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Bevor wir uns die Situation in Sachsen, Mecklenburg- Vorpommern und Schleswig-Holstein anschauen, erklärt Andreas Baum, wie es zur Schuldenbremse kam und was sich dahinter verbirgt. Die Schuldenbremse für Bund und Länder ist schon ein älteres Projekt. Die Föderalismuskommission hat mehrere Jahre lang an ihr gearbeitet. Als sie dann im Jahr 2009 verabschiedet wurde, kam sie wie gerufen - denn eine der Lehren der Wirtschaftskrise von 2008 war die, dass die überzogene Staatsverschuldung mit zum Ausbruch der Krise beigetragen hat. Der damalige sozialdemokratische Bundesfinanzminister, Peer Steinbrück, warb daher 2009 im Bundestag so stark für die Schuldenbremse, weil bereits absehbar war, dass auch der Euro in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Um ihn stabil zu halten, musste die größte Volkswirtschaft im Raum der europäischen Währung damit beginnen, die Staatsverschuldung abzubauen. 1. Steinbrück Wir müssen auch den Finanzmärkten ein Signal geben, dass in Deutschland solide mit dem Haushalt umgegangen wird. Wir müssen als Deutsche dazu beitragen, dass die Stabilität des Euro über unser Haushaltsgebaren nicht in Frage gestellt wird. Wir haben ein massives Interesse daran, dass die Glaubwürdigkeit des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch durch unseren Beitrag gewährleistet wird. Die Schuldenbremse wurde mit der Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet, die nötig ist, um das Grundgesetz zu ändern. Ab 2016 darf die strukturelle Neuverschuldung des Bundes nicht mehr als 0.35 Prozent des Bruttosozialproduktes betragen. Die Bundesländer dürfen keine Schulden mehr machen - das strikte Verbot gilt ab 2020. Wegen dieses Eingriffs in die Hoheitsrechte der Bundesländer haben und hatten Verfassungsrechtler bis heute Bedenken. Peer Steinbrück versuchte bis kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes im Juni 2009, die Zweifler zu überzeugen. 2. Steinbrück Die Schuldenbremse schafft weder das Budgetrecht der Länderparlamente ab, noch widerspricht sie dem föderalen Staatsaufbau. Und wenn andere anderer Auffassung sind, sollen sie den dafür vorgesehenen Weg zum Verfassungsgericht suchen. Die Schuldenbremse bekam auch im Bundesrat eine Zweidrittel-Mehrheit, allerdings haben einige Länder dagegen gestimmt, unter ihnen Schleswig- Holstein und das Land Berlin. Denn die Verfassungsregel ist nach wie vor umstritten. So gibt es Ökonomen, die argumentieren, dass die Staatsverschuldung in entwickelten Industrienationen kein Problem sei, ganz im Gegenteil sei sie notwendig und gesund. Und: Da die Nettokreditaufnahme an das Bruttosozialprodukt gekoppelt ist, wird es dem Bund ausgerechnet in ohnehin schlechten Jahren schwer gemacht, sich zu verschulden. Dass Sparen in der Krise aber schädlich ist, bestreitet heute kaum ein Wirtschaftswissenschaftler. Gerade dann bräuchte der Bund Geld, um Konjunkturprogramme aufzulegen oder anders gegenzusteuern. Es ist allerdings fraglich, ob es zu einer solchen Konstellation überhaupt kommt - denn in der Verfassungsregel sind mehrere Ausnahmen vorgesehen. Schon eine, wie es heißt, "von der Normallage abweichende Konjunkturentwicklung" genügt, um sich doch wieder höhere Kredite zu genehmigen. Dies gilt auch für außergewöhnliche Notsituationen - zu denen auch eine globale Krise zählt, die seit 2008 in unterschiedlichen Gewändern immer wieder aufzutreten scheint. Trotzdem muss seit vergangenem Jahr im Bund massiv gespart werden, Michael Meister, Finanzexperte der Union im Bundestag, ließ schon im September 2010 durchblicken, welche Bereiche am ehesten beschnitten werden dürften. 3. Meister Wenn Sie aufaddieren, was wir heute für Soziales ausgeben, dann sind das knapp 55 Prozent der Mittel die im Haushalt stehen. Diese 55 Prozent sind 170 Milliarden Euro. Das ist so viel wie es noch niemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Fall war. Das heißt, zu einem Zeitpunkt, wo wir so viel Geld wie noch nie für Soziales ausgeben, wird behauptet, es würde Sozialabbau in diesem Land betrieben. Das ist eigentlich ein Widerspruch zwischen Sachverhalt und Darstellung. Da der Großteil der Sparanstrengungen noch kommt, und vieles dafür spricht, dass es den Sozialetat treffen wird, sind vor allem die Gewerkschaften gegen die Schuldenbremse - um Menschen in Arbeit zu bringen, sei es hinnehmbar, dass der Staat sich verschuldet. Offensichtlich kommt es allerdings auch hier auf die Perspektive an. Vor wenigen Wochen noch hat die Saarländische CDU- Ministerpräsidentin, Annegret Kramp-Karrenbauer, den Sinn der Schuldenbremse wieder in Zweifel gezogen - und damit an einem Tabu gerüttelt. Denn die Schuldenbremse gilt der Bundesregierung noch immer als Allheilmittel - und Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler zufolge sollten sich auch andere Länder im Euro-Raum Deutschland zum Vorbild nehmen. 4. Rösler Wichtig ist, dass man anerkannt hat, dass eine Ursache für das Problem in jedem Fall die Verschuldungssituation in einzelnen Eurostaaten ist, und dass man jetzt klar sich daran machen will, ähnlich wie in Deutschland eine Schuldenbremse einzuführen. Das wird nicht leicht sein. Aber dass man sich darauf verständigt hat, ist ein wichtiges Signal und in der Tat geht es jetzt an die Umsetzung. Das wird nicht einfach. Aber es wird in jedem Fall gelingen. ------------------------------------------------------------------------------------------------- Länderreport-Magazin. Ausgebremst? Die Länder und die Schuldenfalle. 21.10.2011 Sachsen Länge: 4'38 Min. Autorin: Claudia Altmann Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke Sprecher In der Kreide zu stehen, ist eigentlich kein Grund zur Freude. Dennoch kann es der Freistaat als Erfolg verbuchen, dass er seinen 4,15 Millionen Einwohnern die geringsten Schulden in der ganzen Republik beschert. 2.850 Euro pro Person. Insgesamt hat das Land noch Obligationen von 11,8 Millionen Euro, hat aber schon vor Jahren die Bremse gezogen und macht keine weiteren Schulden, sagt Finanzminister Georg Unland. O Georg Unland Seit über sechs Jahren tilgen wir Schulden. Das heißt, wir führen den Schuldenstand zurück und zwar nicht nur bevölkerungsproportional, sondern sogar leicht überproportional. Das heißt, der Schuldenstand sinkt in der Tat selbst für jeden Sachsen. Sprecher Gespart wurde unter anderem durch umfangreichen Stellenabbau und Kürzungen im öffentlichen Dienst. Aber es wurde nicht zu Lasten von Investitionen gespart. Im Gegenteil. Das Land hat frühzeitig auf zukunftsweisende Branchen gesetzt, auf Schlüsseltechnologien, wie Mikro- und Nanoelektronik sowie Biotechnologie. Das hat den Staatsfinanzen gut getan, so dass schließlich durch weniger Schulden mehr Geld ausgegeben werden kann. O Georg Unland Wenn Sie keine oder wenige Schulden haben, müssen sie auch weniger Zinsen zahlen. Und wenn Sie das im Vergleich mit anderen Bundesländern einmal anschauen, dann ist unsere Zinsbelastung des Haushaltes deutlich geringer. Das ist die so genannte Sachsendividende, die wir haben. Das heißt, wir haben mehr Geld zur Verfügung durch nicht gezahlte Zinsen, die wir dann auch investieren können. Sprecher Auch der Präsident des sächsischen Rechnungshofes, Prof. Karl-Heinz Binus, bescheinigt dem Freistaat eine gute Wirtschafts- und solide Haushaltsführung. Er mahnt aber dennoch an: O Karl-Heinz Binus Ja, Sachsen hat eine gute Situation, hat aber eine Finanzierung, die atypisch ist. Sachsen erhält noch sehr viele Mittel aus dem Bundesverband, also aus den Sonderbedarfs- und Ergänzungszuweisungen und Sachsen muss also zukunftsfähige Haushalte aufstellen. Das heißt die Hauptaufgabe besteht darin, dass Wirtschaft angesiedelt wird, dass man also aus eigener Kraft auch die Einnahmen generiert, die dauerhaft erforderlich sind. Sprecher Aber er ist zugleich zuversichtlich. O Karl-Heinz Binus Sachsen ist auf sehr gutem Weg und geht jetzt mit massiven Personaleinsparungen und auch mit der Präzisierung von Förderverfahren, von Förderaufgaben den richtigen Weg. Sprecher Bis zum Jahr 2020 soll die Zahl der Beamten nochmals reduziert werden, von jetzt 87.000 auf 70.000. Nach Einschätzung von Finanzminister Unland besteht aber trotz der guten Noten kein Grund, sich zurückzulehnen. O Georg Unland Die jetzige Situation ist noch relativ komfortabel, da wir mit Steuermehreinnahmen rechnen. Aber - das erkennen wir schon sehr deutlich - es wird eine konjunkturelle Abkühlung kommen. Das heißt, wir werden sicherlich in den nächsten ein, zwei Jahren mit deutlich weniger Steuern rechnen müssen. Sprecher Um eventuelle konjunkturelle Risiken abzupuffern, stünden derzeit etwa 800 Millionen Euro zur Verfügung. Welche Gefahren aber die nach wie vor ungelöste Finanzkrise noch in sich bergen könnte, wisse niemand. Nach Aussage von Prof. Marcel Thun vom ifo Institut Dresden wird Sachsen nach den dadurch erlittenen Einbrüchen erst in drei Jahren das Vorkrisenniveau erreichen. Zweitens würden auch durch die abnehmenden West-Ost-Transfers die Spielräume enger werden. O Marcel Thun Und drittens - und das ist ein ganz schwerwiegender Faktor - geht die Bevölkerung hier ganz dramatisch zurück und die Einnahmen des Finanzministers hängen an der Bevölkerung. Sprecher Bis 2020 wird die Zahl der Einwohner auf 3,9 Millionen sinken. Die voraussichtlichen Folgen für den Fiskus: O Marcel Thun Sachsen wird real, also in jetzigen Euros gerechnet, bis 2020 ungefähr 19 Prozent seines Etats verlieren, also fast ein Fünftel. Also das sind schon ganz erhebliche Anpassungsbedarfe. Sprecher Dennoch habe Sachsen gegenüber anderen Bundesländern einen großen Vorteil. O Marcel Thun Ja, zumindest ist das Bewusstsein hier in der Verwaltung relativ ausgeprägt, dass die Anpassung letztendlich nur auf der Ausgabenseite passieren kann. So schmerzhaft das auch ist. Man kann momentan vielleicht keine jungen Leute einstellen, man muss sogar Stellen abbauen. Man wird einige Dinge auch schließen. Denken Sie nur an die großen Debatten um Schulschließungen. Also das sind harte Anpassungsmaßnahmen. Aber im Gegensatz zu anderen Ländern haben sie sich nie der Illusion hingegeben, dass man das Ganze auf der Einnahmenseite lösen könnte, also der Hoffnung: Wenn wir nur kräftig wachsen, werden schon mehr Steuergelder reinkommen und das stimmt nämlich wegen des Länderfinanzausgleichs nicht. Wenn das Land reicher wird, werden die zusätzlichen Steuereuros, die zufließen, letztendlich wegbesteuert und an die anderen Bundesländer umverteilt. Also auf der Einnahmenseite kann man eben nix machen und deshalb sind die harten Einschnitte auf der Ausgabenseite nötig. Schluss Länderreport-Magazin: Ausgebremst? Die Länder und die Schuldenbremse. 21.11.2011 Mecklenburg-Vorpommern Länge: 4'35 Min. Autor: Peter Marx Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke Was verbindet die Bundesländer Bayern, Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern? Es sind die drei haushaltspolitischen Musterländer in Deutschland. Das nordöstliche Bundesland nimmt seit 2006 keine neuen Schulden mehr auf und war sogar zwei Jahre lang in der Lage die vorhandene Schuldenlast zu tilgen. Darauf ist nicht nur die Landesregierung stolz, sondern besonders Frank Bornholdt. Der Ministerialrat ist der offizielle Schuldenmacher des Landes. Peter Marx besuchte ihn an seinem Arbeitsplatz: ________________________________________________________________ ___________ Frank Bornholdt schläft ruhig. Sagt er. Und das trotz rund 10 Milliarden Euro Schulden. Langsam dreht er sich in seinem Büro im Finanzministerium zum Fenster hin, wo drei Plasmabildschirme in den verschiedensten Farben leuchten. Sein Arbeitsplatz: Regie 1. O-Ton Born B17 Und mit einem einzigen Blick kann ich sofort sehen bei welcher Laufzeit ich welche Rendite am Kapitalmarkt zu zahlen hätte. Ich bin quasi innerhalb von wenigen Sekunden in der Lage, den Preis eines Schulscheines oder einer Schatzanweisungen zu bestimmen. Der Ministerialrat im Finanzministerium ist quasi für die tiefroten Zahlen des Landeshaushaltes zuständig. Er verkauft Schuldscheine und Schatzanweisungen, verhandelt mit Banken um günstige Kredite, organisiert Umschuldungen oder tilgt Schulden. Bislang insgesamt 340 Millionen Euro. An diesem Kurs soll sich auch künftig nichts ändern, verspricht Finanzministerin Heike Polzin: Regie 2. O-Ton Polzin P1 Es sieht so aus, dass wir diesen Haushalt am Ende des Jahres mit Überschüssen, kleinen Überschüssen beenden. Und unser Ziel ist es auch, für die nächsten Doppelhaushalte so fortzufahren Der Sparerfolg ist erstaunlich, weil Mecklenburg-Vorpommern über keine nennenswerte Industrie verfügt und zudem mit anhaltendem Bevölkerungsschwund fertig werden muss. Polzin will trotzdem weiter eisern sparen: Regie 3. Polzin P11 Ja, über die mittelfristige Finanzplanung und deren Fortschreibung müssen wir natürlich absichern, dass wir auf diesem Pfad weitergehen. Und da haben wir natürlich auf der anderen Seite unsere Einnahmerückgänge, die schon ganz deutlich zu prognostizieren sind, z.B. durch den Einwohnerrückgang, Aber es sind natürlich auch die zurückgehenden Leistungen aus dem Solidarpakt und wir haben eine neue EU-Förderperiode ab 2014 . Das wird natürlich unsere Einnahmeseite negativ beeinflussen Von 2020 an will Schwerin - so sieht es die Planung vor - mit rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr auskommen, was rund 300 Millionen weniger im Landesetat sind als im Wahlkampfjahr 2011. Gespart werden soll bei den Personalkosten. Mehr allerdings sei nicht drin, so Heike Polzin, wenn der Aufbau des Landes nicht gefährdet werden soll: Regie 4. O-Ton Polzin P4 Wenn ich mal nach links und rechts gucke, sind manche Sparprogramme in Nachbarländern natürlich rein theoretisch möglich. Aber genau das ist nicht unser Kurs. Wir sagen mit der Personalentwicklung, die ganz allmählich sich auf den Bevölkerungsrückgang einrichten muss, haben wir genau die Stellschraube in der Hand, die angemessen an den Bedürfnissen eines Landes spart. Und auf der anderen Seite sorgen wir dafür, dass nicht überbordende neue Programme aufgelegt werden. Das ist der solide Kurs. Vorsorglich hat die letzte rot-schwarze Landesregierung ihren Sparkurs auch verfassungsrechtlich abgesichert. Mit Zwei-Drittel-Mehrheit hat das Parlament die Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen. Danach verpflichtet sich das Land, deutlich früher als vom Bundestag vorgeschrieben, keine neuen Schulden mehr zu machen. Regie. 5. O-Ton Polzin P 12 Das ist korrekt unter den sich veränderten Bedingungen, denen wir dann auch begegnen müssen auf der Ausgabenseite. Und das Ziel ist 2020 quasi auf eigenen Beinen zu stehen und wie jedes andere Bundesland im Kontext der Länder behandelt zu werden. Denn es ist ganz klar, diese Sonderbedingung Ost wird es dann nicht mehr geben. Trotzdem fürchtet die Finanzministerium um ihre Finanzplanung. Eine schlechte Konjunktur-Entwicklung, neue Steuergesetze des Bundes - und schon ist es vorbei mit dem Konsolidierungskurs, befürchtet die SPD-Politikerin Heike Polzin: Regie 6. O-Ton Polzin P9 zu Zeit hoffe ich jedenfalls, dass die immer wieder aufploppende Diskussion um Steuererleichterungen sich mal an den Realitäten misst und verstummt, aber man hört ja so alle 14 Tage irgendwen in ein Mikro reden, man müsste doch mal überlegen, ob man nicht Steuererleichterung auf den Weg bringt. Was dann dazu führt, dass uns in Größenordnungen die Einnahmen wegbrechen. Und dann sind wir wieder quasi wie ein Torwart auf dem Handballfeld dabei, denn wieder aus dem Eck zu holen. Frank Bornholdt ist auch für den Sparstrumpf des Landes mit derzeit 440 Millionen Euro verantwortlich. Diese Konjunktur-Rücklage soll in schwierigen Zeiten verhindern, dass neue Kredite aufgenommen werden. Das Geld legt Bornholdt zinsgünstig an. Und auch das trägt dazu bei, dass die Verschuldung pro Einwohner im nordöstlichen Bundesland noch immer unter der 6000 Euro Grenze liegt. Länderreport-Magazin: Ausgebremst? Die Länder und die Schuldenbremse. 21.10.2011 Schleswig-Holstein Länge: 4'19 Autor: Dietrich Mohaupt Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke ________________________________________________________________ __________ Rund 27 Mrd. Euro Schulden, pro Jahr zahlt Schleswig-Holstein 1 Mrd. Euro Zinsen - Haushaltsnotlage nennt sich so was, und darum muss das Land seine Finanzen unter Aufsicht in Ordnung bringen. In den kommenden 10 Jahren müssen durchschnittlich 120 Mio Euro pro Jahr eingespart werden, um das strukturelle Defizit im Haushalt abzubauen. Der Bremsweg in Sachen Neuverschuldung bis 2020 ist klar vorgezeichnet, und Finanzminister Rainer Wiegard sieht das Land - dank drastischer Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen und konjunkturell bedingter Steuermehreinnahmen - auch schon auf einem guten Weg. "Also wir sind voll innerhalb des Plans, d.h. sogar deutlich unterhalb der rechnerischen Vorgaben. Wir werden dieses Jahr wahrscheinlich nur noch halb soviel Schulden machen wie wir eigentlich geplant haben, als statt 1,2 Mrd. etwas um 600 / 700 Mio, und das heißt, dass wir alleine aus dieser Reduzierung der Neuverschuldung, wenn wir die Mehreinnahmen vollständig in die Reduzierung der Neuverschuldung stecken, dass wir in den nächsten Jahren bereits profitieren weil wir dann dafür keine Zinsen mehr zahlen müssen." Die Schuldenbremse bremst also wirklich - und doch steckt eine Menge Zündstoff in dieser Rechnung. Im Doppelhaushalt 2011/2012 wurde praktisch überall massiv gekürzt. So kassierte die schwarz-gelbe Landesregierung u.a. das beitragsfreie 3. Kindergartenjahr wieder ein, die Zuschüsse für die Schülerbeförderung wurden gestrichen, ein Stellenabbau von 10 Prozent bei den Landesbediensteten beschlossen. Bauern in Schleswig-Holstein bekommen keine Investitionszuschüsse mehr und das Landesblindengeld wurde von 400 auf 200 Euro pro Monat halbiert. Genau diese Einschnitte im sozialen Bereich führen immer wieder zu Protesten. Die Kürzung des Blindengeldes z.B. ist für die Betroffenen ein Tiefschlag, erläutert Ulf Dollerschell vom Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein. "Ins Theater gehen, Sie haben als Blinder einen Mehrbedarf, sie müssen immer eine Begleitung mithaben - also müssen sie schon mal zwei Plätze kaufen. Sie sind vielfach aufs Taxi angewiesen, auch das sind Kosten. Es gibt elektronische Geräte, die dem blinden Menschen helfen, sein Leben besser zu gestalten, die dementsprechend kosten." Und die jetzt für viele Betroffene so gut wie unerschwinglich geworden sind, kritisiert Ulf Dollerschell. Dass alle beim Sparen mithelfen müssen, das ist ihm auch klar - aber: "Wir haben 4.500 blinde Menschen in Schleswig-Holstein die Blindengeld beziehen, das sind 0,16 % der Gesamtbevölkerung. Und diese 0,16 % erbringen 10 % der Einsparsumme nämlich zwischen 10 und 12 Mio im Jahr. Dann sagen Sie mir mal wo da die Gerechtigkeit bleibt." Fehlende Gerechtigkeit, soziale Schieflage - das sind auch bei den Grünen in Schleswig-Holstein die Hauptkritikpunkte am aktuellen Sparkurs der Landesregierung. Vor allem die drastischen Kürzungen im sozialen Bereich gehen für die grüne Finanzexpertin Monika Heinold klar in die falsche Richtung. "Das sind Maßnahmen wo tatsächlich nicht zu hart die Bremse gemacht werden darf. Ich nenne mal das Beispiel Ehrenamt - wenn sie bei den Vereinen und Verbänden im Sozialbereich alle Zuschüsse radikal streichen, führt das dazu dass das Ehrenamt weg bricht, das wäre ein Schaden für unsere Gesellschaft, solche Strukturen kriegen Sie auch schwer wieder aufgebaut." Ein zu radikaler Bremsweg - das fürchten alle Parteien im Land - könnte im Ernstfall mehr Schaden als Nutzen anrichten. Trotzdem hält Finanzminister Wiegard nichts von dem immer wiederkehrenden Ruf nach Steuererhöhungen, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. - zumal das Land in diesem Bereich praktisch keinen eigenen Spielraum habe, so der Minister. "Es gibt eine einzige Steuer die dürfen wir selbst gestalten, das ist die Grunderwerbssteuer, die erhöhen wir gerade von 3,5 auf 5 %. Das ist die einzige Möglichkeit wo wir eine Einnahmegestaltung haben - es sei denn, wir gehen an unsere Infrastruktur. Wenn wir wollen, dass Unternehmen nach Schleswig-Holstein kommen, Arbeitsplätze schaffen, von denen wir dann Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erhalten, dann müssen wir die Infrastruktur dazu ausbauen." 24 Sekunden 3.56 Straßen, Hochgeschwindigkeits-Datennetze, sichere Stromversorgung, Forschung und Bildung - in all diese Bereiche muss also in den nächsten Jahren weiter kräftig investiert werden. Denn - alleine mit Sparen, das ist allen klar, ist der Bremsweg bis 2020 nicht zu schaffen. Für Schleswig-Holstein bedeutet das: wenn alles gut läuft, wird der Schuldenberg zwar langsamer aber voraussichtlich noch auf über 33 Mrd. Euro anwachsen - und erst dann kann der Schuldenabbau beginnen.