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AUTOR Auf seinem kahlgeschorenen Kopf eine Mütze mit dem Logo des Berliner Bären. Ein Zeichen seiner Verbundenheit mit dem 1. FC Union Berlin, einem Verein der Zweiten Fußballbundesliga aus dem Berzirk Köpenick im Osten der Stadt. Union spielt heute in Aue und Berliner Fußballvereine sind bei Sächsischen Fußballfreunden traditionell nicht sonderlich beliebt. O-TON 3 Richter 1/10 1:06 Und Zwickau hat ne Fan-Freundschaft mit Dynamo Dresden / und wenn die wissen, dass so viele Berliner nach Aue fahren - ist ja nicht weit von Chemnitz - dann kann es sein, dass Zwickauer zusammen mit Dresdener auftauchen, die möglicherweise Stress machen wollen. AUTOR Hat er Angst? Justizverwaltungsamtmann Richter grinst, schüttelt den Kopf und steigt ein. O-TON 4 Richter 1/2 0:05 Haste das Navi mit? Bunker: Hab ick vergessen. Richter Hab ick vergessen? AUTOR Auf der Rückbank schaut Kai Bunker mehr oder minder schuldbewusst. Bunker ist Richters Kumpel, ebenfalls 42 Jahre alt und seit 35 Jahren bekennender Unioner. O-TON 5 Bunker: 2/10 9:10 Ich freu mich immer noch wieder auf die Spiele. Am Besten ist immer, wenn Freitag ein Spiel ist. ATMO 2 Autofahren Alternativ: ATMO 3 Autofahren mit Musik AUTOR Bunker arbeitet als KFZ-Mechaniker. Ein schmaler Typ, der sich offensichtlich nicht jeden - zumindest nicht an diesem - Morgen frisch rasiert. O-TON 6 Bunker: 2/10 9:10 Und wenn dann vielleicht noch gewonnen wird, dann ist das ganze Wochenende eitel Sonnenschein. AUTOR Er zeigt das dazu passende Lächeln. O-TON 7 Bunker: 2/10 9:10 Bereut habe ich es nie - im Gegenteil. O-TON 8 Richter 1/2 7:18 Telefonat Wir sind jetzt in Schönefeld. Schönefeld! ... Bierflaschen im Hintergrund ... AUTOR Richter am Handy - ein paar Kumpel melden sich - natürlich Unioner - in einem anderen Auto, in einem anderen Teil der Stadt doch mit dem gleichen Ziel - ein zweitklassiges Fußballspiel im 300 Kilometer entfernten Aue. ATMO 4 7:31 Bierflaschen AUTOR Auf der Rückbank wird mit Bier gefrühstückt. Richter winkt ab, er muss fahren. O-TON 10 Richter 1/3 0:02 Das ist die Geschichte von Union, dass es schon immer quer durch die Gesellschaft kunterbunt war und man es nebeneinander irgendwie zusammen geschafft hat, da durch zu kommen durch diese ganzen Wirren vor allem auch nach der Wende - Misswirtschaft. Dass man trotzdem wusste, das ist Union, und das macht es auch zum Teil aus. Nur wollen wir nicht, dass dieser Bereich jenseits des rechten Randes dazu gehört. / Wenn diese Leute weg sind, dann ist unsere Mission praktisch beendet. AUTOR Die Mission von ein paar dutzend Gleichgesinnten heißt S.E.O.N.. Das steht für "Schöner Eisern ohne Nazis". "Eisern" ist der traditionelle Anfeuerungsruf der Unioner - eine Reminiszenz an die historischen Wurzeln des Vereins in den Schlossereien von Berlin- Oberschöneweide. O-TON 11 Richter 1/ 3 1:33 Als Antifaschist ist natürlich schwierig, das ist ja Freizeit und Fußball und da will ich meinem Spaß haben und ich hab keinen Spaß, wenn Nazis neben mir auf der Tribüne stehen. So einfach ist das. O-TON 12 Bunker 1/3 2:04. Da musste auch mal dazu sagen, dass ist kaum zu sehen noch bei Union - viel besser wird es nicht mehr werden. / Optisch und verbal merke ich nichts von Rechtsradikalen bei Union. AUTOR Richter nickt. O-TON 13 Richter 1/ 3 2:22 Das war vor fünf, zehn Jahren völlig normal, dass Urwaldlaute etc. gekommen sind, auch wenn man selbst einen schwarzen Spieler in den eigenen Reihen hatte - das gibt es nicht mehr. Und das ist auch deshalb, weil die Leute aufeinander aufpassen und sagen: ,Blöd oder was?' Wo die gemerkt haben, da kommt Gegenwind aus den eigenen Reihen. Und das ist schon ein Erfolg. ATMO 5 laute Musik/Parkplatz AUTOR Neun Uhr dreißig. Einstimmung auf einem Autobahnparkplatz am Rand des Spreewalds. ATMO 6 1 / 6 2:44 Diskutieren AUTOR Ein paar Meter weiter die versammelten Freunde der antifaschistischen Fußballkultur bei der Diskussion der Parkplatzfrage in Aue. Der jüngste Anfang 20, der Älteste Mitte vierzig. Ein Verwaltungsangestellter, ein Barkeeper, eine Politologe ...entspannte Typen. Das Interesse gilt nicht der Politik, nicht dem Fußball sondern den touristischen Reizen des Zielortes. O-TON 14 Fans 1/6 3:10 Aue selber hat zehn Straßen, Alter. Ne, ich will ins Dorf. Ich will den Holzmichel sehen. ... AUTOR Einige verdrehen die Augen, andere studieren die Landkarte. Dann muss auch noch mal der Fan-Schal an der Heckscheibe neu justiert werden. O-TON 15 1/ 8 6:00 Diskussionen um den Schal ATMO 7 Türknallen O-TON 16 Autoradio Nachrichten .... AUTOR Es geht über die Landesgrenze Sachsens. Im Radio ein Lokalsender. O-TON 16 Autoradio Nachrichten ... speziell für uns DDR-Bürger Richter: Was, was, was? ,Kurz vor den Nachrichten für uns DDR-Bürger??? Lachen ... Ist das geil! AUTOR Auf der Straße immer mehr Autos, Klein- und Großbusse mit Schals und Fahnen von Union. ATMO 2 oder 3 Autofahren O-TON 17 Richter 4:47 Der Weg ist das Ziel. Bei uns ist das Ereignis Fußball ist das Ziel. Und alles was darum herum ist, ist für uns super spannend. AUTOR Natürlich liebt Richter Fußball, natürlich vor allem den vom 1. FC Union. Dazu kommt - er ist einfach gern unterwegs. O-TON 18 Richter 1/4 4:20 ++ Du hast nen Anlass mit dem unterwegs sein kannst, reisen kannst und das drum herum ist für uns genauso spannend, wie das Spiel an sich. AUTOR So führt der Weg auch schon mal in die dritte Fußballiga Polens oder Tschechiens und während eines Urlaubs dort auch in ein indisches Stadion. AUTOR Erst einmal geht es aber darum sich in der eigentlich recht übersichtlichen Kreisstadt Aue zu Recht zu finden. Ziel ist der Blaue Engel, das älteste Gasthaus am Ort. O-TON 20 1/17 2:52 Richter: Ich hab mir da auf der Karte angekiekt. Bunker: Aber ob das vor der Kirche war, nach der Kirche? Richter: Das ist so eine komische Ecke. Das werden wir alles erfragen. AUTOR Die Männer aus der Hauptstadt gucken in der sächsischen Provinz ein wenig rat- zumindest aber orientierungslos. O-TON 21 Richter 5:58 Kiek mal, ist das nicht das Ding? / Na, wird sind ja Dropse. ...?... Da steht doch Blauer Engel - ganz groß. Blauer Engel. Rechts steht "blau" und links steht "Engel". AUTOR Triumphierende Blicke. Entspannung. O-TON 22 1/19 2:15 Acht Helle! ... AUTOR Ein gut gefülltes, gut bürgerliches Restaurant - Platz gibt es nur noch im Keller. Ein Bier für jeden, ein Quiz für alle. Das muss so sein und ist immer so. O-TON 23 1/19 2:55 Richter: Wie oft wurde ... es geht jetzt schon los. Wie oft wurde Erzgebirge Aue ... wer am nächsten dran ist, kriegt den Punkt ... Der Verlierer wird den Auer Fans ausgeliefert. ... Wie oft wurde Erzgebirge. äh Wismut Aue, weil Erzgebirge gab`s ja vorm Osten nicht, vorm Westen nicht - wie oft wurden die DDR-Meister? .... Dreimal ist richtig. Dann kriegen die Gewinner jeweils einen Punkt. ... AUTOR Die Gewinner freuen sich - nur kurz. Richter macht weiter - gnadenlos. O-TON 24 Richter 1/19 14:27 Wie viel Erzabbaustellen wurden zwischen dem 17. Und 18. Jahrhundert in und um Aue betrieben? Gestöhne .... 250! ATMO 2 oder 3 Autofahren AUTOR 12 Fragen später und eine Stunde vor Anpfiff, im Auto zum Stadion. O-TON 25 Richter 1/16 0:40 Alter wasn dett hier. Und dett is schon wieder üble Scheiße. Denn niemand will hier irgendwelchen Stress Alter. Es gab in der Geschichte niemals Probleme mit Aue. Nie! ... Martinshorn ... AUTOR Aue gleicht einer besetzten Stadt. Links, rechts, im Grunde überall - Polizisten in martialisch anmutenden Kampfuniformen. Einige hundert insgesamt. Dazwischen entspannte Fußballfans im Lila-Weiß der Heim-, oder im Rot-Weiß der Gastmannschaft. O-TON 26 Fans Wir sind Eure Hauptstadt Ihr Bauern! ATMO 9 /28 Stadionsprecher: Mannschaftsaufstellungen / Fankommentare AUTOR Block E und G der Ostkurve der gut 70 Jahre alten Anlage bieten die einzigen Stehplätze ohne Dach und sind für die Gäste reserviert. Hohe Stufen aus altem Beton, rundum vergittert. Dahinter behelmte Polizisten mit Schlagknüppeln. Gefängnisatmosphäre. Die Sicht aufs Spielfeld - schlecht. O-TON 27 Fans 1/29 1:27 FC Union Berlin ....Und alle! ... ATMO 09 Stadion Hintergrund AUTOR Unter den 3000 Berlinern auch einige Dutzend Kinder und Frauen. Viele rot-weiße Schals. O-TON 28 Frau 1/29 10:25 JETZE ... scheiße, den hätte er mal flach nehmen sollen AUTOR Das Spiel beginnt zäh. Die Akustik ist mies. Es ist kalt. Glücklicherweise fehlt der angekündigte Schneeregen. O-TON 29 Frau 1/29 10:11 Ist das hier leise. Schallt ja überhaupt nicht! AUTOR Trotzdem - O-TON 30 Frau 1/29 27:35 Schalalala Eisern Union (etwas müde) dann die Frau dabei AUTOR Die Mannschaften ringen um spielerische - die Fans um die akustische Überlegenheit. O-TON 31 Frau 1/29 9:40 Los mach hoch die Arme! Klatschen Singen .... O-TON 32 Zelt 3:44 Dieses sprichwörtliche Unionvirus wenn es einen einmal befallen hat, dann lässt es einen nicht mehr los. AUTOR Mittendrin auch Sig Zelt, 53 Jahre alt, ein IT-Fachmann mit schulterlangen Haaren. O-TON 33 Zelt 3:12 Sportlich ging es immer auf und ab mit Union. Union war ja so ein bisschen ein Skandalverein, Fahrstuhlmannschaft. Gut, das ist das Leben, wenn man die Höhen auskosten will, dann muss man auch die Tiefen erleben. O-TON 34 Fans/Frau 1/29 29:42 Ey geht doch gar nicht, was der da macht ... Fans: FC Union - Unsere Liebe- Unsere Mannschaft - Unser Stolz - Unser Verein ... (lange stehen lassen dann als Atmo unter folgende Autor/O-Ton) O-TON 35 Zelt 6:21 Es gab einen Armeesportklub, einen Polizeisportklub/, der in Wirklichkeit der Stasi sozusagen gehörte. Die Folge dessen, war natürlich, dass diejenigen, die nicht so systemtreu waren - für die blieb nur die Alternative Union von den drei großen Ostberliner Vereinen. O-TON 36 Frau 22.30 Mann nehmt dem doch mal den Ball weg ... Auf gehts Union kämpfen und Siegen ... Jetze! .... Bleib da dran! AUTOR Zelt, Unioner seit 1966, erinnert sich gut an unzählige Auf- und Abstiege, die Zeiten in der DDR-Oberliga, die Fastpleiten und Jahre der Drittklassigkeit nach der Wende. Sein Lächeln - ein wenig schief. O-Ton 37 Zelt 17:13 Das einzige, was an der Zweiten Liga wirklich ätzend ist, ist die Spieltagszerstückelung, dass man Freitag, Samstag, Sonntag, Montag spielen kann. Ein Auswärtsspiel am Montagabend, ist das Schlimmste, was einem passieren kann, wenn das Karlsruhe ist, braucht man zwei Tage Urlaub, um da hinzufahren. AUTOR Das Fernsehen ist schuld, sagt Zelt. Es geht um Vermarktung, nicht um das Interesse der Fans, die sich mit ihrem Verein identifizieren. Wenn es sein muss, es um entscheidende Punkte geht, dann nimmt Zelt eben den nötigen Urlaub, sitzt 14, 15 oder 16 Stunden im Zug oder Bus, sucht sich vielleicht ein billiges Hotelzimmer. 200 Euro reichen da kaum aus. Die Summe die im Laufe einer Saison zusammenkommt, will er nicht wissen. Andere, sagt er, müssen sich das buchstäblich vom Munde absparen. Er schaut zum Himmel. O-TON 38 Frau/Fans 1/29 33.33 Die Sonde! ...Gesang ... AUTOR Über dem friedlichen Berliner Fanblock kreist eine kamerabestückte Drohne der Polizei. O-TON 38 s.o. Frau/Fans 1/29 33.33 ...Gesang ... Die totale Überwachung! AUTOR Zelt schüttelt den Kopf. Halb verächtlich, halb wütend. Wenn er mal sein Engagement für seinen Verein hinterfragt, dann nicht wegen der Geldes oder der Zeit, die dafür draufgeht. Sondern wegen der vielen Schikanen durch fremde Ordner, der unwürdigen Behandlung durch die Polizei, dem permanenten Generalverdacht. O-Ton 38 Gesang AUTOR Auf dem Spielfeld weiterhin Kampf und Krampf. O-Ton 38 Frau 1/29 34:05 Ran ran da ran da.. Ein Glück, das die auch nicht können AUTOR Der "Dorfverein" aus dem Erzgebirge spielt in der Saison wesentlich erfolgreicher als der zweitklassige Hauptstadtklub aus Ost-Berlin. Egal. O-Ton 41 Frau 1/29 39:30 nur Sie: so zogen wir in die Bundesliga ein und werden auch mal deutscher Meister sein ... O-TON 42 Bunker 1/34 1:12 (Fans im Hintergrund) Ich bin natürlich auch zu Ostzeiten ab und zu mal dagewesen AUTOR Bunker hüpft für Union und gegen die Kälte. O-TON 43 Bunker 1/34 1:12 - und da war es dann immer gegen das Regime, gegen das Establishment, gegen den BFC, gegen den ganzen Delegierungsquatsch, wo die besten Fußballer zum BFC, Magdeburg oder Leipzig gegangen sind. Und das hat sich dann so fortgesetzt in die Nachwendezeit, keiner wollte uns im Prinzip das nötige Geld geben, um vernünftig Fußball mitspielen zu können. Das war so in den Ostzeiten angeboren, dass man immer irgendwie gegen was zu kämpfen hat. Und gerade deshalb, wenn es scheiße läuft, erst recht hinzugehen. AUTOR Sein Grinsen, ein wenig stolz, ein wenig schief, vor allem trotzig. Wie wichtig ist ihm eigentlich der Erfolg? O-TON 44 Bunker 1/34 3:30 Lachen Ja, das wäre eine wunderbare Beigabe, wenn es das noch dazu geben würde. Aber Du siehst ja gerade heute, dass wir davon noch ein Stückchen entfernt sind - drei, vier Lichtjahre. // J a, spielt nicht die große Rolle. Ich will sehen, und die meisten Leute, die ich kenne, wollen sehen, dass richtig gekämpft wird. O-TON 45 Fans 3:05/5:20/7:40 Atmo + Lied lang ... Dem Morgengrauen entgegen ziehn wir gegen den Wind Wir werden alles zerlegen bis wir deutscher Meister sind FC Union du sollst leuchten wie der hellste Heiligenschein Und überall wird es schallen FC Union unser Verein Schalalalalalalala AUTOR Beim Schalalalala schwenkt Bunker wie alle anderen seinen rot-weißen Schal. Das sieht in der Masse prima aus. O-TON 45 Fans s.o. O-Ton 46 Frau 1/29 36:08 Lauf! ... Ach hör doch uff, der ist doch über seine eigenen Beine gestolpert! Spiel! Spiel! Oh ne eyh. Ey für Fairness kriegste keinen Pokal. Ist doch kacke! ... Hubschraubereinsatz AUTOR Auf dem Platz, der mittlerweile einem Acker gleicht, eine missglückte Aktion nach der anderen. Auf der Tribüne: Kälte, Frust und Starrsinn. O-TON 47 Fans 1/ /36 10:45 (mit Richter) Ja wir lieben unsern Club und wir sind stolz auf ihn ... FC Union aus Berlin..ohohohohhohohohohohoh... O-TON 48 Richter 1/31 3:27++ Ein Tor würde dem Spiel gut tun. Fünf Euro ins Phrasenschwein, aber es ist so. Egal für wen. Es fehlt ein Tor im Spiel. AUTOR Die zweite Halbzeit läuft. Richters Gesichtsausdruck - gequält. O-TON 49 Richter 4:20 Seit 78 bei Union, man ist nicht erfolgsverwöhnt und man erwartet auch keinen Erfolg. Man freut sich wenn gewonnen wird. Man ist zufrieden, wenn es klappt, aber wenn es nicht klappt, klappt es nicht. AUTOR Richter besucht auch an spielfreien Tagen der Saison täglich die Homepage seines Vereins, liest die aktuellen Pressemeldungen, informiert sich über Verletzungen der Spieler und die Verlängerung ihrer Verträge. O-TON 50 Richter 4:20 Man weiß auch, warum es kein schönes Spiel ist, weil es Kampf ist. Und das war bei Union schon immer so, und deshalb werden bei Union auch die Trainer so ausgesucht und die Spieler so ausgesucht, dass es Trainer sind, die ein kampfstarkes Team aufstellen. Deshalb erwartet man nicht Erfolg. AUTOR In Union-Bettwäsche schläft er nicht. Andere tun das. Überhaupt ist Richters Wohnungseinrichtung vom Bücherregal und Kleiderschrank einmal abgesehen weitgehend Union-frei. Seiner Frau ist das lieber. Dafür darf er die Spiele besuchen. Ein guter Deal, findet Richter und ist in Gedanken schon wieder bei der Mannschaft. O-TON 53 Richter 5:22 Und deswegen freuen wir uns über jeden Spieler, der technisch was mitbringt, und wir sind zufrieden ... wenn in dieser Saison die Klasse gehalten wird. ... Fans: Auf geht's Unioner schießt ein Tor ... O-TON 52 Frau 1/29 25:50 Och Mann ey was steht der da ...+ 26:28 AUTOR Auch im zweiten Durchlauf ist das Spiel nicht besser. Im Gegenteil. O-TON 54 Frau 1/29 17:52 Ding Dang Dong wir bringen eine Werbung AUTOR Bunker verzieht das Gesicht unklar, ob es an dem 87. Fehlpass auf dem Rasen oder der im Profifußball üblichen Werbeeinblendung auf der Anzeigentafel liegt. Das Frustrationspotential ist für diesen Sonntagnachmittag langsam ausgeschöpft. Bunker und Richter sind vielleicht ein bisschen seltsam aber sicher keine Erfolgsfan. O-TON 57 Richter 1/43 2:11 Wenn ich mich entscheiden müsste: Willst Du in der ersten Liga spielen - dafür müsste aber das und das passieren ... Stadionnamen verkaufen, noch mehr Werbung, / oder würdest du lieber in der Dritten Liga spielen und darauf verzichten wollen, / dann würde ich sagen: Lieber Dritte Liga und so bleiben wie jetzt anstatt Erste Liga. Also für den Erfolg würde ich mich nicht verkaufen wollen. Nicht die Atmosphäre verkaufen, nicht das drum herum verkaufen. AUTOR Bunker nickt. Das Erzgebirgsstadion der Auer soll einen neuen Namen bekommen. Dahinter steckt ein Kreditinstitut als Sponsor. Diese Werbemöglichkeit ist im Profifußball beliebt und lukrativ, für die Unioner allerdings tabu. Ihr Stadion in Köpenick Die Alte Försterei ist in einer einmaligen Aktion quasi selbst errichtet. Rund 2000 Union-Fans - natürlich auch Bunker und Richter - tragen daher seit 2009 den inoffiziellen Titel "Stadionbauer". O-TON 58 Fans 1/29 16:00 Eisern Union Schalalalalala AUTOR Gemeinsam eisern- bis zum Schlusspfiff. Der kommt wie eine Erlösung. 90 Minuten ohne Tor. Ein Punkt - immerhin. Richter und Bunker prosten sich zu. O-TON 59 1/36 4:35//:10 8:57 Abpfiff Bunker: Na ja. Minimalziel erreicht. Begeisterung ist anders aber immerhin. Fan: Hier ist Sonne, hier ist Sonne. Kommt mal her. 9:48 AUTOR Die Mannschaft kommt zu ihren Fans, postiert sich vor dem Zaun, winkt, wird verabschiedet. Sie hat gekämpft. Also keine Vorwürfe, keine Beschimpfungen, keine Pfiffe. Man bleibt sich treu. Auf der Anzeigentafel blinken die Spielergebnisse der Konkurrenten um den von den Unionern erhofften Nicht-Abstiegsplatz. O-TON 60 1/36 11:51 Richter: Ob Bielefeld gewinnt ist mir egal, weeßte! Bunker: Ingolstadt! Richter: Watt Ingolstadt och? Das ist scheiße. / Ingolstadt ist Mist, die rücken weiter ran. Wobei - hat Ingolstadt jetzt Karlsruhe überholt, oder nicht? Bunker: Ne. Richter: Deshalb ist der Punkt um so wichtiger. Das ist spannend bis zum Schluss. Zwei Siege müssen noch her und ein Unentschieden und dann reicht es. Aber das kommt auch. Ist kein Ruhekissen aber auch keine Panik. O-TON 61 1/36 11:51++ Bunker: Extrem lahmarschige Stimmung. Richter: Hab selten erlebt, dass es bei Union so leise ist und so ruhig. Bunker: Habe ich selten erlebt mit so vielen Leuten. Richter: Kaffeefahrt ... / Bunker: Merkwürdig. Wir werden Mainstream, Robert. Wir sind zu kultig schon ans cheinend. ATMO 10 Musik/Parkplatz AUTOR Auf dem Parkplatz, vor der Abfahrt doch noch Kontakt zur heimischen Bevölkerung. O-TON 62 Bunker 1/46 7:20 Am Montag hättet ihr gewinnen müssen. Ick hab das Spiel im Fernsehen gesehen. Das ist ja unfassbar Alter .. AUTOR Vater und Sohn aus Aue. Der Ältere hat die Haare stark gefärbt, der Jüngere die Haut stark gebräunt. Es geht um Fußball - natürlich. Aber nicht nur - O-TON 63 Auefans 1/45 10:05 - Einsiedler ist eine Privatbrauerei. Das ist Gebräu aus unserem häuslichem erzgebirgischen Ländle. Bunker: Einsiedler gibt es ja in Berlin, aber nicht dieses hier. Das Landbier ... ATMO 11 2/6 Auto im Radio der Bericht zum Spiel AUTOR Wieder auf der Straße - 300 km zurück nach Berlin. Zum Glück im PKW, nicht in einem der von zig Mannschaftswagen der Polizei begleiteten Fanbusse. Denen wird bis zur sächsischen Landesgrenze die Anfahrt einer Raststätte verboten. Bunker wieder auf der Rückbank in der Hand wieder ein Bier, diesmal aus dem erzgebirgischen Ländle. Nicht wirklich zufrieden aber sicher nicht unglücklich. O-TON 64 2/10 9:45 Man weiß nie, wie das wird, und das ist das schöne. Es kann natürlich wie heute ein bisschen durchwachsen sein, totaler Mist sein oder total toll. Das schöne ist einfach, dass man es vorher nie weiß / aber man weiß vorher irgendwas wird passieren, aber nicht was. / Es wird emotional werden. Heute war es ein bisschen wenig emotional, aber im allgemeinen ist es schon immer entweder positiv oder negativ emotional. Das ist schon mal nicht schlecht, wenn man merkt, man lebt noch. 1