COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Claus Stephan Rehfeld -Reportage & Hintergrund- MOD LR 20.04.2011 - 13.07 Uhr Script Ablaufplan M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD Sieben Männer und ein Atomkraftwerk. Von einem gar mühseligen Abriß in Arneburg. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg MOD Wie lange es brauchen kann, ein AKW vom Netz zu nehmen - die politische Ebene liefert dafür momentan ein Beispiel. Es dauert. Und wie lange nun kann es dauern, ein AKW abzureißen? Noch dazu eines, welches in Betrieb war? Wir wissen es nicht, ahnen es aber. Diese Ahnung speist sich aus einem aktuellen Beispiel aus Arneburg bei Stendal. Dort sollte mal das größte Atomkraftwerk der DDR entstehen und 1989 in Betrieb gehen. Das geschah nicht. Und obwohl dort nie ein Brennstab ankam, also nichts radioaktiv verseucht worden ist, wird seit 20 Jahren eben mühselig der Abriß betrieben. In Handarbeit, Stück für Stück. Doch Beton ist offenbar noch viel härter als auch so mancher marktwirtschaftliche Plan. Christoph Richter interessierte sich für dieses Thema einer Hinterlassenschaft menschlichen Strebens. LR Sieben Männer und ein AKW / Richter - 19'36" AUT 8 Uhr morgens. Der Himmel ist milchig grau. Eisiger Ost-Wind rüttelt an ein paar dürren Bäumen. Es ist eine schaurige Kulisse: monströse, graue Betonruinen ragen aus der Steppenlandschaft. Sieht aus wie Tschernobyl, liegt aber mitten in Deutschland. In Arneburg bei Stendal. Das ist in der Altmark, im Norden von Sachsen Anhalt. Auf halber Strecke zwischen Berlin und Hannover. E 01 Jetzt suche ich das Eisen aus dem Beton raus, und dann schmeiß ich das gleich in den Container. Das ist ein Magnet, der zieht das aus dem Beton raus. AUT Mit roter, ölverschmierter Gummijacke und schwarzen Stiefeln sitzt der 30 jährige Abrissarbeiter Michael Templin auf dem Bock eines verbeulten Baggers. In der Fahrerkabine fehlen die Scheiben. Es riecht nach Diesel. E 02 Ja das ist ein altes Modell, das ist schon ein Oldtimer, nee. AUT Statt einer Schaufel hängt ein schwerer tellerrunder Magnet am Baggerseil. Zart umfasst Templin die klapprigen Steuerknüppel, bedient mit seinen verdreckten Händen vorsichtig die Maschine. Wie von Geisterhand fischt er den Stahl aus dem Beton. Lässt ihn krachend in einen Container fallen. Kein ungefährlicher Job. Sagt er. Er muss auf eins achten: E 03 Dass die Eisen nicht in das Fahrerhaus. Da ist schon eine Bewegung drinne, sonst ist das kinderleicht. AUT Lange hat der Lübecker Michael Templin einen Job gesucht. Als er vor vier Jahren hörte, dass kräftige Leute gesucht werden, um ein ganzes Atomkraftwerk zu zerlegen, kam er aus dem Westen in die ostdeutsche Provinz. In mühseliger Handarbeit zerlegt er hier nun zusammen mit sechs anderen Männern, den gigantischen Bau. Stück für Stück, mit kleinem Gerät. Sie bohren, hämmern, nagen und kratzen an dem felsdicken und bunkerharten Beton. E 04 Wir fangen mit dem Hammer an kleinzuhauen, bauen Rampen hoch, um die Wände runterholen zu können, und dann wird das zerbröselt. AUT Ein bizarres und wohl einzigartiges Vorhaben. Es wirkt ein bisschen so, als wollten Zwerge, eine Welt von Riesen zerstören. E 05 Der Beton ist hartnäckig, viel Schrott drinne. Das ist ja kein normaler Industrieabbruch hier. Das ja was Aufregendes. Aber wir kriegen alles kurz und klein. AUT Eine herkömmliche Sprengung sei nicht möglich. Behauptet André Heeren, der Vorarbeiter. E 06 Das ist so hartnäckig, da muss man auch Löcher reinbohren. Und die Löcher kriegt man schwer rein. Da hat man mit dem Hammer schon Schwierigkeiten. Aber: Wir haben gute Technik, wir sind gut ausgerüstet hier. AUT Mit skeptischem Blick schaut Vorarbeiter Heeren, zu den 40 Meter hohen Ruinen. Große, schwarze Löcher klaffen in den dicken Wänden. Krater wie nach einem Bombeneinschlag. Überall auf dem Gelände haben sich matt schimmernde Regenwasser-Seen gebildet. Endzeitstimmung à la Tarkowski. Hier sollte einst das größte Atomkraftwerk der DDR entstehen. Heute ist es eine Milliardenruine. E 07 Das war ja noch nie in Betrieb. Hier ist ja nix passiert. Keine Belastung, kein nix, kein gar nix. Beton und Eisen wie überall. Am Schwersten ist es für die Geräte. Das merkt man daran, wie sie verschlissen werden. Also so ne Atomreaktion, möchte ja irgendwie gebändigt sein. (lacht). Aber wenn man bloß an den Hebeln zieht, so schwer ist das nicht. AUT Die Planung: In zwei Jahren soll statt der Ruinenwelt, nur noch eine Wiese zu sehen sein. Erzählt Burkhard Hein. Ein kleiner drahtiger Kerl. Mit Lachfalten im Gesicht und Blaumann. Er ist 62, seit 35 Jahren auf Montage, und glücklich über den Abriss. E 08 Im Endeffekt erzeugt jedes Atomkraftwerk Müll. Kein Mensch weiß wohin damit. Und in wieviel zigtausend Jahren beschäftigen sich meine Ururenkel immer noch damit. AUT Was sieben Männer entbehrungsreich abreißen, haben einst 15.000 Männer tatkräftig aufgebaut. M 01 Musik/Kraftwerk Radioactivity einblenden AUT 1973 begannen die Bauarbeiten zum Kernkraftwerk Stendal. Nach Rheinsberg in Brandenburg und Lubmin bei Greifswald, sollte es das dritte Atomkraftwerk der DDR werden. Und ab 1989 ans Netz gehen. Man wollte sich von den Energielieferungen aus der Sowjetunion, unabhängig machen. Am Ende sollten in Stendal vier russische Reaktoren vom Typ Tschernobyl mit einer Leistung von je 1000 MW stehen. Gigantomanie. Denn damit wäre es auch das größte Atomkraftwerk Mitteleuropas gewesen. M 02 Musik/Kraftwerk Radioactivity stehen lassen AUT Der Mega-Atommeiler Stendal war ein streng geheimes DDR-Prestigeobjekt. Er sollte nicht nur das ökonomisch wichtige Chemiedreieck Halle-Bitterfeld und den Schwermaschinenbau in Magdeburg mit Atomstrom versorgen, sondern man wollte auch Kernenergie in die Bundesrepublik liefern. Um kostbare Devisen in die notorisch klamme, aber uranreiche DDR zu spülen. Mit eingefädelt hatte diesen Deal, Harald Gatzke. Er war damals der stellvertretende Minister für Energie und Kohle. E 09 Mit großem Aufwand ist ja die Stromverbindung, die Hochspannungsleitungen aus Westdeutschland nach Westberlin gebaut worden. Das Umspannwerk in Wolmirstedt ist in diesem Zusammenhang gebaut worden. Um diese Strombrücke, zur sicheren Versorgung Westberlins, besser zu stützen, war die Einspeisung auch aus Stendal gedacht. AUT Geplant war die Lieferung von 2000 Megawatt. 1987, beim Honecker Besuch, kam es zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu ersten Kontakten über dieses hochsensible Thema. Ein Jahr später wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Vertrag zwischen der Preußen Elektra und der DDR abgeschlossen. Obwohl in Stendal die gleichen Druckwasserreaktoren wie in der Sowjetunion zum Einsatz kommen sollten, gab es auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, zwei Jahre nach der Tschernobyl Katastrophe, keine Sicherheitsbedenken. Gatzke beharrt immer noch auf dieser Einschätzung. E 10 Sie dürfen das nicht alles in einen Topf werfen. Tschernobyl hat mit dem Kernkraftwerk Stendal oder mit dem Kernkraftwerkstyp, der hier gebaut worden ist, und weiter gebaut werden sollte, überhaupt nichts zu tun. Und das war den Fachleuten allen bekannt. Die Auswertungskonferenz in Wien hat das ganz klar ergeben, das es die gleichen Sicherheitskriterien aufwies, wie zum Beispiel die französischen Kernkraftwerke. AUT Für seine Kraftwerksbauten erhielt das SED Mitglied Harald Gatzke den DDR- Nationalpreis 1. Klasse. E 11 Kernkraftwerksbau in der DDR war ein Top-Secret Thema. Darüber wurde in der Presse nicht informiert. Die Baustelle in Stendal war hermetisch abgeriegelt. Wurde von Polizei bewacht. Man kam nur rein, wenn man wirklich arbeiten musste und über die entsprechenden Ausweise verfügte. Sie Staatssicherheit hat das streng überwacht. Es war also jahrelang kein Thema der Diskussion. AUT Das hat sich geändert, als Ende der 80er Jahre immer mehr Details an die Öffentlichkeit gelangten. Großen Unmut erregte hauptsächlich der ökonomische Irrsinn, die Kosten von 18 Milliarden DDR Mark, während nebenan die Stendaler Altstadt verfiel. Andere erboste der ökologische Wahnsinn. Das man ihnen ungefragt, nach dem Super - GAU von Tschernobyl, ein unsicheres Atomkraftwerk vor die Nase setzten wollte. AUT Dennoch hält man - auch nach dem Mauerfall - an dem Atommeiler fest, erinnert sich Harald Gatzke. Mittlerweile war er der Geschäftsführer der KKW Stendal GmbH und begleitete Bundes-Umweltminister Klaus Töpfer bei einem Kraftwerksbesuch, der sogar der TAGESSCHAU einen Beitrag wert war. E 12 ... dies ist ein Kernkraftwerk sowjetischer Bauart und hier werden wir uns mit den jeweiligen Experten auf dieser Seite zusammensetzen. Sicherheitsanalysen unserer Art durchführen..... AUT Doch zu denen ist es dann nicht mehr gekommen. Die Sicherheitsbedenken überwiegen von vornherein. SIEMENS, das das Kraftwerk noch übernehmen wollte, zieht sich wegen der Unwägbarkeiten aus dem Projekt zurück. Den endgültigen Schlussstrich zieht dann die Treuhandgesellschaft, und stoppt am 01. März 1991, also vor genau 20 Jahren den Bau. Der Rückbau beginnt. Die drei Kühltürme, die im flachen Elbvorland schon von Weitem zu sehen waren, wurden bereits in den 90ern gesprengt. Jetzt reißt man die 48 Meter hohen Reste des Containments ab. Das sind die Reaktor-Außenwände, die bei einer Atomkatastrophe die Umwelt vor radioaktiver Strahlung hätten schützen sollen. Dem knapp drei Meter dicken Stahl-Beton ist allerdings nur mit größtem Aufwand, und teuren Seilsägen beizukommen: Wie durch Butter schneiden sich mit Industriediamanten bestückte Stahlbänder, langsam durch den Beton, zerteilen die Reaktorschutzhülle in kleine Kuchenstücke. E 13 Naja, dadurch, dass das so massiv ist, ist ne Sprengung nicht möglich, dass wir es in kleine Teile zerlegen müssen. Die schweren Meißel machen da nicht viel, und dafür bin ich halt zuständig. AUT Hermann - den Nachnamen möchte er nicht nennen - ist ein bulliger Kauz. Mit dicken Armen, groben Händen und Palästinensertuch, ist er so was wie der Möchtegern-König der Baustelle. Stolz zeigt er, mit ausladenden Bewegungen, sein Reich. Ein zerfallendes Atomkraftwerk. E 14 Wenn man mit dem Gedanken hier rangeht, wenn's nicht so funktioniert dann hör ich auch. Kann man gar nicht. Man muss hier einfach mit dem Gedanken rangehen: Ich mach's. Egal unter welchen Umständen. Sonst kann ich so eine Herausforderung gar nicht annehmen....Es sind Tage gewesen, da habe ich vielleicht zwei Zentimeter gesägt. Dann kam die Sonne drauf, dann hat sich das Ding so bewegt, dass sich alles eingeklemmt hat. Musste ich warten, bis es sich abgekühlt hat. Situationen an die man gar nicht denken kann. Hier gibt es keine Erfahrungswerte... AUT Mit dem Rückbau des Atommeilers Stendal geht für den hessischen Atomkraftgegner auch ein Traum in Erfüllung. Denn das Zersägen und Zerstückeln der Reaktorwände bietet ihm geradezu ein existentielles Gefühl, etwas Gutes zu tun. E 15 Na, wo hat schon ein Atomkraftgegner die Möglichkeit, sich so leidenschaftlich an einem Atomkraftwerk auszutoben. Und das abzureißen. Ich bin eigentlich ein Gegner dieser Atompolitik, und tob mich hier mit Leidenschaft aus. AUT Die Ruine wird streng beschützt. Und mit Hunden bewacht. Jeder Fremde wird argwöhnisch beäugt. E 16 Da kommen oft welche. Gucken. Die das mit aufgebaut haben, sind meist ältere Leute... AUT ... oft ärgern sie André Heeren und seine Kumpels. Rufen ihnen vom Zaun zu.... E 17 ... hartnäckig. Haben wir gut gebaut ne....(lacht)... AUT Tischler Malte Fröhlich hingegen genießt den Anblick des Abrisses des einstigen DDR-Prestigeprojekts. Ein ostdeutscher Atomkraftgegner der ersten Stunde. Schon zu DDR Zeiten hat er sich gegen das Mammutprojekt gestemmt. Eine seiner couragiertesten Aktionen fand 1986 statt, direkt nach der Tschernobyl Katastrophe. Im Berufsverkehr hat er in Vorortzügen, die die Arbeiter ins Kraftwerk brachten, mahnende Ansichtskarten und Flugblätter an Reisende verteilt. E 18 .... und ein Transparent entrollt. Dann ging das ein paar Minuten. Nach ein paar Minuten kam dann entweder die Polizei, die Uniformfreien, die MfS-Mitarbeiter und haben uns dann verhaftet. Das war der übliche Werdegang. Dann wurden wir verhört und darüber aufgeklärt, dass wir das nicht dürfen.... AUT Da das Atomkraftwerk ein Thema höchster Geheimhaltung war, hatte es das Ministerium für Staatssicherheit von Anbeginn, von 1974 an, im Visier. Dazu wurde auf dem Gelände eigens eine geheime Dienststelle untergebracht, die nicht der Bezirksverwaltung Halle, sondern direkt Berlin unterstellt war. Sie diente der "politisch-operativen Absicherung des Investvorhabens Kernkraftwerk" - wie es im damals verklausulierten Stasi Deutsch hieß. E 19 Also es war klar, es war die nationale Baustelle überhaupt. Die ganze DDR hat in dieses Werk investiert. Und war die Großbaustelle an sich. Und das Zweite war: das Stendal komplett umstrukturiert wurde. Die ganze Stadt ist auf das Kernkraftwerk zugeschnitten worden. Es entstanden vier Neubaugebiete und die Altstadt wurde verfallen gelassen. AUT Anfangs waren es hauptsächlich Qualitätsprobleme und die mangelnde Reaktor- Sicherheit, die nicht an die Öffentlichkeit kommen durften, und die Stasi beschäftigte. Während der Bauphase berichteten wiederholt Inoffizielle Mitarbeiter über eklatante technische Mängel, die vermehrt zu Stillstandszeiten führten. Später gerieten auch ökologische und kirchliche Kreise in den Fokus der Stasi, die Ende der 80er Jahre zunehmend gegen das Atomkraftwerk protestierten und auf die möglichen Gefahren hinwiesen. Immer mittendrin: Malte Fröhlich. Regelmäßig wurde er von der Stasi vorgeladen und verhört. E 20 Nee, das ist keine Frage des Mutes, sondern eigentlich der Angst gewesen. Durch Tschernobyl ist uns klar geworden, in welcher Gefahr wir hier leben, wenn das Teil ans Netz gehen würde. Diese Angst war einfach größer als die Repressionen. Wir sind eher reine Angstmenschen. AUT 10 Uhr. Frühstückspause. Dazu treffen sich die sieben Abrisscowboys in einem Einfamilienhaus, das verloren auf dem Gelände der Kraftwerksruine steht. Einigermaßen bizarr, vermittelt es deutsche Vorortidylle. TESTHAUS steht in großen Lettern, weithin sichtbar, an der Außenwand. Und sollte mal ein Musterhaus sein. Nachdem dem Aus des Kraftwerksprojekts, hatten findige Westdeutsche die Idee, in den 30.000 Quadratmeter großen, und 22 Meter hohen Werkhallen, die neben den Reaktorgebäuden stehen, Fertighäuser vom Fließband zu produzieren. Ist nichts draus geworden. Jetzt ist das einsame Haus eine Männer WG. E 21 Da wohnen sieben Zwerge drin....(lacht) AUT ... scherzt André Heeren. Unter dem Dach haben DIE Arbeiter, die nicht täglich nach Hause pendeln können, ihr eigenes Zimmer. Tisch, Schrank, Bett. Das Bad müssen sie sich teilen. Großen Luxus gibt es nicht. Wer ins Haus will, muss sich die Schuhe ausziehen. E 22 Super, einfach super. Da haben wir alles, sieht man von außen nicht. Haben wir uns alles ein bisschen schön gemacht. Aber sauber innen drinne. Ordnung muss ja sein.... AUT Im Erdgeschoß liegt das Wohnzimmer. Mit großen Fenstern und Blick auf die Kraftwerksruine. An der Wand des dämmrigen Raums steht ein riesiger Flachbildfernseher, in der Mitte ein grauer Tisch, an dem gemeinsam gegessen wird. Daneben : eine bunt gemusterte, leicht schmuddelige Sofaecke. Es muffelt nach Schweiß und kalten Zigarettenqualm. Trostloses Bauarbeiterdasein. E 23 Jeden Abend kocht ein anderer, auch mit dem Saubermachen. Jeder muss mal dranne sein. AUT Seit vier Jahren wohnt André Heeren schon in diesem Haus. Ein junger Mann mit melancholisch - verträumtem Blick. Auch er bindet sich regelmäßig die Küchenschürze um. Stellt sich an den Herd, um für seine Kollegen und Kumpels zu kochen. E 24 Schnitzel, Kartoffeln, Pommes, Erbsensuppe..... AUT ... also wenn man hier anfangen will zu arbeiten, muss man nicht nur Bagger fahren können, sondern... E 25 ...muss man auch gut kochen können. Aber an erster Stelle kommt aber das Bagger fahren... AUT Die Mecklenburger Flächenrecycling GmbH aus Lüdersdorf, die die sieben Männer beschäftigt, ist schon die dritte Firma, die sich am Abriss des Kernkraftwerks Stendal versucht. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, scheint sie nun ein Geschäftsmodell gefunden zu haben, das sich rechnet. AUT Zwar bekommt das Abbruchunternehmen von der Ruinenbesitzerin, der Berliner "Neue Haus Entwicklungs- und Verwaltungs-AG", die 2001 das 13 ha große Kraftwerksgelände gekauft hat, für die mühselige Arbeit kein Geld. Es darf aber die geschredderten Betonreste, die man für Straßenbau braucht, und den Stahlschrott verkaufen. Und kann sich so finanzieren. E 26 Das Eisen kommt ins Stahlwerk, wird eingeschmolzen. Wat weiß ick, zu anderen Materialien verarbeitet. AUT Unter vorgehaltener Hand erzählt grinsend Burkhard Hein, dass man bei steigenden Schrottpreisen natürlich schneller arbeite, während man es in den Zeiten niedriger Preise, eher gemütlich angehen lasse. So hofft man 15.000 Tonnen Stahl und 100.000 Tonnen Beton, möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Daher arbeiten auch nur sieben Arbeiter auf der riesigen Baustelle. Nur so rechnet sich der Abriss. In zwei Jahren soll dann auch Schluss sein. Später sollen sich auf dem einstigen Kraftwerksareal neue Unternehmen ansiedeln. Erläutert Cornelia Lütze von der Berliner Firma "Das neue Haus". Vor dem Mikrofon möchte sie sich dazu nicht äußern. Vielleicht aber auch, weil man das Gelände an den Energieriesen RWE verkaufen will. Munkelt Volker Stephan, Tierarzt und der erste Nachwendebürgermeister Stendals. Er vermutet, dass die Pläne für ein Steinkohlekraftwerk schon längst in der Schublade liegen. Der Hintergrund: Es gibt ein Bebauungsplan, der schnell wieder einen Kraftwerksbau erlauben würde. E 27 Nach außen hin wird von RWE so getan, als ob sie kein Interesse mehr haben, dort ein Kraftwerk zu errichten. Ich dagegen habe große Bedenken, dass das ernst gemeint ist. Für Stendal und die Region wäre das eine ziemliche Katastrophe. AUT Die Elbe müsste für die Kohlelieferungen eine Tieffahrrinne bekommen, ein großer Hafen müsste gebaut, Biosphärenreservate zerstört werden. Umweltaktivist Malte Friedrich geht noch weiter. Er ist überzeugt, dass man den Traum eines großen Atomkraftwerks in der Altmark, noch lange nicht ausgeträumt hat. E 28 Dieses Androhen eines Steinkohlekraftwerks, war meiner Meinung nach nur eine Steilvorlage für SIEMENS. Zu sagen, Moment mal, wir haben doch die saubere Alternative. Wollt ihr nicht einen 1300 MW Hochtemperaturreaktor haben. Der qualmt nicht, der raucht nicht, der ist sicher. Dumm sind sie nicht. (lacht) AUT Wird so schnell allerdings nicht passieren, da der Neubau eines Atomkraftwerks derzeit bundesrechtlich völlig ausgeschlossen ist. Aber: Niemand weiß, was mit dem Gelände, auf dem einst der größte Atommeiler Mitteleuropas stehen sollte, zukünftig passieren soll. Also wird weiter gehämmert, gesägt, gebohrt, gestemmt und zerschweißt. Wie schon in den letzten 20 Jahren. Bis er irgendwann völlig zerbröselt ist: Der letzte große strahlende Traum der DDR, das Atomkraftwerk Stendal. -Ende Beitrag Richter- MOD Sieben Männer und ein Atomkraftwerk. Von einem gar mühseligen Abriß in Arneburg bei Stendal. Wir wiederholten eine Sendung von Christoph Richter. Morgen dann im Länderreport heißt es : "Wer wählen will, muß üben." In ''Schnupperwahllokalen'' kann der Bremer sich schon mal, also rechtzeitig vor der Bürgerschaftswahl, mit dem neuen Wahlrecht vertraut machen. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-