COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Was vom Märchen übrig blieb Der Frauenfußball ein Jahr nach der WM in Deutschland Ein Feature von Katrin Weber-Klüver Manuskript zum Nachspiel vom 13. Mai 2012 Spielkommentar: Japan führt 1:0, Deutschland ist den Tränen nahe, was alle Frauenfußballfans betrifft, das hatte keiner auf der Rechnung... Sprecherin: 9. Juli 2011, Viertelfinale bei der Frauenfußballweltmeisterschaft. Allein in Deutschland sitzen an diesem Abend 17 Millionen Menschen vor dem Fernseher, um die Partie der deutschen gegen die japanische Nationalmannschaft zu verfolgen. Eigentlich soll das Spiel für die amtierenden Weltmeisterinnen nur eine Etappe auf dem Weg zur Titelverteidigung im eigenen Land sein. Doch in der 18. Minute der Verlängerung passiert das Unvorstellbare. Spielkommentar: Tor für Japan, Schock für Deutschland... Sprecherin: Was nach der Männer-WM 2006 ein zweites Sommermärchen werden sollte und zur großen Party unter dem Slogan "20elf von seiner schönsten Seite", endet als sportliches Debakel. Spielkommentar: Aus, Schluss und vorbei, Deutschland ist raus. Sprecherin: Und dann? Wie ist es weitergegangen nach dem Märchen ohne Happy End? Jones: Was jetzt das Frauenfußballleben in der Frauenbundesliga angeht, muss man ganz klar sagen, der sportliche Misserfolg, nenn ich ihn jetzt mal, der war nicht förderlich. Sprecherin: Die ehemalige Nationalspielerin Steffi Jones war Präsidentin des WM- Organisationskomitees. Heute ist sie Direktorin für Frauen-, Mädchen- und Schulfußball beim Deutschen Fußballbund. Kirschneck: Man muss schon sagen, dass die WM sehr wenig Nachhaltigkeit gebracht hat. Sprecherin: Jens Kirschneck, Redakteur des Fußballmagazins 11Freunde und Chefredakteur von dessen Ableger 11Freundinnen. Kirschneck: In Japan kriegt man zum Teil Meldungen über abenteuerliche Zuschauerzahlen, die die da im Moment haben. Die deutsche Liga hat den Zuschauerschnitt auch um 20, 30 Prozent gesteigert, aber das ist alles schon noch im Rahmen einer gewissen Kontinuität. Schröder: Fußball ist, egal ob Männer- oder Frauenfußball ist natürlich eine Sportart, die einfach gestrickt ist, wo die Menschen, sag ich mal, ganz schnell zum Fußball finden, zum Teil auch wieder zurück. Sprecherin: Bernd Schröder ist mit kurzer Unterbrechung seit mehr als vier Jahrzehnten Trainer von Turbine Potsdam, dem amtierenden Deutschen Frauenfußballmeister. Schaaf: Wir haben leider gesehen: Es hat sich nichts bewegt. Sprecherin: Dr. Daniela Schaaf ist Medienwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Schaaf: Dann muss man natürlich sagen: Na ja, es war vielleicht ein Sommermärchen, aber dann vielleicht auch nur eine Eintagsfliege. Sprecherin: Und hatten es nicht alle auch schon vorher gewusst? Nur für diese drei Wochen würde bei Medien, Sponsoren, Öffentlichkeit Interesse aufflammen - allein schon aus Langeweile, weil die Weltmeisterschaft der Frauen in die Sommerpause der Männer fiel. Und danach würde man sehen: alles ein einziges Strohfeuer. Schaaf: Das ist vielleicht auch ein bisschen das Traurige: Von vornherein sind alle davon ausgegangen, es wird ein tolles Event, aber wir können diese Aufmerksamkeit überhaupt nicht dauerhaft in die Bundesliga transportieren. Es war vorher allen klar, es war sicher auch dem DFB klar. Aber leider hat niemand dafür gesorgt, dass es dann doch passiert ist. Hier hätte man vielleicht doch einfach auch von Seiten des DFB stärker für eine Nachhaltigkeit sorgen müssen. Sprecherin: Vor der WM befragte Schaaf Unternehmen zu ihrem Engagement. Die Sponsoren machten keinen Hehl daraus, dass sie ihren Einsatz mit dem Finaltag beenden würden. Die Wissenschaftlerin glaubt jedoch, dass diese Entscheidung bei vielen überdacht worden wäre - hätten die deutschen Frauen ein erfolgreiches Turnier gespielt. Steffi Jones sieht das ähnlich: Jones: Ganz klar, dass Sponsoren nach einer nicht so erfolgreichen WM dann eben auch leicht sagen können, wir fördern den Frauenfußball nicht. Sprecherin: Erfolg, Sponsoren, öffentliche Präsenz - alles bedingt sich gegenseitig. Für hochklassigen Sport muss Geld fließen; und nur wenn Sportler erfolgreich sind, werden sie und ihr Sport von den Medien und dem Publikum wahrgenommen. Diese Aufmerksamkeit wiederum steigert das Interesse der Sponsoren. Und so dreht sich die Spirale immer weiter. Es sei denn, ein Faktor fällt aus: Kein Erfolg, keine Sponsoren, keine Medienpräsenz. So wie die Sponsoren fand denn auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen, es habe nach dem Großeinsatz bei der WM seine Schuldigkeit getan. Schröder: Man merkt das jetzt: Algarve-Cup, es wird nicht übertragen... Sprecherin: Im März 2012 treffen Deutschland und Japan im portugiesischen Faro erneut aufeinander. Der düpierte WM-Gastgeber und der amtierende Weltmeister stehen im Finale des Algarve-Cups. Im Frauenfußball ist dies neben WM und EM das wichtigste Turnier. Bei den Männern wäre diese Chance zur Revanche ein Fest für die Medien. Aber... Schröder: Das ist natürlich immer so ein zweischneidiges Schwert, wenn dort keine Zuschauer sind, keine Atmosphäre ist. Sprecherin: Im Stadion von Faro, das 30.000 Zuschauer fasst, verlieren sich 500 Menschen. Die Partie ist für die Live-Übertragung nach Japan auf den Nachmittag vorverlegt worden, denn dort ist der WM-Hype noch quicklebendig. Schon das Halbfinale verfolgten mehr als 15 Millionen Japaner. Nun sehen sie ein spannendes Endspiel, das Deutschland in letzter Minute 4:3 gewinnt. In Deutschland sieht man davon nichts. Der Spartensender Eurosport hat die Finalübertragung abgesagt, weil parallel Magdalena Neuner bei der Biathlon-Weltmeisterschaft ihr letztes Rennen bestreitet. Neuner ist ein Star, der Zuschauer zieht: sportlich erfolgreich, nette Ausstrahlung, hübsches Mädchen. Kickende Frauen in einem leeren Stadion sind da nur noch zweite Wahl. Vom Sonnendeck der allgemeinen Zuwendung sind die Fußballerinnen auf die Plätze im Schatten zurückgekehrt. Mal überstrahlt sie Biathlon, meist aber: Männerfußball. Das ist die Crux, mit der Frauenfußball leben muss. Alle Aufmerksamkeit bekommt er, weil es um Fußball geht, alle Häme bekommt er, weil es um Fußball geht. Richtiger Fußball ist im allgemeinen Verständnis nach wie vor der Fußball, den Männer spielen. Er ist athletischer, schneller, im Zweifelsfall spektakulärer. Und außerdem ist er durch all seine Geschichten, mögen sie noch so banal sein, durch seine mediale Omnipräsenz und als Merchandising- Maschine allen anderen Sportarten weit enteilt. Gibt es überhaupt etwas, was der Frauenfußball gegen diese Übermacht für sich reklamieren könnte? Ja, sagt Turbine-Trainer Bernd Schröder: Schröder: Wir wollen nicht diese Großspurigkeit an den Tag legen, nicht die Kopie des Männerbereichs zu erreichen, dieses Aufgebauschte, dieses Hochgeschaukelte, dass gewisse Mythen, möchte ich sagen, entwickelt werden, die überhaupt nicht der Realität standhalten. Alscher: Die Frauen spielen meiner Meinung nach einen ästhetischeren und technisch besseren oder technisch guten Fußball, es sind nicht so viele versteckte Fouls. Sprecherin: Auch Ingo Alscher betont die Unterschiede. Der 47 Jahre alte Schichtleiter ist seit Kindertagen Fan des Männerbundesligisten Werder Bremen, seit 15 Jahren besucht er die Spiele von Turbine Potsdam. Alscher: Und dann fällt mir noch was bei den Frauen auf: bei den Frauen wird nicht so viel über Schiedsrichterinnenentscheidungen diskutiert, geflucht und geschimpft wie bei den Männern Und die Rudelbildung, die habe ich bei den Frauen eigentlich auch noch nicht so gesehen, die sind ehrlicher und respektvoller mit den Gegnerinnen. Sprecherin: Wie viele Besucher von Frauenspielen schätzt Alscher außerdem die Stimmung im Stadion: Alscher: Die Atmosphäre untereinander, unter den Fans ist wesentlich angenehmer, familiärer. Es ist bei weitem nicht so gefährlich, nicht so brutal wie bei den Männerfußballspielen. Sprecherin: Wer nun allerdings glaubt, das sei so, weil zum Frauenfußball vor allem Frauen und Familien gehen, der irrt. Bei Turbine Potsdam hat man es untersucht. Bernd Schröder: Schröder: Wir haben ja mal eine Statistik gemacht vor Jahren, die hat sich natürlich im Niveau, sag ich mal gehalten, aber in den Nuancen ein bisschen verändert: Wir haben ein hohes Maß an älteren Leuten. Warum ist das so? Weil die genau wissen, sie können mal ein paar junge Mädels sehen Und sie wissen natürlich, sie haben dort keine Konflikte mit anderen Generationen, dass heißt also, dass irgendwelche Leute Raketen oder was das ist... da hat der Frauenfußball nicht die Basis dafür. Sprecherin: Zwar wächst der Frauenanteil unter den Zuschauern über die Jahre - ebenso wie bei Spielen der Männer. Der typische Frauenfußballfan aber ist nach wie vor männlich. Und selbst eine Minderheit, denn die meisten Fußballfans seines Geschlechts ziehen ein ordentliches Männerspiel mit allem Drumherum vor. Die Medienwissenschaftlerin Daniela Schaaf: Schaaf: Das ist halt die große Diskrepanz zwischen Männer- und Frauenfußball. Den Männerfußball muss man nicht aktiv vermarkten, sondern das ist ein Produkt, das einem aus den Händen gerissen wird. Sprecherin: Frauenfußball muss offensiv vermarktet werden. Die betont auf Sexappeal angelegten Werbekampagnen vor der Weltmeisterschaft immerhin scheinen nachhaltig zu wirken: Sein Image als ulkige Leibesübung von Damen mit viel Körperfülle und wenig Weiblichkeit ist der Frauenfußball endgültig los. Schaaf: Man verbindet Frauenfußball heute durchaus mit weiblichen Spielerinnen, aber dann auch durchaus mit Spielerinnen die sehr feminisiert waren in ihrem äußeren Erscheinungsbild. Wie eben eine Fatmire Bajramaj - die dann leider die Leistung nicht erbracht hat. Wir nennen das den Kurnikowa-Effekt, nach der russischen Tennisspielerin Anna Kurnikowa, die sehr gut aussah, aber leider nie ein bedeutendes Turnier gewonnen hat. Sprecherin: Für Anna Kurnikowa ist ihre titellose Schönheit irgendwann zu einem einträglichen Alleinstellungsmerkmal geworden. Bei den Fußballerinnen hingegen, meint Schaaf, fällt die Schlussfolgerung der Öffentlichkeit anders aus: Schaaf: Na ja, die sehen ja ganz gut aus, aber Fußball spielen können sie nicht. Sprecherin: Es gibt im Frauenfußball hierzulande noch ein besonderes Phänomen: Durch ihre bis zur WM 2011 über Jahre ungebrochene Erfolgsserie bei Welt- und Europameisterschaften hat die Frauennationalmannschaft einen öffentlichen Stellenwert erlangt, der von der Aufmerksamkeit für den Vereinsfußball völlig abgekoppelt ist. Auch nach der so enttäuschenden WM schalten immer noch regelmäßig mehr als zwei Millionen den Fernseher ein, wenn Länderspiele der Frauen übertragen werden. Aber nur wenige Menschen gehen auch zu den Ligaspielen ins Stadion. Atmo: Begrüßung im Stadion: "Liebe Zuschauer..." Sprecherin: Potsdam im Frühjahr 2012. Der Tabellenführer Turbine empfängt den Abstiegskandidaten Bayer Leverkusen. 1500 Menschen sind ins Karl- Liebknecht-Stadion gekommen. Das ist nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Insgesamt ist in dieser Saison der Zuschauerschnitt leicht gestiegen. Hätte der WM-Titel die Zuschauerzahlen weiter hochgetrieben? Alscher: Glaube ich nicht. Der Erfolg hätte da nicht wesentlich mehr Zuschauer gebracht, vielleicht bei den großen Dreien... Sprecherin: Die großen Drei, die Turbine-Fan Alscher erwähnt, sind neben den Potsdamerinnen der 1. FFC Frankfurt und der FCR Duisburg, sie machen seit vielen Jahren die ersten drei Ligaplätze unter sich aus. Was diese Clubs noch eint: sie konzentrieren sich auf Frauenfußball. Aber es tummeln sich in der Liga auch gestandene Clubs aus dem Männerfußball. Alscher: Hin und wieder bricht mal einer ein, wie dieses Jahr Wolfsburg, wie vor einigen Jahren Bayern München.... Sprecherin: Zwar eröffnen diese Vereine mit ihren professionellen Strukturen dem Frauenfußball neue Möglichkeiten. Zugleich aber ist ihr Engagement fragil. Für Clubs aus der Männerbundesliga ist Frauenfußball nur eine Nebenbeschäftigung, nicht Kerngeschäft. Schröder: Der Gedanke, dass diese Vereine Frauenmannschaften gründen, der muss natürlich fundamentiert sein. Finanziell können die das mit links machen aus der Portokasse, nur es muss auch Herz und Leidenschaft dabei sein. Es wird sicherlich so sein, dass sich die Leute, jetzt gerade Wolfsburg, jetzt irgendwas leisten, vielleicht auch mal einen Titel holen, aber es wird nicht kontinuierlich weitergehen. Atmo: Tordurchsage und Gesänge..... Sprecherin: Die Begegnung in Potsdam plätschert vor sich hin, am Ende verliert Turbine überraschend einen Punkt. Wer nicht im Stadion war, wird von diesem Spiel nicht viel erfahren. Anders als erst-, zweit- oder drittklassigen Männerfußball bekommt man Frauenfußball nicht jeden Sonnabend in der ARD-Sportschau frei Haus geliefert. In den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen gibt es überhaupt keine kontinuierliche Berichterstattung aus der Frauen-Bundesliga. Die aber wäre nötig, um die Dramaturgie einer Saison abzubilden und so dem Publikum Vereine und Spielerinnen näher zu bringen. Doch es werden nur gelegentlich Ausschnitte aus Spitzenspielen präsentiert. Das war vor der WM so und ist nach der WM so geblieben. Atmo: Fangesänge Sprecherin: Wenn nun also jemand wissen möchte, wie das Spiel in Potsdam ausgegangen ist, dann findet er Informationen zum Beispiel auf den ARD-Videotextseiten 294 und 295. Es ist eine eigenartige Position zwischen den Textseiten zur Dritten und denen zur Regionalliga der Männer. So, als würde dem erstklassigen Frauenfußball zugestanden, dass er immerhin schon relevanter ist als viertklassiger Männerfußball. Optimistisch könnte man sagen: Der Frauenfußball schummelt sich langsam aber sicher in die große Männerdomäne hinein. Fragt sich: Wie viel Luft nach oben hat er noch? Schaaf: Wenn man diese Sportart weiter professionalisieren möchte, dann braucht man einfach das Geld der Sponsoren. Sprecherin: Daniela Schaf von der Deutschen Sporthochschule: Schaaf: Und das ist nicht eingetroffen in Deutschland. Und insofern wird es sehr schwierig für den Frauenfußball, sich in den nächsten Jahren weiter zu professionalisieren. Es sei denn, die fehlenden Gelder werden vom Dachverband, vom DFB, bezuschusst. Sprecherin: Und genau das passiert. Der Deutsche Fußball-Bund subventioniert die Frauenbundesligavereine mit Mitteln, die er durch die Vermarktung der Männer erwirtschaftet. Im Vorfeld der WM 2011 wurden die Zuwendungen auf 180.000 Euro pro Verein und Saison aufgestockt. Parallel bietet der DFB auf seiner Homepage bewegte Bilder von Frauenbundesligaspielen an. Die Zugriffe auf DFB.TV sind laut Verband nach der WM gestiegen, liegen allerdings bestenfalls im vierstelligen Bereich. Das vom ihm finanzierte Bildmaterial stellt der Verband zudem Fernsehsendern zur Verfügung. So sieht sie aus, die Fußballwirklichkeit: Für seine Übertragungsrechte an der Männerbundesliga zahlt allein der Pay-TV-Sender Sky ab 2013/14 rund eine halbe Milliarde Euro pro Saison, fast doppelt so viel wie derzeit. Zugleich wird die Liga der Frauen auf dem freien Markt als Zugabe feilgeboten. Aus Sicht der Funktionärin Steffi Jones ist das jedoch durchaus vernünftig: Jones: Wieso ist der Frauenfußball denn da, wo er heute ist? Und das liegt ja daran, dass wir von unseren männlichen Kollegen immer mitgetragen wurden. Dass die Spiele live übertragen werden, liegt daran, dass der DFB gesagt hat, wenn ihr die Männerspiele zeigt, dann müsst ihr die Frauenspiele auch zeigen. Das muss man ja mal sehen: zu anderen Frauensportarten, Mannschaftssportarten haben wir schon ein Alleinstellungsmerkmal. Sprecherin: Ein Beispiel: In der abgelaufenen Saison hatten die Bundesligavolleyballerinnen vom Dresdner SC regelmäßig knapp 2000, in der Spitze fast 3000 Zuschauer. Das kommt dem Zuspruch für Turbine Potsdam ziemlich nahe. Doch jenseits ihrer eingeschworenen Fangemeinde finden Mannschaftssportarten wie Volleyball selbst auf Bundesliganiveau kaum öffentliche Resonanz. Von der Lobby, die der Frauenfußball durch den mächtigen und finanzstarken DFB hat, können andere nur träumen. Ende April veröffentliche der DFB seine jährliche Mitgliederstatistik. Die Zahl der weiblichen Mitglieder liegt bei knapp über einer Million, bei den Frauen ist sie um zwei, bei den Mädchen bis 16 Jahren um ein Prozent gestiegen. Wie die Entwicklung verlaufen wäre, hätte Deutschland die WM gewonnen, ist reine Spekulation. Aber dass ein sportlich miserables Turnier keine Sogwirkung erzeugt, liegt auf der Hand. Spielkommentar: .... Tor... "die kann sich so herrlich freuen, die Celia ..... Sprecherin: Celia Okoyino da Mbabi, die zum WM-Auftakt vor über 70.000 Zuschauern in Berlin das 2:0 erzielte, war prädestiniert zum WM-Star. Nach wie vor ist sie prädestiniert zum Vorbild. In jeder Hinsicht. Im Spiel hat sie das Zeug, den Platz der Rekordnationalspielerin Birgit Prinz einzunehmen. Allein in den letzten vier Länderspielen hat die 23jährige Stürmerin 14 Tore erzielt. Und jenseits des Rasens hat sie weit mehr zu bieten als die in den Medien meist mürrisch und verschlossen wirkende Prinz, die nach der WM ihre Karriere beendet hat. Okoyino bringt - ähnlich wie die populäre Biathletin Magdalena Neuner - mit, was als Ergänzung zu sportlicher Klasse wichtig ist, um öffentlich zu wirken: sie ist gescheit, kommunikativ und sieht gut aus. Doch weil das WM-Märchen kein Happy End hatte, steht Okoyino da Mbabi nicht im Rampenlicht. Sie ist ein Star für Insider. Die WM 2011 hat das ohnehin noch dünne Geschichtsbuch des deutschen Frauenfußballs nicht bereichert. Spektakuläre Triumphe auf dem Platz, rührende Heldengeschichten, launige Anekdoten drum herum - vieles ist die deutsche Auswahl schuldig geblieben. Doch erst diese Bausteine machen aus Sport ein Epos, das sich im Bewusstsein des Publikums verankert. Die bekannteste Anekdote aus der Welt der deutschen Frauennationalmannschaft ist immer noch die von den Kaffeeservicen, die die Nationalspielerinnen als Prämie für ihren EM-Gewinn 1989 bekamen. Nur taugt so eine Geschichte eher zum Spott als zum Schwärmen. Männerfußball hingegen ist voller Geschichten auf und jenseits des Platzes. Ohne all seine Mythen, Märchen, magischen Momente gäbe es auch die Erfolgsgeschichte von 11Freunde nicht. In den 90er Jahren als Fanzine aus der Provinz auf den Markt gekommen, ist das selbsterklärte "Magazin für Fußballkultur" heute ein erfolgreiches Mainstream-Produkt. 2009, bereits mit Blick auf die Frauenfußball-WM, begann die Redaktion, ihrem Magazin regelmäßig ein Heft namens 11Freundinnen beizulegen. Was bei der Leserschaft unterschiedliche Reaktionen provozierte. Jens Kirschneck, der 11Freundinnen-Chefredakteur: Kirschneck: Natürlich gab es begeisterte Reaktionen aus der Szene. Aber es gab so ein paar Leute, die das richtig stinkig gemacht hat, einer hat das Heft in 1000 Stücke zerrissen und uns zurückgeschickt und gesagt, was das denn jetzt soll. Das Thema scheint doch noch immer gewisse Aggressionen zu wecken. Sprecherin: Bis zur WM, für die ein Sonderheft auf den Markt gebracht wurde, lief das Unterfangen gut. Dann brachen die Anzeigen ein. Kirschneck: Wenn man dann im Grunde nur noch einen stabilen Anzeigenkunden hat, und wenn man noch weniger als 20 Seiten macht, um es halbwegs kostendeckend zu machen, dann macht man ja kein Heft mehr. In der Druckerei wurde das ja zuletzt schon flapsig "der Flyer" genannt. Sprecherin: Eingestellt ist 11Freundinnen bislang zwar nicht, aber seit Januar ist keine Ausgabe mehr in Angriff genommen worden. Bereits offiziell verabschiedet hat sich hingegen mit seiner Aprilausgabe das vergleichsweise betuliche Frauenfußball Magazin. Auch dem käuflichen Monatsmagazin fehlten Anzeigenkunden, außerdem Abonnenten. Sowohl 11Freundinnen als auch das Frauenfußball Magazin existieren in rudimentärer Form im Internet weiter. In Nachbarschaft zu diversen Blogs zum Thema. Das qualitativ hervorstechende Portal womensoccer.de, vor fünf Jahren gegründet vom Sport-Journalisten Markus Juchem, vervielfachte vor und während der WM seine Zugriffszahlen für kurze Zeit. Im Alltag wächst es kontinuierlich. Doch die 30.000 Besucher, die der Blog beispielsweise im gesamten März 2012 verzeichnete, erreicht ein Angebot wie 11Freunde.de locker an jedem noch so ereignisarmen Tag. Der typische User von womensoccer.de ist zwischen 35 und 44 Jahren alt, gut ausgebildet - und er ist ein Mann. So wie der typische Frauenfußball-Fan im Stadion. Überhaupt ist festzuhalten: Von Ausnahmen abgesehen ist Frauenfußball jenseits des Platzes Männersache. Die Spielerinnen werden von Männern beguckt, von Männern beschrieben, von Männern gemanagt, von Männern trainiert. Nicht jedem Mann gefällt diese tradierte Männermacht, Ingo Alscher, dem Turbine-Fan, zum Beispiel gar nicht: Alscher: Es ist doch die Frage: Können die Frauen das nicht, wollen die Frauen das nicht oder dürfen die Frauen das nicht? Wenn die ihre eigene Sache selbst in die Hand nehmen würden, wenn die ihr Know-how einbringen würden.... Sprecherin: ...das, so ist Alscher überzeugt, würde dem Frauenfußball nur gut tun. Auch die Medienwissenschaftlerin Schaaf hofft auf eine Zukunft unter weiblichem Einfluss: Schaaf: Ein weiterer Grund, warum es sehr schwierig ist für eine Frauensportart, sich überhaupt durchzusetzen, ist die Tatsache, dass die Sportredaktionen komplett männerdominiert sind. Und wenn hier mehr Frauen in Entscheiderpositionen sitzen, werden sie sicher auch vom Männerfußball etwas abrücken und versuchen, anderen Sportarten eine prominente Platzierung zu geben. Sprecherin: Vielleicht hat Daniela Schaaf Recht. Vielleicht aber auch nicht. Markus Juchem, der Macher von womensoccer.de, beobachtet, dass selbst viele Spielerinnen sich in ihrer Freizeit viel lieber der aufregenden Welt des Männerfußballs zuwenden als sich mit ihrem Sport zu befassen. Wenn aber der Frauenfußball sich vom Männerfußball doch nicht lösen kann, sollte er ihm dann nicht einfach konsequent nacheifern, also ein kompletter Profisport werden? Steffi Jones vom DFB: Jones: Also, ich tue mich mit dem Begriff Vollprofitum schwer, weil ich glaube, dass das nicht umzusetzen ist. Das finde ich auch nicht angemessen, weil wir dann uns auf der Stufe mit den männlichen Kollegen sehen würden, die aber Millionen verdienen. Sprecherin: Steffi Jones sieht die beste Lösung darin, dass die Spielerinnen neben ihrem Leistungssport eine Ausbildung machen oder sich weiterbilden, um nach ihrer Karriere eine berufliche Perspektive zu haben. Daniela Schaaf widerspricht: Schaaf: Aber so schafft man natürlich keine Gleichberechtigung im Sport zwischen Männern und Frauen. Weil die Männer sind immer Profis und haben auch die Möglichkeit, ihre nachsportliche Karriere zu sichern. Und die Frauen sind immer Halbprofis, oder Halbamateure, wie man es halt sehen möchte, die sich nicht ganz auf ihren Sport konzentrieren können, sondern nebenbei noch arbeiten müssen, um sich zu finanzieren. Und darunter leidet letztendlich der Sport. Sprecherin: Was das Leiden des Frauenfußballs unter der sportlich missratenen WM betrifft, lässt sich sagen: In Tränen aufgelöst haben sich der Sport und seine Sportlerinnen nicht. Sie sind nur einfach in ihre Nische zurückgekehrt. Bernd Schröder: Womöglich ist das, was der Frauenfußball gut gebrauchen könnte, um auch als Halbschattengewächs neue Triebe zu entwickeln, das was überall gebraucht wird: mehr Frauen. In diesem Falle mehr Frauen, die sich dafür interessieren und engagieren, dass Frauen Fußball spielen. ENDE 1