Deutschlandradio Kultur Die Reportage COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Im Fallfeld - Auf der Suche mit dem Meteoritenfinder Thomas Grau Eine Reportage von Gerhard Richter Atmo 1: schnelles Blättern Autor 1: Ungeduldig blättert Thomas Grau in einem Bildband: Aufnahmen von Kleinplaneten und Asteroiden. Öde kraterübersäte Brocken - Millionen Kilometer von der Erde entfernt, der Bauschutt des Universums. Jederzeit können Stücke davon als Meteoriten auf die Erde fallen, überall, auch hier - direkt vor dem Fenster von Thomas Graus Arbeitszimmer, im obersten Stockwerk eines Plattenbaus in Bernau. Aber der Himmel über den Dächern der brandenburgischen Kleinstadt ist an diesem Nachmittag strahlend blau, keine Feuerkugel, kein Donner, kein Meteorit fällt vom Himmel. Nichts wonach er suchen und nichts womit er Geld verdienen könnte. Seit zwei Jahren wartet der hauptberufliche Meteoritenfinder nun schon auf Einnahmen. O-Ton 1 Thomas Grau: Die Unsicherheit ist immer dabei, so läuft das Geschäft halt. Keiner kann sagen, wann und wo es wieder Arbeit gibt. Atmo 2 Klicken Autor 2: Thomas Grau stellt den Bildband wieder ins Regal. Er ist 36 Jahre alt. In den letzten Jahren sind viele seiner dichten schwarzen Haare grau geworden. Er setzt sich an den Computer und klickt sich ins Internet. Weltweit gibt es einige Hundert Meteoritenfreunde und Hobbyastronomen. Alle sind vernetzt. Er ist einer der wenigen, der davon lebt, Meteoriten zu finden. Europaweit. Auf die Informationen der Hobbykollegen ist er angewiesen. Vielleicht hat irgendjemand einen Fall beobachtet. Tatsächlich! O-Ton 2 Thomas Grau: Da ist jetzt grade in Kanada scheinbar was runtergekommen, und die überlegen grade ob sie da hinfahren suchen oder nicht, aber es liegt noch Schnee, also zwar interessant, aber es tangiert mich eigentlich nicht, ist zu weit weg. Das beschäftigt mich eigentlich wenig. Atmo: Klicken Autor 3: Nur kurz überfliegt er die anderen Mails, dann beschäftigt er sich mit einem Fall, an dem er seit einem Jahr rätselt. Ein Meteorit über Norddeutschland. Nur wenige Zeugen haben ihn gesehen und Grau ihre Beobachtungen gemailt. O-Ton 3 Thomas Grau: Die haben zum Beispiel gesagt: viele kleine Splitter, aber keine 20, hier nach einer Minute gab es einen lauten Knall aber nur einen, wie ein dumpfer Sylvesterkracher. Autor 4: Aus Hannover hat er Mails von Zeugen gespeichert, aus Leipzig, aus Köln und aus Hamburg. Die Feuerkugel war über Hunderte Kilometer am Himmel zu sehen. Erloschen ist sie über einem Landstrich neben der Müritz, ziemlich genau über Dirk Engel, dem letzten Zeugen. Den will Thomas Grau persönlich fragen. ATMO 3 IM AUTO: Thomas Grau steigt in seinen VW-Transporter und gibt die Adresse in sein Navi ein. Navi: Jetzt rechts abbiegen. Rund 150 Kilometer sind es bis zu Dirk Engel. Quasi ein Heimspiel. Seine bisherigen Meteoriten hat er in Bayern gefunden, in Spanien, in Dänemark und Slowenien. 32 Stück. Sie liegen in Museen unter Glas oder werden in Labors untersucht. Seltenes, begehrtes Material aus dem Weltall. Er bekommt viel Geld für einen Fund, bis zu 100.000 ?. Aber es kann Jahre dauern, bis er so einen Brocken aufstöbert. Grau setzt den Blinker und nimmt die Abfahrt Röbel. Die Straße wird immer schmaler und holpriger, endlich hält er vor dem letzten Haus im Ort. Atmo 4 Hier wohnt Dirk Engel. Tierarzt und Hobbyjäger. Der wichtigste Zeuge des Falls. 4 Thomas Grau: Sie sagen mir genau, wo´s lang geht. Jaja. Dann mach ich mal zu. Autor 5: Dirk Engel lotst den Bus über einen Betonplattenweg durch moorige Wiesen. 5 Engel: Vor den grünen Bäumen da rechts rein. Atmo 5 Autor 6: An einer Hecke lässt er halten. Ein eiskalter Wind weht über die feuchten Wiesen. An vielen Stellen ist die Erde aufgewühlt. Wildschweine. Hier auf diesem Weg war Engel mit seinem Gewehr nachts auf Pirsch. Jetzt blickt er nach oben, dort am Himmel hat ihn die Feuerkugel überrascht. 6 Engel: Ich hab was gehört und denk, was ist denn das? Und dann wurd´s hell, von da kommend und da rüber und dann war in dieser Gegend Schluss. Hier so über mir. Thomas Grau: Ja. Engel: Und weil der Weg so ist, kann ich´s relativ... Thomas Grau: Dann gehen wir noch mal. Atmo 6 Autor 7: Thomas Grau stellt ihn an genau dieselbe Stelle, wie damals und fragt nach jedem Detail. Gab es Schatten? Wind? Wo war der Mond? Engel hat seinen kleinen Sohn mitgebracht, der will lieber spielen. 7 Engel: Nein ich muss mit dem Herrn Grau erzählen. Der ist extra hergekommen, damit er das ganz genau weiß, Thomas Grau: Du wir sind hier auf der Jagd! Engel: Auf der Jagd nach einer Sternschnuppe! Atmo 7 Autor 8: Thomas Grau geht noch mal zu seinem Bus, aus dem Kofferraum holt er ein Klemmbrett und einen armlangen Winkelmesser. Damit soll Dirk Engel den Anfang und das Ende der Flugbahn beschreiben. 8 Thomas Grau: Zeigen sie einfach auf den Punkt, aber müssen sie wie beim Gewehr zielen, über Kimme und Korn sonst funktioniert es nicht. Genau. Das sind nur fünfzehn Grad, was sie zeigen, fünfzehn Grad. Das ist die Spitze von dem Baum, ja? Engel: Jaja, so ... bisschen drüber Thomas Grau: Ja o.k. und das ist der Punkt, wo sie sagen: Da war´s dann. Engel: Da könnt´s gewesen sein. Thomas Grau: Nicht drüber gekommen, sondern noch südlich von ihnen ausgegangen, nicht Nördlich von ihnen. Engel: Ja ja, Thomas Grau: o.k. Atmo 8 Autor 9: Grau notiert sich die Daten auf seinem Klemmbrett. Der Wind zerrt an den Zetteln und dringt durch Jacken und Mäntel. Dirk Engel wird langsam kalt, aber Thomas Grau fragt mit Feuereifer weiter. Wie groß schien die Lichtkugel? War sie heller als der Mond? Hat sie sich aufgeteilt, wurde sie größer oder kleiner? 9 Engel: Also kleiner geworden ist sie keinesfalls, es war: Bubbs - aus. Als wenn einer Licht ausmacht, war Schluss. Thomas Grau: Hatten sie eigentlich sofort die Idee, das war ein Meteor? Engel: Ja, ob´s nu ein Meteor oder ein Komet, oder ... jedenfalls irgendwas fliegt da oben. Thomas Grau: Ja Engel: Das da oben irgendwas verglüht ist, eine Raumkapsel oder irgendwie so was. Das ging ja auch rasend schnell, so Hhhhuuiiiit. Und dieses Grollen, das war ja im Zusammenhang. Atmo 9 Autor 10: Thomas Grau blickt interessiert auf. Dieses Grollen könnte ihm noch einiges verraten. Aber Dirk Engel, der Zeuge, ist schon völlig durchgefroren und hat Angst, sein Sohn Martin könnte sich erkälten. Also setzen sich alle in den Bus. Der dreijährige Martin ist voll aufgedreht, Grau und Engel konzentrieren sich noch mal auf die Ereignisse vor über einem Jahr. Wie hat sich das Grollen genau angehört? 10 Engel: Hach, wie kann man das vergleichen, wie so ein Bollerwagen, das "bum bum bum". Thomas Grau: Aber sehr tief Engel: Ganz tief, ganz tief Thomas Grau: Also bum bum bum, das sind drei mal, man kann´s ganz schnell machen, bumbumbumbumbum, kann aber auch Bumm Bumm Bumm Bumm Bumm Engel: Ja, lassen sie mich überlegen. Thomas Grau: Wie schnell war der Wagen unterwegs, sozusagen? (lacht) Engel: Ich würd sagen so um die zwanzig Mal plus minus fünf. Atmo 10 Kind im Bus Autor 11: Thomas Grau malt eine Linie auf seinen Zettel, eine Flugbahn mit zwanzig Zacken. Der Meteorit am Himmel über Dirk Engel ist vermutlich in 20 Stücke zerbrochen. 11 Thomas Grau: Die Möglichkeit besteht, dass sie tatsächlich runtergekommen sind. Aus zehn Kilometern oder sogar noch mehr, aber das können wir heute nicht hundertprozentig sagen, aber die Möglichkeit besteht. Die noch zu finden, das ist etwas ganz anderes, ist ein ganz anderes Thema. Autor 12: Dirk Engel nickt. Er ist froh, Thomas Grau geholfen zu haben, aber seine Geduld ist am Ende. Grau fährt Engel und seinen Sohn zurück zu deren Haus und verabschiedet sich. Atmo 12 Auf dem Weg zur Autobahn fährt Grau absichtlich langsam, mustert die Landschaft ringsum. 20 Meteorite könnten hier auf den Feldern liegen, die Größe schätzt Grau von Stecknadelkopf bis Pflasterstein. Atmo 13 Er hält an, steigt aus und geht ein paar Schritte in einen Acker. Dünne Halme der Wintergerste zittern im Wind. Grau hebt ein paar kleine schwarze Steine vom Boden auf und hält einen Magneten dran. Die meisten Meteoriten enthalten Eisen. O-Ton 12 Thomas Grau: Hier ham wir schon magnetische Steine. ...also wenn du hier mit `nem Metalldetektor rangehen würdest, kämst du keinen Schritt weiter, weil du hier ständig irgendwas hast, also kannst du nur mit dem Auge suchen. Atmo 14 Schritte Autor 13: Grau wirft die wertlosen Steine weg und geht unschlüssig zu seinem VW- Transporter. Die Chancen, ein Jahr nach dem Fall die Meteoriten hier zu finden, sind ziemlich schlecht, aber Grau hat auch dort Erfolg, wo andere längst aufgeben. Heute ist es aber zu spät und zu kalt, um noch systematisch zu suchen. Er kommt wieder, und zwar bald, bevor die Natur alles überwuchert. Atmo 15: Treppe Tür drinnen bis Kaffee Autor 14 Am nächsten Morgen wieder in Bernau. Voller Elan geht Thomas Grau die Treppe hinauf zur Wohnung seines Freundes, Steffen Jacobsen. Der macht erstmal Kaffee. Die beiden kennen sich seit der Lehre in einem Walzwerk in Eisenhüttenstadt. Als Thomas Grau in Berlin physikalische Ingenieurswissenschaften studiert. Früher hat er seinen Freund Grau bei der Meteoritensuche begleitet. In die Ukraine, nach Spanien. Aber er als Laie hat nur einen einzigen gefunden, während Grau, der Profi, mit seinem Spürsinn 31 entdeckt hat. Danach war klar: Grau sucht allein, Jacobsen bleibt zu Hause in Bernau. O-Ton 13 Steffen Jacobsen: Kann ich jeden Tag seine Mails checken, wenn irgendwas Wichtiges kommt, kann irgendwelche Zeugen weiterleiten an ihn und das ist einfach wichtiger, als mit auf Trip zu gehen, obwohl´s immer Spaß gemacht hat, es war so echt Abenteuer. Atmo 16 Autor 15: Jacobsen rührt in seinem Kaffee. Grau stöbert schon wieder im Internet. Zusammen betreiben sie das European Research Center for Fireballs and Meteorites. Sie könnten Vorträge halten, oder für andere Institute arbeiten. Oder Bücher schreiben. Irgendwas, um ein regelmäßigeres Einkommen zu erzielen. O-Ton 14 Steffen Jacobsen: Man will da so ein bisschen Kontinuität langsam reinkriegen, du hast manchmal gute Jahre, dann wieder schlechte Jahre, dann wieder gute Jahre, das ist dann so ein bisschen ...na ja nicht so schön. Autor 16: Heute, zehn Jahre nach seinem ersten Meteoritenfund bei Neuschwanstein 2001, gilt Thomas Grau als Experte. Täglich bekommt er jede Menge Mails mit irgendwelchen Anfragen. Heute schreibt ein Spanier. Er hat einen großen Eisenmeteoriten gefunden und will wissen, welchen Wert der hat. Grau schüttelt den Kopf. O-Ton 15 Thomas Grau: Ich bin ja jetzt kein Meteoritenhändler in dem Sinne, ich kann ja auch nur schauen, wenn ich was finde, wie hoch der Aufwand war oder wie selten das Material ist, und dann wird irgendwie der Preis bestimmt. Autor 17: Für den Neuschwanstein-Meteoriten hat er vom Land Bayern über hunderttausend Euro bekommen. Der kopfsteinpflastergroße Chondrit liegt neben einem Mondstein im Nördlinger Ries Museum. Zuletzt hat der dänische Staat rund 30.000 Euro Finderlohn überwiesen, weil Grau ein hühnereigroßes Meteoritenstück in einer Löwenzahnwiese auf Lolland gefunden hat. Als einziger. Thomas Grau blickt interessiert auf den Bildschirm. Er ist auf einen Fall in Polen gestoßen. Eine junge Frau hält einen faustgroßen Meteoriten in die Kamera. Lächelnd, obwohl der schwarze Brocken ihr Hausdach durchschlagen hat. Ein Zufallsfund. Und sehr wahrscheinlich gibt es noch mehr Bruchstücke, verteilt in der Gegend. Grau atmet tief durch. Soll er hinfahren und dort suchen? O-Ton 16 Thomas Grau: Hach ich bin hin und hergerissen, wenn´s hier in Deutschland wär, wär ich schon längst vor Ort. Atmo 2 klicken Autor 18: Thomas Grau öffnet Google Earth und sieht sich die polnische Fundstelle an. Ringsum die masurischen Seen, die weißrussische Grenze nicht weit. Um Zeugen zu befragen, bräuchte er einen Dolmetscher, das kostet. Und ob er die Funde überhaupt noch verkaufen kann, wo vermutlich schon einige Einheimische suchen und finden? O-Ton 1 7 Thomas Grau: Da aber jetzt die Leute von Polen dort sehr aktiv sind, ist es eigentlich eher unwahrscheinliche Sache, dass man dort noch eine honorierbare Arbeit machen kann, muss ich ganz ehrlich sagen Autor 19: Grau öffnet ein anderes Programm. Er nimmt das Klemmbrett und überträgt die Aussagen von Dirk Engel, dem Zeugen von der Müritz in seinen Computer. Bei google Maps ruft er eine Karte der Müritz auf und legt farbige Linien darüber- die Flugbahn des Meteoriten. Er sucht nach dem Wetterbericht der fraglichen Nacht. Ostwind, das könnte die Bruchstücke weiter nach Westen getragen haben. Er schiebt die Linien etwas nach links, und grenzt das Gebiet ein, in dem die Meteoriten liegen müssen. Das Fallfeld - zehn mal zehn Kilometer groß. Morgen will er dahin, suchen. Es ist jetzt vier Uhr nachmittags, Thomas Grau muss los, die Kinder abholen. Atmo 17 Busstart Autor 20: Seine Frau Nadine sitzt neben ihm. Die 34-Jährige macht gerade eine Umschulung zur Ergotherapeutin. Beide reden über die Arbeit. Thomas erzählt ihr von den neuesten Fällen in Kanada und Polen. SZENE 18 Nadine Grau: Und die in Polen? Thomas Grau: Tja, weiß ich noch nicht so richtig. Ich glaub, dass die das vor Ort selber machen, denn da sind ja schon welche dran, die das ziemlich gut dokumentieren. Da brauch ich da nicht hinfahren und mich dazwischendrängeln. Nadine Grau: Also fährst du nicht. Thomas Grau: Na ja , eigentlich eher nicht, ist auch zu schlechte Gegend. Nadine: Fahr mal hinten rein... Atmo 18 Autor 21: Die beiden sind am Kindergarten angekommen. Thomas steigt aus und holt seine Tochter ab, Nadine wartet im Auto. Atmo 19 Autor 22: Thomas Grau kommt mit der Tochter im Arm zurück und schnallt sie im Kindersitz fest, dann fahren sie zur Schule, den Sohn abholen. Alle leben damit, dass es Höhen und Tiefen gibt. O-Ton 20 Nadine Grau: Wenn er jetzt einen normalen Job hätte, kann man auch jeden Monat gekündigt werden, oder: man muss sich das halt auch einteilen das Geld, bis jetzt sind wir immer zurecht gekommen. Ich geh ja auch arbeiten, ich mach zwar jetzt ne Umschulung, aber da ist dann halt bei meiner Seite noch die Sicherheit, dass da noch ein Einkommen drin ist. Aber so Ängste hab ich nicht. Kann ich nicht sagen. Atmo 20 Autor 23: Mit Ato, dem Sohn fahren sie nach Hause. Eine Drei-Raum-Wohnung in einem Wohnblock. Atmo 20: Wohnung Autor 24: Grau erzählt Nadine, dass er morgen an die Müritz will, für ein paar Tage im Fallfeld suchen gehen. 22 Nadine Grau: Is o.k. Ich komm gut zurecht mit den Kindern. Ja und hoffen immer, dass er was findet. Atmo 21: Reißverschluß Rucksack Autor 25: Am nächsten Morgen kniet Thomas Grau über seinem Rucksack. Letzter Blick, ob alles drin ist, für die langen Streifzüge durch die Natur: GPS, Fernglas, Taschenmesser, Zeckenzange, Kompass, und alles um einen Fund zu dokumentieren: Markierungsfähnchen, Plastikbeutel, Foto und Videokamera. Kurzer Batterietest . (Piep) Alles komplett, Thomas Grau macht die Reißverschlüsse zu, O-Ton 23 Thomas Grau: So und damit ist er wasserdicht. Der schwimmt sogar, soll schwimmen, ich hab´s noch nicht ausprobiert. Aber ist auch wichtig, ich bin auch im Regen und suche und da soll´s innen nicht nass werden. Atmo 22: Autortür zu/Motor Autor 26: Heute spielt das Wetter mit, blauer Himmel, Sonne. Mit dem VW-Bus fährt er wieder an die Müritz. Ein paar Kilometer hinter dem Ort entfernt, an dem er vor ein paar Tagen Dirk Engel befragt hat, biegt er auf einen Waldweg und steigt aus. Atmo 23: Wald ankommen Autor 27: Er trägt Jeans, eine blaue Trekkingjacke und Wanderschuhe. Von hier aus will er losgehen. Um ihn herum dichter Nadelwald. Atmo 24 Rucksack aufsetzen, schweres Atmen Autor 28: Grau setzt seinen Rucksack auf, an seinem Gürtel baumelt eine Trinkflasche mit Orangensaft und eine Tasche mit dem "Finderbesteck": ein Schraubenzieher, ein Magnet und ein Stein, groß wie ein Golfball. Zuletzt setzt er ein khakifarbenes Basecap auf, mit langem Schirm und Nackenschutz. Fast wie ein Astronaut sieht er aus - mit Mission auf Planet Erde. Mit leicht wankendem Schritt verschwindet der Meteoritensucher zwischen den dichten Stämmen in der Fichtenschonung. Atmo 25 : Schritte im Forst, krachende Äste O-Ton 24 Thomas Grau: Man muss sich immer diese viel zu großen Landstücke, ob das nun Felder sind oder Wälder, muss man sich irgendwie einteilen in kleinere Segmente, damit man den Überblick nicht verliert. Immer wieder blickt er auf und sucht nach Ordnung im Wald. Waldwege, Wildpfade, Baumreihen an denen entlang er sich orientieren kann. Autor 29: Sein Blick pendelt über den Waldboden, rechts links rechts links, er steigt über einen umgefallenen Baum und bleibt stehen. Löcher in der Erde! Könnte ein Meteorit drinstecken. Er nimmt den Schraubenzieher aus der Findertasche und stochert damit in der Walderde. O-Ton 26 Thomas Grau: Geht schräg runter das Loch, eindeutig Tier, und hier, da muss auch einer rein getreten sein, aber so groß? Na gut, es gibt hier auch Rotwild. Aber ich glaub nicht, dass das jetzt ein Meteoritenloch war ... Atmo 26 Autor 30: Also weiter, wieder pendelt sein Blick über den Waldboden - rechts links rechts links. Bis zum Ende der Schonung, dann zwei Baumreihen versetzt wieder zurück. Immer wieder fallen schwarze Dinge ins Auge: Tonscherben, Plastikteile, Kronkorken, Kothaufen. Unbeirrt geht Thomas Grau daran vorbei. Als hätte er einen siebten Sinn. O-Ton 27 Thomas Grau: Es ist immer sehr überraschend, wenn der Meteorit da ist. Manchmal sagt man: Das könnte einer sein, aber schon wenn du sagst, es könnte einer sein, dann ist es meistens keiner. Aber wenn du manchmal schon aus der Entfernung sagst: Mensch Das isser! Das isser! Und du kommst immer näher und dann wird das Bild immer klarer, immer eindeutiger. Genauso hast du dir das vorgestellt, genauso soll er daliegen. Autor 31: Ein paar Schritte weiter bückt er sich plötzlich und hebt einen Stein auf. Schwarz, eigenartig geriffelt, mit weißen Sprengseln und groß wie ein Golfball. O-Ton 27a Thomas Grau: Das ist Flintstein, der irgendwie so eine Oberflächenstruktur hat, so ganz komisch. Irgendwie sah der nicht schlecht aus, aber es ist keiner. Ist ja auch nicht magnetisch, na gut, nicht jeder Meteorit muss magnetisch sein, aber schon irre. Komischer Stein! Autor 32: Im hohen Bogen wirft Grau den Beinahe-Meteoriten in einen Haufen Bruchholz. Noch ein paar Bahnen, dann hat er dieses Waldstück abgesucht. Zurück auf dem Waldweg zückt er sein GPS-Gerät, um sich zu orientieren. Atmo 27 pip pip O-Ton 28 Thomas Grau: Wir gehen auf jeden Fall die Richtung, weil ich will hier hin, den Weg. Und dann kommen wir auf die Wiese kurz.. Autor 33: Vier Stunden hat Thomas Grau jetzt nonstop gesucht, und ohne Pause geht es weiter, auch auf dem Waldweg könnte eines der Meteoritenstücke liegen. O-Ton 29 Thomas Grau: Auf jeden Fall ein Weg, den ich noch nicht gegangen bin, also alles ist möglich. Atmo 29 Wiese ankommen Autor 34: Aber nichts zu finden entlang der Farne, Brombeerhecken und Brennnesseln. Nach einer halben Stunde Fußmarsch betritt Thomas Grau die Wiese. Groß wie ein Fußballfeld und mitten im Wald. In der Mitte ist eine Futterstelle für Rehe und in bequemer Schussweite ein Jägerstand. Das Gras ist kurz, ideales Suchgelände. Thomas Grau legt den Rucksack ab und holt zwei dünne Alustangen heraus. An den Enden ist rot weißes Absperrband festgeknotet. Eine Stange steckt er am Rand der Wiese in die Erde. O-Ton 30 Thomas Grau: Dann lauf ich immer ganz kurz aufblickend in Richtung Stange, ansonsten bin ich immer unten beim Suchen und kann mich viel schneller orientieren, als wenn ich mir jetze ´nen Baum merken müsste, der jetzt am Rand steht, dann weiß ich nicht mehr, ist es der oder der, dann weiß ich nicht mehr wo ich bin. Oh, deswegen sind diese Stangen. Autor 35: Beinahe mechanisch sucht Thomas Grau die Wiese ab, orientiert sich dabei an den Stangen, die er immer vier große Schritte weiter in die Erde drückt. Kopf und Augen stetig wie ein Pendel: rechts links rechts links - eine Stunde lang. Findet ein paar Löcher, aber keinen Meteoriten. Ein Schluck Saft, Rucksack auf, weiter geht's. Atmo 30 singen In einem Mischwald - spätnachmittags - fängt er an, die Meteoriten zu locken O-Ton 31 Thomas Grau: Kommt kommt raus, ihr werdet präsentiert in einem Museum. Ihr werdet angeleuchtet. Jeder darf euch sehen. Bitte bitte bitte! Autor 36: Lieber rumalbern, als verzweifeln. Erschöpft und mit schleppenden Schritten geht Thomas Grau zurück zum Auto. O-Ton 32 Thomas Grau: Ich sag ja immer: Ich bin immer auf dem Weg zum nächsten Meteoriten. Aber hier jetzt der Weg ist schon ganz schön lang. Ist schon fast zwei Jahre. So ist das halt mit dem Meteoritenfinden. Man kann's nicht erzwingen. Atmo 34 im Bus Autor 38: Zum Abendbrot isst Grau getrocknete Würste mit Brot. Dann zieht er sich in seinen Bus zurück und klappt das Notebook auf. Wieder die Karte mit den bunten Linien. Ein Gewirr aus Fragezeichen. Wenn sich der Zeuge Engel um drei Grad geirrt hat, ist das Fallfeld zehn Kilometer weiter. O-Ton 34 Grau: Die richtigen Fragen kann auch keiner weiter beantworten. Die schleppst du halt rum bei der Suche. Bis du ein Stück gefunden hast, erst dann kann wieder ein paar Fragen geklärt werden, so lange wie du das nicht zur Hand hast das Stück, werden die Fragen also unbeantwortet bleiben für immer. Autor 39: Es ist dunkel geworden. Thomas Grau nimmt die Kontaktlinsen aus den Augen und legt sich in den Schlafsack. Nachtvögel 36 /Wecker 37 Der Wecker klingelt um sieben, aus einer Kiste kramt er das Frühstück, nur eine einzige Flasche Soja-Reis-Milch. Dafür gleich ein ganzer Liter. Atmo 38 O-Ton 35 Thomas Grau: Ja das war's und dann kann ich locker bis weit in den Nachmittag ohne Pause dann suchen. Atmo 24 Autor 40: Thomas Grau hängt sich schwungvoll seinen Rucksack auf, die Druckstellen von gestern sind vergessen. Er schnallt das Finderbesteck an den Gürtel, setzt das Basecap auf. Jetzt sieht er wieder aus wie ein Astronaut auf dem eigenen Planeten. Noch ein Blick in den Himmel, zu seinem unzuverlässigen Arbeitgeber, O-Ton 36 Thomas Grau: Das Glück ist immer auf der Seite des Tüchtigen, so... Autor 41: Dann stapft er los, einen Weg, den er noch nicht kennt. Alles ist möglich... Atmo 39 : feste Schritte ENDE 1