COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. DEUTSCHLANDRADIO KULTUR Forschung und Gesellschaft am 15. November 2007 Redaktion: Peter Kirsten "WOHIN DER WIND UNS WEHT" DIE ÄOLISCHE GEOLOGIE IM UMBRUCH VON PETER KAISER Äolsharfe aufblenden und frei stehenlassen. Autor: Sitzt man neben der mannshohen Äolsharfe im ehemaligen BUGA- Gelände des Berliner Bezirkes Britz-Buckow, so hat man einen direkten Blick auf den See mit dem dichten Schilfgürtel und dem sanft hügeligen Gelände dahinter. Mit den Tönen der Äolsharfe dazu bekommt man oft eine meditative und gelöste Stimmung. Atmo Zäsur, dazu jetzt Enya-Musik Sprecherin: Äolus war der griechische Gott der Winde. Atmo und Musik Zäsur Autor: Denn streicht der Wind in den Resonanzraum der Äols-, oder Wind-, Geister-,Wetterharfe, so bringt er die unterschiedlich dicken Saiten, die in geringer Dichte straff gespannt sind, mehr oder minder stark zum Schwingen. Akkorde entstehen so, manchmal wehen Zauber-Melodien den Zuhörer an. Atmo und Musik erneut Zäsur Sprecherin: Boreas, der Nordwind. Euros, der Südost-Wind. Zephyros, der Westwind, und Notos, der Südwind. Äolus war ihr Herrscher. Atmo und Musik erneut Zäsur Atmo und Musik kurze Zäsur, und noch etwas weiter. 1. O-Ton: Uwe Ulbricht/032 Wind ist nichts weiter als Luftbewegung gegenüber der Erdoberfläche. Und Wind ist etwas, was wir hier laufend haben. Sprecherin: Uwe Ulbricht ist Professor für Meteorologie an der Freien Universität in Berlin. Atmo und Musik gehen unter dem folgenden O-Ton aus 2. O-Ton: Uwe Ulbricht/032 Windstillen gibt es zwar auch, aber eine minimale Luftbewegung ist eigentlich immer vorhanden. Autor: Ob der Wind in den seit der Antike bekannten Äolsharfen, der Wind um die Hausecke, West - oder Nordwinde, Driften, Brisen, Stürme oder Wirbel ... . Sprecherin: " ... .kaum eine andere Naturkraft", schreibt die Amerikanerin Jan deBlieu in ihrem Buch VOM WIND, " ... hat Landschaften und Gewässer, Pflanzen, Tiere, Entdeckungsreisen, Ansiedlungen und Zivilisationen so geprägt wie diese." Autor: Wind entsteht durch die Extreme der Erde: in der Tropenhitze, der Kälte der Pole. Eigentlich sind es nur Temperaturveränderungen, die das sogenannte äolische System in Bewegung bringen. 3. O-Ton: Prof. Werner/PIK/040- Wind entsteht, weil sich die Luft auf der Erde unterschiedlich erwärmt. Es hängt von den Breitenkreisen ab. Andererseits auch von Untergrund, heller Grund mit wenig Feuchte erwärmt sich bei Sonnenschein sehr stark, kühlt sich nachts stärker ab. Die Meere erwärmen sich anders als das Land, und da entstehen durch die unterschiedlichen Wärmedruckgegensätze Luftdruckgegensätze. Und die müssen wieder ausgeglichen werden. Dadurch kommt es zur Entstehung von Winden. Autor: Passat, Schirokko, Mistral, Monsun, Föhn, Schneefresser ... . kaum ein anderes Naturphänomen hat eine solche vielfältige Prägung auf die Entwicklungsgeschichte der Menschheit gehabt wie Wind. 4. O-Ton: Peter Werner-PIK/100 Der Monsun ist auch ein ganz wichtiges Windsystem, weil große Teile der Ernährung in Indien, aber auch in anderen Teilen Südostasiens, davon abhängen. Wir befinden uns in der Passatzone, das heißt, es wehen die Winde von Südost nach Nordwest auf der Südhalbkugel, und von Nordost nach Südwest auf der Nordhalbkugel. Sprecherin: Peter Werner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beschäftigt sich mit Klimaanalysen und Klima-Zukunftsszenarien. 5. O-Ton: Peter Werner-PIK/077 Wenn ich an den Mistral denke, dann hat man über dem Mittelmeergebiet einen relativ tiefen Druck und nördlich davon hohen. Und dann weht durch das Rhonetal der heftige Wind. Wir haben in den Alpen fast in jedem Tal einen anderen Wind, weil der Wind, der über die Alpen streift von Süd nach Nordwestost in den Tälern umgelenkt wird, und dann bestimmte Erscheinungen hervorbringt. Es gibt auch Winde, die bestimmte Wettererscheinungen hervorbringen. Typisch ist in der Schweiz/ Norditalien/ Österreich der Schneefresser, das ist nämlich ein warmer Wind, der dann im Frühjahr den Schnee weg frisst. Und was natürlich eine sehr bekannte Erscheinung ist, ist der Föhn, der über die Alpen von Süd nach Nord weht, und dann nördlich davon Warmluft heranbringt, und dann meist frühlingshaftes Wetter auch. Wind-Atmo wieder. Solo ohne Musik. Autor: Doch Wind ist kein vom Boden losgelöstes Phänomen. Vielmehr formen die Winde die Landschaften unseres Planeten. Große Wüsten entstehen, Wasserlandschaften bilden sich, Berge verändern durch stetige Fall- und Aufwinde ihre Formen. Sprecherin: Das Teilgebiet der Geologie, das sich mit der Formung der Landschaft durch Wind befasst, oder der Veränderung dieser Landschaft durch Wind, nennt man darum die "Äolische Geologie" - also die Geologie des Windes. Autor: Diese Geologie des Windes ist noch mit einem weiteren Begriff verbunden - dem der Geomorphologie. Sprecherin: Die Geomorphologie befasst sich mit der Gestalt der Erde, also mit den vielfältigen Formen der irdischen Landschaften. Atmo aus 6. O-Ton: Mark Handy/ FU/ 023- Viele Erdprozesse greifen ineinander. Und Wind, und insbesondere man kann sagen ganz allgemein die Atmosphäre, Klima, hat eine ganz wesentliche Rolle, wenn es um tektonische Prozesse geht. Insbesondere denke ich jetzt zum Beispiel an Erosion. Winderosion ist eine Form der Erosion. Und durch die Erosion wird Material verlagert, und es kann zu Änderungen im Spannungszustand der Erdkruste führen. Sprecherin: Mark Handy ist Professor für Geologie an der Freien Universität Berlin. 7. O-Ton: Mark Handy/ FU/ 140- An den Küsten spielt natürlich Wind eine große Rolle. Da gibt es keinen Widerstand in dem Sinn, die Küsten sind ja eher flach. (...) Autor: Das Wort Erosion leitet sich aus dem lateinischen "Erodere" ab, abnagen. Damit ist die linienartige Vertiefung der Erdoberfläche durch Fließgewässer gemeint. Sprecherin: Die äolische Erosion, also das Abtragen der Erdoberfläche durch Wind, geschieht, wenn Wind viel Staub- und Gestein mit sich führt. Wie ein Sandstrahlgebläse fräst ein derartiger Wind Gestein auf. Diese Erscheinung der Winderosion fasst man auch in einem Wort zusammen: Korrasion. Autor: Mit der Bodenerosion wird generell die Verminderung der Bodenfläche durch Wind und Regen bezeichnet. Sprecherin: Abrasion oder die marine Erosion heißt, dass die Meer- Brandungswellen das Gestein der Küstenregion erodieren lassen. Darum stehen die Küsten der Wucht der Wellen so schutzlos gegenüber. Und darum ist Wind und generell die äolische Geologie für die Geomorphologie der Küste von großer Bedeutung. 8 A . O-Ton: Prof. Ulbricht/ 086- Das erste, an was wir denken, wenn wir jetzt von Klimaveränderungen sprechen, das ist die Temperatur. Die Temperatur erhöht sich im Rahmen der Vergrößerung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, das bedeutet aber, wenn sich nicht die Temperatur gleichmäßig überall verändert, dass es einen Effekt gibt auf den Wind. Denn der Wind wird letztendlich verursacht dadurch dass es Temperaturunterschiede gibt. Und wenn sich die Temperatur verändert, verändert sich entsprechend auch das Windklima. Wenn wir eine ganz gleichmäßige, über die ganze Atmosphäre gleichmäßige Erhöhung beispielweise der Temperatur hätten, würde sich an dem Wind gar nichts groß ändern. Aber wenn es Unterschiede gibt, und mit Unterschieden muss man in dem Rahmen rechnen und rechnet man, dann gibt es auch Veränderungen im Wind. Atmo Wind, Wellen. Dazu Musik evtl. Kurz frei, unterlegen, und bald weg. Autor: Jene marine Erosion ist an den Küsten der Ostsee ein zentrales Thema. Denn durch den Temperaturanstieg des Klimas entsteht mehr Energie in der Atmosphäre, dadurch nehmen die Extremwetterlagen zu. Hagelstürme, Sturmfluten, Dürren und Überschwemmungen, aber auch Windrosen und Tornados sind mehr als wahrscheinlich. Sprecherin: Diese Wetterereignisse haben massive Auswirkungen auf die Geomorphologien der Küsten. Denn die befürchteten Stürme, die mit hohen Wellen an den Steilküsten, den Dünen, den Stränden nagen, können neue Landschaften formen. 8. O-Ton: Uwe Ulbricht/ 226- Bei bestimmten Extremereignissen, sagen wir mal an der Küste, wenn wir da an die Insel Sylt denken, die in der Vergangenheit schon erhebliche Schwierigkeiten gehabt hat, wenn wir häufiger sehr intensive Stürme dort haben, wird es sehr schwer werden, die jetzige Geomorphologie dort zu halten. Autor: Generell steht die Frage im Raum, wie die Landschaften aussehen werden, über die stärkere Winde fegen, massive Niederschläge abgehen oder Dürren herrschen? Sind wir am Beginn der Entstehung von neuen Landschaften? Am Umbruch der bisherigen äolischen Geologie? Gibt es schon Hinweise darauf, dass sich die Landschaftsmorphologie verändert? 9. O-Ton: Uwe Ulbricht/ 205- Es gibt natürlich Bereiche, in denen mit verstärkten Windereignissen gerechnet werden muss, beispielsweise Staub-oder Sandstürme in einem veränderten Maß auftreten können. Denken Sie an China, die jetzt schon damit ein Problem haben.335- Wenn ich von einer Veränderung der Morphologie sprechen würde, dann würde ich weniger an diese Effekte denken. Es gibt exponierte Regionen, beispielsweise an der Küste, wo einiges passieren kann, und wo man auch damit rechnen muss, dass da einiges passiert. Jetzt Wind am Meer plus Wellen. Kurz frei, unterlegen, aber bald aus. Sprecherin: Das Klima-Szenario für die Ostsee beinhaltet die verstärkte marine Erosion. Das heißt, man befürchtet sehr konkret den Abtrag oder sogar schon das Aufbrechen der Küsten durch Wind und Wellen. 10 A O-Ton: STAUN/ Meier/ 280- Wir haben zum Beispiel in einem Laborversuch uns mal erarbeiten lassen, wie lange würde es dauern, wenn eine Düne von einer bestimmten Bemessung her aus einer Windrichtung und mit einer Wellenhöhe, und einer Windstärke für so und so viele Stunden angegriffen wird. Wie schnell würde diese Düne aufgearbeitet werden? Das heißt, wie schnell würde es keinen Schutz mehr geben? Und daraus schlussfolgernd werden Bemessung vorgenommen für Dünen, die dann so aussehen, dass sie meinetwegen eine obere Kronenbreite von 40 Metern haben müssen, dass sie eine Neigung haben von so und so viel Grad, all das sind Dinge, die wir letztendlich auch aus Ereignissen ableiten, die wir nicht zuletzt mit unserem Meßsystem nachvollziehen können. (...) Sprecherin: Hans-Joachim Meier ist der Leiter des STAUN, des Staatlichen Amtes für Umwelt- und Natur in Rostock. Auf die Frage, ob er jederzeit einen Überblick über die aktuelle Situation an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns hat, zeigt Hans-Joachim Meier auf eine besondere Karte. 10. O-Ton: Meier/STAUN/016- Diese Karte ist ein Teil des internen Messnetzes Küste. ( ... ) welches uns in die Situation versetzt, von Ost nach West oder von West nach Ost, wie Sie wollen, sämtliche Pegel an der Küste hier a) visuell ablesen zu können, aber sie werden natürlich auch digital gespeichert. So dass wir nach dem Ablauf eines Sturmflut-Ereignisses auch genau registrieren können, was ist wo abgelaufen? Welche Windstärken hatten wir? Und wo aus welcher Richtung kam der Wind? Welche Naturereignisse haben im Prinzip was wo bewirkt? Autor: Die Karte ist beinahe wandgroß. Über 20 Parameter werden zum Teil stündlich an den jeweiligen Orten wie Ahrenshoop, Prerow, Kühlungsborn, Warnemünde usw., aktualisiert und sofort nach Rostock gemeldet. 11. O-Ton: Meier/STAUN/048- Der wichtigste ist erstmal, und das ist ja auch hier zu sehen, ist der Wasserstand. Wir vereinfachen in der Regel das so, dass wir sagen, der Normalwasserstand liegt bei 5 Metern, und wir jetzt zum Beispiel heute ersichtlich ist 533 cm, sagt das eindeutig, wir liegen 33 Zentimeter über dem Normalwasserstand. Und grade heute ist eine Situation, die wir vor uns haben, das BSH hat vorhergesagt, dass im Laufe des heutigen Tages Wasserstände an der Ostseeküste MVs zwischen 0,75 und 1 Meter über normal zu erwarten sind. Das heißt, ich könnte jetzt hier an dieser Karte verfolgen, wie im Laufe des Tages der Wasserstand an der Küste steigt. Aber genauso wichtig wie der Wasserstand sind natürlich auch die Wellenhöhen, Windgeschwindigkeiten, die Windrichtung( ... ) Sprecherin: Nicht nur das Wind generell an Küsten ein wichtiges Thema ist - an den Ostseeküsten hat Wind und die Richtung, aus der er kommt, noch einmal eine zusätzliche Bedeutung. 12. O-Ton: Meier/STAUN/085- Wenn wir zum Beispiel Strandertüchtigungen, Strandaufspülungen, Dünenaufspülungen vornehmen, und wir haben Windereignisse, so findet sich dieser Sand relativ schnell woanders wieder. Also das ist schon ein ganz wichtiger Faktor, den sie als Wind hier betrachten müssen, und wir haben natürlich immer ein Auge darauf, aus welcher Richtung kommt der Wind. Und wenn Sie die Ostsee vor sich haben, dann merken Sie, dass die Streichlänge der Ostsee in nordöstlicher Richtung eine ganz gewaltige ist. Und wenn ich mir vorstelle, dass wir bei hohen Wasserständen in der Ostsee und dann eine Windrichtung aus Nordost habe, dann ist das die gefährlichste Situation für uns hier. Weil wir dann hier den sogenannten Badewanneneffekt in voller Gänze ausloten müssen. Das heißt, all das Wasser, was durch vorherige Winde aus südwestlichen Richtungen in Nordosten getrieben worden ist, kommt dann mit Macht zurück, und bewegt sich in Richtung Lübecker Bucht. Und insofern sind das für uns die gefährlichsten Windrichtungen. Autor: Jener Badewanneneffekt, also das über die Ufer schwappende Wasser der Ostsee, entsteht, wenn das Wasser durch starke westliche Winde von der Küste Usedoms weggedrückt wird. Sprecherin: Dieses Hin- und Herschwappen des Wassers ist an sich nicht so bedrohlich für die Küsten. Ändert sich aber die Windrichtung, so hat der Wind - besonders wenn er extrem stark ist - einen Wasserberg geschaffen, der, wenn er abfließt, im Küstenbereich verheerende Wirkungen hat. Autor: Die Überflutungen und Deichdurchbrüche dann sind als indirekter Effekt der Klimaveränderung zu werten. Sprecherin: Ein direkter Effekt dieser Veränderung auf die Geomorphologie der insgesamt 345 Kilometer Flach- und Steilküsten sowie Haffe, Bodden und Wieken sind die Orkane und Sturmfluten. Sie verändern nicht das Land, sie zerstören es. Und vielfach ist das, was einmal Land war, dann wieder zu Meer geworden, trotz Bunen, Dünen und Wälder. 13. O-Ton: Meier/STAUN/155- Ich bin seit 1983 hier im Küstenbereich MVs tätig, und ich muss für mich registrieren, dass die Ereignisse, wenn auch nicht immer in einer Wasserstandshöhe, in einer Windstärke, letztendlich sich deutlich unterscheiden. Aber die Häufigkeit ist eine ganz andere geworden. Und da ist grade auch wieder dieses Jahr ein sehr prädestiniertes Jahr. Wir hatten im August, im September, im Oktober Stürme, wie wir sie sonst in dieser kurzen Zeitabfolge nicht hatten. Sprecherin: Doch nicht nur an der deutschen Ostseeküste ist dieser Badewanneneffekt katastrophal. Auch in den anderen Ostsee- Anrainerstaaten versucht man sich vor diesem Effekt, aber auch vor den Folgen der zukünftigen Klimaerwärmung zu schützen. Autor: So sind die zentralen Anliegen des EU-Projektes ASTRA "die Entwicklung von Richtlinien und Strategien zur Anpassung an Klimaveränderungen im Ostseeraum". Aus der englischen Version dieses Satzes entstand das Kürzel ASTRA. Sprecherin: Es wurden die konkreten Bedrohungen untersucht, die durch den Klimawandel und die daraus resultierenden extremen Temperaturen, die Trockenperioden, Sturmfluten, Winterstürme und anderen Extremereignisse entstehen. Auch der Badewanneneffekt spielt eine Rolle. Autor: Der Leiter des ASTRA- Projektes, der Geologe Philipp Schmidt- Thomé in einem Telefonat aus Helsinki. 14. O-Ton: Schmidt-Thomé/ASTRA/140- Also in Finnland haben wir die besondere Situation, dass die Ostsee bei Stürmen langsam ansteigt, und das Wasser steht dann hoch und fließt dann wieder ab. Das ist der sogenannte Badewanneneffekt, den wir in der Ostsee haben. Weil, wir haben Stürme, die hauptsächlich aus dem Westen kommen, wir kennen das in der Nordsee, aber wir haben nicht so hohe Wellen wie in der Nordsee, wir haben keine schlagende Dünung in dem Sinne keine schlagenden Wellen, sondern einfach einen langsam ansteigenden Meeresspiegel, da sind natürlich Wellen oben drauf, aber die sind nicht so schlagend. Und der zieht dann wieder ab. und der Badewanneneffekt bedingt auch noch, dass das Wasser hier wieder abzieht, wenn der Sturm sich quasi wieder gelegt hat, das Wasser natürlich wieder zurückflutet auf die andere Seite, und es dann zu Fluten in Deutschland und Dänemark kommen kann ( ... ) oder allgemein an der südlichen Ostsee, also auch an der polnischen Küste. Autor: Für die finnischen Küsten haben die Wissenschaftler des ASTRA- Projektes, dem beinahe alle Forschungseinrichtungen im gesamten Ostseeraum angehören, klare Empfehlungen ausgesprochen. 15. O-Ton: Schmidt-Thomé/ASTRA/088- Im Bereich Finnland würden sich höhere Deiche in unseren Arbeitsgebieten, die wir ausgewählt haben, nicht lohnen. Sondern, und da muss ich nochmal kurz ausholen, es ist ein allgemeiner Trend zu verzeichnen, weltweit, aber auch besonders in Europa und in der Ostseeregion, immer näher an die Küsten oder in Überflutungsgebiete im allgemeinen hineinzuziehen. Also dort Siedlungen zu errichten. Und deswegen haben wir jetzt mit der Zusammenarbeit mit der Stadt Espro, der zweitgrößten Stadt Finnlands erreicht, dass für zukünftige Bauvorhaben eine Mindestbodenhöhe der Häuser 3 Meter über dem jetzigen Meeresspiegel liegen muss. Und diese Entscheidung ist quasi schon gefallen. Eine ähnliche Entscheidung gibt es für die Stadt Kopkolla, die liegt in der Mitte Finnlands, im bottnischen Meerbusen, auch dort werden neue Gebäude errichtet, die müssen 3 Meter über dem Meeresspiegel liegen. ( ... ) Diese 3 Meter berücksichtigen den Meeresspiegelanstieg für die nächsten 100 Jahre inklusive möglicher Fluten in dem jetzt abschätzbaren Rahmen. Autor: Auch die Arbeiten, die an anderen Ostseeküsten derzeit laufen, besonders an der Kurischen Nehrung, sind Philip Schmidt-Thomé vertraut. 16. O-Ton: Schmidt-Thomé/ASTRA/223- Es gibt im Moment auf der Kurischen Nehrung äußerste Bestrebungen und bei anderen Dünen in der Ostsee, diese Dünen zu befestigen. Das heißt, eine Wanderung zu unterbinden. Die kurische Nehrung ist erstmal aus einer geologischen oder maringeologischen Ablagerung entstanden, das heißt, dass diese Nehrung überhaupt erstmal existiert. Und die Dünen haben sich nachher obendrauf sedimentiert. Wir wissen aber zur Veränderung von Stürmen oder Windstärken noch nicht viel. Das Problem ist, dass hier die Klimamodell noch nicht ganz ausreichen. ( ... ) Sprecherin: Auch an der deutschen Ostseeküste erfordert der Klimawandel mit seinen anderen Windverhältnissen massive Aufrüstungen. 17. O-Ton: Meier/STAUN/300- Zum Beispiel haben wir in Warnemünde in diesem Jahr die Düne dahingehend verstärkt, dass wir in die Düne einen Schutzpanzer aus Flies eingebaut haben. Das heißt, wenn jetzt der Bereich durch die Welle soweit abgearbeitet worden ist, dass dieser Schutzriegel erreicht wird, dieses Flies, dieses eingerollte Sandmaterial in Flies, dann dauert es auf jeden Fall länger, dass die Düne in diesem Bereich weiter abgearbeitet wird. Das heißt, wir probieren Methoden aus, die vor 10, 15 Jahren noch gar nicht up to day waren, da hat man sich gar nicht mit beschäftigen müssen, weil wir der Meinung waren, Fliese und andere Materialien in einer Düne sind Fremdkörper. Eine Düne hat nur aus Sand zu bestehen. Jetzt sind wir soweit, dass wir Geotextilien in die Düne mit einbauen, die das Abarbeiten minimieren, bzw. zeitlich lange verzögern. Es gibt aber auch Bereiche, wo wir mit den einfachen Materialien wie Sand, oder mit Methoden der Strandaufspülung, der Dünenaufspülung nicht auskommen, ( ... ) dann werden dort auch Mauern errichtet. Musik jetzt wieder aufblenden Autor: Doch nicht nur das: so wird etwa die Insel Hiddensee als Wellenbrecher vor der Küste Rügens intensiv gesichert. Oder Küstenschutzwälder werden neu gepflanzt und verstärkt. 18. O-Ton: Meier/STAUN/333- Windrosen sind ja durchaus ( ... ) gängig in absehbarer Zeit. Und insofern kann ich mir vorstellen, dass prädestinierte und ganz wichtige Küstenabschnitte auch eine andere Befestigung erfahren müssen, wie nur aus purem Sand hergestellt zu sein wie zum Beispiel auf Hiddensee. Auf Hiddensee sind die Dünen mit Bitumen befestigt. Und in diese Bitumenschicht sind auch noch Steine eingebaut worden, so dass wir eine ganz andere Oberfläche vorfinden. 370- Wir haben grade ein Forschungsvorhaben abgeschlossen unter dem Kuratorium Küstenschutz Deutschlands wo wir Bemessungen für Bunen dahingehend auserkundet haben, dass Sensoren in die Bunen eingebaut worden sind, wo wir bei den verschiedensten Elementarereignissen also Sturmflutereignissen bei Nordostwind mit den und den Stärken die Kräfteeinwirkung gemessen haben, um letztendlich auch Aussagen treffen zu können, wie stark muss so ein Bunenpfahl sein, damit er nicht abbricht. Oder wie tief muss der Bunenpfahl stecken, damit er nicht umfällt. Musik als Zäsur, dann geht sie wieder aus. Autor: Sowohl auf Hiddensee, auf Rügen, auf dem Fischland-Darss und anderswo ist schon die Veränderung der dortigen marinen Geomorphologie sichtbar. Denn immer stärkere Winde und damit einhergehend hohe Wellen greifen die Küsten an. Doch damit nicht genug ... 19. O-Ton: Meier/STAUN/228- ... .was in meinen Augen bedeutend komplizierter und schwieriger ist, uns den großen Städten wie Rostock, wie Greifswald, wie Stralsund, wie Wismar zu widmen. (...) 250- wir sind jetzt dabei uns strategisch auf den Küstenschutz, auf den Sturmflutschutz in den großen Städten zu konzentrieren. Wir sind in Rostock dabei, den Bereich des letzten Endes des alten Stroms zu sichern. (...) 266- Wir haben insgesamt in Rostock 10 Großbaustellen prognostiziert, die notwendig sind um einen Sturmflutschutz für Rostock zu gewährleisten, und ich kann vielleicht davon ausgehen, dass wir ungefähr die Hälfte abgearbeitet haben, und sind jetzt dabei uns der zweiten Hälfte zu widmen. Parallel immer natürlich darauf fußend, was passiert aktuell. (...) Autor: So sicher die geomorphologischen Veränderungen zumindest an der Ostseeküste schon sichtbar sind, die der Klimawandel hervorruft ... Sprecherin: ... so unsicher sind sich die Wissenschaftler hinsichtlich der Winde, was deren künftige Temperaturen und Stärken angeht. Wie genau wirkt sich das Mehr an Energie, also die Druckerhöhung in einem Windsystem aus? Autor: Und welche zukünftigen Winde wird es geben, die über die Landschaften gehen und sie verändern? Was würde denn passieren, wenn andere Winde über den Ostseeraum wehen? 20. O-Ton: Uwe Ulbricht/ 290- Ja, da sind ja so ganz grundlegende Phänomene in der Meteorologie,. Die Physik, die ändert sich durch die Klimaänderung nicht. Und deswegen werden in den meisten Region, wenn sich da nicht an den Bedingungen, die zu diesen Phänomen führen, etwas Grundlegendes ändert, diese Phänomene bleiben. Sprecherin: Doch ob sich an eben diesen Bedingungen für das Äolische Windsystem etwas ändert, ist noch nicht sicher. Denn die Daten, die klare Antworten auf die Fragen ermöglichen, sind noch nicht erhoben oder sie sind nicht bestätigt und bislang Vermutungen. Autor: Doch warum ist das so? Welche Probleme gibt es bei der Erstellung eines Wind-Modells der Zukunft? Uwe Dippner vom Institut für Ostseeforschung in Warnemünde 21. O-Ton. Uwe Dippner/IOW/ 120- Was sind die Probleme? Da gibt's mehrere, da gibts einen ganzen Stall, das ist schon wahr. Ein Problem ist sicherlich Rechnerkapazität. Also solche Modelle brauchen Rechenzeit. Ein Problem ist natürlich auch die Auflösung und die Länge der Skalen. Die Gleichungen haben halt die Eigenschaft nichtlinear zu sein. Das heißt, oft können kleine Störungen sich aufschaukeln und das System kann in eine ganz andere Richtung laufen. Autor: Ausserdem, sagt Uwe Dippner, sind bestimmte Prozesse ganz einfach noch gar nicht verstanden worden. 22. O-Ton. Uwe Dippner/IOW/ 132- Und dazu gehören zum Beispiel die Feuchteflüsse. Was passiert wirklich in der Vegetation, sagen wir mal über einer Stadt? Über einem Acker? Über einem Wald, oder über einem See an Verdunstung? Wenn wir diese Feuchteflüsse zum Beispiel oder diese latenten Wärmeflüsse, wenn wir die besser parametrisieren können im Modell, und ein Modell hat halt eine grobe Auflösung, stellen Sie sich vor ein Modell, was, sagen wir mal, 300 Kilometer Auflösung hat, wie parametrisiere ich da einen Wärmefluss? Wenn da 3 Städte drin liegen und ein Stück Wald und irgendwie ein paar Äcker oder Wiesen? Dann ist die Parametrisierung ein ziemlich schwieriges und kitzliges Unterfangen. Und wenn man das verbessern könnte, das würde die Wettervorhersage um 85 Prozent verbessern(..) Sprecherin: Doch der Geologe Mark Handy ist zuversichtlich, dass das Äolische Windsystem bald dargestellt werden kann. 23. O-Ton: Mark Handy/194- Wir lernen ja ständig dazu. Ein Modell ist ja nur so gut wie die Annahmen, worauf es basiert. Wir stellen ja immer wieder fest, dass Parameter, die wir für unwichtig gehalten haben, dann doch eine Rolle spielen, wenn sie im Zusammenspiel mit anderen zu betrachten sind. Und gerade das ist es ja, was wir auch ständig erforschen. Jetzt den Mix aus Äolsharfe und Musik wieder. Kurz frei, dann unterlegen. Sprecherin: Die ganz großen Windsysteme wird es immer geben, egal, wie hoch die Temperaturen sind. Nur lokal wird es Überraschungen geben, wenn die Temperaturen steigen, und sich die Winde ändern. Auch weit entfernt von den Küsten, in den Alpen beispielsweise, bieten die frei werdenden Pässe und Gletscher manchmal Erstaunliches. 24. O-Ton: Mark Handy/310- Weil man findet jetzt dort, wo die Eisdecke weg ist, römische Münzstücke. Das heißt, diese Pässe waren zu historischen Zeiten zum Teil offen. Weil weniger Eis war. Dann kam das Eis zurück... also es schwankt hin und her. Mix nochmal und dann geht er aus. 25. O-Ton: Mark Handy/310- ....graue Alpen ja, ja, und da verlieren die Alpen eine ihrer schönsten Seiten etwa, ja, die sind dann anders. Also die jüngeren Generationen werden das nicht mehr anders wahrnehmen als durch Fotos. Aber ich find`s schade. Die sind majestätisch in ihrer Weißheit. ENDE 1