COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Redaktion Religion & Gesellschaft Andreas Malessa ?Religionen?, Samstag 6.Februar 2010 , 16.05 Uhr Das Kreuz mit dem Kreuz : Ist Jesus für meine Sünden gestorben ? Der morgige Sonntag heißt im Kirchenjahr ?Sexagesimae?, 60 Tage vor Ostern, und mit großer Wahrscheinlichkeit werden ab morgen bis zum Karfreitag beliebte Passions-Choräle in den Gemeinden gesungen, die von ?Sühnetod? und ?Opferlamm?, von ?bezahlter Strafe? und ?getilgter Schuld? sprechen. Aber ? war der Tod des Jesus von Nazareth das überhaupt ? Ist Jesus tatsächlich für die Sünden der Menschen gestorben und falls Ja ? warum musste das dann sein ? Falls Nein ? wofür starb er dann ? Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Das empfinden viele, aber nur wenige sagten es so deutlich wie der emeritierte Theologieprofessor Klaus-Peter Jörns. Dessen These, ein ?Abschied vom Sühnetod Jesu? sei dringend notwendig, hat heftige Diskussionen ausgelöst, die auf dem Weg zum Oekumenischen Kirchentag in München Mitte Mai noch zunehmen werden. Andreas Malessa stellt Ihnen dar, worum es bei dieser Debatte geht. 1. Musik 1 O Haupt voll Blut und Wunden Take 5 0`00? bis 0`14? CD ?Sonata A--moll?, Helge Thoene Text : Paul Gerhardt, Mel.: Hans Leo Haßler 1601 public domain, Eigenaufnahme SWR Freiburg, keine LC-Nr 2. Autor AM Die größten und bewegendsten Werke europäischer Sakralmusik - von frühmittelalterlichen Madrigalen über Bachs Matthäus- und Johannespassion bis zu den modernen Kirchenliedern Hugo Distlers ? handeln inhaltlich alle von einem Grundgedanken : 3. Musik 2 O Haupt voll Blut und Wunden Take 5 0`15? bis 0`29? CD ?Sonata a-moll?, Helge Thoene Text : P. Gerhardt, Mel.: L. Hassler, public domain Aufnahme SWR Freiburg , keine LC-Nr 4. Autor AM Dass Jesus von Nazareth seinen Tod am Kreuz stellvertretend gestorben sei. Als Sündenbock, als Opferlamm. Für die Vergehen aller Menschen. Ein Sühne-Tod sei das gewesen, der Schulden tilgt und Schaden wiedergutmacht. Blut wurde vergossen, um Versöhnung zu stiften zwischen Mensch und Gott. 5. Musik 3 O Haupt voll Blut und Wunden Take 5 ab 1`26? bis 2`05? (?Nun, was Du Herr erduldest, ist alles meine Last?) CD ?Lieder zur Passion?, Text : P.G., Mel.: L.H., p.d. LC-Nr 07224 6. Autor AM So textete Liederdichter Paul Gerhardt 1656 in seinem wohl berühmtesten Karfreitags-Choral ?O Haupt voll Blut und Wunden? und konnte sich dabei auf mindestens drei prominente biblische Zeugen berufen : Johannes, den Täufer ; Petrus, den Jünger Jesu ; und Paulus, den Heidenapostel : 7. Sprecherin Johannes-Evangelium Kapitel 1 Vers 29 : ?Johannes der Täufer sieht Jesus auf sich zukommen und sagt : Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünden hinweg trägt?. 1. Petrusbrief Kapitel 1 Vers 18 : ?Ihr wisst ja, dass Ihr nicht mit Gold oder Silber von Eurem nichtswürdigen Lebenswandel freigekauft worden seid, sondern mit dem kostbaren Blute Christi, dem Blut eines untadeligen und unbefleckten Lammes.? Römerbrief Kapitel 5 Vers 9 : ?Gott beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestoben ist, als wir noch Sünder waren. Nun aber werden wir, da wir durch sein Blut gerecht gesprochen sind, vor dem Zorn Gottes gerettet werden. 8. Musik 4 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld Take 4 ab 2`03? bis 2`30?(?die Straf` ist schwer, der Zorn ist groß? ) Text : Paul Gerhardt, Mel. : geistl Brieg 1525, p.d. LC-Nr 07224 9. O-Ton I Ich kann nur sagen : Ich will nicht, dass einer für mich auf diese Weise gestorben ist und ich will auch nicht an einen Gott glauben, der auf diese Weise Heil und Vergebung begründet ! Aber ich liebe einen Gott, von dem ich weiß, dass er ganz aus sich selbst vergibt, weil er sich in das Leben verwickelt hat, vergibt ! 0`28? 10. Autor AM Das sagt Klaus-Peter Jörns, emeritierter Professor für Praktische Theologie und Religionssoziologie , ehemals an der Humboldt-Universität Berlin. Offenbar spricht er aus, was viele Christen immer schon so oder ähnlich empfanden : Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Was soll dieser Tod mit mir heute zu tun haben ? Dieses Unbehagen wiederum wundert manchen Priester oder Pfarrer, denn : Einem Sünder zusagen zu können ? Deine Schuld hat Jesus stellvertretend gesühnt? ? das begründet doch die seelsorglich befreiende Wirkung jeder Beichte, oder nicht ? Dazu Klaus-Peter Jörns : 11. O-Ton II Vordergründig Ja. Indem man sich also zusagen lässt : Er ist für Dich gestorben ! Hintergründig aber und untergründig ist diese Los-Sprechung, die da passiert, erkauft mit einem grausamen Gottesbild : Dass Gott eben doch darauf bestanden hat, dass seine Gebote mit unbedingtem Gehorsam befolgt werden. Wenn nicht von allen, dann wenigstens stellvertretend von dem einen. Und dass er dafür seinen Sohn hat elendiglich sterben lassen. 0`38? 12. Musik 5 Du großer Schmerzensmann Take 7 0`51? bis 1`20? ( ?Ach das hat unsre Sünd` und Missetat geschuldet? ) CD ?Lieder zur Passion? Text : Adam Thebesius 1663, Mel.: J.S.Bach, LC 07224 13. Autor AM Die Frage haben viele: Was für ein Gott ist das, der Ungehorsam mit Tod und Blutvergießen ahndet und der ein Opfer fordert, weil es angeblich sein muss ? so als stünde er selbst unter einer zwingenden Notwendigkeit ? Der Lübecker Altbischof und Professor für Neues Testament, Ulrick Wilckens, hält das für ein Missverständnis : 14. O-Ton III Nein, Gott selbst ist die Liebe. Die Liebe, die Leben retten will. Die aber jede Entfernung von Gott und also Entfernung vom Leben z u l ä s s t ! Für Gott ist der Mensch nicht eine Puppe, sondern ein freies Wesen und man kann ein Verhältnis zu Gott nur haben als freier Mensch, der ihn hört und ihm gehorcht. Liebe Gottes ist ja nicht irgendeine freundliche Gesinnung, sondern ist ein wirklicher Lebens- einsatz Gottes selbst ! In Jesu eigenem Leben. 0`40? 15. Autor AM Die Willensfreiheit des Menschen also ist es, die eine Mechanik von Schuld und Tod wie Ursache und Wirkung in Gang setzt ? Kein blutrünstiger Gott, sondern der souveräne Mensch sorgt dafür, dass ihn die Folgen seines Handelns selber treffen, wenn kein Stellvertreter auftaucht ? Genau in dieser Stellvertretung sieht Ulrich Wilckens die erlösende Funktion des Jesus von Nazareth : 16. O-Ton IV Er will im Namen und in der Wirklichkeit Gottes den Menschen von seinen Sünden freimachen und das geht nicht durch einen freundlichen Blick oder ein liebes Wort, sondern das geht nur, indem er selbst sein eigenes Leben für das verdorbene, verkommene Leben derer, die er retten will, hingibt ! Weil Gott die Wirklichkeit der Freiheit des Menschen und auch des Verderbens der Menschen ernstnimmt. 17. Autor AM Was hält Klaus-Peter Jörns von diesem Gedanken ? 18. O-Ton V Gar nichts ! Weil auch in dieser Version letztlich der Tod etwas ist, was offenbar unumgänglich hat sein müssen. Dabei ist es völlig egal von der inneren Logik her, ob die Menschen ein Opfer bringen, ob Gott dieses Opfer bringt, ob Jesus es angeblich selbst gebracht hat ? das spielt alles keine Rolle, die Logik ist immer die selbe : Es muss Blut fließen, es muss einer sühnen, es muss einer sterben, es muss einer in die Bresche springen, es muss einer stellvertretend leiden und dergleichen mehr. Gott liebt nicht aus sich selbst, sondern es wird alles in einer Instrumentalisierung dieses Todes gemacht, dann ist Gottes Liebe etwas Bedingtes, nichts Unbedingtes. 19. Musik 6 Der Du noch in der letzten Nacht Take 13 0`56? bis 1`16? CD ?Zinzendorf- Lieder? Text u. Mel.: Nikolaus Graf von Zinzendorf, p.d. LC Nr 06047 20. O-Ton VI Wenn es in diesen Kurzfassungen vorkommt, entsteht eben dieses Missverständnis, als fordere Gott notwendig für seine Versöhnung ein Menschenopfer. Das ist überhaupt nicht gemeint ! 21. Autor AM Meint Dorothea Sattler, Professorin für katholische Dogmatik und Leiterin des Oekumenischen Instituts an der Uni Münster. Was ist denn dann gemeint ? 22. O-Ton VII Also nicht Jesus tut etwas für Gott ; Jesus stirbt nicht für Gott oder um ihm gehorsam zu sein, sondern Gott selbst ergreift die Initiative, die eben bis dahin geht, dass er sein eigen Fleisch und Blut sterben lässt, damit wir verstehen, wie groß seine Liebe ist. Wenn es aber so ist, dass Gott selbst, als er sich entscheidet, Mensch zu werden, immer schon weiß, dass dies tödlich ausgehen wird und er bereit ist, bis in den Tod, der ihn dann selbst trifft, bis in den Tod hinein Zeugnis zu geben von seiner Liebesbereitschaft - dann haben wir hier ein deutlich anderes Zeugnis an der Stelle. 23. Autor AM Dorothea Sattler liegt viel daran, dass Gott und Jesus nicht auseinanderdividiert werden, sondern dass eine, ?Theologie der Menschwerdung Gottes? mitgedacht wird, wie sie es nennt. Wer daran glaubt, dass Gott als Kind-in-der-Krippe Mensch wurde, der glaubt auch daran, dass Gott als Mann-am-Kreuz sein eigenes Leben hingab. Für den evangelischen Theologen Klaus-Peter Jörns ist damit aber weder die Ausgangsfrage ?warum Blutvergießen ?? beantwortet, noch die Funktion des Jesus von Nazareth zutreffend beschrieben : 24. O-Ton VIII Aber diese Vorstellung geht eben davon aus, dass Dinge, die die Menschen als Ungehorsam gegen Gottes Gebot tun, dass die nur aus der Welt geschafft werden können durch Blutvergießen ! Im Hebräerbrief steht`s ja so : Sünden-vergebung ohne Blutvergießen ist nicht möglich. Und dieser Grundsatz ist es, den Jesus im Grunde weggeräumt hat ! Es ist Sündenvergebung sehr wohl o h n e Blut-vergießen möglich, das hat er in seinem ganzen Leben, seinem Handeln praktiziert und hat die Jünger in diesen Dienst hineingestellt. 0`42? 25. Musik 7 Wohin soll ich mich wenden Track 16 ab 1`59? bis 2`49? CD ?Großer Gott wir loben dich? Rene Kollo Text : Johann Phillip Neumann, Mel.: Franz Schubert, p.d. LC-Nr 0309 26. Autor AM Schauen wir in die Kirchengeschichte : Die Deutung des Todes Jesu hat, vereinfacht gesagt, eine Voraussetzung und drei Entwicklungsschritte. Die Voraussetzung : Am höchsten Fest des Judentums, am ?großen Versöhnungstag? Jom Kippur, trägt der Hohepriester - der Mittler zwischen Mensch und Gott - das Blut eines rituell geschlachteten Opfertieres ? des Stellvertreters ? ins sogenannte ?Allerheiligste? des Tempels ? an den Ort der realen Anwesenheit Gottes. Die ersten Nachfolger des Jesus von Nazareth sind Juden und mit diesem Verfahren ganz selbstverständlich vertraut. Jetzt, Schritt Nummer Eins, übertragen sie diese Jom-Kippur-Liturgie Punkt für Punkt auf Jesus. Nachzulesen ist das im Hebräerbrief : Jesus ist unser priesterlicher Mittler, e r hat sein Blut stellvertretend wie ein Opferlamm vergossen, e r ist der neue Ort der Anwesenheit Gottes. Diese für Judenchristen sehr plausible Deutung überträgt der Heidenmissionar Paulus, Schritt Nummer Zwei, in griechisch-römische Rechtsbegriffe : Jesus hat mit seinem Tod alle Forderungen des Gesetzes abgegolten ; eine verdiente Strafe wurde bezahlt, der Mensch ist ein Schuldsklave Gottes, wurde aber von Jesus ?freigekauft?. In den folgenden Jahrhunderten kommt es durch die Christianisierung der Germanen u.a. auch zu einer Germanisierung des Christentums . Was den Theologen Anselm von Canterbury später zu seiner sogenannte ?Satisfaktionstheorie? führt, Schritt Nummer Drei : Die Beleidigung des Höchsten, die Verletzung der Ehre Gottes, verlangt nach einer Wiedergutmachung, die von einem normalen Menschen gar nicht adequat zu leisten ist. Deshalb hat Gott selbst dafür gesorgt, dass der Mensch den Schaden wiedergutmachen kann ? indem er seinen Sohn opferte. 27. Musik 8 Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen Take 3 ab 0`00? bis 0`37? ; CD ?Lieder zur Passion? Text : Johann Heerman 1630, Mel.: Johann Crüger 1640 LC Nr 07224 28. Autor AM Das ist die Frage. Bis heute . Was hat Jesus getan, um einen solchen Tod zu verdienen ? Hat der historische Jesus von Nazareth sein Sterben eigentlich mal selbst gedeutet ? Ja, sagt das Neue Testament : 29. Sprecher Markus-Evangelium Kapitel 10, Vers 45 : ?Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.? 30. Sprecherin Markus-Evangelium Kapitel 14, Vers 22 bis 24 : ?Und während sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte, brach es, gab es ihnen und sprach : Nehmet, esset, das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihnen und sie tranken alle daraus. Und er sprach : Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.? 31. Sprecher Johannes-Evangelium Kapitel 10 Vers 11: ?Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe. ? 32. Musik 9 Herzliebster Jesu Take 3 ab 1`52? bis 2`27? (??wie wunderbarlich ist doch diese Strafe..?) CD ?Lieder zur Passion? Text : J. Hermann ; Mel.: J.Crüger, p.d. LC 07224 33. Autor AM Es bleibt jedem Bibelleser überlassen, ob er solche Zitate für authentisch hält. Oder für nachträglich Jesus in den Mund gelegte Erklärungen seines Todes. Aber : Wenn er n i c h t als ?Strafe für Sünden? starb, wie das in den Passionschorälen besungen wird - wofür starb er dann ?! Dazu Professor Klaus-Peter Jörns : 34. O-Ton IX Der Tod Jesu war die Strafe dafür, dass er das damalige Religionssystem durcheinandergebracht hat. Indem er eben diese Gottesvorstellung aus einem Zusammenhang befreit hat, in dem ?Sühne? das entscheidende Mittel für den inneren Frieden der Menschen war. Und indem er damit auch den Tempelkult und dergleichen angegriffen hat, hat er natürlich die ganze damalige etablierte Religion gegen sich aufgebracht und also gab`s nur eins : Weg mit dem ! Und der Tod ist die Strafe. 0`42? 35. Autor AM Das ist Professor Ulrich Wilckens zu wenig. Er hat 1970 das Neue Testament übersetzt, dann einen Kommentar zum Johannes-Evangelium geschrieben, der bis heute in 18. Auflage ebenso zur Standardlektüre aller Theologiestudenten gehört wie Wilckens` Kommentar zum Römerbrief. 36. O-Ton X Aber man darf nicht vergessen, dass Jesus selbst schon vor seinem Tod darauf hingewiesen hat, dass er seine ganze Botschaft zu Rettung der Sünder durch seinen eigenen Tod bewirken will und bewirken soll und im Gehorsam zu Gott auch tut. Er wusste von Anfang an, dass Gott dies will, denn er verkündigte das Reich Gottes, d.h. die Herrschaft der Liebe Gottes und diese Liebe Gottes gebot ihm, dass er sein Leben hingeben sollte zu einer Erlösung für viele, wie er es schon v o r seiner Passion gesagt hat. Das ist viel mehr, als einfach eine Liebe, die aus sich selbst kommt. Es ist eine Liebe, in der Gott sozusagen sein Allerletztes einsetzt und hergibt, um uns aus dem Tod zum Leben zu erretten. 37. Autor AM Die katholischen Theologin Dorothea Sattler findet die Frage, welches ?Selbstbewusstsein? Jesus hatte und wie er wohl übers eigene Sterben gedacht haben mag nicht ausreichend : 38. O-Ton XI Zunächst kann ich bestätigen, dass Jesus selbst sich keine Gedanken gemacht hat über den Begriff der Sühne. Aber sicher, dass er sich zunehmend als Gesandter Gottes wusste und dass er mit Bewusstsein die Botschaft von Gottes Reich verkündigt hat. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht ausreicht, an der Stelle nur auf Jesus zu blicken, sondern auch darüber nachzudenken, was Gott mit seiner Menschwerdung für uns tun wollte. Theologie der Mensch- werdung ? ohne diesen Bezug geht es aus meiner Sicht nicht und da hab` ich Sorge, dass beim Kollegen Jörns es doch sehr bleibt bei der Perspektive auf den irdischen Jesus. Und die Theologie der Menschwerdung in den Hintergrund tritt. Der Grundansatz auch der neutestamentlichen Überlieferung ist ja, dass Jesus nicht für Gott stirbt, sondern dass Gott ihn für uns sterben lässt. 39. Autor AM Das könnte man für einen gedanklichen Zirkelschluss halten. Vulgo : Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Klaus-Peter Jörns vermutet obendrein noch eine bestimmte Motivation dahinter : 40. O-TON XII Wir wollen einen Gott haben, der mit Blutvergießen zu tun hat. Der mit starken Gewaltvorstellungen verbindbar ist, mit dem man die Menschen instrumentalisieren und pädagogisieren kann und das ist dann in der Kirche auch geschehen. Im Grunde hat die Kirche doch immer gesagt : Wir wollen diesen Jesus , der einen unbedingt liebenden Gott gebracht hat, überhaupt nicht haben ! Wir wollen ihn als ein Instrument der berechenbaren, am Gehorsam ablesbaren Glaubensgerechtigkeit haben ! Aber nicht als den, der unbedingt liebt ! 41.Musik 10 Es muss eig`nes Blut ihn färben ! Brockes-Passion Take 7 ab 1`47? bis 2`15? Text : Barthold Heinrich Brockes, Mel.: J.F.Fasch 1750 LC-Nr 05537 42. Autor AM Ist die Debatte um das Kreuz nur Professorengezänk aus dem akademischen Elfenbeinturm ? Nein. Zum Karfreitag 2009 räumte der Präses der rheinischen Kirche, Nikolaus Schneider, zwar ein, Jesus sei ?nicht im Sinne einer stellvertretenden Übernahme von Strafe gestorben?, deshalb stünde es aber Pfarrerinnen und Pfarrern noch lange nicht frei, die Einsetzungsworte des Abendmahls nach eigenem gusto zu ändern. Genau da nämlich schlägt die Debatte jeden Sonntag in der Praxis auf : ?Christ Blut ? für Dich vergossen? ? kann Klaus Peter Jörns noch mit diesen Worten den Abendmahlskelch weiterreichen ? 43. O-Ton XIII Ich sage : Nein ! Denn Jesus ist nicht für uns gestorben, das ist nicht mein Spitzensatz, sondern Jesus hat für uns g e l e b t ! Sein ganzes Leben ist die neue Sicht des Menschen und die neue Sicht Gottes geworden, da kommt eigentlich eine neue Sicht Gottes durch. Wir feiern ja hier in unserer Gemeinde in einem festen Rhythmus ? und andere Gemeinden tun das inzwischen auch ? Abendmahl so, dass im Zentrum eben die Lebensgaben Gottes stehen : Licht, Brot, Wein und die Geschichte Jesu. Und das ist etwas, was völlig unabhängig von der Sündenvergebung geschieht. 44. Autor AM Völlig unabhängig von der Sündenvergebung die Lebensgaben Gottes feiern ? Dann würde aus einem immerhin als wirkmächtig verstandenen Vergebungs-Ritual ein harmloses Picknick auf der grünen Wiese der Lebensfreude. Fürchtet der evangelische Altbischof Professor Ulrich Wilckens : 45. O-Ton XIV Nein, dann brauchen wir kein Abendmahl mehr. Dann kann man, wann man will, die Schöpfungsgaben miteinander genießen. Das Entscheidende aber ist : Es würde dabei verloren werden der tiefe Sinn des Lebensgewinns und der Lebensrettung, die wir ja in jedem Abendmahl erleben ! Wenn man das Abendmahl ernst nimmt, dann ist Jesus selbst, der Gekreuzigte, gegenwärtig. 46. Autor AM Diese als Realpräsenz Christi geglaubte Gegenwart des Gekreuzigten setzt aber doch voraus, dass Jesus tatsächlich auferstanden ist. Kann Ulrich Wilckens dem Satz ?wir feiern, dass Jesus für uns gelebt hat? denn auch nichts abgewinnen ? 47. O-Ton XV Das wäre kein Gegensatz, denn das Leben Jesu endet und hat sein Ziel in der Hingabe seines Lebens für uns. Darum kann man im kirchlichen Leben keine Absolution erfahren, ohne dass deutlich auf meinen Kopf und mein Herz hin gesagt wird : Im Namen Jesu Christi geschieht das. Und zwar im Namen dessen, der sein Leben für Dich hingegeben hat. Das sind nicht Gedanken, sondern das sind tiefe religiöse Erfahrungen, die mit dem Wesen des Christentums verbunden sind. 48. Autor AM Der Streit wird um sich greifen und lauter werden. Flüstern, mit Rücksicht auf die katholischen Nachbarn, müssten die Protestanten dabei nicht, meint die katholische Dogmatik-Professorin Dorothea Sattler aus Münster : 49. O-Ton XVI Dass wir römisch-katholischerseits dieses Opferverständnis hätten, als bräuchte Gott den Tod Jesu Christi für sich selbst - das ist unsinnig und das ist auch unzulässig und die Miss- verständnisse, die wir ausräumen müssen, die müssen wir sowohl in der römisch-katholischen als auch in der evangelischen F r ö m m i g k e i t ausräumen. Aber theologisch besteht kein Anlass, eine konfessionelle Differenz festzustellen. 50. Musik 11 Würdig ist das Lamm CD 2 Take 8 ab 0`46? bis 1`20? CD-Box ?Ich bete an die Macht der Liebe? Text u.Mel.: Georg Friedrich Händel (?Messias?) LC 6047 15