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Ich sehe zwar lieber Frauenhandball als Männerhandball, aber für mich ist Sport das Wichtigste. Frauenfußball ist genau so wenig bekannt wie Frauenhandball. Irgendwo sind die Männer im Vordergrund, leider." (0'26) Take 2: (Zuschauerin 2) "Das hohe Tempo, die ausgefeilte Technik und auch das Körperbetonte - die Mischung macht's. Und man kann als Zuschauer eigentlich 60 Minuten lang schauen. Wenn Sie zu anderen Sportveranstaltungen gehen, sehen Sie mal Läufer an sich vorbeilaufen. Sie sind nicht so in dem Geschehen mit und außerdem können Sie den Spielstand jederzeit gut verfolgen. Das macht es auch so mitreißend und interessant für Zuschauer. Man ist im Spiel dabei. "(0'24) Sprecherin: Iris Nagel, deren Tochter Juliane seit mehr als zehn Jahren beim Handballclub Leipzig spielt. Sie kennt die Vorurteile, denen Frauen im Handball begegnen: langweilig, nicht dynamisch, nicht athletisch. Diese Vorurteile kommen von Leuten, die noch nie in einer Halle waren, sagt die kundige Zuschauerin. Auch Frauen spielen in der Bundesliga Handball auf hohem Niveau: Take 3: (Iris Nagel) "Die trainieren genauso hart und zeigen auf ihre Art und Weise eine Leistung, die vielleicht nicht mit dem Stil und der Härte der Männer vergleichbar ist, aber auf ihre Art und Weise eine andere Faszination aussendet. Ich finde, dass gerade bei Frauen die Technik überwiegt, dass Frauen sehr viel technischer spielen, einfach weil vielleicht dort und da die Kraftreserve nicht da ist. Aber es ist genauso ansehenswert, es ist sehr temporeich, unwahrscheinlich schneller Handball und das macht es gerade so spannend. Wenn alles nur gleich wäre, dann könnten ja Frauen und Männer auch in einer Liga spielen. Ich meine, es gibt Unterschiede, die muss man respektieren. Trotzdem ist das eine nicht schlechter oder unschöner anzusehen als das andere. Wir haben auch schon Männerspiele gesehen. Da muss ich sagen, da geht es oftmals sehr viel über die Kraft. Das ist das, was mich zum Beispiel dann über 60 Minuten manchmal auch langweilt, wenn es dann nur noch die blanke Kraft ist. Dann sage ich: Na gut, das ist dann auch nicht so ansehenswert - für mich nicht." (0'56) Sprecherin: Seit Ende der 60er Jahre spielen Frauen in der Bundesliga um die deutsche Meisterschaft, seit 1985 gibt es eine eingleisige Liga, zuvor traten die Mannschaften in einer Nord- und einer Südstaffel an. In der DDR wurde die Meisterschaft in einer Oberliga ausgespielt. Rekordmeister der DDR ist der Sportclub Leipzig mit 15 Titeln, letzter DDR- Meister wurde 1989 der Sportclub Empor Rostock. Die Nationalmannschaft der DDR gehörte in den 70er-Jahren zu den erfolgreichsten Frauenauswahlteams der Welt und wurde dreimal Weltmeister. Das gelang 1993 erstmals auch einer gesamtdeutschen Mannschaft. An diesen großen Erfolg konnte seitdem kein Auswahlteam mehr anknüpfen, zuletzt gelang ein dritter Platz bei der Weltmeisterschaft 2007. In der Bundesliga wurde 2009 zum fünftenmal seit 1998 der Handballclub Leipzig deutscher Meister. In Leipzig stimmt das Umfeld für die Handballfrauen: Ein professionelles Management. Eine moderne Trainings- und Spielhalle unweit des Stadtzentrums. Punkt-, Pokal- und europäische Cup-Spiele haben Event-Charakter. Der Club gilt mittlerweile als Maßstab in der 1. Bundesliga und auch als ein Aushängeschild des Sports in Mitteldeutschland. Manche nennen ihn den FC Bayern im Handball der Frauen. Manager Kay-Sven Hähner freut das natürlich: Take 4 a: (Kay-Sven Hähner) "Das ist schon ein Kompliment. Auch bei den Bayern ist das so - die kann man leiden oder nicht leiden, seit Jahren machen die es am besten. Und da kann man den Hoeneß blöd finden, die sind einfach am besten. Auch wenn sie nicht jedes Jahr Meister werden, aber die setzen die Maßstäbe. Die haben natürlich dann auch eine Menge Druck. Den haben wir auch von ringsum. Den machen wir uns aber auch selber, das heißt, der Anspruch ist sehr, sehr hoch. Der Anspruch, national oben mitzuspielen, ist immer da. (0'21) Sprecherin: Hähner ist seit 12 Jahren beim Club. Er hat früher selbst Handball gespielt, kennt die dummen Sprüche, die über Frauensport generell gemacht werden. Vorzugsweise waren es in der Vergangenheit die Fußballerinnen, über die männliche Kollegen sogar öffentlich lästerten. Auch die Leipzigerinnen mussten sich erst bei Zuschauern, Medien und Sponsoren durchsetzen - Hähner spricht von "harter Arbeit", die zu leisten war, um jetzt in jeder Hinsicht ganz oben zu stehen. Er glaubt, dass sein Club Vergleiche mit dem Männerhandball nicht zu scheuen braucht: Take 4 b: (Hähner) "Was die Struktur betrifft und die Arbeitsweise sind Minimum zehn Vereine in der Männer-Bundesliga hinter uns. Das können wir ganz selbstbewusst auch sagen und das wissen wir auch, dass es so ist. Wir brauchen uns nicht vergleichen mit Mannschaften wie Kiel, etc. pp." (0'12) Sprecherin: Aus Sicht des Leipziger Managers arbeiten viele Vereine in der Bundesliga der Frauen noch nicht professionell genug. Strukturen für den Frauenhandball seien nicht vorhanden und würden auch nicht aufgebaut. Für ihn ist das eine der Ursachen dafür, dass dieser Sport in der Öffentlichkeit nur unzureichend wahrgenommen wird: Take 5a: (Kay-Sven Hähner) "Das Entscheidende bei den Clubs ist, sie müssen ihre Strukturen professionalisieren - nicht mehr im Nebenamt das Ganze irgendwie nach Feierabend machen, also in den Führungspositionen, und ihre Hallen tauglich machen. Buxtehude kann toll spielen, wie sie wollen. Niemals wird dort eine Fernsehübertragung stattfinden, weil es nicht möglich ist in dieser Hallenstruktur." Sprecherin: Dagegen hätten Vereine wie zum Beispiel Rhein-Main Bienen, die in Aschaffenburg spielen, oder auch Trier, Frankfurt/Oder und Oldenburg mittlerweile den Mut gehabt, in größere Hallen zu gehen und das würde von den Zuschauern auch angenommen: Take 5b: (Hähner) "Ich würde mir wünschen, dass viele, viele Vereine also auch den Weg einfach gehen und da mehr Hauptamtlichkeit einführen. Wir sind auf keinem schlechten Weg: Vor zehn Jahren waren ja gerade mal zwei Trainer hauptamtlich, jetzt ist es so, ein oder zwei sind nicht hauptamtlich. Das heißt, es hat sich schon gedreht und wir kommen auch dazu, dass die Strukturen sich in der Führung, also im Management, verändern in Richtung Hauptamtlichkeit. Und das ist ein Weg. Es dauert ein bisschen länger. Der Zug rollt, er rollt vielleicht ein bisschen langsamer als bei anderen. Aber ich denke, die Kollegen der Männer, alles kann man dort auch nicht abgucken. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Und die Kollegen mit ihren Schiedsrichtern haben im Moment gerade genügend zu tun." Sprecherin: Zu den Stützen des deutschen Meisters gehören zwei Nationalspielerinnen: Katja Schülke im Tor und Rückraumspielerin Susann Müller. Für beide ist ganz klar, warum sie in Leipzig Handball spielen. Katja Schülke, zuvor beim Handballclub Frankfurt/Oder: Take 6: (Katja Schülke) "Man muss eindeutig sagen, dass das Umfeld hier weitaus besser ist, viel professioneller. Wir haben eine sehr gute medizinische Abteilung. Ich fühle mich wohl. Und gerade diese Professionalität macht es einem Sportler einfacher, seine Leistung zu bringen. National natürlich wollen wir immer oben mitspielen; ich glaube, da gibt es für den Verein auch gar keine anderen Ziele außer die deutsche Meisterschaft. Dieses Jahr haben wir auch international schon ganz gut angeknüpft, wir waren im Finale. Auch das wollen wir versuchen, im nächsten Jahr zu wiederholen. Für mich persönlich geht der Blick auch so ein bisschen auf London 2012. Bis dahin gibt es noch WM, EM - da muss ich einfach gucken, ob ich dabei bin. Wenn ich dabei bin, möchte ich natürlich meinen Teil dazu beitragen." (0'38) Sprecherin: Und auch die von anderen Clubs begehrte Junioren-Weltmeisterin Susann Müller, ein Eigengewächs des Clubs, bleibt zunächst bis 2011 in der Messestadt: Take 7: (Susann Müller) "Ich bin noch eine ziemlich junge Spielerin und ich habe dem Verein viel zu verdanken und ich möchte auch noch viel erreichen. Man bekommt einfach alles hier und man kann sich, wie Katja schon gesagt hat, auf das Sportliche konzentrieren und das ist einfach super."(0'14) Sprecherin: Doch Manager Hähner weiß auch, dass es Spielerinnen in die beste Liga der Welt, nach Dänemark, zieht. Die Däninnen haben in den 90er Jahren mit großen Erfolgen die Weltspitze im Frauenhandball erkämpft. Daraus hat sich eine Liga entwickelt, die auch für ausländische Spielerinnen attraktiv geworden ist. Zum einen, weil dort viel Geld für sie gezahlt wird. Zum anderen aber auch, weil sich die Handballerinnen dort an jedem Wochenende mit den Weltbesten messen können. Und das ist für jede ehrgeizige Spielerin das Ziel. Auch deutsche Nationalspielerinnen wie die wurfgewaltige Linkshänderin Grit Jurack, übrigens eine Leipzigerin, und Anja Althaus spielen in Dänemark, beide beim Vibork HK. Der Club holte 2009 wie bereits 2006 den Champions-League-Pokal, von dem die Leipzigerinnen noch träumen: Take 8: (Kay-Sven Hähner) "Wenn irgendwann die dänischen Kollegen das Geld auspacken, dann können wir nicht mithalten. Da sind wir einfach Opfer des Steuersystems in Deutschland, weil einfach das System anders läuft. Ich sage mal, eine Spielerin denkt nicht nach, welche Rentenansprüche sie erwirbt, sondern denkt nach, was habe ich jetzt auf der Hand. Wenn man die Chance hat, ein richtig tolles Angebot von einem dänischen Verein zu haben, wo richtig viel Geld im Spiel ist, dann kann man das auch mal tun. Wenn es ins Wettbieten geht, dann können wir oft nicht mithalten, das macht auch keinen Sinn. Wir werden unsere Existenz deswegen nicht aufs Spiel setzen. Wir versuchen, alles ringsum so klar zu machen, dass sie sich wirklich auf den Sport konzentrieren können und auf eine Ausbildung oder ein Studium." (0'35) Sprecherin: Der Handballclub Leipzig ist unbestritten der Branchenführer. Er hat sich weit über die Region hinaus seinen Platz erkämpft. Doch das Beispiel Leipzig darf nicht über die tatsächliche Präsenz des Frauenhandballs in der Öffentlichkeit täuschen. In den überregionalen Medien, selbst in der Fachpresse, findet dieser Sport so gut wie nicht statt. Und das, obwohl Experten von einem, international gesehen, gehobenen durchschnittlichen Niveau der Bundesliga sprechen. So stand beispielsweise der Tabellenvorletzte, der Thüringer Handballclub, in dieser Saison in einem europäischen Cup-Finale. Alfons Madeja, Professor für Betriebswirtschaft und Sportmanagement an der Fachhochschule Heilbronn, nennt Gründe für das Schattendasein des deutschen Frauenhandballs, das für ihn zum großen Teil hausgemacht ist: Take 9: (Prof. Madeja) "Ein Modell im Sport ist dann erfolgreich, wenn es den drei Ks sich unterliegt: Das 3-K-Modell, welches ich entwickelt habe, sagt folgendes: Es muss ein Konzept vorhanden sein, das zweite K die Kompetenz der handelnden Personen, die dieses Konzept umsetzen und dann wird man das dritte K bekommen - Kapital. Das muss zusammenwirken. Und was mir fehlt, ist das Thema Konzept und auch stellenweise die Kompetenz der handelnden Personen. Das ist die Grundvoraussetzung. Ich bin aber überzeugt, dass man jede Sportart entsprechend attraktiv darstellen kann. Lasst doch die Besucher kommen, weil dort ein tolles Rahmenprogramm geboten ist, weil dort eine gesellschaftliche Präsenz ist im Bereich auch Kultur. Man muss hier Vernetzungen schaffen. Und dann wird man eben die Zielgruppen gewinnen und irgendwann gefällt denen dann auch der Handballfrauensport." (0'55) Sprecherin: Wie der Manager der Leipziger Handballfrauen fordert Madeja von den Vereinen vor allem, professioneller zu werden. Man könne nicht mit ehrenamtlichen Kräften einen Verein professionell führen. Vielen fehle ein Konzept. Zu diesem gehöre, sich sehr konkret, am besten wissenschaftlich, mit der Frage der Zielgruppen zu beschäftigen. So gehen aus Sicht von Madeja beispielsweise noch viel zu wenig Frauen zu einem Handballspiel. Sportarten wie Biathlon, Beachvolleyball, Alpinski, Rodeln, Feldhockey, Boxen und Fußball sei es im Gegensatz zum Frauenhandball auch bereits gelungen, sich nicht immer mit dem Männersport zu vergleichen, weil sie ein eigenes Profil entwickelt hätten: Take 10: (Prof. Madeja) "Man muss sich fragen, welche Zielgruppen kann ich gewinnen, die auch attraktiv für Unternehmen sind. Frauenhandball ist wie jede andere Sportart geeignet für die Vermarktung von Frauenprodukten. Das zweite, der eigene Eventcharakter. Soll Frauenhandball familienfreundlich sein, soll es geeignet sein für Studenten, für Schüler. Hier muss viel mehr gearbeitet werden; nicht nach dem Motto: Wir wollen jeden erreichen. Sondern ganz gezielte Vorgehensweise. Hier wäre die Voraussetzung eine saubere Analyse anhand von Befragungen derzeitiger und potenzieller Besucher. Hier gibt es Instrumente am Markt: Denken Sie an das von mir entwickelte Bundesliga-Barometer, auch das Handball-Barometer, Eishockey-Barometer. Da können die Kunden Auskunft darüber geben, wann sie zu einer Veranstaltung kommen, unter welchen Voraussetzungen." (0'46) Sprecherin: Anders als im Fußball werden die Vereine der Frauen-Handball-Bundesliga vom Verband nicht ausreichend gefördert, sagte der Sportmarkt-Experte. Hier sei ein Umdenken der Verantwortlichen dringend erforderlich: Take 11: (Prof. Madeja) "Mir kommt es so vor, als ob der Frauenhandball leider sehr stark allein gelassen wird. Und dann kämpft er wirklich in Verzweiflung regional und dann kann er es nicht schaffen. Die Bekanntheit einer Sportart fängt immer zentral an. Impulse müssen vom Verband selbst kommen. Das heißt, der Verband selbst muss seine Qualifikation im Rahmen einer Gesamtvermarktungsstrategie zeigen. Er darf die Vereine nicht allein lassen. Der einzelne Verein, der kann den Frauenhandball nicht bekannt machen, er kann ihn nicht attraktiv für Medien machen. Das muss letztendlich der Verband." (0'34) Sprecherin: In Berlin dominieren die Fußballer von Hertha BSC, die Basketballer von ALBA und die Eishockeyspieler der "Eisbären" den Sportmarkt. In einigen Jahren soll auch der Frauenhandball wieder erstklassig werden. Das wollen zumindest Trainer und Manager der BVB Füchse Berlin. Die fusionierte West-Ost Spielgemeinschaft geht in der kommenden Saison als "Spreefüxxe" zunächst in der zweiten Bundesliga an den Start. Ziel ist der Aufstieg in die erste Liga, in der bereits die Männer der Füchse Berlin spielen, sagt Manager Uwe Thalke: Take 12: (Uwe Thalke) "Jetzt gibt es einen Großberliner Verein mit Zielen und daran wollen wir jetzt arbeiten, dass wir wirklich eine Erstliga-Mannschaft versuchen nach Berlin zu bringen und zu etablieren dann später. Um einfach wirklich auch attraktiv zu werden für den deutschen Frauenhandball, für Spielerinnen. Dass wir wirklich Spielerinnen auch begeistern können, nach Berlin zu kommen und den Zuschauern hier wirklich hochwertigen qualitativen Frauenhandball bieten zu können. Womit man natürlich automatisch mehr Zuschauer in die Halle bekommt. Wir konnten letztes Jahr unser Potenzial auch steigern, weil die Zuschauer gemerkt haben, da wird attraktiver Angriffshandball, schneller Handball gespielt. Und das wollen wir jetzt eigentlich auch wiederum erreichen. Natürlich muss das Ziel sein, wie gesagt, 1. Liga, und dementsprechend natürlich den Zuschauerstamm hier auszubauen. Dass wir vielleicht wirklich mal auf 2-3-4000 Zuschauer kommen im Schnitt, die sich dafür begeistern." (0'49) Sprecherin: Das hofft natürlich auch Trainer Edgar Fahrenwald, der 2009 die Füchse-Frauen zum Regionalliga-Meister machte: Take 13: (Edgar Fahrenwald) "Man muss auch sagen, dass solch eine Bundesligamannschaft, die zweite auch, die erste natürlich noch mehr, eine Vorbildfunktion hat für Jugendliche. Dass sie wieder Handball spielen, dass sie wieder Sport treiben. Was auch ganz wichtig ist, dass Jugendliche in unserer Zeit mehr Sport treiben. Dass man lernt, mit Niederlagen und mit Siegen umzugehen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für die Entwicklung von Persönlichkeiten. Ich persönlich finde Handball eben so interessant, weil es auch ein körperliches Spiel ist, weil es technisch sehr hochklassig ist und man dort immer noch einen Torwart überwinden muss." (0'34) Sprecherin: Insgesamt sieht der Trainer der "Spreefüxxe" den deutschen Frauenhandball gut aufgestellt und traut auch der Nationalmannschaft noch einiges zu: Take 14: (Fahrenwald) "In der ersten Bundesliga, die können sich international ganz gut halten. Sie werden keinen internationalen Titel erringen, aber da spielen sie ganz gut mit. Ich glaube, dass da noch mehr möglich wäre. Mich würde es natürlich freuen, wenn mehr deutsche Spielerinnen eine Rolle spielen würden, so dass auch wieder die Nationalmannschaft noch stärker wird, als sie jetzt ist. Die Ausbildung muss besser werden, die Trainingsintensität im Jugendbereich. Das ist das Entscheidende." (0'30) Sprecherin: Die gleiche Position vertritt auch der Trainer des Bundesligisten Buxtehuder SV, Dirk Leun. 2008 führte er die deutschen Juniorinnen zum Weltmeistertitel. 2009 schaffte er es, die Buxtehuder Frauen mit einer jungen Mannschaft in der Bundesliga auf den dritten Platz zu bringen: Take 15: (Dirk Leun) "Deutschland hat die meisten und talentiertesten Nachwuchsspielerinnen der Welt. Das Becken an Spielerinnen, die in Deutschland zur Verfügung stehen, ist wesentlich größer oder gefüllter als das, was Dänemark hat oder Norwegen, was die Zahl angeht. Unser Problem in Deutschland ist, dass wir kaum Strukturen haben, um diese Spielerinnen professionell auszubilden und da müssen wir Wege finden, dies an jedem einzelnen Standort und dann flächendeckend über Deutschland zu gewährleisten, dass die Qualität an den Standorten einigermaßen sich annähert. Da hat der Dachverband, Deutscher Handball Bund, eine wichtige Funktion als Strukturengeber. Das heißt, von der Nationalmannschaftsebene aus müssen klare Strukturen und klare Inhalte vorgegeben werden, wie sich der Handball enwickeln soll, wie Nachwuchsspielerinnen ausgebildet werden müssen schwerpunktmäßig. Dieser rote Faden ist im Moment noch nicht vorhanden. Aber ich bin eigentlich sehr großer Hoffnung, dass der neue Bundestrainer Rainer Osmann und seine Mitarbeiter dort den roten Faden legen." (0'74) Sprecherin: Für Buxtehude hat der erfolgreiche Coach einen sicheren Job als Landestrainer in Hessen aufgegeben. In der norddeutschen Kleinstadt mit ihren 35.000 Einwohnern findet er gute Rahmenbedingungen für seine Arbeit, sagt Leun. Seit 20 Jahren spielt der Buxtehuder SV ununterbrochen in der 1. Bundesliga, steht auf einem soliden wirtschaftlichen Fundament. Für den Handball gibt es ein großes Einzugsgebiet und die Chance, mit jungen Spielerinnen zu arbeiten: Take 16: (Dirk Leun) "Ich denke, dass Frauen in den letzten Jahren athletisch sehr viel zugelegt haben. Dass Frauen einen technisch sehr ansehenswerten Handball bieten können. Dass sie alle weiblichen Qualitäten wie Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit in die Waagschale werfen. Und das macht Frauenhandball für mich attraktiv. Frauen sind auch als Team gut zu formen. Wenn man sie entsprechend führt, können sie als sehr, sehr eingeschworene Einheit funktionieren. Das begeistert mich bei Frauen." (0'33) Sprecherin: In Buxtehude steht eine gesamte Stadt hinter der Frauen-Handballmannschaft. Mehr als 150 Unternehmen und Einzelpersonen fördern den Verein, 88 Prozent aller Einnahmen kommen aus Werbung und Sponsoring, 12 Prozent aus den Zuschauereinnahmen. Lohnnebenkosten, Berufsgenossenschaft, medizinische Betreuung, die Ausrüstung, die Reisen zu den Auswärtsspielen kosten eine Menge Geld. Manager Peter Prior, seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich in dem Job, weiß die Treue der Sponsoren zu schätzen, ohne die es in der Stadt keine Handball-Frauen geben würde: Take 17: (Peter Prior) "Wir haben hier zum Beispiel eine der weltgrößten Reedereien in Buxtehude zu sitzen, NSB, und der Chef dieser Reederei begeistert sich auch dafür. Der hat dann geholfen. Wir haben andere Freunde auch, die dann ihre Kontakte spielen lassen, dass wir auf die Art und Weise immer wieder geschafft haben, auch alle finanziellen Probleme, die wir natürlich auch in den 20 Jahren hatten, dass wir die immer erfolgreich umschiffen konnten." (0'19) Sprecherin: Der Manager kritisiert die mangelnde Fernseh-Präsenz des Frauenhandballsports. Fußball, Eishockey und Boxen seien die auserwählten Sportarten und Frauenhandball gäbe es kaum einmal zu sehen: Take 18: (Prior) "Die Fernsehmacher oder auch die Zuschauer in anderen Ländern zeigen ja, wie attraktiv diese Sportart ist. Wir haben es auch in Deutschland erlebt: Wenn Frauenhandball zu sehen ist im Fernsehen, wenn unsere Nationalmannschaft bei WM oder EM spielt, haben wir sehr gut Quoten. Nur es ist eben auch durchaus eine Ignoranz bei vielen Verantwortlichen im Fernsehen, die das nicht schätzen. (0'19) Sprecherin: Mehr mediale Öffentlichkeit für den Frauenhandball wünscht sich auch Dirk Leun, so beispielsweise Live-Übertragungen von Spielen im Deutschen Sportfernsehen. Allerdings weiß er auch, dass ein werbefinanzierter Sender im besonderen Maße auf die Einschaltquoten schaut. Deshalb müsse es ein Ziel bleiben, die öffentlich-rechtlichen Sender für den Frauenhandball zu interessieren: Take 19: (Dirk Leun/sinngemäss) "Das ist ein harter Kampf, ins Fernseh-Geschäft zu kommen. Ziel sollte es sein, ein Spiel der Frauen im Monat zu übertragen. Das wäre eine Möglichkeit zu wachsen." (Reserve: Sprecherin: In nur einem Jahr in Buxtehude hat Dirk Leun eine junge Mannschaft geformt, die sich mit dem 3. Platz in der Meisterschaft für den europäischen Cup qualifizierte. Die Zuschauer stehen hinter der Mannschaft, sagt der Trainer: Take : (Dirk Leun) "Die sportliche Leistung steht, denke ich, immer noch im Vordergrund. Dann gehört sicherlich das, was drumherum geboten wird, mittlerweile ist das nicht außer acht zu lassen, im Gegenteil. Man muss sich dort auch so aufstellen, dass man die Zuschauer befriedigt in dem Sinne, dass sie sich wohl fühlen in einer Sporthalle. Dass sie neben dem Sport vielleicht noch ein bisschen mehr etwas mehr geboten bekommen an Rahmenprogramm. Es ist nicht immer der Erfolg im Sport nur. Meine Mannschaft hat die Zuschauer angezogen, weil sie eine unheimliche Moral hat, Werte vermittelt wie Disziplin, wie Kampfgeist, wie Leidenschaft. Selbst bei Rückständen oder wenn man mal schlecht spielt, sind viele Sponsoren zu uns gekommen und haben gesagt: Das war ein echtes Erlebnis heute. Man muss Stars im positiven Sinne formen; Persönlichkeiten, die sich abheben, die besonders sind, die auffallen. Leute, die etwas Besonderes können und etwas darbieten im Sport, die machen den Unterschied aus. In diese Richtung müssen wir uns sportlich insgesamt als Bundesliga entwickeln." Ende Reserve) (0'56?) Sprecherin: Die Heimspiele des Buxtehuder SV schauen sich im Durchschnitt 1.200 Zuschauer in der Halle Nord an, im Volksmund heißt sie "Hölle Nord". Rückraumspielerin Randy Bülau, die "Spielerin der Saison 2009: Take 20: (Randy Bülau) "Wir haben in Buxtehude wirklich Glück. Wir haben hier eine tolle Kulisse. Wir haben im Gegensatz zu anderen Frauenmannschaften ein gutes Publikum. Aber es hängt ein Stück weit auch mit den Örtlichkeiten zusammen, weil man natürlich in den Großstädten wenig Chance gegen die Fußballmannschaften hat und Eishockeymannschaften. Von daher können wir eigentlich ganz froh sein mit Buxtehude hier vor Ort. Hier ist immer eine tolle Atmosphäre und das ist nicht vergleichbar mit anderen Mannschaften, wo eben 1.000/2.000 Leute in der 5.000-Mann-Halle sitzen. Dann lieber eine kleine Halle, immer schön gefüllt, als dass man nachher zu hoch greift und die Leute kommen vielleicht nur zu den Ganz-Topspielen." (0'31) Sprecherin: Trotz der guten Stimmung in der kleinen Halle wünschen sich Zuschauer die Heimspiele noch stärker als ein Event in der Stadt: Take 21: (Zuschauer) "Ich bin eigentlich auch nur Quereinsteiger in der Szene hier und über die Zaungastambitionen reingekommen. Aber hat schon eine gewisse Faszination das Thema für mich erlangt. Aber was diese Randbereiche anbelangt, Eventmanagement ähnliches, ist da bestimmt noch viel zu tun. Also wenn hier größere Sponsoren einsteigen würden, die auch sagen würden: Komm, wir nehmen uns jetzt mal eine andere Location vor, also wir gehen in eine andere Halle. Wir unterstützen Euch da auch. Diese Hallen kosten ja Geld. Dann denke ich, würde hier auch mehr bewegt werden können. Wenn man mal in Abgleich stellt, was das bedeutet, denke ich, solch eine Bundesliga-Handballmannschaft der Frauen im Jahr finanziell am Laufen zu halten, finde ich das schon eigentlich eine stramme Leistung, was hier passiert. Weil: Wir sind hier in Buxtehude und nicht in Hamburg oder Kiel." (0'40) Take 22: (Zuschauerin) "Und Leipzig hat ja auch in der Nähe keine Herrenmannschaft, die ganz weit oben spielt. Das muss man auch so mal bedenken. Und hier ist es der HSV in Hamburg, in Schleswig-Holstein dann THW Kiel und Flensburg-Handewitt. Das sind ja viele Sponsoren, die die schon auf sich ziehen, große Firmen usw. Insofern haben es Frauenmannschaften schwer." (0'16) Sprecherin: Handball der Frauen ist also entgegen vieler Vorurteile dynamisch, athletisch, taktisch anspruchsvoll und attraktiv für die Zuschauer. Ihn weiter zu entwickeln und die Spiele zu einem Event zu machen, ist in erster Linie Aufgabe des Ligaverbands und der Vereine. Dass das erfolgreich gehen kann, zeigt das Beispiel Frauenfußball. Die Soziologin Britt Dahmen von der Sporthochschule Köln: Take 23: (Britt Dahmen) "Der Frauenfußball, der hat ja in den letzten Jahren wirklich geboomt, unter anderem natürlich, weil die Frauen natürlich auch sehr guten Fußball spielen und gute Leistungen bringen, die sich eben auch öffentlich sehr gut darstellen lassen. Aber das hat ganz viel auch damit zu tun, dass es eine sehr starke Unterstützung durch die Führungsspitze im Fußball gibt. Das ist natürlich enorm hilfreich, wenn da jemand sich in der Öffentlichkeit und an vielen Stellen hinstellt und dafür wirbt. Dann braucht es übergreifende Modelle des Strukturaufbaus, das heißt, das Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Das ist etwas, das dann sozusagen auch für den Handball greifen könnte oder müsste. Das tatsächlich in den Vereinen bereits angefangen wird, dafür zu sensibilisieren und dafür Angebote zu schaffen, dass die Mädchen begeistert von Anfang an auch in den Handball einsteigen können. (0'47) Sprecherin: Auch für den Leipziger Manager Hähner haben die Verantwortlichen im Frauenfußball das Richtige getan: Take 22: (Kay-Sven Hähner) "Sie nehmen eine Menge Geld in die Hand, unterstützen die Clubs, dass sie infrastrukturell sich verbessern. Die Clubs im Frauenfußball - ohne überheblich zu sein - wir sind Lichtjahre vor denen, das muss man ganz klar sagen. Jetzt wird das Ganze größer gemacht, weil die Nationalmannschaft wurde gepuscht. Das haben sie gut gemacht, aber das ist alles nur eine finanzielle, eine monetäre Geschichte. Das heißt, im Vergleich mit den anderen Sportarten, mit denen wir uns vergleichen können - und wir machen Frauensport, also müssen wir uns mit anderen Frauensportarten vergleichen. Und in dem Vergleich sind wir weit führend. Also, ich sehe das eher mal: Das Glas ist halb voll und nicht halb leer." (0'32) Sprecherin: Was zumindest auch die Anhänger der Handball-Bundesliga-Clubs und der Nationalmannschaft so sehen. TEXTENDE Ende der Sendung mit Atmo 2 (aus ARENA in Leipzig) MUSIK "Lichtschwingungen" aus CD "Die Welt der Maschinen" (LC 7555) insgesamt 1:30 9