer zu sein. Doch es dauerte einige Jahrzehnte bis aus einem "Land aus der Retorte", wie Rheinland-Pfalz nach dem Krieg genannt wurde, ein Bundesland wurde, das die Bürger wirklich als ihres betrachteten. Noch 1956 wurde in der Pfalz ein Volksbegehren gestartet, das die Rückkehr der ehemals bayerischen Pfalz nach Bayern zum Ziel hatte. Es bekam nicht genug Stimmen. Ein paar Takte Gitarre und Summen: Wolf Biermann: Trotz alledem, ohne Text... 1957, zehn Jahre nachdem die SPD noch dazu aufgerufen hatte, die rheinland-pfälzische Verfassung abzulehnen, sind in der Pfalz dann aber ganz andere Töne von einem damals führenden Sozialdemokraten zu hören: Professor Carlo Schmid, einer der sozialdemokratischen Väter des Grundgesetzes, redet anlässlich der Feier zum 125. Jahrestages des Hambacher Festes. Sein Thema: Der Freiheitsbegriff; der dem Hambacher Fest zugrunde liegt und schließlich auch die Verfassung von Rheinland-Pfalz prägt: Zitator: In Hambach, so Carlo Schmidt, hat man die man Freiheit als ein rationales Prinzip begriffen, als ein Prinzip, ohne das eine Integration eines Volkes zur Nation nicht möglich sei".(...) Hier hat man die Einheit der Nation gefordert, weil sie eine Voraussetzung und Bürgschaft der Freiheit des Menschen und der Einzelpersönlichkeit ist." Teil 2: 180 Jahre Hambacher Fest --------------------------------------------- Ausschnitt aus Werbefilm des kommunalen Bezirksverbandes Pfalz Musik, darauf Filmton: Das Hambacher Schloss - die Wiege der deutschen Demokratie. Sprechertext: So wirbt Rheinland-Pfalz heute für das jetzt 180 Jahre alte "Hambacher Fest" Filmton: "Hinauf, Hinauf zum Schloss! Die neue Ausstellung dokumentiert die Ereignisse von 1832, ihre Voraussetzungen und die Folgen. Am 27. Mai kamen damals fast 30.000 Menschen zusammen, forderten bürgerliche Freiheiten und die deutsche Einheit. Nie zuvor hatten so viele Menschen gemeinsam für Meinungsfreiheit und gegen Zensur protestiert. Es war die Geburtsstunde der deutschen Demokratie. (Beck) Es gibt ein schönes Buch in der Pfalz: Schon pflanzen sie wieder die Freiheitsbäume! Dass gegen jede Obrigkeit Ausdrucksformen gesucht wurden und gefunden worden sind. Man hat Birken gepflanzt und hat sie geschmückt, dagegen konnte die Obrigkeit beim besten Willen nichts tun und man hat seinen Protest damit ausgedrückt. Die radikal-demokratische Geschichte des deutschen Südwestens ist lang: Sie führt von den Bauernkriegen und den deutschen Jakobinern der Revolutionszeit 1789 bis 1799 - von der damaligen Mainzer Republik - über das Hambacher Fest und das Paulskirchen-Parlament von 1848 bis zum Mainzer Landtag heute. An diese lange republikanische Tradition des Südwestens erinnerte zur Freude vieler Rheinland-Pfälzer am 18.März 2012 - dem Tag der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten - in Berlin der Bundestagspräsident Norbert Lammert: Am 18. März 1793 wurde die Mainzer Republik proklamiert. Sie war unter dem Eindruck und unter dem Einfluss der französischen Revolution der erste radikal-demokratische Versuch deutscher Jakobiner, eine Republik zu gründen. Als an dieser Stelle in der Bundesversammlung applaudiert wird, weicht Norbert Lammert vom Redetext ab: Es müssen sich nicht bei jedem Datum die vermeintlichen oder tatsächlichen Erben des Ereignisses zu Wort melden. (Großes Lachen) Die tatsächlichen Erben sitzen in Mainz heute noch im barocken Deutschhaus. Einem imposanten Gebäude am Rheinufer, in dem in der Zeit der französischen Revolution die Abgeordneten der Mainzer Republik neun Monate lang zu ihrem sogenannten " Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent" zusammenkamen. 130 Städte und Dörfer aus der linksrheinischen Region zwischen Landau und Bingen waren vertreten. Atmo Kanonendonner In den letzten vier Monaten der Belagerung durch preußische Truppen konnte sich die Mainzer Republik nur noch in der Stadt halten. Am 23. Juli 1793 kapitulierten die deutschen Jakobiner in Mainz, die anschließend jahrelang verfolgt wurden. Viele wurden getötet. Bisher erinnert wenig in der Stadt an diese radikal-demokratische Geschichte. Immerhin: Demnächst wird der Platz vor dem Landtag "Platz der Mainzer Republik" heißen, so der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck: Das ist zweifelsfrei so und ich bin dankbar dafür, dass der Landtagspräsident Joachim Mertes diese Idee eingespeist hat und die Stadt Mainz befasst sich damit auf eine positive Weise und ich hoffe, das wir mit diesem Namen dann auch erinnern können an dieses Stück unserer Geschichte und zwar an einen Teil, an den wir uns gerne und mit Stolz erinnern können. Musik: Marseillaise ( auf Ukulele gespielt!), überblenden mit Text Selbst in Rheinland-Pfalz wird dabei fast vergessen, dass die erste Republik auf deutschem Boden in der Zeit der französischen Revolution gar nicht in Mainz, sondern schon einige Monate zuvor im südpfälzischen Bad Bergzabern errichtet wurde. Der Südpfälzer Kurt Beck kennt diese Geschichte der "Republik Bergzabern" sehr wohl: Ja, da gab es ganz frühe Bewegungen, da ist natürlich die unmittelbare Nähe zu Frankreich gegeben und da gab es natürlich immer ganz besondere Affinitäten auch zu Frankreich und natürlich zu diesen Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Kurt Beck ist einer von lediglich 50 Deutschen, die seit 1850 in den Stand eines "Großoffiziers im Nationalen Orden der Ehrenlegion der Republik Frankreich" erhoben wurde. Dieser Orden ist von Napoleon selbst geschaffen worden. Der französische Ehrenlegionär Beck ist unmittelbar an der Grenze zum Nachbarland aufgewachsen und hat schon deswegen eine besondere Beziehung zum ehemaligen Erzfeind der Deutschen: Die kommt aus der Kindheit und vor allem mit der Erfahrung, dass wir mit Schlagbäumen aufgewachsen sind. Die Gemarkungsgrenze meiner Heimatgemeinde ist auch die Gemarkungsgrenze zu Frankreich. Und jetzt haben die Elsässer zu der Zeit fast nur deutsch geredet und ganz viele Bürger in meiner Gemeinde stammten aus dem Elsass. Direkt an der Grenze zum Elsass liegt auch die alte Stadt Zweibrücken. Hier Griffen Anfang des 19. Jahrhunderts die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth die revolutionären französischen Gedanken begierig auf. Beide gaben in Zweibrücken liberal-demokratische Blätter wie die "Deutsche Tribüne" heraus, die jedoch nach der Pariser Julirevolution von der bayrischen Regierung mit Druckverboten belegt wurden. Die Gründung des "Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins" am 29. Januar 1832 war eine Reaktion der Zweibrücker Demokraten auf diese Zensur. O-Ton: Hier waren ja die ersten Gründungsbewegungen und es waren ja nicht nur die verarmten Bürger, es war auch der Mittelstand. Es waren Zeitungsunternehmer, es waren Rechtsanwälte. Es waren durchaus hoch gebildete Menschen, die sich engagiert haben, für Freiheit, für Demokratie. Und da ist schon ein gewisser Stolz da. Sagt Kurt Pirmann, der neue Oberbürgermeister der Stadt Zweibrücken. Im Januar 1832 stellte Philipp Jakob Siebenpfeiffer in der Stadt ein erstes Konzept für das Hambacher Fest vor - das nur zum Schein ein Volksfest sein sollte. Kurt Beck: Man hat vom Hambacher Fest gesprochen, ja nicht, weil man keine politischen Gedanken hatte, sondern erstens, weil man mit Demokratie etwas Schönes, Positives verbunden hat, aber auch, um der Obrigkeit ein Schnippchen zu schlagen und mit dem Begriff des Festes eben das Versammlungsverbot zu umgehen. Teil 3: Demokratiepraxis in Rheinland-Pfalz heute ------------------------------------------------------------------ Nochmal: Ausschnitt aus Werbefilm Das Hambacher Schloss - die Wiege der deutschen Demokratie Und heute? Rheinland-Pfalz habe in den vergangenen Jahrzehnten eine besonders freundliche politische Kultur entwickelt, glaubt der Politologe Jürgen Falter, der vor 20 Jahren von der Berliner FU nach Mainz kam. Schon an der Mainzer Hochschule herrschte ein wesentlich freundlicherer Umgangston als in der Hauptstadt, wo sich die politischen Gruppen damals bis aufs Messer bekämpft hatten, erinnert sich der Politologe. In Mainz löst man hingegen Konflikte im Gespräch beim Wein. In gewisser Weise habe sich Rheinland-Pfalz heute besonders stark von seinen radikalen französischen Wurzeln entfernt, glaubt Jürgen Falter: Rheinland-Pfalz ist ein unradikales Land. Die SPD ist gemäßigter als anderswo, die CDU st viel weniger konservativ als sie es in Hessen beispielsweise ist. Die politischen Auseinandersetzungen gehen gemäßigter über die Bühne. Die Grünen sind in der Zwischenzeit Superrealos. Sie hatten mal eine fundamentalistische Strömung, aber inzwischen sind sie Superrealos. Es ist ein bestimmter Geist, der dann beispielsweise Menschen wie Bernhard Vogel, der ein sehr vermittelnder Ministerpräsident war oder Kurt Beck, der ein immer noch sehr vermittelnder Ministerpräsident ist, eben nach oben trägt. Andere, polarisierende Ministerpräsidenten sind eigentlich schwer vorstellbar. Das Volk von Rheinland-Pfalz hat den Zuschnitt und die politische Kultur seines Bindestrich-Landes inzwischen tatsächlich lieb gewonnen. Manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr direkte Demokratie - um über einen Brückenbau am Mittelrhein abzustimmen oder über eine neue, vierspurige Straße ins arme Pirmasens. Restaurant-Atmo: Aber: Im Deutschhaus, wo einst die Mainzer Jakobiner tagten, treffen sich Bürger und Abgeordnete heute zwanglos beim Mittagessen im Landtagsrestaurant, das für jedermann zugänglich ist. Alles wirkt familiär. Musik: Nochmal franz. Nationalhymne auf Ukulele.... Der rheinland-pfälzische "Landesvater" richtet von der französischen Grenze aus manchmal mahnende Worte an die ferne "Berliner Republik", die Peripherie nicht aus den Augen zu verlieren: Also wir tun gut daran, die Vielfalt der Landschaften, die sich auch in unserem Föderalismus ausdrückt, an- und aufzunehmen. Musik ausblenden, -Ende Beitrag- MOD "Der Mensch ist frei" - Die Geschichte der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz. Ludger Fittkau nahm sich der "radikalliberalen" Betonung der individuellen Freiheit des Bürgers an. Und am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-