HINTERGRUND KULTUR UND POLITIK Organisationseinheit 39 Reihe Zeitfragen Kostenträger P.3.1.25.0 Titel Trüffelschweine in Manhattan. New Yorker Literaturscouts auf der Suche nach dem nächsten Bestseller AutorIn Beatrice Faßbender, Ulrich Rüdenauer RedakteurIn Dr. Jörg Plath Sendetermin 29.09.2017 Ton Alexander Brennecke Regie Roman Neumann Besetzung Romanus Fuhrmann, Nadja Schulz-Berlinghoff, Monika Oschek Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig © Deutschlandradio Sprecher Voiceover (weiblich) für Kelly Farber und Maria Campbell Musikakzent The Books: Read, Eat, Sleep Unter die O-Töne. O-Ton 1 Ulrike Ostermeyer [ca. 1.30] (?) Man sagt gerne Trüffelschweine, das ist auch so. Und findet dann für uns auch oftmals Dinge, Texte oder hört von etwas, was wir dann (?) so weit weg gar nicht mitkriegen würden. O-Ton 2 Maria Campbell [9.04] Well, the main difference between an agent and a scout is that an agent sells and a scout doesn?t. So scouts are just a different kind of animal that most people, even in publishing ? I mean it?s gotten to be more popular, I have to say, but I still run into people who, you know, ask me what I do, I try to describe it and then I just give up and say, ?Yes, I?m a translator.? Overvoice weiblich Der entscheidende Unterschied zwischen einem Agenten und einem Scout ist, dass ein Agent etwas verkauft und der Scout nicht. Scouts sind eine Gattung für sich. Der Job ist inzwischen zwar etwas populärer geworden, aber selbst im Verlagswesen werde ich immer wieder mal gefragt, was ich eigentlich mache. Ich versuche es dann zu beschreiben, gebe aber wieder auf und sage: ?Ja, ich bin Übersetzerin.? O-Ton 3 Kelly Farber [ca. 1.15] I decided that I wanted to leave my job and do that instead because it seemed more exciting than the paper I was pushing around at the agency, basically. Overvoice weiblich Dann habe ich beschlossen zu kündigen und das hier zu machen, eigentlich vor allem, weil ich es aufregender fand als meinen Alltag in der Agentur. O-Ton 4 Bettina Schrewe [14.05] Man ist einfach ein bisschen hier und here and there and everywhere und versucht eben, sich das heiße Manuskript of the moment zu ergattern. Musikakzent The Books: Read, Eat, Sleep Kurz stehen lassen, dann unter dem Sprecher-Text raus Sprecher Scouts ? nicht zu verwechseln mit Literaturagenten ? sind die mysteriösesten Wesen des Literaturbetriebs: Sie haben ihre Augen und Ohren überall, sind aber fast unsichtbar. Trüffelschweine werden sie genannt. Oder Spione. Der Begriff Scout bedeutet ?Kundschafter?, ?Beobachter? oder ? etwa im militärischen Bereich ? ?Späher?. Pfadfinder heißen im Englischen Boy Scouts. Aus dem Sport kennt man Scouts ? jeder Profi-Fußballverein hat einen ganzen Stab solcher Talentsucher, die in Stadien und auf Trainingsplätzen vielversprechende Spieler aufspüren sollen. Will man herausfinden, was ein Scout in der Literaturszene macht, fliegt man am besten nach New York, dem Zentrum der amerikanischen Buchwelt. Es ist eine sehr überschaubare Branche: 16 Scouting-Agenturen gibt es in der Stadt, darunter kleinere Unternehmen mit zwei, drei Mitarbeitern und große, weltweit agierende, die zehn und mehr Angestellte haben. Ein Witz, verglichen mit den knapp 600 klassischen Literaturagenturen in New York. Doch man darf diese kleine Scout-Gemeinschaft nicht unterschätzen: Im weltweiten Buchgeschäft spielt sie eine beachtliche Rolle. Atmo Subway-Geräusch ? Downtown Train Sprecher Auch wenn manch kleinerer Verlag, manch kleinere Agentur inzwischen in Brooklyn beheimatet sind, gilt noch immer: Die New Yorker Buchwelt residiert in Manhattan. Wir sind verabredet mit Maria Campbell. Ihre Scouting-Agentur an der südlichen Park Avenue ist eine der größten und wichtigsten. Campbell ist eine charismatische Frau, eloquent, charmant, einnehmend und ausgesprochen heiter. Die Tochter italienischer Einwanderer ist schon lange im Geschäft: 1994 gründete sie Maria Campbell Associates. Inzwischen hat die Agentur zehn Mitarbeiter in New York, zweieinhalb in London und ist weltweit für 21 Verlage sowie für das Online-Filmportal Netflix tätig. O-Ton 5 Maria Campbell [13.54] A scout inhabits a kind of ? it?s a grey area, so that?s why there?s also so much, you know ... not mystique, because that?s glorifying it ... but there are a lot of ?What does a scout do?? Do you sort of walk around like a KGB agent, you know, ?How do you get your information? is what everybody always asks. And you read and you meet people who read and you connect because of books, I mean it?s as simple as that. Overvoice weiblich Ein Scout bewohnt eine Art graue Zone, deswegen ist da soviel ... Mystik wäre falsch, das wäre zu glorifizierend ... aber immer wieder heißt es: ?Was macht ein Scout eigentlich?? Man läuft wie ein KGB-Agent durch die Gegend, und alle fragen: ?Wie kommt ihr an eure Informationen?? Und man liest und trifft sich mit anderen, die auch lesen, und man kommt über die Bücher zusammen. Es ist eigentlich ganz einfach. Sprecher Anders als Agenten werden Scouts nicht prozentual an abgeschlossenen Verträgen beteiligt, sondern erhalten eine feste monatliche Honorarpauschale, in Ausnahmefällen auch eine Erfolgsprämie. Bezahlt werden sie von ausländischen Verlagen, wobei Scouts in der Regel ? um Loyalitätskonflikte zu vermeiden ? pro Land nur einem Verlag zuarbeiten: Im Falle von Maria Campbell ist das S. Fischer in Deutschland, in Italien Mondadori, Bonnier in Schweden usw. Die Lektoren all dieser Verlage hält sie ständig auf dem Laufenden über die neuesten Trends und darüber, was hinter den Kulissen der New Yorker Verlage und Agenturen so vor sich geht. Vor allem aber über neue Bücher ? idealerweise solche, die noch gar nicht erschienen sind. Für Scouts bedeutet das: lesen, lesen, lesen ? und Gutachten schreiben. O-Ton 6 Maria Campbell [11.15] We write reports, we have editorial meetings around this table every Monday, everybody in this office participates, the interns also, everybody writes reports, I read them all, we discuss them and then we assign books for the next week. And then of course, we have a Friday meeting to kind of sort out what is really urgent that we have to really read over the weekend. Overvoice weiblich Wir schreiben Gutachten, jeden Montag finden hier am Tisch Redaktionssitzungen mit allen Mitarbeitern statt, inklusive Praktikanten, alle schreiben Gutachten. Ich lese sie alle, wir diskutieren darüber und dann vergeben wir Bücher für die nächste Woche. Und natürlich treffen wir uns freitags, um zu sehen, was noch dringend übers Wochenende gelesen werden muss. Sprecher Maria Campbell liest selbstverständlich immer am Wochenende ? überhaupt scheint es keinen Moment zu geben, in dem sie kein Buch in den Händen hielte: O-Ton 7 Maria Campbell [22.11] I also can read in moving vehicles, this is another thing I?m very proud of. My husband curses me, but we drive to Connecticut back and forth every weekend and I read all the way there and all the way back, so I have four hours of dedicated reading time. And, which will make you laugh, I have a miner?s light, which is a light that goes on my forehead and in the winter ? but now, I have a Kindle that is a Paperwhite Kindle, so that?s lit ? but before, I would put my miner?s light on, so that I could read in the dark in the car without bothering my husband, because lights would bother his driving (?). Scouts need miner?s lights! Overvoice weiblich Ich kann auch in fahrenden Autos lesen, darauf bin ich sehr stolz, obwohl mein Mann mich dafür verflucht. Jedes Wochenende fahren wir nach Connecticut und zurück, und ich lese auf beiden Strecken, das bedeutet vier Stunden ungestörte Lesezeit. Und, das wird Ihnen gefallen, ich habe eine Grubenlampe, so eine für die Stirn, die ich mir im Winter auf den Kopf setze. Inzwischen habe ich auch einen Kindle, der ist beleuchtet. Aber davor habe ich mir immer die Stirnlampe aufgesetzt, damit ich im Dunkeln lesen konnte, ohne meinen Mann zu stören. Scouts brauchen Grubenlampen! Sprecher Scouts brauchen natürlich noch ein bisschen mehr. Ausdauer beim Lesen ist zwar schon mal nicht schlecht. Humor auch, und eine Grubenlampe sowieso. Was noch? O-Ton 8 Maria Campbell [15.08] Intuition is really good. So I have my left pinky toe that wobbles and whenever it wobbles, I know. I just believe also when you start reading something and you can?t put it down ? that works! That is really a good sign. Then you can go and try to analyze all the reasons why, but that, having read as much, is, I think, always an indicator. Overvoice weiblich Intuition ist gut. Also, bei mir ist es der kleine Zeh am linken Fuß, wenn der wackelt, dann weiß ich Bescheid. Und auch wenn man etwas nicht mehr zur Seite legen kann, ist das ein sehr gutes Zeichen. Dann kann man überlegen, warum und weshalb, aber das ist meiner Erfahrung nach immer ein Indikator. Sprecher Doch erstmal muss man ja an die Manuskripte und Bücher kommen, die es zu prüfen gilt. Und auch an all die anderen interessanten Neuigkeiten, die für die Klienten in aller Welt wichtig sein könnten. Als lesender Eremit kommt man da nicht weiter. Wir bitten Maria Campbell, uns doch mal ihren heutigen Tagesablauf zu schildern ? und kommen schon beim Zuhören ins Schwitzen. Wie eine anständige New Yorkerin beginnt sie den Tag mit einem Workout, dann skypt oder telefoniert sie mit ihren europäischen Verlagen, empfängt uns und trifft anschließend einen Journalisten zum Lunch ... O-Ton 9 Maria Campbell [21.21] ... then I?m going to a literary agent?s office to read something that is confidential. And then I am having a conference call on the run with Netflix. Then I?m having drinks at the Century Club. Yikes! I don?t know what it?s like to think about my day, I think about it, you know, as each thing, but I don?t like to think of it accumulatively, because I think, ?Who?s going to actually do this day, like, do I have a body double?? No, I have a lot of energy, I have fun, I do it ? not every day is quite as packed. Overvoice weiblich Dann gehe ich ins Büro einer Agentur, um etwas Vertrauliches zu lesen. Dann habe ich unterwegs eine Telefonkonferenz mit Netflix. Und dann Drinks im Century Club. Du liebes Bisschen! Eigentlich denke ich nie über meinen Tag nach, immer nur an die einzelnen Dinge. So aneinandergereiht denke ich: ?Wer soll denn diesen Tag schaffen, habe ich vielleicht ein Double?? Nein, ich habe viel Energie, es macht mir Spaß, ich mach alles ? aber nicht jeder Tag ist so voll. Sprecher Maria Campbell steht die Begeisterung für die gesellige Seite ihres Berufs ins Gesicht geschrieben. Zwar sind die goldenen Zeiten vorbei, als die großen Verleger tagtäglich in ihre luxuriösen Stammlokale ? das Union Square Café etwa, das längst umziehen musste ? zum Lunch einluden. Doch ein entscheidender Teil der Arbeit dieser Branche findet immer noch außerhalb der Büros statt. Und wie immer in New York gilt: Die Bar, die gestern noch angesagt war, ist morgen entweder out oder schon wieder geschlossen. Als Nostalgiker ist man hier in der falschen Stadt. Und in der falschen Branche. O-Ton 10 Maria Campbell [16.12] Because you really need to be fast and you need to constantly prioritize, so you thought you were doing something and then something comes up ? the Obamas are writing a book, everything is shifted aside because you need to be covering this breaking news. So that?s time, that?s flexibility. And I consider myself a twelve-year-old, a permanent twelve-year-old, I am curious about everything. Overvoice weiblich Man muss schnell sein und ständig überlegen, was wichtig ist, das heißt, man sitzt gerade an irgendwas, dann passiert etwas anderes ? die Obamas schreiben ein Buch, da wird dann alles zur Seite geschoben, weil man darüber berichten muss. Zeit und Flexibilität spielen eine große Rolle. Und ich selbst bin im Grunde eine ewige Zwölfjährige, ich bin auf alles neugierig. Musikakzent Oval: Textuell Kurz stehen lassen, dann unter die nächsten O-Töne und Sprecher-Texte O-Ton 11 Bettina Schrewe [2.58] Das Allerwichtigste ist, dass man viel Energie hat, dass man neugierig ist, dass man wahnsinnig gut vernetzt ist in New York und dass man einfach nicht viel anderes Leben als Scout drum rum haben kann, weil es wirklich ein 24-Stunden-Job ist. Sprecher Bettina Schrewe gehört ebenfalls zu den alten Hasen der Scouting-Welt. Vor kurzem ist sie ans westliche Ende der 23. Straße umgezogen ? die Miete auf der 5th Avenue war auch für eine gut laufende Agentur nicht mehr zu bezahlen. Wir treffen die energische Deutsche in ihrem wunderschönen Eckbüro mit Blick ins Grüne. O-Ton 12 Bettina Schrewe [4.29] Es ist ein wahnsinnig sensibler Job. Ich sag oftmals, man muss gleichzeitig natürlich einen Background in der Literaturwissenschaft haben, aber auf der anderen Seite muss man fast auch ein Degree in der Psychologie haben, um die Leute zu verstehen. Sprecher Bettina Schrewe kam vor 22 Jahren nach New York. Zunächst schnupperte sie als Praktikantin in die Verlagswelt hinein, war rasch vom New-York-Virus befallen und wollte nicht mehr weg. Da traf es sich, dass ihr ein deutscher Verlag anbot, für ihn in den USA zu scouten ? woraus später ihre eigene Agentur mit vier festen Mitarbeitern entstand. 22 Verlage vertritt sie weltweit, in Deutschland arbeitet sie für Random House, einen Konzern, unter dessen Dach 44 Verlage, sogenannte Imprints, versammelt sind. O-Ton 13 Bettina Schrewe [ca. 5.50] Wir machen alles, also von der Literatur zu kommerziellen Büchern zu historischen Romanen zu Krimis, Thrillern, dann machen wir das gesamte Sachbuch, Memoiren, Biografien, Science, History, sehr viel ?Self Help?, Bücher über Gesundheit, über Diäten, die sehr populär sind. Und dann habe ich eine Kollegin, die macht nur Kinder- und Jugendbuch. Sprecher Auch Bettina Schrewe schildert einen typischen Arbeitstag ? und der ist ähnlich vollgestopft wie der ihrer Kollegin und Konkurrentin Maria Campbell. Vom Frühstück bis zur abendlichen Lesung und dem anschließenden Cocktail ist alles perfekt durchgeplant. O-Ton 14 Bettina Schrewe [3.52] Und dann fragen Sie sich natürlich: Wo bleibt das Lesen? Das kommt dann abends oder ? ich stand gerade mit meiner Kollegin draußen im Flur, und wir haben über ein Manuskript geredet, das wir beide gerade angefangen haben zu lesen und so toll fanden, dass wir jetzt eine Strategie entwickelt haben, wie wir damit umgehen heute. Atmo Subway-Geräusche Sprecher Wir ziehen weiter, von der 23. Straße hinunter in den Financial District von Manhattan, zu Kelly Farber. Wie viele Scouts hat sie in einer Literaturagentur angefangen und Buchrechte in alle Welt verkauft. 2013 wechselte sie die Seiten und machte ihre eigene Scouting-Agentur auf. Mit einer Mitarbeiterin und 12 internationalen Klienten zählt ihr Unternehmen zu den kleineren. O-Ton 15 Kelly Farber [ca. 3.30] I think that is the most value you can bring to scouting, being able to calm people down and be rational about things. Overvoice weiblich Ich glaube, die wertvollste Fähigkeit eines Scouts ist, die Leute zu beruhigen, damit sie rational an die Dinge herangehen. Sprecher Ruhe bewahren und nachdenken ? nicht die schlechteste Devise in einem Geschäft, das gerade um die großen Buchmessen herum ziemlich heiß läuft. Agenten oder nordamerikanische Verlage bieten Auslandslizenzen zu teils absurd hohen Preisen an. Und den einkaufenden Lektoren sitzt ständig die Angst im Nacken, den nächsten Dan Brown, die nächsten ?50 Shades of Grey? zu verpassen. Da hilft ein enges, gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen Scout und Klientin. O-Ton 16 Ulrike Ostermeyer [4.28] Wenn man in so einer Stresssituation ist wie auf der Messe und dann ? ? es gibt nicht jede Messe so ein Messe-Buch, aber es gibt ganz oft so ein Messe-Buch, über das dann irgendwie alle reden und hinter dem alle herrennen wie nichts Gutes. (?) Und wenn man dann praktisch jemanden hat, der das schnell für einen beurteilt und man denkt, ach Gott, da muss ich jetzt nicht auch noch als 50. Verlegerin hinterherrennen, dann ist das natürlich sehr praktisch, dann kann ich mich wieder um andere Sachen kümmern. Sprecher Ulrike Ostermeyer sitzt auf der anderen Seite. Sie ist Verlegerin des Arche Verlags, für den Kelly Farber den nordamerikanischen Markt auskundschaftet. Die beiden kennen sich noch aus Zeiten, als Ostermeyer als Lektorin für den Ullstein Verlag gearbeitet hat. Als sie das Angebot bekam, den Arche Verlag zu leiten, wusste sie, dass sie auf Kelly Farber auf keinen Fall verzichten wollte. O-Ton 17 Ulrike Ostermeyer [ca. 3.00] (?) wir kennen uns so gut und sind so ein eingespieltes Team, dass, wenn sie etwas richtig gut findet und wenn sie etwas gar nicht gut findet, dass ich dann eher dazu tendiere, ihr zu vertrauen. Sprecher Ulrike Ostermeyer und Kelly Farber sind fast täglich in Kontakt. Auch Farber schätzt den Austausch auf Augenhöhe. O-Ton 18 Kelly Farber [ca. 12.50] I think it?s really important to work for people that have a good sense of their own market so that it?s a two way conversation, not a one way conversation. I don?t want ever be forcing books on people and say, you have to do this, you have to do this, it?s the next big thing. I mean, I can certainly give my opinion but I want to get an opinion back and I want to make sure that if they are choosing something for their market that they are confident about it as well, you know. Overvoice weiblich Ich glaube, es ist wirklich wichtig, für Leute zu arbeiten, die ein gutes Gespür für den eigenen Markt haben, damit das Gespräch in beide Richtungen funktioniert, nicht nur in eine. Ich will den Leuten keine Bücher aufdrängen, ihnen sagen, das hier musst du unbedingt machen, das ist das nächste große Ding. Ich kann natürlich meine Meinung sagen, aber ich will auch hören, was der andere meint, und ich will sicher gehen, dass sie etwas für ihren Markt wählen, von dem sie überzeugt sind. O-Ton 19 Ulrike Ostermeyer [ca. 3.00, Fortsetzung letzter O-Ton] Manchmal ist es aber auch so, dass sie sagt, also, ich mochte es nicht, aber guck doch mal rein, da ist schon was dran, vielleicht ist es einfach nicht meins. Sprecher Arche ist ein kleinerer literarischer Verlag mit einem klaren Profil. Das macht es auch für die Scouting-Agentur leichter ? viele Manuskripte kommen von vornherein nicht in Betracht. Ganz anders der Frankfurter S. Fischer Verlag, den Maria Campbell seit einigen Jahren vertritt. Nicht nur, dass Fischer dank seiner Imprints wie Krüger und Scherz über viele verschiedene Programmsparten verfügt. Auch die Konkurrenz um bestimmte angebotene Bücher ist in dieser Liga größer. Und sie ist in den letzten Jahren noch ein bisschen gewachsen, wie Hans-Jürgen Balmes, Programmleiter für den Bereich Internationale Literatur, berichtet: O-Ton 20 Hans-Jürgen Balmes [ca. 4.00] Wenn ich vor 20 Jahren auf ein Buch geboten habe für S. Fischer, dann war ein genaues Roster von fünf anderen deutschen Verlagen da mitbeteiligt: Hanser, KiWi, Rowohlt, der Berlin Verlag und das war?s ungefähr. Und wenn wir heute auf ein Buch bieten, dann gibt?s immer 13, 14 Verlage, die darauf bieten, und dann hat man von dem Piper, den Random House Verlagen, die, die wir eben gerade genannt haben, die im eigentlichen Sinn literarischen Verlage, aber auch Klett-Cotta oder so, also, man hat heute das Gefühl, man ist in einem sehr viel größeren Schwarm auf der Suche nach den immergleichen Büchern. Sprecher Hans-Jürgen Balmes weiß, wovon er spricht. Seit 1987 ist er Lektor, zunächst beim Schweizer Ammann Verlag, seit 1999 bei S. Fischer. Der so freundliche wie umtriebige Balmes ? zu seinen Autoren gehören große Namen wie Arundhati Roy oder die Nobelpreisträger J. M. Coetzee und Alice Munro ? hat die Veränderungen auf dem Buchmarkt über die Jahre genau beobachtet. O-Ton 21 Hans-Jürgen Balmes [Fortsetzung des letzten O-Tons] So dass der Scout, wie er früher war, der genau das Programmprofil eines Verlages beobachtet und genau auf dieses Programmprofil hingearbeitet hat, dieses Programmprofil gar nicht mehr sieht, weil jeder von uns schauen muss, dass er erfolgreiche Stoffe oder erfolgversprechende Stoffe an sich bindet. Und das sind halt immer mehr die gleichen. Sprecher Der Fischer Verlag wird heute zwar von Maria Campbell beraten. Jahrzehntelang aber hatte er sich einen exklusiven Außenposten in Manhattan geleistet. O-Ton 22 Hans-Jürgen Balmes [2.20] (?) in New York war Barbara Perlmutter lange die S.-Fischer-Vertreterin, die auch zum Beispiel deutsche Rechte an amerikanische Verlage verkaufte, also, die war quasi Import-Export. Sprecher Spricht man mit New Yorker Buchleuten, die lange genug im Geschäft sind, über das Thema Literaturscouts, fällt früher oder später der Name Barbara Perlmutter. Und das, obwohl sie über Jahrzehnte hinweg ausschließlich für Fischer tätig war und keinem anderen europäischen Verlag zugearbeitet hat. Oder vielleicht gerade deswegen? In ihrer Sonderstellung konnte Perlmutter ganz anders arbeiten als die heutigen Scouts. O-Ton 23 Hans-Jürgen Balmes [2.20] (...) da ging?s auch vor allen Dingen um Bindung zu Autoren direkt, also, sie hat einen sehr guten Draht gehabt zum Beispiel zu Arthur Miller, was sehr wichtig für den Verlag war, für den Gesamtverlag, aber vor allem für den Theaterverlag. Und sie hat genau gewusst, welcher Lektor im Haus sich für welche Themen interessiert, für welche Temperatur von Texten er sich interessiert und hat die Dinge quasi ganz genau schon vorbereitet für uns. (?) Von Maria Campbell bekommen wir vor jeder Buchmesse so einen kleinen Reader mit 120 Seiten, wo alles Wichtige drin steht ?, bei ihr waren?s eher so Listen, Hinweise, Auszüge, es war also eigentlich eine sehr viel kleinteiligere, aber auch wiederum präzisere Arbeit. Sprecher Barbara Perlmutter wollen wir natürlich kennenlernen. Statt sich mit uns in einem Studio zu verabreden, lädt sie uns zu sich nach Hause ein, in ihre Wohnung gleich am Central Park. Über Eistee und Kuchen erzählt die zierliche Frau, der man mitunter anhört, dass sie den größten Teil ihres Lebens in den USA verbracht hat, von ihrem Leben als Scout für den Fischer Verlag ? und von den Grenzen dieses Berufs. O-Ton 24 Barbara Perlmutter [ca. 11.20] In dem Augenblick richtet man sich auch sehr auf den Geschmack, einzelne Lektoren haben ja sehr starke Eindrücke über Literatur und wissen auch ganz genau, was ihnen nicht gefällt und was ihnen gefällt. Und da muss man sich ja drauf einstellen. Für mich war es nie ein Ziel, nun besonders eifrig meine Meinung rüberzubringen, und wenn mir was gefiel, dann musste ich und hab das auch getan, sehr schnell den Mund halten, wenn das nicht gemocht wurde. Klar. Sprecher Scouts sind vor allem Dienstleister. So wie ein Architekt nicht das eigene Haus entwirft, gestaltet ein Scout eben nicht das eigene Verlagsprogramm, sondern muss sich in seine Klienten hineinversetzen. Maria Campbell, seit 2006 die Nachfolgerin von Barbara Perlmutter bei Fischer, sieht es ähnlich: O-Ton 25 Maria Campbell Scouting in my opinion is a very precise go-between role and if you?re not comfortable in it, then you shouldn?t be doing it and if you really want to claim a book and publish a book, you should go do that. Overvoice weiblich Meiner Meinung nach spielen Scouts eine sehr genau abgesteckte Vermittlerrolle, und wenn man sich damit nicht wohlfühlt, sollte man?s lassen, und wenn man ein Buch unbedingt selbst veröffentlichen will, dann sollte man halt das machen. Sprecher An der Rolle der Scouts hat sich im Laufe der Zeit wenig geändert ? an ihrem Alltag aber sehr viel, dank Internet und Digitalisierung. Davon können alle Scouts ein Lied singen ? ob sie nun länger oder erst seit kurzem im Geschäft sind: O-Ton 26 Kelly Farber [Teil 2, ca. 0.15] So the things that people did to get books and to get them to their clients overseas was that they would have to physically somehow get the manuscript from a publisher, from an editor. Sometimes that meant, you know, showing up, picking it up or taking it or who knows and then, you know, mailing it, physically mailing it to their clients overseas. Overvoice weiblich Was die Leute früher alles angestellt haben, um an ein Buch zu kommen und es ihren Klienten zu schicken ? sie mussten ja von einem Verleger oder Lektor irgendwie das echte, physische Manuskript bekommen. Mitunter hieß das, man musste aufkreuzen, es abholen oder klauen oder Gott weiß was und es dann an die Klienten in Europa verschicken, also physisch verschicken. O-Ton 27 Barbara Perlmutter [ca. 18.00] Ich weiß, dass wir über Monate Bücher versandten, Manuskripte versandten. Und der Aufkleber auf dem Paket hieß: ?Please forward to S. S. Queen Mary?, whatever the ship was. Die Post musste das Paket zu einem gewissen Schiff verladen. (...) Und so haben wir Bücher geschickt, weil wir wussten, dass die am Schnellsten dann ankamen, denn das Schiff brauchte dann eine Woche, aber die Post brauchte drei, vier Wochen. Denn Luftpost war damals gar keine Frage, das war alles viel zu teuer. O-Ton 28 Bettina Schrewe [7.55] Das Leben ist sehr viel schnelllebiger geworden. Als ich anfing vor 22 Jahren, haben wir noch alles per Fax geschickt oder per Post oder per FedEx, und das hat sich natürlich über die Jahre hin geändert. Und dadurch hat sich unser Tagesablauf, aber auch das Lesen und auch die Art und Weise, wie wir mit unseren Klienten zusammenarbeiten, sehr viel verschnellert. Es macht natürlich auch Spaß, aber es ist einfach, es geht so ein bisschen was verloren dadurch auch. O-Ton 29 Hans-Jürgen Balmes [ca. 12.00] Heute ist es so, mit den E-Mails ? innerhalb von wenigen Minuten hat die ganze Welt ein Manuskript, und weil die Lektoren untereinander auch so wahnsinnig verknüpft sind, kann das auch keiner mehr kontrollieren. O-Ton 30 Kelly Farber [ca. 2.55] I think it?s gonna become less about getting the book. Because now getting the book, you know, anybody can get a book, that?s a boring thing to offer people. Now it?s, what else can you do? And why are you different than everybody else, you know, and I think, that has to do with, like, how you advice people, you know, I look at it as like a consulting thing rather than a, like, feeding books to people thing, if that makes sense. Overvoice weiblich Es wird künftig immer weniger darum gehen, an das Buch zu kommen. Jeder kann heute an ein Buch kommen, das ist nichts Besonderes, was wir anzubieten hätten. Jetzt geht?s darum: Und was kannst du noch? Was unterscheidet dich von allen anderen? Und das hat mehr mit Beratung zu tun, für mich geht es da mehr um Beratung, nicht darum, die Leute mit Büchern zu füttern, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sprecher Wenn man sich mit Scouts unterhält, bekommt man nicht nur einen Eindruck von dem rasanten Tempo ihrer Arbeit, von den immensen Veränderungen der letzten Jahre. Man hat auch das Gefühl, dass es sich ? auch wenn eine Agentur mehrere Mitarbeiter hat ? um Einzelkämpfer handelt. Sie müssen eines Wusts an Informationen Herr werden, Wichtiges von Unwichtigem trennen und nicht zuletzt Klatsch und Tratsch richtig einordnen. Im Literaturbetrieb blüht der Gossip, und Gerüchte sind für Scouts eine nicht unwichtige Währung. O-Ton 31 Barbara Perlmutter [41.47] All diese Gespräche drehen sich um Gossip. Und es ist immer sehr, sehr kompliziert zu wissen, wie weit man da tatsächlich mitmacht. (...) Und was man weiß, inwieweit man es weitergibt, spielt damit, wie populär man ist. Das heißt, je mehr man auch Internes, Privates über Leute weiß, desto wertvoller wird man in den Gesprächen, aber desto unangenehmer werden die Gespräche. Und man wird dann reingezogen in Informationen, die man auch gar nicht wissen will. Sprecher Wie ist angesichts dieser durchaus heiklen Mehrfachrolle als Geheimnisträger, Spion und Mittler das Verhältnis von Scouts untereinander? O-Ton 32 Barbara Perlmutter [40.12] Konkurrenz unter den Scouts war immer sehr sehr groß. Obwohl die Beziehungen immer sehr freundschaftlich waren. Auf keinen Fall hat man sich untereinander geholfen, das war absolutes Tabu. Ich hätte nie einen Scout gefragt, hast du davon gehört oder hast du das. Da hätte ich auch nie mir diese Blöße geben wollen, dass man so eine Frage stellt. O-Ton 33 Kelly Farber [13.14] I think classically scouts hated each other, you know, I think it?s very ... that?s the old way again, as like, you know ... Sometimes you go to these parties and you see a bunch of scouts in a room and you can just feel the sort of, like, distain. But I think some of us who haven?t been around this long, we don?t have as much built up animosity or something. I definitely have some friends that are scouts and we found a way through it, and if we all are having dinner, we just don?t talk about work, and that?s okay, because we are friends outside of it. But by no means are we all friends, no way. Overvoice weiblich Früher gehörte es dazu, dass Scouts sich untereinander hassten, das ist die alte Schule. Man geht auf Partys, sieht ein paar Scouts im selben Raum und kann die gegenseitige Verachtung spüren. Aber bei uns Jüngeren gibt es diese jahrelang aufgebauten Spannungen eher nicht. In meinem Freundeskreis sind Scouts, wir können damit umgehen. Wenn wir uns zum Abendessen treffen, sprechen wir einfach nicht über die Arbeit, was okay ist, weil wir auch darüber hinaus befreundet sind. Das heißt aber nicht, dass alle Scouts befreundet wären, absolut nicht. Musikakzent Conjoint: Deta Kurz stehen lassen, dann unter den nächsten Sprecher-Text und O-Töne. Sprecher Das Internet hat die Arbeit eines Scouts nicht nur beschleunigt, auch der Radius ist heute größer als früher ? New Yorker Agenturen suchen nicht mehr nur in den USA nach neuen Büchern, sondern strecken ihre Fühler zunehmend auch in anderen Ländern aus. Ein international bunt zusammengewürfelter Mitarbeiterstab macht es möglich. O-Ton 34 Maria Campbell [31.14] My company, over the years, has become more and more involved in scouting internationally, so we don?t only scout English language books ? we have eight languages between London and New York, so we scout essentially in any language we can read. Overvoice weiblich In den letzten Jahren scouten wir hier in meiner Firma immer internationaler, das heißt, wir suchen nicht nur englische Bücher ... In unseren Büros in New York und London sprechen wir acht Sprachen, wir suchen in allen Sprachen, die wir lesen können. Sprecher Damit spiegelt Maria Campbell im Scouting-Geschäft das, was in der Buchbranche schon seit Jahren zu beobachten ist, wo immer größer werdende Konzerne wie Penguin Random House oder Hachette den Weltmarkt unter sich aufteilen. Und ähnlich wie in den Städten der Welt zunehmend die immergleichen Geschäfte zu finden sind, werden auch die internationalen Bestsellerlisten immer mehr von denselben Titeln dominiert. Musikakzent Conjoint: Deta Nochmal kurz hochfahren, stehen lassen, ausfaden unter dem nächsten Sprecher-Text Sprecher Am Ende ist Scouting eben doch: Business. Es geht ums Geld. Zwar arbeiten Scouts nicht erfolgsabhängig, doch welcher deutsche Verlag würde sich eine Scouting-Agentur leisten, wenn sie nicht ab und zu einen Bestseller erschnüffeln würde? Als Scout wäre man im falschen Job, wenn man das als Druck und nicht als Ansporn empfinden würde. Und doch vermittelt keiner der New Yorker Scouts den Eindruck, das berufliche Glück hinge allein von Verkaufszahlen ab. O-Ton 36 Maria Campbell [27.06] So for me scouting has also been a constant education. I mean, that?s also one of the great benefits for anyone in publishing, it?s ... you know a lot about ... you know a little about a lot of things, let?s put it that way. And with scouting I just was introduced to all these countries, I mean, my ability to work for my clients was based on their ability to teach me about their country and culture. So that?s also why I have a long client list because I?m curious. I guess, I have a low threshold of boredom and sleep isn?t that necessary. Overvoice weiblich Für mich ist Scouting immer auch ständige Fortbildung gewesen. Das ist ja einer der großen Vorteile für alle, die in der Verlagsbranche arbeiten, man weiß viel über ... man weiß ein bisschen über viele Dinge, sagen wir mal so. Und als Scout habe ich all diese Länder kennengelernt, ich meine, meine Fähigkeit, für meine Klienten zu arbeiten, basiert ja auf deren Fähigkeit, mir ihre Länder und Kulturen näherzubringen. Meine vielen Klienten verdanke ich meiner Neugier. Ich bin wohl schnell gelangweilt, und Schlaf ist nicht so wichtig. Sprecher Viel Arbeit, wenig Schlaf, viele Menschen, viele Bücher ? das kennen alle, die in der Buchbranche arbeiten. Bei den New Yorker Scouts aber wirkt alles noch eine Spur intensiver, nervöser, schneller. Eines jedenfalls kennen Scouts sicherlich nicht: Eintönigkeit. O-Ton 37 Bettina Schrewe Nach 22 Jahren, ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal einen langweiligen Tag hatte. Natürlich gab es x Manuskripte, die ich grauenvoll fand, aber jeder Tag bringt was Neues und neue Bücher, neue Autoren und auch neue Klienten, wenn dann mal jemand weggeht. Musikakzent Conjoint: Deta 2 Hintergrund Kultur und Politik Literaturredaktion T +49 30 8503 0 hoererservice@deutschlandradio.de Hans-Rosenthal-Platz, 10825 Berlin T +49 30 8503-0 deutschlandradio.de Deutschlandradio K. d. ö. R., gesetzlicher Vertreter ist der Intendant. Deutschlandradio kann auch von zwei vom Intendanten bevollmächtigten Personen gemeinsam rechtsverbindlich vertreten werden. Auskünfte über das Bestehen und den Umfang der Vollmachten erteilt der Justiziar. Gerichtsstand: Köln