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Gemeindeordnung zu, ohne dass es auch nur ansatzweise Konzepte für eine finanzielle Gesundung der Kommunen gibt." Damit, so argumentieren die "Freien Wähler", treibe die Landesregierung die Gemeinden "in den Ruin" und "untergräbt die kommunale Selbstverwaltung". Susanne Schrammar geht der Frage nach. Oder ist doch alles wieder ganz anders? -folgt Script Beitrag- Script Beitrag AUT Klamm, klammer, Kommunen - so lautete kürzlich die Überschrift eines Artikel zur Finanznot deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise. Wegbrechende Einnahmen, wachsende Schuldenberge und tiefklaffende Löcher in den Haushalten sorgen bei Bürgermeistern und Kämmerern landauf, landab für schlaflose Nächte. Die derzeitige Misere der Kommunen sei beispiellos in der Nachkriegsgeschichte, sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Und wegen der dramatischen Finanzsituation fürchten jetzt Experten um die kommunale Selbstverwaltung. Denn immer mehr Kommunen finanzieren ihre wichtigsten, die Pflichtaufgaben über kurzfristige Kredite und das ist, wenn ein bestimmter Betrag überschritten wird, eigentlich rechtswidrig. Zum Beispiel in einer Gemeinde wie dieser, die einen ausgeglichenen Haushalt nur vom Hörensagen kennt. G 01 ATMO SKIPISTE AUT Auf dem Martin-Schmidt-Berg in Sankt-Andreasberg herrscht Hochbetrieb: Die Sessel- und Schlepplifte laufen, Snowboarder und Skiläufer sausen den schneebedeckten Abhang hinunter. Kinder ziehen vergnügt einen Schlitten sich her. Der Winter hat es gut gemeint mit der kleinen Harzgemeinde: im Schnitt lag in den vergangenen Wochen etwa ein Meter Schnee. G 02 ATMO DURCH DEN SCHNEE LAUFEN AUT Wer jedoch durch den Ortskern von St. Andreasberg marschiert, den kann die kurzfristige Winteridylle nicht lange täuschen: immer wieder "Zu Vermieten"- Schilder in Läden der Hauptstraße. Wenn Bürgermeister Hans-Günter Schärf aus seinem Bürofenster im Rathaus blickt, dann sieht er jede Menge abgeblätterte Farbe ringsherum und sogar ein mit Brettern vernageltes Geschäft. Der 48jährige SPD-Politiker ringt um ein Lächeln. E 01 (SCHÄRF) "Wir sind im Grunde genommen sogar noch in einer glücklichen Lage. Mit 1850 Einwohnern haben wir noch mehrere Geschäfte, wir haben einen Supermarkt, wir haben mehrere Frisöre, wir haben zwei Ärzte, wir haben einen Zahnarzt, wir sind eigentlich noch gut dabei. Wenn Sie auf's Land fahren mit 1800 Einwohnern, dann ist es ein Dort, wo vielleicht ab und zu ein Bäckerwagen vorbeikommt. Aber wir sind halt auch Fremdenverkehrsort und wenn die Infrastruktur wegbricht, dann wird es natürlich schwierig." AUT Seitdem eine Klinik vor zwei Jahren geschlossen hat, ist der Harzort ganz und gar abhängig vom Tourismus und vom Finanztropf der niedersächsischen Landesregierung. Gewerbesteuerzahlende Unternehmen gibt es in Sankt Andreasberg so gut wie gar nicht. Zuweisungen vom Land, etwa der Anteil an der Einkommenssteuer, richten sich nach der Einwohnerzahl und die ist seit Jahren rückläufig. 2025, so prognostizieren Experten, wird sich die Bevölkerung in dem strukturschwachen Raum fast halbiert haben. Wir haben keine eigenen Einnahmen, sagt Bürgermeister Schärf und sein Kämmerer Michael Baumgarten nickt müde. Seit 13 Jahren verwaltet der 59jährige die Finanzen in St. Andreasberg. E 02 (BAUMGARTEN) "Also, ich kann mich gar nicht dran erinnern, dass wir einmal einen ausgeglichenen Haushalt hatten, geschweige denn von einem Überschuss sprechen können. Wir sind es also gewohnt, mit roten Zahlen zu arbeiten, allerdings unser Problem ist die Liquidität, die Kassenkredite. Die liegen bei uns in St. Andreasberg bei 4,4 Millionen Euro. Und auf weitere Sicht werden diese Kredite jährlich um 300.000 bis 500.000 Euro jährlich steigen." AUT Auch die so genannten Bedarfszuweisen, die das Land Niedersachsen an arme Kommunen wie St. Andreasberg vergibt, können das jährliche Defizit, das im Haushalt entsteht, nicht mehr decken. Doch um die Hilfe der Landesregierung überhaupt noch zu bekommen, dürfen nur noch die allernötigsten Ausgaben getätigt werden. Was aber gehört zu den allernötigsten Aufgaben? Darüber gibt es in St. Andreasberg und Hannover verschiedene Auffassungen. Für das niedersächsische Innenministerium gehören Investitionen in die touristische Infrastruktur zu den so genannten freiwilligen Leistungen, die eine Kommune erbringt. Und die dürfen 3 Prozent des Haushalts nicht übersteigen, wenn die klamme Gemeinde weiterhin Bedarfszuweisungen vom Land Niedersachsen erhalten will. Doch wie sollen wir unseren Ski-Ort am Leben erhalten, wenn wir kein Geld in den Tourismus stecken sollen, fragt sich Bürgermeister Schärf. E 03 (SCHÄRF) "Es wäre ein Todesstoß, wenn wir sagen würden, wir würden solche Sachen wegstreichen: Loipen ziehen zum Beispiel oder eine vernünftige Schneeräumung, damit die Leute durch den Ort kommen, keine Beschilderung der Wanderwege, der Kurpark wächst zu mit Brennnesseln, das sind alles Einsparmöglichkeiten, die man hätte oder wir machen keine Straßenbeleuchtung mehr. Straßenbeleuchtung ist eine freiwillige Ausgabe. Nun stellen Sie sich mal vor, wir machen hier abends um Neun das Licht aus. Dann sagt doch jeder Gast: Ich fahr hier nicht mehr her." AUT Dabei hat die kleine Harzstadt bereits zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Haushaltsbilanz zu verbessern: Das Hallenbad wurde geschlossen, die Touristen-Information privatisiert, Gebühren erhöht und längst fällige Straßensanierungen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Dennoch ist die Haushaltssituation mit mehr als vier Millionen Euro an Kassenkrediten dramatisch. Denn damit liegen die eigentlich nur für die kurzfristige Nutzung gedachten Kredite weit über dem, was die niedersächsische Gemeindeordnung zulässt. Kämmerer Michael Baumgarten: E 04 (BAUMGARTEN) "Wir haben einen genehmigten Kassenkreditrahmen aus dem Jahr 2009 in Höhe von vier Millionen vierhunderttausendtausend Euro. Diesen Betrag werden wir überschreiben Mitte April. Wir können dann keine Ausgaben mehr leisten. Das bedeutet auch, unsere Mitarbeiter nicht mehr bezahlen können, Handwerkerrechnungen nicht mehr bezahlen können. Die Kasse wird Überweisungen, die über 4,4 Millionen gehen, nicht mehr ausführen können. Dann können wir dicht machen." AUT Doch schon jetzt sei Handlungsspielraum für die Gemeinde, sagt Bernd Peter Rath, eigentlich nicht mehr vorhanden. Von kommunaler Selbstverwaltung könne kaum noch gesprochen werden. Der Parteilose sitzt für die CDU mehr als 17 Jahre im Rat der Stadt St. Andreasberg. E 05 (RATH) "Ich fühle mich ohnmächtig, grad auch, weil ich Kurausschuss- Vorsitzender bin. Und es geht natürlich an so einen Kommunalpolitiker eine große Erwartung, dass sich mal was verändert. Und mit noch so viel Ideen können wir nichts verändern, weil das Geld dazu fehlt." AUT Zweimal hat der CDU-FDP geführte Rat der Stadt den Haushalt für dieses Jahr nicht verabschiedet. Aus Protest, sagt der 60jährige, um ein Alarmsignal nach Hannover an die schwarz-gelbe Landesregierung zu senden. E 06 (RATH) "Das hat man schon zur Kenntnis genommen. Aber es gab keine Reaktion. Unsere Region, das geht um Südniedersachsen, aber auch speziell auch um den Harz, sind in Vergessenheit geraten, weil unsere Politiker und hier sage ich ganz bewusst, für den Fremdenverkehr notwendige Politiker, sind gar nicht vorhanden oder sie vertreten uns nicht. Denn sonst würde das hier nicht passieren, was hier passiert." G 03 ATMO AM COMPUTER TIPPEN AUT Ortswechsel. In Hannover sitzt Rainer Timmermann am Computer. Täglich trudeln bei ihm emails und Briefe besorgter Bürgermeister ein, die sich kaum noch zu helfen wissen. Viele Kommunen im Land, sagt der Vorsitzende des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, stehen vor der Herausforderung, riesige Haushaltslöcher und Schuldenberge zu bewältigen. E 07 (TIMMERMANN) "St. Andreasberg in anderer Form gibt es im ganzen Lande en masse. Das ist das Problem. Wir werden feststellen, auch in diesem Jahr wieder, dass die Anzahl der Städte und Gemeinden, die ihre Haushalte überhaupt nicht mehr ausgleichen können ohne fremde Hilfe, dass wir es also mit einer ganzen Reihe von Kommunen zu tun haben, die einfach mit dem Rücken zur Wand stehen und nicht mehr wissen, wie es weiter gehen soll." AUT Vor allem der Gewerbesteuereinbruch bedingt durch die Wirtschaftskrise macht den Kommunen auch in Niedersachsen heftig zu schaffen. Im Schnitt ist das Gewerbesteueraufkommen um 20 Prozent zurückgegangen, in einigen niedersächsischen Gemeinden sogar um bis zu 60 Prozent. Die Lage ist extrem ernst, sagt Timmermann. Denn weil Einnahmen wegbrechen, nehmen immer mehr Kommunen immer höhere Kassenkredite auf. Der Schuldenberg niedersächsischer Städte, Landkreise und Gemeinden beläuft sich inzwischen auf gigantische 4,4 Milliarden Euro. E 08 (TIMMERMANN) "Das kann noch schlimmer werden. Es wird schlimmer. Davon gehe ich fest aus, denn was wir im Moment sehen, sind ja nur die ersten Anzeichen. Das wird schwierig sein und wenn die Steuereinnahmen, wie erwartet, so weit zurückgehen auch in einigen Gemeinden, dann sieht das katastrophal aus." AUT Ganz unschuldig an dieser Entwicklung seien die Kommunen jedoch nicht, sagt Bernd Zentgraf vom Niedersächsischen Bund der Steuerzahler. Der Interessensverband hat in einer Studie die Entwicklung von Finanzkraft und Verschuldung niedersächsischer Kommunen untersucht und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass in den wirtschaftlich guten Jahren 2006 bis 2008 nur ein geringer Teil den Aufschwung dazu genutzt habe, Schulden abzubauen. Von 404 Gemeinden mit erhöhter Finanzkraft hätte ein Drittel sogar die Verschuldung vergrößert, so Zentgraf. E 09 (ZENTGRAF) "Wenn das Geld da ist, wenn der Druck für eine sparsame Haushaltsführung nachlässt, dann erlaubt man sich auch wieder Ausgaben. Auch zum Teil ein wenig großzügiger als sonst und das fällt einem natürlich in den Folgejahren teilweise auf die Füße. Es fehlt oft die Einsicht, dass man gerade in wirtschaftlichen Zeiten, wo es eigentlich leichter fallen müsste, dass man da auch die Haushalte zukunftsfest macht, auch für Krisenzeiten einstimmt." AUT Dem widerspricht Rainer Timmermann vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. Schon seit Jahren habe sich kaum eine Kommune noch ein Extrabonbon gegönnt. Statt dessen hätten vor allem der Bund etwa mit dem Ausbau der Krippenplätze den Gemeinden Aufgaben übertragen, ohne für eine ausreichende Finanzausstattung zu sorgen. Wie auch immer die Krise der Kommunen ausgelöst wurde, fest steht: Die Handlungsfähigkeit der Städte, Gemeinden und Landkreise steht auf dem Spiel. Und die sieht Arno Ulrichs, Landesvorsitzender der Freien Wähler in Niedersachsen vor allem durch die hohen Kassenkredite gefährdet. Die dürfen nach Paragraph 94 der niedersächsischen Gemeindeordnung eigentlich nur vorübergehend aufgenommen werden. Doch inzwischen bestreiten nicht wenige Kommunen in Niedersachsen über die Kassenkredite laufende Pflichtausgaben wie Personalkosten oder die Bau- und Straßenunterhaltung. Arno Ulrichs. E 10 (ULRICHS) "Wenn ich das mit einem Privathaushalt vergleiche, dann wäre das ungefähr so als ob man die laufenden Ratenzahlungen fürs Haus, für die Baufinanzierung über den Überziehungskredites laufen lassen würde und das kann sich jeder leicht vorstellen, dass das eine kleine Weile gut geht, aber irgendwann wird es sich festlaufen. Das geht an die Substanz." AUT Doch obwohl ein solches Auftürmen von Schuldenbergen rechtswidrig sei, so Ulrichs, ließen Aufsichtsbehörden die artfremde Verwendung von Kassenkrediten und die hohen Haushaltsdefizite zu. Schließlich wären bei einer Durchsetzung des Verbots die Kommunen plötzlich zahlungsunfähig. Der Vorsitzende der Freien Wähler sieht darin ein Ablenkungsmanöver der niedersächsischen Landesregierung, die mit ihrer Finanzpolitik die Gemeinden in den Ruin treibe, so Ulrichs. E 11 (ULRICHS) "Normalerweise müsste die Landesregierung das sanktionieren diese Verstöße, macht sie aber nicht, weil sie sonst ja auch anerkennen müsste, dass die Gemeinden auch gar nicht mehr anders handeln können und das Land in der Verpflichtung wäre, für eine andere Finanzausstattung zu sorgen. So und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Kommunale Selbstverwaltung kann nur so stark sein, wie auch die Finanzausstattung der Kommunen ist und wenn sie so ist, dass also immer weniger Gemeinden überhaupt noch irgendeinen Gestaltungsspielraum haben, dann hat sich damit in diesen Kommunen auch die kommunale Selbstverwaltung verabschiedet." AUT Der niedersächsischen Landesregierung fehle gänzlich ein Konzept zur finanziellen Gesundung der Kommunen, findet Ulrichs. Das sehen Ministerpräsident Christian Wulff und sein Innenminister Uwe Schünemann, CDU, völlig anders. Sie haben mit den niedersächsischen Kommunalverbänden einen so genannten Zukunftsvertrag geschlossen. Danach werden freiwillige Fusionen zwischen Gemeinden, Städten und Landkreisen vom Land gefördert. Wer miteinander fusioniert, so der Anreiz, für den werden unter bestimmten Sparauflagen 75 Prozent der aufgelaufenen Kassenkredite übernommen. Ministerpräsident Christian Wulff. E 12 (MP WULFF) "Wir geben vor allem notleidenden Gemeinden die Chance, zu größeren Einheiten zu kommen oder aber unterstützt zu werden, wenn sie einen erheblichen Konsolidierungskurs vornehmen, damit sie wieder eine Perspektive haben. Und wir sind eben bereit, bei der Entschuldung von Gemeinden zu helfen, indem wir Schulden mit tilgen durch diese 70 Millionen, die jetzt bereit gestellt werden von Kommunen und Land." AUT Ein Zukunftsvertrag, der bei den Kommunalverbänden lange diskutiert wurde, schließlich müssen Gemeinden bei den Zusammenschlüssen ihre Selbständigkeit opfern. Und große Städte, die kaum einen Fusionspartner finden dürften, gehen bei der Hochzeitsprämie des Landes leer aus. Doch Innenminister Uwe Schünemann sieht in den freiwilligen Vereinigungen eine große Chance für die Kommunen, allein schon durch Kosteneinsparungen in der Verwaltung. E 13 (SCHÜNEMANN) "Durch eine Fusion kann man auch gerade eine Verwaltung qualitativ verbessern und das ist meiner Ansicht auch ganz entscheidend. Einmal als Dienstleistung für den Bürger, aber noch entscheidender ist es für die Wirtschaft. Damit man eine starke Wirtschaftsförderung in der Region auch anbieten kann und das ist insofern eine gute Möglichkeit, um denen zu helfen." AUT Rund 60 Kommunen in Niedersachsen stehen derzeit mit dem Innenministerium im Gespräch für eine Fusion mit einem Nachbarort. Auch St. Andreasberg gehört dazu. E 14 (SCHÄRF) "Wir haben keine andere Chance. Wir haben keine andere Chance mehr als eine Fusion und es ist nicht die letzte. Ich glaube, dass es nicht die letzte ist." AUT Alleine, sagt Bürgermeister Hans-Günter Schärf, können wir finanziell nicht überleben. Die Stadt steht in Verhandlung mit dem Nachbarort Braunlage, im nächsten Jahr soll der Zusammenschluss vollzogen werden. Beide Gemeinden können die Finanzspritze, die damit verbunden ist, mehr als gut gebrauchen, auch Braunlage steckt in einer schwierigen Haushaltslage. Doch ganz entschuldet werden die Harzorte auch dann nicht sein, wenn sie zu einem verschmelzen, rechnet der Andreasberger Kämmerer Michael Baumgarten vor. E 15 (BAUMGARTEN) "Diese 75 Prozent werden vom Stichtag 31.12.2009 ermittelt. Wenn dann der verbleibende Betrag von 25 Prozent und die Defizite aus den Jahren 2010 und 2011 mit in den neuen Ort einfließen, dann beginnt diese Gemeinde mit einem Defizit von sieben Millionen. Und im Jahr 2018 werden wir ein gemeinsames Defizit von 18 Millionen haben. Da muss dann zusätzliche Hilfe her." AUT Dass die Fusionen kein Allheilmittel für alle Finanzprobleme der Kommune sind, weiß auch der niedersächsische Innenminister. E 16 (SCHÜNEMANN) "Allerdings werden wir nicht zusätzliches Geld zur Verfügung stellen können, das Land selber hat Riesenprobleme durch die Finanzkrise bekommen: 2,3 Milliarden Nettoneuverschuldung, die wir auch zurückführen müssen." AUT Aus diesem Grund wird auch der Kommunale Finanzausgleich, die Verteilung von Landes- und Bundesmittel für die Kommunen, in diesem Jahr in Niedersachsen nicht vom Land aufgestockt. Im Gegenteil, die 1022 Gemeinden, Städte und Landkreise müssen mit 580 Millionen Euro weniger rechnen als im Vorjahr. Eigentlich wäre es jetzt höchste Zeit für die Landesregierung zu handeln, sagt SPD-Kommunalexpertin Hanne Modder. Die Landtagsabgeordnete wirft Innenminister Schünemann vor, sich nicht für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen einzusetzen. Statt dessen werde die Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs, der 2005 beschlossen würde, von der Landesregierung fortgeführt. E 17 (MODDER) "Diese Landesregierung, schwarz-gelb geführt, hat auch in den guten wirtschaftlichen Jahren den kommunalen Finanzausgleich nicht so ausgestattet, wie er ausgestattet werden könnte. Und das fehlt den Kommunen und da sprechen wir von einer Summe jährlich roundabout 100 Millionen." AUT Dass der niedersächsische Innenminister mit den Fusionsangeboten einen Vorstoß zur Entlastung der Kommunen gemacht hat, sei löblich, findet die SPD-Politikerin, die selbst stellvertretende Bürgermeisterin einer Gemeinde in Ostfriesland ist. Dennoch lehnt sie den Zukunftsvertrag strikt ab. Es gehe nicht an, dass die Kommunen erst finanziell geknebelt würden und die Landesregierung dann mit einer Fusionsprämie winke, so Modder. Der entfachte Fusionsdruck führe über kurz oder lang zu einem strukturellen Wildwuchs kommunaler Strukturen. Modder statt dessen will eine Enquete-Kommission zur Überprüfung der Verwaltungsstrukturen und der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen einsetzen. Und damit eine geordnete Gebietsreform. E 18 (MODDER) "Wir haben vorgeschlagen, eine Enquete-Kommission zu machen, auch viele Kommunalpolitiker mitzunehmen und uns fachlich-wissenschaftlich beraten zu lassen und dann zu einer Neuordnung des Landes zu kommen. Wer nimmt was wahr mit welcher Finanzausstattung und wie kriegen wir das geregelt. Nur das kann man nicht einfach auf Zuruf machen. Man muss vielleicht auch mal über den Tellerrand gucken, wie das in anderen Bundesländern oder vielleicht sogar in anderen Ländern organisiert ist und da vielleicht auch von dem ein oder anderen lernen. Nur diesem Prozess verweigert sich die Landesregierung." AUT Auch Ralf Briese, grüner Landtagsabgeordneter, setzt sich für einen Dialog über eine Gebietsreform ein. Und für eine Gemeindefinanzreform. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen müsse langfristig auf andere stabilere Füße gestellt werden, so der grüne Innenpolitiker. Das zeigten auch die aktuellen Einbrüche der Gewerbesteuer. Die bisherigen Versuche einer Gemeindefinanzreform bezeichnet Briese als halbherzig und guckt gespannt auf die von Bundesinnenminister Schäuble angekündigte Regierungskommission, die sich mit einer solchen Finanzreform ab Ende des Monats beschäftigen will. Von der schwarz-gelben Landesregierung erwartet der grüne Finanzexperte einen Masterplan, wie sie vor allem den Kommunen helfen will, die von hoher Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund geprägt sind. Die freiwilligen Fusionen seien nicht das richtige Mittel. E 19 (BRIESE) "Man kann da natürlich nicht immer wieder Geld reinpusten und sagen, wir geben auch einen Zuschlag, will ich mal sagen, Ihr kommt mit Euren Einnahmen nicht aus, aber es ist kein Land in Sicht. Und da hat man bis jetzt keine richtige Idee. Machen das alles nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Und wenn die wollen, ist gut, dann freuen wir uns, dann übernehmen wir einen Teil der Schulden und wenn die nichts machen - Pech gehabt. Wir haben Regionen, die sind abgehängt in Niedersachsen und da hat keiner so richtig eine Vision oder Perspektive." G 04 ATMO ST. ANDREASBERG AUT Auch St. Andreasberg und Teile des Westharzes gehören zu den abgehängten Regionen in Niedersachsen, auch wenn in diesem Winter viele Besucher in den kleinen Wintersportort gekommen sind. Doch die 1842 Bewohner wollen sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden. In der winzigen Eingangshalle des Rathauses hängt eine Broschüre am schwarzen Brett: "St. Andreasberg 2020" steht darauf und "Bergstadt mit Zukunft". Bürgermeister Hans-Günter Schärf: E 20 (SCHÄRF) "Das ist ein Zukunftskonzept 2020, das hat die Bevölkerung erarbeitet. Da war niemand vom Rat dabei, da war niemand von der Verwaltung dabei und das ist positiv, weil viele Menschen St. Andreasberg als sehr positiv oder auch den Harz als sehr positiv empfinden. Wenn das Wasser einem bis zum Hals steht, dann darf man den Kopf nicht hängen lassen, also man muss da schon vorwärts gehen. Da muss man schwimmen oder, wenn man nicht schwimmen kann, dann geht man halt unter und das wollen wir nicht." G 05 ATMO SKIPISTE -ENDE Script Beitrag- MOD Gipfeltreffen auf dem Schuldenberg. Untergraben Schulden die kommunale Selbstverwaltung in Niedersachsen? Susanne Schrammar ging der Frage nach. Morgen dann macht sich der Länderreport in ein schönes Dorf, in ein Pendler-Dorf und in ein leeres Dorf auf. Dörfer im Wandel. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Ablaufplan- 1