COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel - 6.4.2008 Manuskript "Seitenwechsel" Von Margarete Wohlan 1. MUSIK: Deutsche Nationalhymne 1. O-Ton Bartek Es war immer mein Traum, nach Deutschland zu kommen. Und das habe ich erreicht! Ich finde, dass das hier die stärkste Liga der Welt ist, und es gefällt mir hier sehr. Ich wollte schon immer hierher und nirgendwo anders hin! 1. Sprecherin Bartlomiej Jaszka ist ein 24jähriger Handballspieler. Vor kurzem wechselte er von "Zaglebie Lubin", dem Champions-League-Teilnehmer, zu den "Füchsen Berlin", dem Bundesligisten. Ein Vorgang, der nicht weiter überrascht. Polnische Hand- oder Fußballer sind in Deutschland gefragt - und die Profis spielen gern in den für sie attraktiven Ligen des Nachbarn. Doch es geht auch andersherum. 2. MUSIK: Polnische Nationalhymne 2. O-Ton Björn Ich bin froh, mit dabei zu sein. Ist ein super gutes Team, was in Europa sehr anerkannt ist, und deshalb bin ich da mit guten Gedanken hingegangen und habe mich da auch relativ doll drüber gefreut, dass ich da hin kann, auch was Neues lernen, bisschen neue Erfahrung sammeln und denke, das war ein guter Schritt auf jeden Fall. 2. Sprecherin Björn Andrae, 26, Kapitän der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft und seit dieser Saison Außenangreifer beim fünfmaligen polnischen Meister AZS Olsztyn. Eine Ausnahme? Oder ein Hinweis auf einen neuen Trend? Entstehen in den deutsch-polnischen Ballbeziehungen Wanderbewegungen, die keine Einbahnstraße mehr sind? 3. MUSIK 1. Atmo Fußballspiel Schwedt gegen Babelsberg - Spielatmosphäre, Fanrufe 3. Sprecherin An einem Sonnabend im Stadion "Am Park Heinrichslust" in Schwedt an der Oder. In der Brandenburg-Liga spielen die Fußballclubs SV Babelsberg und FC Schwedt gegeneinander. Der Schwedter Trainer Christian Kalainski sitzt angespannt auf der Bank, beobachtet kritisch den Spielverlauf. 3. O-Ton Kalainski Wir haben zu wenig Anspielpunkte, das ist unser Problem. Gerade im zentralen Bereich, im Mittelfeld, wenn wir hier das Spiel besser organisieren wollen, müssen wir da in diese Richtung eindeutig mehr Leute hinbekommen, die sich zutrauen, den Ball zu fordern. Da haben wir momentan unseren Nachteil. Alles andere funktioniert eigentlich. 2. Atmo Schreien, Rufe: TOR!!! KLATSCHEN, MUSIK, LAUTSPRECHER 4. Sprecherin In der 13. Minute: das erlösende Tor, Eins zu Null für Schwedt. 4. O-Ton Kalainski Erstes Tor, ein gutes Tor, schöner Doppelpass, ein polnischer Spieler. 5. Sprecherin Zur Mannschaft des FC Schwedt 02 gehören sechs polnische Spieler, drei von ihnen sind die Brüder Lapinski aus Gryfino, einer Kleinstadt an der deutsch-polnischen Grenze. Tomasz Lapinski ist mit 29 Jahren der älteste der Brüder und spielt bereits das zweite Jahr in diesem Verein. 5. O-Ton Tomasz Ich fühl mich hier wohl. Und ich entdecke, dass uns in Polen bei der Organisation noch einiges fehlt. Ich bin ja auch Trainer drüben und da möchte ich mir hier was abgucken, was ich meinen Jungs dann beibringen kann. Es war für mich wichtig, dass ich hier etwas Neues lerne. 6. Sprecherin Es ist ein Geben und Nehmen, denn auch der FC Schwedt 02 profitiert von den polnischen Spielern, wie der Vereinsvorsitzende Meinhard Nitsche betont. 6. O-Ton Nitsche Die verstärken natürlich die Mannschaft, weil wir aus eigener Kraft, ich sag mal, auch mit dem Nachwuchs und Auffüllen aus der zweiten Männermannschaft maximal 14 Spieler hatten. Das wäre also dann eigentlich ein sehr großes Risiko, wenn da mal jemand verletzt oder wenn jemand arbeitsbedingt nicht kann, also kann man mit 14 Spielern eigentlich in dieser Brandenburgliga nicht bestehen. Wir sind froh darüber, dass wir an der Stelle grenznah wohnen und diese Möglichkeiten nutzen können und nutzen die natürlich auch gerne. 7. Sprecherin Der Verbandsligist FC Schwedt 02 nutzt seinen Standort an der deutsch-polnischen Grenze aber nicht nur für den Moment: er plant weitsichtig. Der Club ist der erste und bisher einzige deutsche Verbandsligist, der es geschafft hat, eine Partnerschaft mit einem Fußballverein in der ersten Liga zu gründen - und zwar mit einem der berühmtesten Fußballvereine Polens "Pogon Szczecin". Zu dessen größten sportlichen Erfolgen zählen die polnischen Vizemeisterschaften in den Jahren 1987 und 2001. Im Zentrum der Vereinbarung stehen aber nicht Transferverhandlungen zwischen den beiden Vereinen, sondern Kontakte vor allem im Nachwuchsbereich, bei gemeinsamem Training und Spielen. Als die Vereinbarung 2005 unterschrieben wurde, konnte der Schwedter Vereinsvorsitzende das zunächst gar nicht richtig glauben. 7. O-Ton Nitsche Wir haben uns menschlich gut verstanden, aber spielerisch ist das vergleichbar, das ist ne Profiliga, die Erste Polnische Liga, da spielt man richtig auch wie in Deutschland für Geld, und sicherlich nicht ganz wenig, und das ist also ne Erfahrung, die vergleichbar ist mit Deutschland, wenn wir mit einem Profiverein dort - wie wir schon mal versucht haben - in Kontakt geraten wollen, dann verweist man uns natürlich aufgrund unserer Spielklasse immer auf den Amateurbereich, also Sie werden ganz schwer dort ne Verbindung zustande bringen, die zwischen dem Profibereich und dem Amateurbereich. Das ist genau das Gleiche. 3. Atmo große Hauptverkehrsstraße, LKW und PKW, Straßenbahn 8. Sprecherin Eine große Hauptverkehrsstraße im Zentrum von Szczecin. Hier ist die Geschäftsstelle von "Pogon", gleich nebenan das Stadion für die Heimspiele, das knapp 18.000 Zuschauern Platz bietet. Artur Kaluzny ist der Präsident des Szczeciner Fußballvereins. Was bringt ihm die Vereinbarung mit einem deutschen Verbandsligisten? 8. O-Ton Kaluzny Wir freuen uns, wenn ein deutscher Verein mit uns kooperieren will, auch wenn er in der Verbandsliga spielt. Schwedt ist die nächste Stadt in unserer Nachbarschaft, die Stettiner fahren dorthin um einzukaufen, manche kaufen sich ein Grundstück oder ein Haus dort - also ich denke, unsere Beziehungen sind für beide Seiten positiv. Ich glaube auch, dass wir manchem unserer Spieler, die bei uns nicht in der ersten Mannschaft spielen können, die Perspektive bieten können, in der fünften Liga in Deutschland zu spielen. Und der Verein in Schwedt, das weiß man ja, ist reicher als ein Verein der fünften polnischen Liga. Denn es geht ja auch um Geld. 9. Sprecherin Was Artur Kaluzny aber noch mehr freut, ist, dass bei der Vereinbarung ein dritter Partner mit im Boot sitzt: Die PCK Raffinerie GmbH in Schwedt, die zu den erfolgreichsten Wirtschaftsbetrieben in Brandenburg gehört. Andreas Hungeling ist einer der beiden Geschäftsführer und hat sich beim Zustandekommen dieser Vereinbarung sehr engagiert. Sicherlich nicht, ohne auch an die Ziele seines Unternehmens zu denken. 9. O-Ton Hungeling Wir versorgen den Stettiner Raum zu 60 Prozent mit Kraftstoffen, und da ist uns natürlich daran gelegen, sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung ein positives Image zu haben, auch wenn wir selbst nicht die Produkte verkaufen, das machen unsere Gesellschafter, aber nichts desto trotz mit 60 Prozent Marktanteil ist eine gewisse Abhängigkeit da und selbstverständlich möchten wir dort ein positives Image in der Bevölkerung haben. 10. Sprecherin Das hat sich in der polnischen Hafenstadt durchaus herumgesprochen. Aber wie sieht das Engagement der PCK Raffinerie konkret aus? Tritt das Unternehmen als Sponsor des Stettiner Fußballvereins auf? Andreas Hungeling: 10. O-Ton Hungeling Nein, überhaupt nicht. Es ist klar, dass PCK "Pogon Szczecin" nicht sponsern wird. Das haben wir nicht vor und das haben wir in der Vergangenheit auch nicht gemacht. Aber nichtsdestotrotz ist es für diesen Verein unheimlich interessant, ein großes ostdeutsches Unternehmen mit an der Seite zu haben, das ist sicherlich auch in Polen interessant zu zeigen, wir sind hier nicht nur in Polen, sondern auch auf deutscher Seite ist das Interesse sehr groß. Was für mich auch sehr wichtig ist, sind wirtschaftliche Kontakte, die da zustande kommen, das habe ich vorher nie gedacht. Eigentlich bin ich rüber gefahren des Fußballs wegen, und plötzlich sitzt man dort im Stadion mit Wirtschaftsleuten zusammen, die erstaunt sind: da kommt plötzlich ein Deutscher und freut sich hier mit uns Fußball zu schauen. Und da kommen wirklich sehr gute wirtschaftliche Kontakte zusammen. 4. MUSIK 4. Atmo Polnisches Pokalspiel, Hallenatmo, Hupen, Fan-Rufe 11. Sprecherin Acht Mannschaften ermitteln an diesem Wochenende den polnischen Pokalsieger. Mit dabei auch der fünfmalige Meister AZS Olsztyn. Vor der Sporthalle "Arena" stehen Übertragungswagen des privaten Fernsehsenders Polsat, alle Plätze für die Journalisten rund um das Spielfeld sind besetzt, die Tickets ausverkauft. Volleyball ist die Sportart Nummer 2 in Polen, gleich nach dem Fußball, der Titel Vize- Weltmeister 2006 hat die Beliebtheit nur noch gesteigert. Für den Kapitän der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft Björn Andrae, der seit dieser Saison bei AZS Olsztyn spielt, ist die Atmosphäre bei den Spielen einer der größten Unterschiede zum Volleyball in Deutschland. 11. O-Ton Björn Die polnischen Fans, denke ich, sind völlig verrückt hier, also, das ist der Wahnsinn. Ich bin jetzt zum ersten Mal gekommen beim Heimspiel und eigentlich ist unsere Halle so gut wie immer ausverkauft gewesen, und da ist es auch egal, ob du da mal nen schlechten Tag hast oder ob du super toll spielst, die puschen dich die ganze Zeit, brüllen wie irre und kommen nach dem Spiel und haben sich jetzt schon glaube ich zum 20. Mal ein Autogramm geholt, was halt auch super freundlich, super nett ist. Also, von den Emotionen kommen die Polen schon sehr aus sich heraus, wenn es um die Sache Sport geht, und gerade das Volleyballpublikum, wo man auch in Deutschland so ein bisschen sagt, na ja, sind doch immer die rüderen Zuschauer, ist es in Polen was völlig anderes. 5. Atmo - Polnisches Pokalspiel, Hallenatmo, Spiel 12. Sprecherin Auch das Spielniveau in der polnischen Liga, so Andrae, sei deutlich höher als in der Bundesliga. Aber nicht nur das war ausschlaggebend, um nach Polen zu gehen. Auch das Geld lockte. Deshalb fanden die zaghaften Wechselgespräche, die der SCC Berlin mit ihm vor der Saison führte, ein schnelles Ende. Rund 150.000 Euro werden ihm jährlich in Polen bezahlt. 12. O-Ton Björn Der finanzielle Aspekt ist natürlich wichtig. Ich meine, man weiß jetzt noch nicht, wie lange man noch Volleyball weiterspielt, man will sich natürlich auch ein bisschen absichern, und da fällt es den deutschen Vereinen wirklich schwer, also, Berlin ist natürlich auch, obwohl es jetzt schon einer der Topvereine in Deutschland sind, haben einfach die finanziellen Mittel noch nicht, um jetzt mit der Liga zum Beispiel mitzuhalten. Da haben die Polen überraschenderweise sehr viel Geld, also ich glaube das fing so ein bisschen an, Polen wurde ja Vize-Weltmeister, das hat so ein bisschen so einen Schub gegeben, denke ich, der Liga, da sind viele Sponsoren eingestiegen, Firmen, das Fernsehen ist ganz groß dabei, und ja, ich denke, dass sie finanziell mit fast allen Ligen in Europa mithalten können, also da gibt's jetzt keine Liga, die jetzt da unglaublich viel besser ist, und ja, da sind sie auf jeden Fall mit dabei. 13. Sprecherin Björn Andrae steht exemplarisch für die Wanderbewegung, die im europäischen Volleyball seit einigen Jahren stattfindet. Seine Karriere begann er in seiner Heimatstadt beim SCC Berlin, bevor es ihn über den deutschen Vorzeigeklub VfB Friedrichshafen nach Italien und Polen zog. Und er ist nicht der einzige, der die Oder überquerte. Auch Eugen Bakumovski und Marco Liefke aus dem deutschen Kader der Männer-Nationalmannschaft spielen in polnischen Vereinen. Seit diesem Jahr dürfen drei Ausländer pro Team auf dem Feld stehen, erklärt der 26jährige, und das wird von jedem Verein ausgeschöpft. 13. O-Ton Björn Als Ausländer wirst du halt eingekauft, um eigentlich die Meisterschaft einzufahren, du bist halt manchmal der springende Punkt, dass ein Team halt gewinnt oder verliert. Und die Mannschaft, die halt mehr oder weniger die besseren Ausländer gekauft hat, hat dann in dem Sinne vielleicht das stärkere Team, weil so viele polnische Top-Spieler sind halt wirklich schwer zu finden, weil halt einige Polen auch im Ausland spielen, und dadurch wirst du hier als Ausländer auch so ein bisschen behandelt von wegen, du bist jetzt so fast so etwas wie ein Star und musst eigentlich das Team führen und Verantwortung übernehmen, was natürlich dann auch ein bisschen Druck ausübt, aber was dann auch natürlich ein sehr schönes Gefühl ist, so behandelt zu werden. 14. Sprecherin Olsztyn unterlag übrigens im polnischen Pokalspiel im Halbfinale gegen Czestochowa, dem späteren Pokalsieger. Bleibt also nur noch die Meisterschaft. Unter den "Best of Five" sind die deutschen Spieler mit ihren Vereinen aber dabei. 6. Atmo Polnisches Pokalspiel, Hallenatmo, Spiel 5. MUSIK 15. Sprecherin Der Handball-Bundesligist "Füchse Berlin" war seit Mitte der 80er Jahre durch die unteren Ligen gedümpelt. Als Manager Bob Hanning vor drei Jahren die Profihandballer übernahm, standen sie vor der Insolvenz. Er verhinderte den Absturz, suchte Sponsoren und verpflichtete den erfahrenen Trainer Jörn-Uwe Lommel. Er schaffte Erstaunliches: einen Aufstieg nach dem anderen, bis in die höchste deutsche Spielklasse. Die Füchse Berlin profitieren inzwischen von Talenten, auch aus dem Ausland. Auf zwei von ihnen ist Trainer Lommel besonders stolz: Bartlomiej Jaszka und Michal Kubisztal, die in der vergangenen Saison noch beim Champions-League-Teilnehmer "Zaglebie Lubin" spielten. 14. O-Ton Lommel Sie haben in Lubin erstklassige Leistungen absolviert, ich selber habe sie vor Ort beobachtet, im Spiel gegen Flensburg in Flensburg, das hat mir imponiert, die Art und Weise, wie sie agiert haben. Für uns als Aufsteiger in der damaligen Situation war das ne optimale Möglichkeit, uns sportlich doch viel, viel besser abzusichern. Wir hatten auch in der Hinserie große personelle Probleme mit zwei Dauerverletzten, die wir nicht wieder hergestellt bekommen haben, so dass wir im Dezember schon Existenzprobleme bekommen haben, weil wir eben wissen, dass die Bundesliga nicht leichter wird hinten raus. Also wir brauchten dringend Personal. Wir hätten auch beide verpflichtet ohne diesen Druck, also deswegen haben wir da in einer Situation reagiert, wo wir sagen müssen im Nachhinein, das war goldrichtig, wir waren der erste Verein, der das gemacht hat, alle anderen haben nachgezogen. 7. Atmo Spielatmo in der Schmelinghalle 16. Sprecherin Anfang März bei einem Bundesliga-Heimspiel der Füchse in der Max-Schmeling- Halle in Berlin. Die Erwartungen sind hoch, der Druck, den die beiden Polen spüren, enorm. 15. O-Ton Michal Wir haben unsere Momente auf dem Parkett. Natürlich ist für uns alles neu. In Polen, in "Zaglebie Lubin" gehörten wir zu den Spitzenleuten, wir waren ernstzunehmende Gegner - hier fangen wir bei Null an, müssen uns in der Mannschaft beweisen. Klar haben wir unsere Chance am Anfang bekommen und ich denke, wir haben nicht enttäuscht. Wie wir hören, ist Füchse Berlin weiterhin interessiert, unseren Vertrag zu verlängern und deshalb werden wir uns weiter anstrengen. Aber wir sind nun mal in einem fremden Land und müssen auf jedem Training beweisen, dass wir besser als die anderen sind. 17. Sprecherin Und Bartlomiej Jaszka ergänzt: 16. O-Ton Bartek Es fehlt sicher auch das Zusammenspiel, sich verständigen können auf dem Spielfeld. Wenn wir besser deutsch können, wird das Spiel bestimmt auch noch besser. Außerdem haben die hier in jedem Verein viele sehr gute Spieler, auch aus dem Ausland. Deshalb ist die Kluft zu Polen auch so groß. Das Spiel ist reifer und, ich weiß nicht, auch spektakulärer. In Polen sind die Spiele chaotischer, hier ist alles geordneter. Das Spiel sieht einfach gut aus. 18. Sprecherin Das liegt vor allem daran, dass Handball in Polen erst eine seit kurzem neu entdeckte Sportart ist - genauer: seit der Handball-Weltmeisterschaft 2007, als Polen im Finale gegen Deutschland verlor. Es ist der größte Erfolg in der Geschichte des polnischen Handballs, der zwar unpopulär, aber reich an Anekdoten ist: Zum Beispiel der, dass diese Sportart im polnischen Volksmund den Zungenbrecherischen Namen "Szczypiorniak" trägt, nach dem westpolnischen Dorf Szczypiorno, wo im Ersten Weltkrieg ein deutsches Lager für 4.000 polnische Kriegsgefangene stand, die dort die Regeln des Handballspiels lernten. In der ältesten und wichtigsten Sportzeitung Polens "Przeglad Sportowy" ist auf jeden Fall seit der Handball-Weltmeisterschaft 2007 mindestens eine halbe Seite für diese Sportart reserviert. Doch es wird noch einige Jahre dauern, bis das Spielniveau der polnischen Liga mit der deutschen konkurrieren kann. Die spielerisch-taktischen Fähigkeiten und die höheren Gehälter lockten die beiden Polen nach Berlin. Wie viel sie genau verdienen, wollen sie jedoch nicht sagen. Nur soviel verrät Bartlomiej Jaszka: 17. O-Ton Bartek Es ist auf jeden Fall mehr als in Polen. Ich darf keine Zahlen nennen, weil es so im Vertrag steht, aber es ist auf jeden Fall mehr. Nur: Natürlich ist Geld wichtig, denn es ist unsere Arbeit und ich unterhalte damit auch meine Eltern, aber am wichtigsten ist für mich das Spielniveau. Sonst hätte ich keine Freude, ich kann ohne Handball nicht leben. 8. Atmo Spielatmo in der Schmelinghalle 6. MUSIK 19. Sprecherin Die Geschichte der Fußballvereine in Schwedt und Szczecin ähneln sich nach der Wende in fataler Weise - vielleicht war das ein Grund dafür, dass beide 2005 zueinander fanden. Der Fußballclub Schwedt 02 war zunächst noch unter einem anderen Namen erfolgreich. Dann qualifizierte er sich 1991 sogar für die Staffel Nord der neuen drittklassigen Oberliga Nordost. Das lockte Investoren in die Stadt, an die sich der heutige Vorstandsvorsitzende des Fußballclubs ungern erinnert. 18. O-Ton Nitsche Dann kamen Leute, die haben dann von der zweiten Bundesliga gesprochen, und alle haben Hurra gebrüllt, als wenn, na ja, weiß ich nicht, wenn der Papst aus dem Fenster guckt, das war schon toll, aber es hatte auch was mit einer kriminellen Richtung zu tun gehabt. Da sollten also Sponsorengelder fließen in halbe Million, ne ganze Million, in meinen Augen waren es Betrüger, die über Geldanlagen die Leute hier motiviert haben und so getan haben, als wenn hier Wunder was zurückkommt. Es kam nichts zurück. 20. Sprecherin Die Geschichte endete tragisch: der Verein musste 1996 Konkurs anmelden. Nur langsam erholte er sich, tat sich mit einem anderen zusammen, fusionierte sogar einmal. Erst am 1. Juli 2002 entstand der heutige Club. Der polnische Fußballclub "Pogon Szczecin" wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Er ist also ein traditionsreicher Verein, der nicht nur wegen sportlicher Erfolge in Polen berühmt ist. Auch um die Zahl seiner Fans beneiden ihn viele Vereine. 9. Atmo Leeres Fußballstadion, Vogelgezwitscher, Wind, Arbeiter putzen mit Wasserstrahlen die Sitze ab 21. Sprecherin Das Stadion im Zentrum gehörte seit seiner Fertigstellung im Jahr 1955 bis zur Wende 1989 "Pogon Szczecin". Knapp 18.000 Sitzplätze, die gerade von Putzkräften mit Wasserstrahlern gesäubert werden. In rot und blau sind sie so angeordnet, dass der Name "Szczecin" zu lesen ist. Hier bestritt der Verein alle Heimspiele, die Fans feierten die Aufstiege und beweinten die Abstiege - bis zur Saison 1997/1998. Da kam der Zusammenbruch. 1999 verweigerte die Stadt dem Verein die finanzielle Unterstützung und hinterließ ihm einen enormen Schuldenberg. Daraufhin wechselten sich verschiedene Investoren mit fragwürdigen Absichten bei "Pogon Szczecin" ab, von denen nur zwei erwähnt werden sollen: Ein türkischer Geschäftsmann namens Sabri Bekdas, der auf polnischer wie internationaler Ebene Spieler einkaufte und damit zunächst Erfolg hatte: Pogon wurde 2001 polnischer Vize-Meister. Doch danach ging es steil bergab und Sabri Bekdas ließ den Verein fallen. Der zweite Eigentümer war der Pole Antoni Ptak, der den polnischen Fußball revolutionieren wollte: "Pogon Szczecin" sollte eine rein brasilianische Mannschaft werden. Abgesehen davon, dass Ptak oft nur drittklassige Spieler aus Brasilien einkaufte, protestierten auch die Fans dagegen: die Identifikation mit der Mannschaft ging verloren, die Sponsoren sprangen ab, die Spieler klagten über nicht ausgezahlte Gehälter. 2007 nahm sich Artur Kaluzny, der jetzige Präsident von "Pogon Szczecin", des Vereins an. 19. O-Ton Kaluzny Ich bin seit meinem achten Lebensjahr Fan, bin mit meinem Vater hierher zu den Spielen gekommen und ich habe mich in die Mannschaft und den Verein verliebt. Leider hatte "Pogon Szczecin" in den letzten Jahren kein Glück mit seinen Besitzern. Sie versuchten, an dem Fußballclub zu verdienen, und das hat nicht immer zu guten sportlichen Resultaten geführt. Vor allem aber haben sie den Nachwuchs vernachlässigt - und damit die Grundlage, auf der ein Verein funktioniert. 22. Sprecherin Zusammen mit anderen Fans von "Pogon Szczecin" meldete Artur Kaluzny den Verein für die vierte Liga neu an. Innerhalb einer Woche wurde eine Mannschaft aus ehemaligen Pogon-Spielern und Talenten der Region zusammengestellt, die ohne jegliche Vorbereitungen in die Saison startete. Die Entwicklung stimmt seitdem optimistisch. Artur Kaluzny: 20. O-Ton Kaluzny (polnisch) "Pogon Szczecin" ist sehr angesehen, er ist im Ranking unter den ersten fünf Clubs in Polen. In den 60 Jahren, die der Club existiert, hat er mehrheitlich in der ersten Liga gespielt. Vor allem ist er aber in der Region Nordpommern die Brand-Nummer Eins. Deshalb ist unser wichtigstes Ziel, den Ruf von "Pogon Szczecin" wieder aufzubauen und so schnell wie möglich in die erste Liga zurückzukehren, denn da ist unser Platz - auch angesichts des Potentials der Stadt und der Zahl unserer Fans. Für alle ist klar: unser Platz ist in der ersten Liga! 23. Sprecherin Sowohl "Pogon Szczecin" als auch der "FC Schwedt 02" haben aus eigener Kraft einen Neubeginn geschafft - und sind jetzt besser gerüstet, ihre Partnerschaft auf eine solide Basis zu stellen. Die ersten Pläne stehen bereits, erzählt der Vorsitzende von FC Schwedt 02, Meinhard Nitsche, stolz und nennt als erstes ein Treffen zwischen Übungsleitern. 21. O-Ton Nitsche Dieses Übungsleitertreffen soll erstmal ein Gespräch unter polnischen und deutschen Übungsleitern werden, wo man über Trainingsmethoden, wo man über viele Dinge spricht, die ja gleich sind, da ist ja kein großer Unterschied. Im Gegenteil, wir sind also mit Unterlagen oder mit Hilfsmitteln vom Landesverband besser ausgerüstet als die. Das ist die eine Geschichte, und die zweite Geschichte ist, dass wir in allen Altersklassen einen Austausch machen, wir spielen einmal hier und einmal spielen wir in Stettin, so dass man sich kennenlernt, da sind auch Eltern bei, dass wir dann, ich sag mal, dieses wie ein kleines Familientreffen organisieren. 7. MUSIK 24. Sprecherin Die neue "Heimat" Olsztyn des deutschen Volleyball-Nationalspielers Björn Andrae hat etwa 175.000 Einwohner und ist 170 Kilometer nördlich von der Landeshauptstadt Warschau entfernt. Die Stadt liegt inmitten der Masurischen Seenplatte und ist ein attraktives Reiseziel für Touristen aus dem In- und Ausland. Für den 26jährigen, der seit seinem 18. Lebensjahr nicht mehr in seiner Heimatstadt Berlin lebt und gelernt hat, sich schnell einzuleben , war es dennoch eine neue Erfahrung. 22. O-Ton Björn Wenn man nach Polen geht, denkt man am Anfang erstmal so ein bisschen, dass man in ein Land kommt, das vielleicht noch ein bisschen hinterher hängt, und ich muss sagen, gerade meine Stadt - also Olsztyn - ist schon relativ weit in der Entwicklung und ziemlich europäisch, wo halt auch ziemlich viele Urlauber kommen, weil ist ja auch ehemalig Deutschland, Allenstein gewesen, und ist doch auch sehr populär und sehr hübsch gemacht, und super nette Leute und auch super angenehme Landschaft und deshalb fühl ich mich da ziemlich wohl, ja. Ich habe meine eigene Wohnung, wohne noch mit einem Amerikaner in einem Haus, und schöne Wohnung auch, alles neu eingerichtet, du hast Internet, du hast deutsches Fernsehen, also man kann sich da schon gut gehen lassen. 25. Sprecherin Die vier Ausländer beim AZS Olsztyn - neben Björn Andrae sind es der Deutsche Frank Dehne, der US-Amerikaner Richard Lambourne und der Türke Sinan Cem Tanik - sind in ihrer Freizeit dennoch viel unter sich. Und das liege weniger an Sprachproblemen als mehr an kulturellen Unterschieden, erzählt Björn Andrae. 23. O-Ton Björn Die polnischen Spieler haben meistens alle Familie, mit Kindern vielleicht schon, fangen da meistens ziemlich früh an, war ein bisschen überraschend für mich, ja, dadurch sind die Ausländer bisschen mehr unter sich, weil wir kommen meistens allein dorthin, weil die Freundin halt noch in Deutschland ist oder wo anders, und dass du dann die Zeit eher mit den Ausländern verbringst, und die Polen dann eher nur bei Training und im Spiel siehst. 10. Atmo Polnisches Pokalspiel, Hallenatmo, Spiel 26. Sprecherin Beim Training und im Spiel sind sie beim AZS Olsztyn aber dann alle wieder ein Team, in dem Kultur, Herkunft und Sprache keine Rolle spielen. Man kommuniziert durch lautes Brüllen, gleichgültig in welcher Sprache, man versteht sich schon irgendwie. 11. Atmo + 8. MUSIK MUSIKLISTE: 1. Musik: Titel-Nr: 4 "Poland", CD-Titel "World Anthems. English Chamber Orchestra", Dirigent: Donald Fraser, C.T.S. Studios, Wembley, Middlesex, England. LC: 0316. Länge: 0'27. 2. Musik: Titel-Nr: 15 "Germany", CD-Titel "World Anthems. English Chamber Orchestra", Dirigent: Donald Fraser, C.T.S. Studios, Wembley, Middlesex, England. LC: 0316. Länge: 0'46. 3. Musik: Titel-Nr: 16 "Rap Attack", CD-Titel: "Actions Trax - Curtis Schwartz", Komponist: Curtis Schwartz, Produzent: Elaine Buckingham, KPM Music Ltd., London. LC 2061. Länge: 0'14. 4. Musik: Titel-Nr: 15 "Enduro", CD-Titel: "Olympic", MCT 548 Olympic, LC 6414. Länge: 0'40. 5. Musik: Titel-Nr 4 "Final Countdown",CD-Titel: "Actions Trax - Curtis Schwartz", Komponist: Curtis Schwartz, Produzent: Elaine Buckingham, KPM Music Ltd., London. LC 2061. Länge: 0'19. 6. Musik: Titel-Nr 16 "Rap Attack", CD-Titel: "Actions Trax - Curtis Schwartz", Komponist: Curtis Schwartz, Produzent: Elaine Buckingham, KPM Music Ltd., London. LC 2061. Länge: 0'30. 7. Musik: Titel-Nr 4 "Final Countdown", CD-Titel: "Actions Trax - Curtis Schwartz", Komponist: Curtis Schwartz, Produzent: Elaine Buckingham, KPM Music Ltd., London. LC 2061. Länge: 0'37. 8. Musik (Schluss): Nr. 6 "Victory", CD-Titel: "Actions Trax - Curtis Schwartz", Komponist: Curtis Schwartz, Produzent: Elaine Buckingham, KPM Music Ltd., London. LC 2061. Länge: 2'36. 1