COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. DRadio Kultur: Die Reportage Zimmerservice - Undercover im Hotel Autorin: Nadine Wojcik Redaktion: Eberhard Schade Skript: Regie: Atmo Treppenflur, Schritte, div. Geräusche - darüber: Autorin: Ich sitze im Treppenflur eines Hotels. Hier kommt nie ein Gast vorbei, es gibt keinen farbenfrohen Teppich, keine Bilder oder Blumen - stattdessen Sichtbeton und kalten Fußboden. Es ist kurz nach acht Uhr morgens. Mit mir sitzen fünf weitere Frauen auf den Treppen - wir warten auf Georg, den Einweiser. Ich trage eine schwarze Stoffhose, die mir heute früh in die Hand gedrückt worden ist, nicht gerade vorteilhaft geschnitten, außerdem fehlt der Knopf. Dazu ein zerknittertes, weißes T-Shirt. Auf dem rechten Ärmel ist das Logo der Gebäudereinigungsfirma gedruckt, in deren Auftrag ich heute putzen werde. Denn dieses Hotel hier hat keine eigenen Zimmermädchen. Dieses Hotel hier hat eine Firma unter Vertrag, die die Zimmer für sie putzt. Outsourcing. Heutzutage üblich im Hotelbetrieb. Regie: Atmo Treppenflur unterlegen mit diffusen Gemurmel (Archiv), eventuell ein "Guten Morgen" von Sprecher - darüber: Autorin: Georg reißt die Feuertür zum Treppenflur auf. Er hat fünf Klemmbretter unter dem Arm, ruft unsere Namen auf, drückt jeder von uns eines in die Hand. Und hält die Tagesansprache: Regie: Sprecher: So, wir haben heute doch 120 statt 70 Zimmer, Spontan-Buchungen. Das heißt also: Tschakka! Einen Zahn heute zulegen. Aber ihr seid ja genug, zu fünft - und es gibt noch einen Schnuppi. Regie: Atmo Flur - darüber: Autorin: Schnuppi. Das bin ich. Schnuppertag zur Einarbeitung. Der erste von dreien. Unbezahlt versteht sich. Regie: Sprecher: Schön ordentlich. Alles schicki. Ecken. Kanten. Staub wischen. Bettkasten. Im Bad: schrubbi schrubbi, keine Haare auf dem Boden. Flure: tippi toppi. Regie: Atmo Flur - darüber: Autorin: Georg spricht, als ob wir etwas zurückgeblieben wären. Oder er denkt, dass Vera aus Russland oder Aygül aus der Türkei sonst nicht mitkommen. Dabei verstehen sie vom Putzen mehr als er. Regie: Atmo Putzmittel zusammensuchen - darüber: Autorin: Ich, Schnuppi, werde mit Beate zusammen putzen. Beate heißt nicht Beate und Georg nicht Georg. Aber da ich versteckt recherchiere, hier keiner wissen soll, dass ich eigentlich Reporterin bin, darf ich nicht die richtigen Namen nennen und auch keine Aufnahmen machen. Ich erzähle jetzt eine fiktive Geschichte, die der Realität in vielen Hotels in Deutschland sehr nahe kommt. Das weiß ich, ich habe schließlich in mehreren Hotels gearbeitet habe. Beate putzt schon ein paar Jahre für die Gebäudereinigungsfirma und soll mir alles zeigen. Als erstes geht sie unser Klemmbrett durch. Regie: Atmo Fahrstuhl - darüber: Regie: Sprecherin und Reporterin: - 17 Abreisen, 13 Bleiber. - Also 30 Zimmer insgesamt? - Hm. (Pause, Atmo Fahrstuhl) Hast Du das schon mal gemacht? - Nee. - Du bist also ganz neu? - Ja. - Na super. Regie: Atmo Flur mit Putzwagen - darüber: Autorin: Ich muss nicht viel tun, um hier zu putzen zu dürfen. Ein Anruf, das ist alles. Und sofort wird mir die Adresse eines Hotels genannt. Das war gestern. Und heute stehe ich mit einem Putzlappen in der Hand auf Etage vier. Beate finde ich zuerst pampig, unfreundlich. Erst später wird mir klar, warum sie so anfangs so schlecht gelaunt ist. 30 Zimmer mit einer Anfängerin - das ist kaum zu schaffen. Regie: Sprecherin: (klopf klopf) House-Keeping. (Klopf Klopf, Tür wird geöffnet, Schritte). Du machst erstmal die Betten, ich bin im Bad. Abziehen, Neubeziehen. Auf dem Wagen ist das Bettzeug. Regie: Atmo Putzen - darüber: Autorin: Mir fehlt die Übung, das merke ich sofort. Meine Handgriffe sind viel zu kompliziert, ich brauche ewig, um die Bettdecken und Kopfkissen zu beziehen. Die Kür ist definitiv das Laken - kein Spannbetttuch, stattdessen ein gekonntes Umklappen und Strammziehen. Nach gut einer halben Stunde sind wir mit dem ersten Zimmer fertig. Sie, Beate: das Bad. Ich, Schnuppi: Staubwischen, Staubsaugen und die Betten. Nach sechs Zimmern bin ich erledigt, das T-Shirt klebt an meinem Körper, Beate gönnt uns eine Zigarettenpause. Regie: Atmo draußen, Schritte - darüber: Regie: Sprecherin und Reporterin: - Nee, hier nicht. - Wie jetzt? - Hier dürfen wir nicht rauchen. - Und warum? - Is nen Nichtraucher-Hotel. Erst da, hinter dem Strich auf dem Boden da drüben. Und so, dass uns die Anwohner nicht sehen. - Hm. - Hör ma, das muss schneller gehen. - Okay. - Wir haben noch 24 Zimmer und schon halb elf. - Hm. - 20 Minuten pro Zimmer maximal - und zu zweit zehn Minuten. - Hast Du Dir das so ausgerechnet? - Ne - das ist die Vorgabe. - Was für ne Vorgabe? - Na drei Zimmer in der Stunde. - Ich dachte wir kriegen nen Stundenlohn? - Naja, der Stundenlohn wird in Zimmer umgerechnet. - Versteh ich nicht. - Musste auch nicht. - Aber Du bist fest hier? - Hm. - Mit Arbeitsvertrag und allem? - Jaja, klar. Da steht auch drin, 20 Stunden die Woche. Aber ich arbeite 40 - oder mehr. - Das versteh ich nicht. - Musste auch nicht, wie gesagt. Ist halt nen bisschen komisch formuliert. - Und was verdienst Du dann im Monat? - Wenn's gut läuft 800. Schmidtchen, die kommt aber nur auf 500, die ist langsamer. - Und davon kannste leben? - Ach nee, wir kriegen doch noch Geld vom Amt. Regie: Atmo Betten machen - darüber: Autorin: Ab Zimmer 12 sind meine Handgriffe etwas routinierter, Beate ist dadurch etwas entspannter. Wir kommen ins Reden. Und ich erfahre, dass sie jeden Tag mit dem Regionalexpress 45 Minuten pendeln muss - hin und zurück. Über eine Stunde von Tür zu Tür. In dem Beruf, den sie gelernt hat, findet sie keine Anstellung. Stattdessen arbeitet sie seit ihrer Ausbildung als Zimmermädchen, meistens sechs Tage die Woche, ab und zu auch sieben. Und dennoch reicht das Geld nicht hinten und nicht vorne. Beate ist eine sogenannte Aufstockerin. Im Hotel verdient sie - trotz Vollzeitstelle - weniger als das errechnete Existenzminimum. Und bekommt deshalb noch anteilig Hartz 4. Regie: Atmo Schritte außen - darüber: Autorin: In Berlin bin ich mit Peter Hinze von der Gewerkschaft IG Bau verabredet, der zuständigen Gewerkschaft für Gebäudereiniger und damit seiner Ansicht nach auch für Zimmermädchen. Regie: Atmo/OTon IG BAU "Die Journalistin?" "Ja, Herrn Hinze suche ich.", Schritte - darüber: Autorin: Wie kann es sein, dass Frauen wie Beate so wenig Geld in der Reinigungsbranche verdienen, möchte ich von Peter Hinze wissen. Als erstes legt er mir eine Tabelle vor. "Sauberkeit braucht ihre Zeit" steht als Slogan oben drüber. und dann ein Stundenlohn von 8 Euro 82. Regie: OTon Reporterin / Peter Hinze: PH: Das ist der normale Tarifvertrag, und das ist der Mindestlohn der immer gezahlt werden muss. Mindestens. R: Also ich habe mit einer zusammengearbeitet, die arbeitet 40 Stunden die Woche, und verdient 800 Euro, das heißt sie ist angewiesen auf Lohnzusatzleistungen. PH: Sozialhilfe ist das. Grundsicherung zur Grundsicherung. 1028 ist der Betrag, dem jeden Menschen in Deutschland zustehen, das heißt immer wenn ich da drunter verdiene, kriege ich die Grundsicherung dazugezahlt um auf diesen Wert zu kommen. R: Obwohl sie voll arbeitet und fest angestellt ist. PH: Das ist eigentlich undenkbar, wir können es ja mittels Taschenrechner ausrechnen, wenn man 8,82 mal 40 Stunden nimmt... Autorin: Hinze rollt mit seinem Bürostuhl ein Stück zurück, schnappt sich einen Taschenrechner und rechnet vor: Nach gesetzlichen Mindestlohn müsste Beate monatlich nicht 800 Euro sondern über 1000 Euro netto verdienen. Doch das wird trickreich umgangen, da der Mindestlohn nur gezahlt wird, wenn sie eine bestimmte Leistung erbringt. Beate und die anderen Frauen hatten mir ja erzählt, dass der Stundelohn in Zimmer abgerechnet wird. Ist das legal? Regie: OTon Reporterin / Peter Hinze: R: Mir wurde gesagt, der Stundenlohn wird in Zimmer umgerechnet - ist das legal? PH: Nein, das ist völlig unlegal, weil es keine Normative gibt. Ich fange an und ich höre auf und tschüss. Natürlich muss derjenige, der mein Vorarbeiter ist, kalkulieren, aber um den Preis zu drücken, kann ich doch nicht sagen, ihr müsst am Tag 40 Zimmer machen und dann könnt ihr Feierabend machen. Das ist Euer Problem, ob ihr das in 8 Stunden schafft oder nicht. Das ist eine Frechheit. R: Die, die mich eingearbeitet hat, hat mir gesagt, sie hat im Arbeitsvertrag 20 Stunden stehen die Woche, obwohl sie 40 arbeitet, was sind das für Verträge? PH: Wir machen einen Vertrag über 20 Stunden, ich lass sie trotzdem 40 Stunden arbeiten, da freuen sie sich aber, weil sie ja richtig Geld kriegen. Und nun werden sie krank. Und Krankengeld kriegen sie aber nur für 20 Stunden. Und dann gehen sie in den Urlaub, dann zahle ich ihnen das Geld auch nur für 20 Stunden und nicht für 40, weil sie haben ja eine vertragliche Zeit mit mir, was wollen sie eigentlich? Und nun könnten wir sagen: Ahhh, wir haben nur 20 Stunden, dann habe ich ja Überstunden, die müssen ja extra bezahlt werden. Das ist wohl wahr. Aber da müssen sie klagen. Macht die Kollegin das? Sind die denn organisiert in einer Rechtsschutzversicherung? Wissen die das überhaupt, dass das Überstunden sind? Autorin: Genau da liegt das Problem, sagt Hinze. Frauen, die zu diesen Konditionen arbeiten, fühlen sich machtlos, trauen sich noch nicht einmal, einen Stundenzettel mit den tatsächlich gearbeiteten Stunden vom Vorarbeiter unterzeichnen zu lassen. Täglich hat er mit Fällen wie diesem zu tun. In preiswerten Hotelketten genauso wie in Luxushäusern. Regie: Atmo Betten machen - darüber: Autorin: Ich kann nicht mehr. Mein zweiter Tag als Zimmermädchen im Hotel. Ich habe in 28 Zimmern Betten bezogen, also 56 Bettdecken und Kopfkissen. Und einen stechenden Muskelkater in den Oberarmen. Völlig entnervt lasse ich für einen Augenblick Betten Betten sein und starre dumpf aus dem Fenster. Plötzlich steht Georg hinter mir. Ich hatte ihn gar nicht kommen gehört. Regie: Sprecher, Reporterin: - Was ist hier los? - Nichts. - Das sehe ich. Zack zack. Und das Laken muss viel straffer sein. Wie sieht das denn aus? Hat dir das denn keiner gezeigt? - Doch, aber ich kann das noch nicht richtig. Ist ja auch erst mein zweiter Tag. - BEATE! Regie: Atmo - darüber: Autorin: Beate kommt aus dem Bad, Klobürste in der Hand. Georg staucht sie zusammen. Sie soll mir das richtig zeigen. Hat sie doch, denke ich, kriege den Mund aber nicht auf und fühle mich schuldig. Aber Georg ist noch nicht fertig. Er holt seine Liste hervor. Regie: Sprecher: - Zimmer 405: Spiegel nicht ganz sauber, Zimmer 412: noch mal saugen, da sind Krümel hinterm Vorhang. Und wenn ihr hier fertig seid: Ab auf die 2 zu Schmidtchen. Etage fertig machen. Und um 15 Uhr ist hier Feierabend! - Regie: Atmo Staubsaugen - darüber: Autorin: Georg rauscht davon. Ich bin fassungslos. Nicht, weil wir noch mal in zwei Zimmer rein müssen. Das gehört dazu - was aber gar nicht geht: nach 28 fertig geputzten Zimmern auch noch auf einer anderen Etage weitermachen. Lustlos hantiere ich mit dem Staubsauger, ein Riesending, schwer und vor allem schwerfällig. Der Luftfilter versprüht süßliche Duftstoffe, damit die Zimmer sauber riechen. Mir wird von dem Geruch mittlerweile übel. Ich muss dringend was essen. Regie: Reporterin und Specherin: - Beate, ich hab Hunger, ich brauch ne Pause. - Okay, aber beeil Dich. Ich fang schon mal mit 434 an. - Kommste nicht mit? - Nee, ich brauch nichts zu essen. - Du isst nichts den ganzen Tag? - Nicht auf Arbeit. Ich hab ja meine Zigaretten. - Okay. Ich bin gleich wieder da. - Aber nicht abhauen! Regie: Atmo Flur, Schritte - darüber: Autorin: Ich schaue Beate fragend an, da sie nicht klingt, als ob sie Witze macht. Während wir den Flur runtergehen, sie zum nächsten Zimmer, ich zum Fahrstuhl, erzählt sie, wie Schnuppis aber auch Angestellte manchmal wirklich abhauen. Weil ihnen der Job ganz einfach zu stressig, zu anstrengend ist. Und wie sie, Beate, dann alleine da steht mit den ganzen Zimmern. Regie: Atmo Fahrstuhl - darüber: Autorin: Als ich von meiner kurzen Pause zurückkomme, stehen zwei Asiatinnen mit Betttüchern auf dem Arm im Fahrstuhl. Zierliche, kleine Frauen. Auch sie haben schwarze Stoffhosen an, aber andere T-Shirts. Grün. Und mit einem anderen Logo. Ich frage, ob sie auch hier arbeiten. Sie schauen mich nur an, müde - verstehen mich nicht. Regie: Atmo Sprühen - darüber: Autorin: Ich habe ein Geschirrtuch. Für alles. Aus einer unbeschrifteten Flasche sprühe ich es in jedem Zimmer ordentlich ein und wische damit alle Oberflächen ab. Regale, Fernseher, Fensterbretter, Nachttische, Nachttischlampen. Überall liegt eine dünne Staubschicht - obwohl jeden Tag geputzt wird. Georg, der alle Zimmer kontrolliert, würde sofort merken, wenn ich was vergesse. Vom Gewerkschafter Peter Hinze habe ich außerdem gelernt, dass in manchen Verträgen sogar steht, wer nicht richtig putzt, bekommt weniger Geld. Noch weniger. Beate müht sich unterdessen im Bad ab. Wie das Klo zu putzen ist, die Dusche und das Waschbecken, der Spiegel, der Boden gewischt, alle Haare entfernt werden - das wird einem erst gezeigt, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Regie: Reporterin und Sprecherin: - Ich habe vorhin, glaube ich, noch andere Zimmermädchen getroffen. Von ner anderen Firma. - Ja, die sind auf den Etagen 7 bis 11 unterwegs. - Zwei Putzfirmen in ein und demselben Hotel? - Ja, das Hotel hat sich noch nicht entschieden. Ist ja neu. Und probiert halt aus. - Die konnten gar kein deutsch. - Die beschäftigten ja auch fast nur Ausländer. Ich hab auch mal für die gearbeitet. Horror. - Wieso? - Noch mehr Arbeit und noch weniger Geld. Und die verstehen halt alle nix. Aber die sind super schnell. Keine Ahnung, wie die das hinkriegen. Regie: Atmo Schritte - darüber: Autorin: Am nächsten Tag habe ich frei. Zumindest als unbezahlte Putzkraft. Als Reporterin habe ich einen Termin beim Verein Ban Ying. Regie: OTon Reporterin / Prasad: R: Hallo. NP: Guten Tag. Regie: Atmo Raum - darüber: Autorin: Ban Ying ist eine Koordinations- und Beratungsstelle für Frauen aus sogenannten Drittstaaten, also allen Länder außerhalb der Europäischen Union. Die Mitarbeiter helfen Frauen aus der Prostitution oder aus sklavenähnlichen Eheverhältnissen mit deutschen Männern. Haben sie diesen Schritt einmal geschafft, steht die nächste Hürde an: ein Bleiberecht in Deutschland. Nivedita Prasad kennt die prekären Jobs in der Hotelbranche. Seit 15 Jahren berät sie Frauen. Regie: OTon Nivedita Prasad: Alle mit denen wir zu tun haben, die haben alle prekäre Aufenthaltsstati. Das heißt, sie haben alle einen Aufenthaltstatus, der nur verlängert wird, wenn sie genug verdienen. Genug verdienen ist im Grunde die Miete plus so viel wie Hartz 4 plus 10 oder 15 Prozent, das ist ja nicht so wenig Geld, das heißt die Frauen suchen händeringend Jobs und machen irgendetwas, damit sie dieses Geld zusammenkriegen. Regie: Atmo Raum - darüber: Autorin: Also rund 1000 Euro. Dabei fällt Prasad auf: Es gibt Reinigungsfirmen, die vorwiegend Frauen mit befristetem Aufenthaltsstatus anstellen. Noch viel seltener als deutsche Frauen würde sich eine dieser Frauen aus den Philippinen, Äthiopien oder Thailand über den viel zu niedrigen Lohn beschweren - zu groß ist die Angst vor einer Abschiebung. Ich erzähle Prasad, dass in dem Hotel in dem ich gearbeitet habe, die Frauen maximal 500 und 800 Euro verdienen können. Das würde für die Ausländerbehörde aber nicht reichen. Regie: OTon Reporterin/Nivedita Prasad: NP: Das ist nicht der einzige Job, den die Frauen haben, sondern das ist häufig so, dass sie das machen und noch was anderes und das ist ja genau das fiese. Wir hatten eine Klientin, wir haben mal zusammengerechnet, die hat in der Woche 60 Stunden gearbeitet, ohne Mist, 60 Stunden. Und einer ihrer Jobs war in einem Hotel, einfach um irgendwie auf das Geld zu kommen, weil das ist relativ viel Geld was man braucht. Regie: Atmo Putzen - darüber: Autorin: Dritter Tag als Zimmermädchen. Eine Kollegin ist weg. Sie ist nicht zur Arbeit gekommen und wird es wohl auch nicht mehr. Es wird ein langer Tag: Georg ist stinksauer. Wir Übriggebliebenen müssen den unerwarteten Ausfall ausgleichen. Autorin: Wie jeden Tag fangen wir kurz nach acht Uhr morgens an. Viele Gäste sind noch auf ihren Zimmern oder schlafen noch. Ich finde es unangenehm zu klopfen und eventuell zu stören. Aber anders finden wir die schon verlassenen Zimmer nicht. (Klopf Klopf, öffne Tür, Schritte). Glück gehabt. Das Zimmer ist leer. Beate und ich rauschen rein, nach zwei Tagen weiß jeder, was zu tun ist. Auf dem Nachttisch entdecke ich unverhofft vier Euro. Nivedita Prasad erzählte mir, dass viele Frauen noch nicht mal das Trinkgeld behalten dürfen. Die Vorarbeiter manchmal sogar Geld hinlegen, um zu prüfen, ob ihre Angestellten es einstecken. "Trinkgeld" rufe ich und halte Beate das Geld entgegen, die sich freut. Das Geld geht hier also an die Zimmermädchen und nicht an Georg. Beate beharrt darauf, die 4 Euro zu teilen. Ich komme mir wie eine Verräterin vor. Und dennoch: Beates Stundenlohn hat sich auch mit 2 Euro Trinkgeld wesentlich verbessert. Ihre Stimmung schlägt sofort um. Sie ist in Quatsch-Laune. Regie: Sprecherin, Reporterin / Gespräch leise weiter, Autorin drauf - Biste verheiratet? - Nee, aber ich hab nen Freund. - Na, da kannste aber froh sein. Ich bin seit 2 Jahren verheiratet. Nur Ärger. - Wieso? - der konsumiert halt richtig viel und das ist teuer... Autorin: Auch das noch, denke ich. Beate hat doch auf Arbeit nun wirklich genug Stress. Beates Mann ist arbeitslos. Urlaub hat Beate noch nie gemacht. Ihr größter Traum: als Kassiererin arbeiten. Von ihren Problemen erzählt sie mir ganz beiläufig. Für mich sind diese drei Schnuppertage wie ein interaktiver Kinobesuch, ich darf mir die Welt hinter den geputzten Hotellobbys ansehen, in denen auch ich manchmal als Gast sitze. Für Beate ist das hier Alltag und sie hat keine Kraft, auszureißen. Eine andere Möglichkeit, als hier zu arbeiten, sieht sie nicht. Mit 34 Jahren glaubt sie an gar nichts mehr. Regie: Sprecher: - So! Macht es Spaß? Autor: Georg hat sich wieder ins Zimmer geschlichen, ohne dass ich es gemerkt habe. Regie: Sprecher und Reporterin: - Wie sieht es denn am Wochenende aus? Könntest Du jetzt Samstag und Sonntag arbeiten? - Hm, ich hab ja noch nicht mal einen Vertrag? - Jaja, den kriegste dann. - Aber eigentlich sollte ich den heute doch schon unterschreiben. - Ja, der Chef hat's halt vergessen. Autor: Die Firma braucht für dieses Hotel dringend Zimmermädchen. Nach meinen drei Probetagen und vor allem wegen der schlechten Verdienstmöglichkeiten, wundere ich mich nicht, dass die trotz der vielen Arbeitslosen kein Personal findet. Um der unangenehmen Situation zu entkommen, sage ich erstmal zu. Obwohl ich schon jetzt weiß: Morgen früh rufe ich an und sage ab - für immer. Und halse damit Beate und den anderen die Arbeit auf. Ich sitze stattdessen in der Redaktion am Schreibtisch. Regie: Atmo Büro - darüber: Autor: Im Internet finde ich zahllose Dienstleistungsfirmen, die Zimmermädchen für den Hotelbetrieb beschäftigen. Darunter auch 3 B Dienstleistungen, eine große Firma mit rund 3.300 Mitarbeitern. Sie bietet unter anderem Gebäudereinigung, ambulante Pflege und Hotelservice an. Unter dem Link Karriere und Jobs finde ich Stellenangebote für Zimmermädchen. Und da steht es, schwarz auf weiß: "Bezahlt werden Sie nach Leistung, das heißt nach der Anzahl der bearbeiteten Zimmer." Regie: Atmo draußen - darüber: Autorin: Das Bürogebäude ist leicht zu finden, mehrere Fahnen mit dem Firmennamen schmücken die Straßenfront. Daniel Noramann, der Geschäftsführer von 3B, empfängt mich in einem klimatisierten Konferenzzimmer zum Interview. An den Wänden hängen Fotos von Fußball spielenden Jungs aus Afrika. Noraman kommt gleich zur Sache. Regie: OTon Daniel Noraman /Reporterin: Die Entlohnung von Zimmermädchen hat eine rechtliche Komponente, darüber müssen wir uns unterhalten, und auch eine moralische, keine Frage. Die rechtliche Komponente ist so, dass man sich jeden Einzelfall genau anschauen muss. Wir, die 3B Gruppe, unterliegt dem Tarifvertrag der Gebäudereinigung. Im Hotelservice ist das aber was anderes, dort gilt der Mindestlohn nicht. Autorin: Warum will ich wissen. .. Weil die Kriterien sich danach richten, ob über 50 Prozent der Tätigkeiten eine Gebäudereinigung sind oder nicht. In den Fällen die uns bekannt sind, und die wir sehr eingehend analysiert haben, liegt der Anteil unter 50 Prozent. Und daraus ergibt sich, dass der Mindestlohn für Zimmermädchen, die bei uns angestellt sind, nicht gültig ist. R: Darf ich mal kurz fragen, ... das bedeutet, die staubsaugen nicht, die putzen nicht das Bad, die beziehen nicht die Betten, die wischen keinen Staub, die leeren nicht die Mülleimer. DN: Doch das machen sie alles, aber zum Beispiel die Minibar bestücken ist zum Beispiel eine Tätigkeit, die nicht darunter fällt. Also das kann man sehr genau aufdröseln, und das haben wir auch sehr sehr genau getan und aufgeschlüsselt und haben festgestellt, dass der Anteil unter 50 Prozent liegt und das wir aus der rechtlichen Sicht nicht verpflichtet sind, diesen Mindestlohn zu zahlen. Autorin: Die Firma 3 B beschäftigt Zimmermädchen für rund 125 Hotels in Berlin, Leipzig und Dresden. Die Branche ist hart umkämpft, sagt Noraman, der Markt besonders in Berlin sehr angespannt. Gerne würde er gesetzliche Mindestlöhne zahlen. Doch er tut es nicht, weil es diese seiner Ansicht nach für den Hotelservice gar nicht gibt. Der Job eines Zimmermädchens ist anstrengend und hart, da gibt mir der Geschäftsführer des Dienstleisters Recht. Und deswegen hat sich seine Firma - Tarifvertrag hin oder her - verpflichtet, jeder Mitarbeiter bekommt mindestens 7 Euro die Stunde. Das sei doch ein guter Lohn, sagt er und rechnet vor: Regie: OTon Daniel Normann /Reporterin: DN: Wir rechnen mal zusammen. 8 Stunden mal 20,75 Tage im Durchschnitt, dann sind das 175 Stunden mal die 7 Euro, dann sind das 1218 Euro. Brutto. Wenn sie es netto haben wollen, müssen sie ungefähr 30 Prozent abziehen, sind wir bei 800 - R: Also sind wir bei 852. DN: Ja. R: Aber dann müssen die ja zum Amt. DN: Die müssen zum Amt? R: Die müssen aufstocken. DN: Hm. DN: Gut, das weiß ich nicht, ob die zum Amt müssen oder nicht. Regie: Atmo draußen - darüber: Autorin: Die meisten, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, stocken jedenfalls auf. Wieviel - der Betrag variiert je nachdem, wie teuer ihre Miete ist und wie viele Menschen in ihrem Haushalt leben. Als ich das große Bürogebäude verlasse, endet meine Recherche. Ich bin müde, erschöpft, aufgewühlt. Auf dem Weg in die Redaktion komme ich noch an einem Hotel vorbei. Und muss an Beate denken. Sie sitzt jetzt wahrscheinlich gerade im Zug. Nach Hause. Fix und fertig. Vom Betten machen, Bäder putzen. Und - natürlich - vom Mini-Bar einräumen ...