b Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 25. Juni 2012, 19.30 Uhr Kein Tiger mehr im Tank - Lösen Elektromobile unsere Verkehrsprobleme? Von Susanne Harmsen O-Ton: So jetzt starten wir mal...Und das ist halt ein angenehmes Fahren, gerade in der Stadt, sehr ruhig und sehr effizient. Spr. vom Dienst Kein Tiger mehr im Tank - Lösen Elektromobile unsere Verkehrsprobleme? Eine Sendung von Susanne Harmsen. O-Ton: Wir wissen aus recherchierten Zahlen, dass die deutsche Automobilindustrie 2018 jedes fünfte Auto elektrifiziert vom Band laufen lassen muss, sonst erreichen wir die von der EU vorgegebenen CO2-Werte nicht. -- Ein Elektroauto ist kein Null-Emissionsauto, die Emissionen entstehen woanders. Das heißt, ich muss die Bilanz machen, und bei heute fast 600 Gramm CO2 pro Kilowattstunde, ist ein Elektroauto ungünstiger als ein normales Benzinfahrzeug, in der CO2-Emission. Sprecherin: Derzeit gibt es 42 Millionen konventionelle PKW in Deutschland. Sie bekommen Konkurrenz - zumindest ein bißchen. Eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bis 2020, so lautet das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität. Sprecher: Viele Effekte auf einmal wollen Verkehrs-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium damit erzielen. Der Verkehr soll leiser und sauberer werden - die Abhängigkeit von Ölimporten verringert und der Ausstoß klimaschädlicher Abgase gesenkt. Und dabei soll die deutsche Autoindustrie dank neuer Technologie trotzdem weiter ganz vorn im Weltmarkt mitfahren. 500 Millionen Euro Fördergeld zahlte der Bund seit 2009 schon, für Forschung und Entwicklung stellt er bis 2013 noch einmal eine Milliarde Euro bereit. Sprecherin: Flüsterleise Autos auf den Straßen, die keinen Auspuff mehr haben und an Parkplätzen per Steckdose Strom tanken, während ihre Besitzer im Café sitzen, einkaufen oder zum Arzt gehen. Die Energie dafür soll natürlich aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Windkraft kommen, so erträumt es der Präsident des Verbandes Elektro-Mobilität, Kurt Sigl: O-Ton: Wir reden ja immer gern über CO2, aber es gibt ja auch noch andere Dinge, es gibt Stickoxide, über die redet kein Mensch, es geht um Lärm, um Lebensqualität, all das müssen wir auch ins Kalkül ziehen. Dann, der zweite Punkt, wir haben in Deutschland jetzt, Stand der Dinge, über 20 Prozent regenerative Energie. Eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland würde bedeuten: Mehr Stromverbrauch 0,3 Prozent. Also über was diskutieren wir eigentlich? Deswegen fordern wir vehement seitens des Verbandes eine sinnvolle, prägnante Förderung. Sprecherin: Er schaut dabei auf andere europäische Länder, wo mehrere tausend Euro Prämie gezahlt werden beim Kauf eines teuren Elektroautos, so in Frankreich, Italien und Spanien. Außerdem sind dort Autos mit wenig Kohlendioxidausstoß steuerlich so günstig gestellt, dass sich Hybridautos, die teils elektrisch, teils mit Treibstoff fahren, schon lohnen. Zumal Strom viel billiger ist als Diesel oder Benzin. In Deutschland fahren erst etwa 5500 PKW nur mit Strom und weitere 25.000 wenigstens zum Teil elektrisch. Der Präsident des Verbandes Elektro-Mobilität kann das nicht verstehen. Er fährt Auto und Motorroller nur mit Strom und ist mit Reichweite und Zuverlässigkeit seiner Fahrzeuge zufrieden. Kurt Sigl: O-Ton: Rein elektrisch geht jetzt mit Minimum 120 km. Das ist kein Thema. Fahren wir seit zweieinhalb Jahren jetzt einen Stromos von der Firma Fräger in Kassel. Wir haben übrigens heuer auch einen ultimativen Lithium-Ionentest gemacht, als es so kalt war, bei 15° minus. Und alle Fahrzeuge haben ohne irgendwelche Probleme trotz Klimaanlage, Heizung etc. durchgehalten. Man kann über den Daumen gepeilt rechnen, pro ein Grad minus, das war die Feststellung aus diesen Versuch, gibt es ein Prozent Akku-Verlust. Sprecher: Im Mai dieses Jahres erfuhren Deutschlandradio-Reporter in vollelektrischen Kleinwagen von Mitsubishi die Energiewende quer durchs Land. Sie kamen nicht ganz so problemlos voran. O-Ton: Zwei Uhr in der Nacht. Team Süd erreicht gerade so das Ortsschild von Großenhain in Sachsen. Nach 280 Tageskilometern, unterbrochen durch dreimal laden. Sprecherin: Reine Elektroautos sind noch selten, weil Batterien, die eine ganze Tankfüllung ersetzen könnten, enorm groß und schwer sind. Häufiger sind Hybridfahrzege, die sowohl mit Strom, als auch mit Treibstoff fahren können. Toyota und andere Hersteller bieten solche Antriebe schon seit 15 Jahren an und senken so den Treibstoffverbrauch um rund 20 Prozent. Erst in diesem Jahr brachte ein deutscher Hersteller ein Hybridfahrzeug auf den Markt. Der Opel Ampera gewann auch gleich den Titel Auto des Jahres. Allerdings hat der Ampera nicht mehr zwei Antriebsmotore. Opel-Vorstand Volker Hoff: O-Ton: Der Opel Ampera hat schon eine andere Technologie. Er ist ja kein Hybrid- Fahrzeug im klassischen Sinn. Bei uns ist es so, dass der Ampera immer elektrisch fährt. Wenn die Batterie erschöpft ist nach - das hängt von ihrer Fahrweise ab - 60 bis 80 km, springt ein kleiner Verbrennungsmotor an, der aber nicht das Auto antreibt, sondern Strom liefert für die Elektromotoren. Also der Wagen fährt immer elektrisch und wir haben auf diesem Fahrzeug etwa 1000 Patente eingetragen, also von daher können Sie sehen, dass die Entwicklung, die es gebraucht hat, dieses Auto auf die Räder zu stellen, doch eine ganze Zeit in Anspruch genommen hat. Sprecherin: Gerade im Stadtverkehr haben Elektroautos einen großen Vorteil: Beim Bremsen laden sie ihre Batterie wieder auf. Rekuperation wird das genannt. Die geringere Reichweite ist auch kein Problem, meist fahren Städter ohnehin nur 30 Kilometer am Tag. Umweltexperten sehen Elektroautos trotzdem kritisch, verweisen auf die strengen Abgasnormen für Benziner und bezweifeln, dass es leiser wird mit Elektro-Mobilen. Axel Friedrich: O-Ton: Die Lärmemissionen hängen ab 30 km/h vom Gewicht des Fahrzeugs ab. Weil Reifenlärm die entscheidende Frage ist. Dummerweise ist ein Elektroauto schwerer als ein normales Auto. Das heißt, es kann gar nicht leiser werden, ab Tempo 30, fünfunddreißig. Moderne Benzinfahrzeuge hört man auch nicht. Denn es gab Versuche, in Bremen mit Blinden, und die konnten die Fahrzeuge nicht unterscheiden, ob es ein Benzin- oder ein Elektrofahrzeug ist. Ein Auto bleibt ein Auto. Und ob es elektrisch betrieben wird, oder mit einem Benzin- oder einem Dieselmotor, ist an sich egal. Denn die Hauptprobleme bleiben: Platzverbrauch, Unfälle, Lärm. Alles Dinge, die bleiben werden. Wir brauchen eine andere Gestaltung des Verkehrs in der Stadt. Den geringsten Platzbedarf haben Fußgänger und Radfahrer und ÖPNV. Da kann ich deutlich mehr Menschen transportieren als im Auto. Sprecherin: Der ÖPNV, der Öffentliche Personennahverkehr, also Bahnen und Busse, ist zweifellos eine Entlastung für den Verkehr. S-Bahnen, U-Bahnen und Straßenbahnen fahren ja ohnehin schon seit hundert Jahren elektrisch. Auf Atmo 02 Diesel-Bus Nur Busse fahren heute noch mit dicken Dieselwolken und lautstark durch die Stadt. Wenn sie auch leiser und sparsamer würden, könnten die Menschen aufatmen. Atmo weg Sprecher: Die Bundesregierung setzt bei der Elektromobilität nicht nur auf die privaten Autofahrer. Von 2009 bis 2012 förderte sie Projekte in acht Modellregionen in Deutschland vom Hamburg bis München. Darunter war auch in Sachsen das Projekt SachsMobility. In dessen Rahmen erprobten die Verkehrsbetriebe in Leipzig und Dresden Hybridbusse im Alltagsverkehr. Sprecherin: Im Dresdner Busbetriebshof Gruna starten täglich neben 117 Dieselfahrzeugen auch 18 teilelektrische Busse in den Linienbetrieb. Center-Leiter Robert Roch erzählt, warum: O-Ton: Wir sind ein Ökoprodukt. Und das bedeutet natürlich, dass wir die ökologische Technologie mit forcieren müssen. Es ist auch eine Maßnahme der Einnahmensicherung. Wir wollen unseren Marktanteil nicht nur behalten, wir wollen ihn ausbauen. Wenn wir uns die Linien anschauen, wir haben auf der Linie 62 18 000 Fahrgäste, auf der Linie 61 weit über 30 000 Fahrgäste am Tag, dort wird Elektromobilität erfahrbar und zwar für jedermann. Sprecherin: Die Dresdner wissen das längst. Als an einer Haltetestelle der 61er Bus einfährt, recken Schülerinnen erwartungsfroh die Köpfe und jubeln: Ja, ein Hybrid! Zu erkennen sind die neuartigen Busse nämlich von vorn an dicken Plus- und Minus-Zeichen für die elektrischen Pole. Und an den Seiten verwandeln sich die Symbole dann in bunte Schmetterlinge und Blumen. Im Innern der Busse erklärt eine Tafel, wie sich Elektromotor zum Anfahren und Dieselmotor die Arbeit teilen. Auf einem Monitor verfolgen die Fahrgäste, wann Strom aus der Batterie fließt und wann sie geladen wird, zum Beispiel beim Bremsen. Allerdings steckt in diesen Bussen mehr Arbeit, als der Passagier ahnt. Sie stehen noch öfter wegen Wartungsarbeiten in der Werkstatt als die Dieselbusse, die über 90 Prozent ihrer Lebenszeit im Einsatz sind. Center-Leiter Robert Roch: O-Ton: Wir gehen realistisch ran. Wir haben gesagt, im ersten Jahr 70 Prozent, im zweiten Jahr 80 Prozent. Und wir müssen irgendwann einmal 85, 90 Prozent erreichen. Aber wer heute solche Technik kauft und erwartet, die ist genauso gut wie konventionelle Technik, Verfügbarkeit 92 bis 94 Prozent, der ist dann unzufrieden. Weil das einfach noch nicht geht. Das sind dann Vorserienfahrzeuge, da ist dann zum Teil die Entwicklungsabteilung gefragt, die sagt, oh wir haben hier ein Problem, jetzt muss mal ein Ingenieur, im Zweifel vom Hersteller kommen. Und sich die Sache ganz genau angucken. Es geht auch um Anlagen-Schutz. So eine Batterie kostet 30 000 Euro. Die will man nicht einfach einmal in so einem Experiment versenken. Da guckt man lieber noch einmal genauer hin, und da kann es sein, so ein Bus steht zwei oder drei Tage, kann noch einmal eine Woche stehen. Sprecherin: Ebenso wichtig wie die neue Technik war die ausführliche Schulung der Fahrer. Sie mussten lernen, welche Teile des Busses unter Spannung stehen und wie sie ihn am besten fahren, damit er wirklich Dieseltreibstoff sparen kann. Busfahrer Frank Bürger: Atmo weg O-Ton: Wir haben kein Getriebe mehr. An dem Motor ist der Generator angeflanscht, der uns den Strom bringt. Wer sich damit beschäftigt, auch von unserer Fahrerschaft, der hat doch gemerkt: Oh, hier fängt doch irgendwo eine neue Zeit an. Man muss die Leute auch ein bisschen heranführen an die Technik. Mit den Fahrzeugen haben wir ein gewisses Einsparpotential, und wenn wir das ausreizen wollen, dann ist der Mensch wieder gefragt. Dort kann dann nochmal erheblich ein paar Liter herausgekitzelt werden. Sprecherin: Nach nunmehr einem Jahr Erproben, Nachbessern und Schulen verbrauchen die Hybridbusse um die 15 Prozent weniger Kraftstoff als die ebenfalls sparsam gefahrenen konventionellen Dieselbusse. Bis zu 30 Prozent Ersparnis sieht der Center-Leiter als erreichbares Ziel. Aber noch ist ein Hybridbus doppelt so teuer wie ein herkömmlicher, ohne Fördermittel ist das also nicht zu finanzieren. Zudem gibt noch einige technische Probleme zu lösen. Robert Roch: O-Ton: Nebenaggregate wie Klimaanlage, Heizung, das ist schon eher ein Thema, wo wir uns auch beschäftigen müssen. Was wir bislang an etablierter Technik haben, das hat funktioniert mit einem großen Dieselmotor, sonst war in einem Bus ein Zwölf-Liter-Motor drin. Der hat schöne Wärme gemacht im Winter. Jetzt haben wir noch einen 4,8-Liter- Motor drin. Da ist natürlich nicht mehr so viel Abwärme da. Und da ist es natürlich schon schwierig, wenn man die Dieselersparnis im Kraftstoffstrang braucht, um dann über Zusatzheizsysteme Wärme hineinzubringen. Also da ist noch viel zu tun. Und ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass dass die Politik auch mitnimmt, dass wir zwar Leitanbieter für solche Technik sein können, aber die Technik auch noch viel Entwicklung durchlaufen muss und auch das eine oder andere an öffentlichen Geldern fließen muss, damit wir dann auch den Stand haben, den wir uns über lange Jahre in der konventionellen Technik erarbeitet haben. Sprecher: Ein Plus der Förderprogramme für die Elektromobilität ist die Kooperation von Anwendern und Forschern. Nur wenige hundert Meter vom Dresdner Busbahnhof entwickelt das Fraunhoferinstitut Ladestationen auf der Strecke, damit die Busbatterien länger durchhalten. Eine Möglichkeit wären sogenannte Induktionsschleifen im Straßenbelag an Haltestellen und Endpunkten, wo die Busse schnell aufladen. Ein System, das seit 2002 in Genua und Turin mit 30 Elektrobussen funktioniert. Auch das Laden an partiellen Oberleitungen wäre möglich. Mit der Technischen Universität Dresden arbeiten die Verkehrsbetriebe aktuell an Programmen, die den Busmotor mitdenken lassen. Robert Roch: O-Ton: Wir wollen, dass das Managementsystem so intelligent ist, selber lernt. Also wir fahren die Linie, und da wissen wir auch, dass wir 99 Prozent aller Fahrten immer auf demselben Weg zurücklegen. Und da geht es darum, dass man dieses Energiemanagement vorausschauend steuert. Zum einen topographisch orientiert, also wenn wir zum Beispiel Linie 61 haben, wir fahren vom Fernsehturm den Berg runter, fahren auf den Ohlersberger Platz, haben den Speicher gut gefüllt, so zu 40 Prozent, und dann fahren wir so 500, 600 m auf der Bautzener Landstraße entlang, ebene Strecke, da kann es durchaus sein, der Dieselmotor springt an. Und dann geht es die Grünstraße runter, fast 3 km Bergrunter, warum ist der Dieselmotor angegangen? Dass es solche Sachen einfach verarbeitet. Oder zum Beispiel, beim Anfahren braucht man den meisten Strom, muss da parallel Druckluftkompressor und Klimaanlage laufen? Kann ich nicht so was abschalten, um einfach diese Stromspitzen wegzubekommen? Das macht man in der Industrie genauso und genauso müssen wir das auch auf dem Bus machen. Sprecherin: Die Dresdner Verkehrsbetriebe haben sich erneut um Fördermittel beworben, um noch eine Busstrecke mit Hybridantrieb zu befahren. Wenn es klappt, wäre schon ein Viertel der Flotte teilelektrisch unterwegs. Robert Roch: O-Ton: Da wollen wir halt diese Pilotlinie 64 machen, mitten durch das Uniklinikum. Dort wollen wir rein elektrisch durchfahren, damit Ruhe ist, und wollen dann durch Driesen, das ist ein gehobenes Wohngebiet, rein elektrisch durchfahren. Und dafür brauchen wir 18 Wagen, und da hoffen wir natürlich, dass wir den Zuschlag bekommen, und dann haben wir bis 2014 richtig viel zu tun. Sprecher: Mit dem Bus nur eine Viertelstunde entfernt, sitzt im Dresdner Innovationspark die Firma DNV KEMA Energy & Sustainability. Als Projektberater für Elektrotechnik war sie prädestiniert, die Elektromobilitätsversuche in Sachsen zu koordinieren. Neben den Verkehrsbetrieben holte sie die großen sächsischen Energieversorger mit ins Boot. Diese kauften als Firmenwagen einige Elektroautos und testen sie seitdem im Alltag. Wissenschaftler der Uni Dresden erfassen dabei, wie weit die Autos fahren und wie oft sie aufgeladen werden müssen. Eine Million Elektroautos in Deutschland würden jedenfalls das Stromnetz nicht überlasten, errechneten die Ingenieure der KEMA. Wie und wo die Autos Strom tanken können, erklärt Projektingenieur Oliver Schönherr: O-Ton: Man erwartet in den nächsten Jahren, dass 70 Prozent der Ladung sowieso im Privatbereich, also zuhause stattfindet und ca. 20 Prozent halb öffentlich, und eigentlich nur 10 Prozent wirklich öffentlich. Und da muss man natürlich ein Modell finden, was wirtschaftlich tragbar ist, für diese geringen Ladezeiten. Für einige Nutzer gibt es natürlich das Problem, dass es nicht die Möglichkeit gibt, zuhause zu laden. Wenn man kein eigenes Haus hat oder keinen Tiefgaragenstellplatz. Für diese Leute wäre natürlich die öffentliche Ladeinfrastruktur notwendig. Sprecher: Öffentliche Ladesäulen, an denen man per Stecker Strom zapfen kann, gibt es inzwischen rund 1500 in Deutschland, nicht nur in Städten. Im Internet findet man Navigationskarten, die sie auflisten. Der Energieversorger RWE hat auch an Autobahnparkplätzen in Nordrhein-Westfalen Ladestationen aufgebaut. Und im Rahmen von Sax-Mobility2 soll die A9 von Sachsen nach Bayern bis 2014 im 50-Kilometer-Abstand mit Stromzapfsäulen versehen werden. So könnten auch Fahrer mit Elektroautos, die nur etwa 120 Kilometer pro Batterieladung schaffen, von Dresden nach München kommen. Im Hochleistungsmodus dauert das Laden etwa eine halbe Stunde. Bezahlen und abrechnen können die Fahrer per Handytelefonat oder SMS, beschreibt KEMA-Projektingenieur Oliver Schönherr: O-Ton: Die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden hat einen sogenannten TAN Algorithmus entwickelt, das ist ein Stück Hardware mit einem Stück Software drauf. Wenn die beiden Sachen installiert sind, ist dann auch unsere Handyticket Lösung möglich. Nächstes Jahr soll das dann wirklich schon produktiv gesetzt werden, das heißt dass wir 2013 das auch für Privatkunden öffentlich machen. Wir werden auf jeden Fall in drei Jahren eine umfangreiche Ladeinfrastruktur haben, in Bayern und Sachsen, unser Ziel ist natürlich auch, dass ganze öffentlichkeitswirksam zu machen, und wir haben ein funktionierendes Zugangs- und Abrechnungssystem für Ladestationen. Sprecher: Negativschlagzeilen machten Elektroautos zuletzt Ende Mai in China, als nach einem Zusammenstoß ein Elektrotaxi ausbrannte und drei Menschen starben. Batteriehersteller halten Elektrautos dennoch für nicht gefährlicher als andere. Kritiker sehen Elektroautos insgesamt als noch zu unausgereift, um wirklich massenhaft eingesetzt zu werden oder gar zur Umweltentlastung im Verkehr beizutragen. Die Bundesregierung versucht trotzdem, sie den Käufern schmackhaft zu machen, und verzichtet bei Stromautos zehn Jahre auf die KFZ-Steuer und entlastet beim Kauf von Dienstwagen. Umweltberater Axel Friedrich bleibt skeptisch: O-Ton: Die Speicher sind zu teuer, sie halten nicht lange genug, und sie sind zu schwer. Das heißt, alle heutigen Anwendungen im Auto sind eigentlich unsinnig. Denn wer kauft ein Fahrzeug, was 30 000 Euro mehr kostet, ihm aber einen deutlich geringeren Nutzen erzeugt? Mit 100 Kilometer Reichweite, schlechter Heizung im Winter, schlechter Kühlung im Sommer, weniger Zuladung? Da muss ich erst einmal Fahrzeuge entwickeln, die wirklich alltagstauglich sind. Und dann kann ich Versuche machen. Aber nicht mit solchen Fahrzeugen auf die Straße zu gehen, und zu glauben, man kann Menschen überzeugen. Sprecherin: Die Deutschlandradio-Reporter gerieten auf ihrer Elektroautotour im Mai oft an die Grenzen des Speichers: O-Ton: Thielko, wie schnell fährst Du gerade? - 35 km/h. - Und warum so langsam? Ich glaube es ist weit nach Mitternacht und wir sind alle ziemlich müde. - In meinem Cockpit blinken zwei Dinge. Das eine ist der letzte Ladebalken, den wir noch haben und das andere ist die Tankanzeige an sich, also es blinkt mich wirklich ziemlich kirre an...(ausblenden) Sprecher: Wo es mit den Elektroautos noch langsam vorangeht, ziehen andere längst vorbei. Ganz ohne öffentliche Fördergelder fährt noch in diesem Jahr das einmillionste Elektrofahrzeug auf einer deutschen Straße. Nur wird es nicht vier, sondern zwei Räder haben. Es gibt inzwischen Fahrräder und Motorroller mit Elektro-Unterstützung, Kosten ab 1500 Euro aufwärts. Sie sind leichter als Autos und müssen keine 100 Stundenkilometer schaffen, daher reichen die bislang entwickelten Batterien aus. Zudem genügt für ein Fahrrad oder Moped ein Bewegungsradius bis 50 Kilometer. Die Akkus lassen sich meist einfach mitnehmen und am Arbeitsplatz, im Café oder zu Hause laden. In der Klasse bis 25 Stundenkilometer gelten die sogenannten Pedelecs als Fahrräder. Nur für solche bis Tempo 45 braucht man Helm, Führerschein und KFZ-Zulassung und darf auch nicht mehr den Radweg nutzen. Was hält der Allgemeine Deutsche Fahrradclub von dieser Entwicklung? Der Berliner ADFC-Geschäftsführer Philipp Poll: O-Ton: Wir sind eigentlich der Meinung, dass das eine positive Entwicklung ist. Wir hatten im letzten Jahr 300 000 neu verkaufte Pedelecs, alle E-bikes insgesamt. Aber der größte Anteil ist eben die Gruppe, die nur bis Tempo 25 fährt und die rechtlich eben auch ein Fahrrad ist. Und wir sehen das so, dass auf der einen Seite eben eine Gruppe älterer Menschen länger die Möglichkeit hat, auf dem Fahrrad mobil zu sein, also gerade die, die früher gesagt haben ich kann eigentlich nicht mehr so. Und es fährt sich eigentlich auch viel eher wie ein Fahrrad, man bekommt er gar nicht so mit, dass da ein Motor dabei ist, der einen unterstützt. Sprecherin: Nun ist es noch kein Gewinn für den Klimaschutz, wenn heutige Fahrradfahrer sich künftig von Elektromotoren unterstützen lassen. Aber vielleicht können etliche Autofahrer mit der neuen Technik überzeugt werden, aufs Zweirad umzusatteln und so Stau und Benzinverbrauch zu verringern. Philipp Poll berichtet von einem Versuch, der seit einem Jahr in Bremen läuft: O-Ton: Wir versuchen, Fahrräder an Pendler auszuleihen. Für eine Woche oder zehn Tage. Und dann horchen wir mal, ob die sich vorstellen können, mit so einem Pedelec eher als mit einem normalen Fahrrad die Pendelwege mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurückzulegen. Und das ist sehr positiv ausgefallen. Also die Teilnehmer haben auch alle gesagt das ist auch eine große Chance, auch im Bereich der Pendler, die sagen, ich kann nicht verschwitzt auf Arbeit ankommen, das ist einfach in meiner Branche nicht möglich. Dass die eben auch mit dem Fahrrad längere Strecken über 10 km zurücklegen können pro Pendelweg. Sprecherin: Wichtig dafür sind nur gut ausgebaute und sichere Radwege. Äußerlich sieht ein Pedelec kaum anders aus als ein Fahrrad. Einzig der Akku, meist unter dem Gepäckträger oder am Rahmen angebracht, verrät dem Eingeweihten die elektrische Unterstützung. Und wie fährt es sich damit? Eine Gruppe aus Gifhorn machte den Test bei E-Bike-Tours in Berlin: O-Ton: Man hat das Gefühl, als ob einer hinten gegenfährt, - also sanft anschiebt. - Es könnte besser sein, da strengt man sich doch auch ein bisschen an, bei den Elektrobikes. Da muss man schon ein bisschen treten. - Ja, ich fand das ganz toll, ich fahr sonst sehr viel Motorrad, ist natürlich nicht damit zu vergleichen, aber ich bin neulich auch nen halben Tag mit nem normalen Fahrrad gefahren, war danach ganz schön erschöpft, und heute ging's eigentlich. Sprecherin: Informationen und Probefahrten bietet auch "Lautlos durch Deutschland", ein Verbund von 20 Spezialgeschäften in ganz Deutschland, die sich den Elektromobilen verschrieben haben. Im Berliner Stadtzentrum berät Geschäftsführerin Manuela Dannenberg: O-Ton: Also ich frage dann ganz klar nach, welche Strecke möchten sie zurücklegen, was haben sie für Mobilitätvorstellungen? Gegebenenfalls empfehle ich ihnen auch, machen sie doch lieber ein Fahrrad und ein Carsharing-Programm, als jetzt ein Elektroauto zu kaufen. Weil je nachdem, welche Strecken jetzt zurückgelegt werden müssen, auch ein Elektroauto, wenn ich es nur fünf Kilometer Wegstrecke nutze, ist ein Auto. Das heißt, ich bin im Bereich Stau nicht schneller, nicht langsamer, ich bin nur lokal emissionsfrei. Aber es muss nicht unbedingt das beste Fahrzeug sein. Sprecherin: Schwachpunkt der Elektroräder ist das höhere Gewicht um 20 Kilogramm. Das macht es schwer, das Rad sicher im Keller oder der Wohnung abzustellen. Und ungewiss bleibt, wie lange der teure Akku seinen Dienst tut, bevor er zum Recycling an den Hersteller zurückgeht. Manuela Dannenberg hat schon Erfahrungen: O-Ton: Der Akku zählt als Verschleißteil, in der Regel geben mittlerweile alle Hersteller zwei Jahre Garantie, auch auf den Akku, wenn es ein Lithiumakku ist. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Sie bei den jetzigen Preisen immer um die siebenhundert bis tausendfünfhundert Euro für so einen Durchschnitts-Akku für einen Roller bezahlen müssen. Bei einem Fahrrad ist das natürlich deutlich weniger. Echte Erfahrungswerte werden wir erst einmal sammeln, ich sage mal im Schnitt fünf Jahre, dass immer noch mit demselben Akku gefahren wird. Sprecherin: Neben der Akkuleistung ist zumindest für Elektroautos das öffentliche Stromtanken gegenwärtig ein Schwachpunkt. Diese Bilanz ziehen die Deutschlandradio-Reporter nach ihrer Tour im Elektro-Mobil: O-Ton: Also es ist sehr leise, das stimmt, es ist sehr sparsam, wir kommen mit einer Tankfüllung ungefähr 120 km weit, das kostet uns drei Euro. Manchmal kostete uns das auch gar nichts, weil an vielen Säulen gibt's den Strom kostenlos. Das Problem ist aber, manche Säulen sind kaputt oder man braucht spezielle Zugangskarten, da kann es auch schon mal 3, 4 Stunden lang dauern, bis man überhaupt an seinen Strom kommt, wo es Steckdosen gibt. Sprecher: Wenn Elektroautos heute noch nicht der beste Weg sind, um unseren Verkehr sparsamer und leiser zu machen, wie könnte es dann gehen? Immerhin ist der Verkehr für ein Drittel unserer Klimagase verantwortlich, wir müssen also dringend weniger Energie dafür verbrauchen. Umweltberater Axel Friedrich: O-Ton: Ganz einfach: Die Fahrzeuge sparsamer machen. Und zwar nicht einige paar Tausend, sondern alle Fahrzeuge auf der Straße. Wir wissen, wir können den Verbrauch halbieren. Mit Kosten im Bereich von 1000, 1500 Euro. Das passiert nicht, weil es nicht vorgeschrieben ist. Brauchen wir Fahrzeuge, die 300 km/h fahren? Die 600, 700 PS haben? Brauchen wir solche Fahrzeuge, die zweieinhalb Tonnen wiegen? Die Frage muss gestellt werden. Und da sage ich, aus Umweltsicht, völlig inakzeptabel. Ich kann ein normales Fahrzeug bauen mit dem halben Verbrauch, Golf-Größe, was eben 1500 mehr kostet in der Herstellung. Das sind Kosten, die man im Leben eines Autos nach drei Jahren wieder hereingefahren hat. Das heißt, volkswirtschaftlich wäre es eine sehr sinnvolle Maßnahme, unsere Rohölimporte würden deutlich sinken, die Frage: Warum passiert das nicht? Weil Lobbygruppen an dieser Stelle verhindern, dass die für die Gesellschaft beste Lösung gesucht wird. Sprecher: Mittlerweile schreibt die Europäische Union vor, wieviel CO2 ein Auto künftig noch ausstoßen darf, das heißt, wie hoch der Spritverbrauch ist. Sehr zum Unmut der deutschen Autohersteller ist die Norm sehr knapp gesteckt. Opel-Vorstand Volker Hoff: O-Ton: Das Ziel für 2020, das 95-Gramm-Ziel, das von der Europäischen Union jetzt gerade festgelegt wird, das ist ein sehr anspruchsvolles Ziel. Wird eine Menge Geld kosten. Da gibt es andere Player in Europa, denen fällt es viel leichter, wenn sie zum Beispiel die Franzosen nehmen, die bauen tendenziell eher kleinere Autos, also da fällt das sehr viel leichter. Aber unser Erfolg der deutschen Automobilindustrie ist auf den internationalen Märkten, und da sollte gerade die Bundesregierung auch einiges dafür tun, das auch zu halten. Deshalb müssen wir von überzogenen CO2-Grenzen wegkommen. Sprecher: Nach Meinung von Umweltschützern müsste es gar nichts kosten, den Energieverbrauch im Verkehr deutlich zu reduzieren, auch ohne Elektroautos. Bei der Deutschen Umwelthilfe schaut man auf andere europäische Länder, die dabei schon erfolgreich waren. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: O-Ton: Wie hat es Frankreich geschafft, so schnell so viel bessere Fahrzeuge neu auf der Straße zu haben? Dort hat man Prämien von bis zu 5000 Euro für die Zulassung von besonders spritsparenden Fahrzeugen unter 90 g, unter 60 g CO2 Ausstoß, also unter vier, unter drei, unter zwei Liter Spritverbrauch umgerechnet, ausgelobt. Und diese Subventionen werden aber nicht bezahlt aus Steuermitteln, sondern durch eine Höherbesteuerung von Fahrzeugen, die erheblich über den EU-Zielwerten lagen und liegen. Das heißt, wer dort wirklich der Meinung ist, er müsste mit einem Porsche Cayenne die Städte verwüsten, der zahlt halt eine hohe Strafsteuer. In Frankreich 2600 Euro, in Portugal sind es 20 000 Euro. In skandinavischen Staaten können sie auch leicht 50 oder 100 000 Euro für ein Auto Strafsteuer zahlen. Und mit diesem Geld können Sie natürlich an anderer Stelle dann Gutes tun. Sprecherin: Intelligente Mobilität ist der Schlüssel zu einem besseren Verkehr. In den Großstädten hat heute schon nur die Hälfte aller Haushalte noch ein Auto, weil der öffentliche Verkehr gut funktioniert: Für kurze Strecken das Fahrrad oder Pedelec, für Transporte oder Ausflüge ein Leihauto. Wenn Busse, LKW und Autos dann noch so wenig Sprit wie möglich verbrauchen, ist es vielleicht wirklich erreichbar; uns mobil zu halten und das Klima zu schützen. Deutlich verbesserte Elektromobile können dabei eine Rolle spielen, allerdings nur wenn sie klug eingesetzt werden. Sprecher vom Dienst Kein Tiger mehr im Tank - Lösen Elektromobile unsere Verkehrsprobleme? Eine Sendung von Susanne Harmsen Es sprachen: Nadja Schulz-Berlinghoff und Daniel Minetti Ton: Alexander Brennecke Regie: Roman Neumann Redaktion: Martin Hartwig Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012 Anregungen, Lob und Kritik bitte an: www.zeitfragen@dradio.de 16