COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 08.September 2008, 19.30 Uhr Risiken und Nebenwirkungen Apotheken als Marktteilnehmer Von Barbara Zillmann Atmo 1+2 Apotheke innen, Beratung, Kasse, Schublade O-Ton 1 Wagner Sie sind Schubladenzieher und sie sind Kleinkrämer ein bisschen, sie gucken so aus der Vergangenheit auf den Millimeter, auf die Feinunze Gold, Geldzähler vielleicht auch (lacht), es ist das Merkantile, was immer wieder in Zusammenhang gebracht wird mit dem Apothekerberuf oder dem Apotheker. Sprecher vom Dienst Risiken und Nebenwirkungen Apotheken als Marktteilnehmer Eine Sendung von Barbara Zillmann Atmo 1+2 O-Ton 2 Wagner Es ist sicherlich auch ein Spagat zwischen einerseits wirtschaftlichem Unternehmen, andererseits ein öffentlicher Gesundheitsauftrag, ein ethischer, dem man sich auch verpflichtet mit der Approbation, das heißt: man hat einen öffentlichen Auftrag. Sprecherin Vivian Wagner ist staatlich geprüfte Apothekerin in einer kleinen Berliner Apotheke. Vier Jahre hat sie Pharmazie studiert, die Kunde von den Arzneimitteln und ihrer "Wirkung im Körper". Sie ist eine von etwa 55.000 Berufskollegen bundesweit. Der Gesetzgeber weist ihnen eine besondere Verantwortung zu: Sprecher vom Dienst: Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Sprecherin Dazu gehört, neben einer zuverlässigen Medikamentenlieferung rund um die Uhr, auch die kompetente Kundenberatung. Aber wie ist es um die Qualität der Versorgung und die Zukunft der Zunft bestellt? Atmo Sprecherin Wie in anderen Bereichen hat auch bei vielen Apotheken der ökonomische Druck zugenommen. O-Ton 3 Glaeske Der Spagat zwischen Ethik und Monetik ist für Apotheker oftmals sehr schwierig. Sie wissen, sie sind Unternehmer, sie haben Personal, sie haben Mietkosten, sie haben die Notwendigkeit der Bankabzahlung, wie auch immer, das heißt sie stehen auf der einen Seite natürlich unter einem ökonomischen Druck, und sie wissen auf der anderen Seite aber auch, sie sind Heilberufler. Sie müssen das zusammenbringen. Sprecherin Gerd Glaeske ist Professor für Public Health, für das Öffentliche Gesundheitswesen, an der Universität Bremen. Er sitzt im Sachverständigenrat der Bundesregierung für die Reform des Gesundheitswesens. Seit Jahren entwickelt er auch Prüfverfahren für die Qualität von Apotheken. Aus einer Apothekerfamilie kommend, sieht er in den letzten Jahren eine starke Verschiebung hin zur "Monetik", also zur Gewinnmaximierung. So gebe es nicht wenige Apothekenbesitzer, die ihre Angestellten vor allem danach bewerten, wie viel Umsatz sie pro Kundengespräch machen. O-Ton 4 Glaeske Und die Frage muss erlaubt sein, brauchen wir all diese Apotheken, und wenn es dann nur noch auf Umsatz geht, ist es dann nicht eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit und der Versorgungsqualität, wenn dann verkauft wird und verkauft wird, ohne genau zu schauen, was wird denn verkauft. Und wir dürfen einfach nicht vergessen, was in der Apotheke verkauft wird, gilt vom Image her immer noch als das bessere Produkt verglichen mit dem, was bei Supermärkten oder Drogerieketten verkauft wird. Insofern müssten Apotheker sehr viel genauer darauf schauen, mit was machen sie Umsatz, und wo müssten sie sagen, das bitte nicht und schon gar nicht in meiner Apotheke. Sprecherin Gerd Glaeske hat die Testfragen mit entwickelt, die von der Stiftung Warentest im Frühjahr 2008 zwanzig Berliner Apotheken vorgelegt wurden. Das Ergebnis: ernüchternd. Nur in einer einzigen Apotheke war die Aufklärung über Risiken und Wechselwirkungen der Medikamente umfassend, und hier konnte auch ein Hautgel mit sieben verschiedenen Inhaltsstoffen fachgerecht hergestellt werden. 4 Atmo Salbe anrühren, unterlegen, darüber: O-Ton 5 Also, wir stellen diese individuellen Rezepturen her, die vom Hautarzt verordnet werden, die es so gar nicht auf dem Markt fertig abgepackt gibt, der Arzt legt die Zusammensetzung fest und wir stellen das dann nach pharmazeutischen Regeln auch her. Sprecherin Anja Rochow arbeitet in der Apotheke einer großen Einkaufspassage, gleich am Eingang das Schild: Testsieger. Als Pharmazeutisch-technische Assistentin hat sie das Herstellen von Salben, Zäpfchen und Tinkturen gelernt. Weil der Aufwand hoch ist, - allein die Zubereitung einer Salbe kann 30 Minuten und länger dauern - pflegen manche Apotheken diese Tradition nicht mehr und lehnen es ab, komplizierte Rezepturen anzufertigen. Nicht so in dieser Apotheke, wo man sich auf Hautfragen spezialisiert hat, auf die sogenannte Dermo-Pharmazie. Simone Gessmann: O-Ton 7 Das ist auch ein sehr wichtiges Thema bei uns, weil auch immer mehr Allergien entstehen und die Kunden brauchen dann wirklich die ordentliche Beratung. Wir arbeiten halt auch mit Hautärzten mitunter zusammen, und wir sind dann auch verantwortlich für die komplette Basispflege. Es gibt viele Stoffe, die Allergien auslösen. Das sind zum Beispiel: Vaseline, Lanolingrundlagen, Konservierungsstoffe und die Kunden kommen auch mit Allergiepass. Man kann sehen, ist das Mittel geeignet oder nicht. Das kann auch nur die Apotheke, in den Drogeriemärkten wird keiner mit so einem Allergiepass etwas anfangen können. Sprecherin Simone Gessmann weiß, wovon sie spricht, denn ihre Apotheke liegt in unmittelbarer Nähe von Drogeriemärkten. Doch das Berliner Fachgeschäft hat einen Platzvorteil: Wer aus dem S-Bahnhof Frankfurter Allee kommt, fällt gleichsam hinein. Ein kreisrunder Raum, in der Mitte eine Beratungsinsel mit Spiegel und Stehtisch, links eine geräumige Ausstellungsfläche mit Kosmetikartikeln. Und rechts ein halbrunder Verkaufstresen mit fünf Plätzen, großzügig voneinander getrennt. 6 Atmo Geräte-Arm (Roboter) Kommissionierer surrt Sprecherin Im Hintergrund greift sich eine Art Roboterarm, der sogenannte Kommissionierer, die von den Kunden gewünschten Medikamente aus dem Regal und spuckt sie durch kleine Luken in der Wand aus. O-Ton 8 Gessmann (Atmo) Es kommen viele Kunden, die sagen, oh sie haben jetzt einen Kommissionierer, da können Sie Arbeitsplätze einsparen und das ist eben bei uns nicht so. Wir nutzen die Zeit für kompetente Beratung für den Kunden. 7 Atmo: Kommissionierer, Ausspucken der Packung Sprecherin Das Medikament wird der Apothekerin sozusagen auf den Verkaufstisch gereicht, nachdem sie den Namen des Präparates in den Computer eingegeben hat. Und auf dem Bildschirm sieht sie rot markiert auch schon die Wechselwirkungen, die es mit anderen haben könnte. 2/3 Atmo Kasse Beratung Für intime Gespräche, etwa über Blasenbeschwerden oder Krampfadern, hat die Apotheke einen Beratungsraum. Hier wird auch Blutdruck gemessen, werden Kompressionsstrümpfe anprobiert. Besonderer Anziehungspunkt für manche Kundin ist der Kosmetikraum, zwei Mitarbeiter des Apothekenteams beraten hier zu Spezialprodukten. Auch eine Marketingassistentin gibt es für sogenannte "Kundenaktionen" - und Schauspielerin Hannelore Elsner radelt auf einem großen Bildschirm über der Theke. Sie wirbt für ein Nahrungsergänzungsmittel. Ist die Apotheke hier zum Markt mit Wohlfühlcenter geworden? Man möchte auf Kundenwünsche und Moden eingehen, ohne das eigentliche Handwerk zu vernachlässigen: die medizinische Beratung. O-Ton 9 Das Bewusstsein der Kunden hat sich sehr geändert, die kommen alle auch vorgebildet durch Medien, Internet und haben auch schon klare Vorstellungen. Wir haben dann die beratende Funktion, sie dann in die richtige Richtung auch zu lenken. Sprecherin Die Apothekeningenieurin Simone Gessmann findet den Service ihrer Apotheke selbstverständlich, ebenso wie die vielen Fortbildungen, die hier alle machen. Und die nötig sind, sagt sie. O-Ton 10 Gessmann Wir sagen schon mal den Kunden, dass es nicht geeignet ist oder dass die Wirkung nicht gewährleistet ist, und von daher muss man auch manchmal zu Mitteln abraten. 8 Atmo Tresen - Beratung Kortison Ich hab hier n Rezept für Sie --- die Salbe müssen wir anfertigen, bis zum nachmittag -- ich hab da son Ausschlag ... Was ist n da drin? Kortison ...gegen Entzündung und Juckreiz. - Kortison?? ... ist kurzfristig auf der Haut angewendet kein Problem ... nicht länger als zwei Wochen .....Atmo Kassenklingeln Sprecherin Die Apotheke - ein lukratives Geschäft, so scheint es. Die Kasse klingelt im Minutentakt, und über den Ladentisch gehen neben billigen Medikamenten auch teure Salben, Tabletten oder Infusionen, die im Einzelpreis manchmal mehrere hundert Euro kosten. Etwa 17 Prozent der Krankenkassenkosten machen Arzneimittel aus, Tendenz steigend. Apotheker aber klagen seit Jahren über Ertragseinbußen. Vivian Wagner aus der kleinen Stadtteilapotheke: O-Ton 11 Wagner Wir haben deutlich Personal reduzieren müssen, obwohl der Arbeitsbedarf mehr geworden ist. Und es ist auch die Aussage meines Chefs, dass jeder jetzt für zweieinhalb Personen arbeiten muss, auf der anderen Seite sehen wir, dass er keine Möglichkeiten hat, er kann am Warenlager nicht mehr sparen, und er muss dann am Personal sparen, das sind die zwei Größen, an denen man sparen kann in der Apotheke. Sprecherin Dennoch: seit Jahren bleibt die Zahl der öffentlichen Apotheken mit 21.500 in Deutschland stabil. Zwar schlossen im letzten Jahr 351 Apotheken, aber 370 eröffneten auch neu. Der Gesamtumsatz sei gestiegen, teilte der Bundesverband deutscher Apotheker, ABDA, im April mit, doch die Ertragsspanne sei, wie auch im vergangenen Jahr, deutlich gesunken. Vor allem gesundheitspolitische Entscheidungen hätten die Konkurrenzsituation in den letzten Jahren verschärft, meint Thomas Bellartz, Pressesprecher des Verbandes: O-Ton 12 Bellartz Es hat die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln gegeben - sowohl für die Selbstmedikation, als auch für rezeptpflichtige Produkte. Es hat gegeben die Zulassung des beschränkten Mehrbesitzes, ein Apotheker darf bis zu 3 zusätzliche Filialen betreiben. Es hat gegeben die Preisfreigabe in der kompletten Selbstmedikation. Sprecherin Bei jenen Medikamenten also, die die Krankenkassen inzwischen nicht mehr bezahlen. Der Preiskampf der Hersteller in diesem Segment hat niedrigere Preise gebracht, ein erklärtes Ziel der Gesundheitsreform, und ein Vorteil für die Verbraucher. Deutsche Arzneimittelpreise für Standardmedikamente stehen seit kurzem im europäischen Mittelfeld, nicht mehr ganz oben. Doch Apothekenverbände fürchten die weiter gehende Liberalisierung: vor allem auch deshalb, weil im Zuge europäischer Gesetzgebung vielleicht eine letzte Barriere fallen wird: das sogenannte Fremdbesitzverbot; bis jetzt dürfen in Deutschland nur ausgebildete Apotheker eine Apotheke führen, bald vielleicht auch die Chefin einer Drogeriekette. Der Wegfall von Marktprivilegien belaste die Zunft, so Bellartz. O-Ton 13 Bellartz Und eine Vielfalt von anderen Änderungen, denken Sie an Rabattverträge, die Apotheken umsetzen müssen, egal ob sie funktional sind oder nicht. Sprecherin Die Rabattverträge, ein Zankapfel zwischen Apothekern und Gesundheitspolitikern. Denn im Zuge der Gesundheitsreform verhandeln die Krankenkassen direkt mit Pharmafirmen über Preise und Rabatte. Den Apotheken fehlt an dieser Stelle eine wichtiges Instrument ihres unternehmerischen Handelns: das Ringen um günstige Einkaufsbedingungen und Mengenrabatte, die Kalkulation mit einer Handelsspanne. Für alle rezeptpflichtigen Medikamente, etwa Dreiviertel des Apotheken-Umsatzes, erhalten sie nun einen Zuschlag von drei Prozent des Einkaufspreises zuzüglich eines Dienstleistungshonorars von 8,10 Euro je Packung. Apotheken bekommen also für die Versorgung ihrer Kunden mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln eine garantierte Vergütung. Sie müssen den Kassen allerdings einen Rabatt einräumen: 2,30 ? pro Packung. O-Ton 14 Wagner Die Packungszahl ist entscheidend, nicht wenige hochpreisige Medikamente, die früher durchaus eine Apotheke am Leben halten konnten, sondern eher die Menge, viele niedrigpreisige Arzneimittel, die sind eher angestrebt, um die wirtschaftliche Situation der Apotheke zu stabilisieren. Sprecherin Insgesamt schrumpfen in diesem System nicht nur die Ertragsmargen vieler Hersteller und Großhändler, sondern auch die der meisten Apotheken. Das also, was finanziell übrig bleibt, was man zur Deckung der Unkosten oder auch für neue Investitionen braucht: der sogenannte Rohertrag. Und das schmälert auch den Gewinn. O-Ton 15 Bellartz Es ist ein echter Margenverlust. Das heißt, wir sehen genauso wie beim normalen Verbraucher, der vielleicht nur ein klein wenig mehr verdient, aber galoppierende Kosten hat, das haben wir in der Apotheke nicht anders. Der Gewinn der Apotheke wird geringer, und deshalb muss man nach Sortimenten suchen, z. B. im Bereich Wellness, die man dann ergänzend aufnimmt. O- Ton 16 Glaeske Alle versuchen, auch unter den Bedingungen der Gesundheitsreform natürlich einen bestimmten Umsatzstandard oder eine bestimmte Gewinnmarge zu halten, die sicherlich immer schwieriger aufrechtzuerhalten bleibt, weil wir sehr viele Apotheken haben, die im Grunde alle gleichermaßen anbieten. Also versucht man in diesem Bereich sich Vorteile zu verschaffen. Sprecherin Manchmal auch mit betrügerischer Energie. So werden zwischen einzelnen Apotheken und Arztpraxen Rezepte umgerubelt - nach dem Motto: die Krankenkassen erstatten ja das Geld. O-Ton 17 Glaeske Es gibt Rezepte, die zum Beispiel den Sprechstundenbedarf bestimmen, also Sprechstundenbedarf bedeutet, das dort Verbandsmittel, Pflaster, Spritzen oder auch größere Ampullen aufgeschrieben werden, dass aber dieser Sprechstundenbedarf nur teilweise ausgeliefert wird. Dann kann man sehen, was das Rezept wert wäre, und dann gibt es nach wie vor die Situation, dass das verrechnet wird, in Kosmetika teilweise verrechnet wird, in Alkoholika - man kann ja über den Apothekengroßhandel alles liefern lassen, vom Fläschchen Sekt bis hin zu größeren elektrischen Geräten, insofern kann man dort bestimmte Dinge vielleicht verrechnen, die man dann im Prinzip sich in geldwerte Vorteile ummünzen lässt. Das ist nicht erlaubt, das ist natürlich Betrug an den Kassen. Sprecherin Und ab und zu werden solche Schlupflöcher der Korruption bekannt, wenn ein frustrierter Mitarbeiter auspackt, eine Sonderabteilung "Abrechnungsbetrug" der Krankenkassen oder gar die Polizei ermittelt. Auch Kopplungsgeschäfte zwischen verschreibungspflichtigen Medikamenten und der so genannten Selbstmedikation seien, so der Wissenschaftler Gerd Glaeske, üblich, nach dem Motto: verkaufst du dort, wo du darfst, vorwiegend meine Präparate, zum Beispiel bei den preiswerten Generika, wo du laut Kasse zwischen drei Präparaten wählen kannst, so bekommst du eine große Menge Hustensaft umsonst. 11 Atmo Pillenfließband o.a. Sprecherin Auch wenn der Großteil des Umsatzes mit rezeptpflichtigen Mittel gemacht wird, für den Apotheker als Unternehmer wird der sogenannte O-T-C- Bereich, wörtlich: "over the counter" - die an der Theke frei verkäuflichen Waren - mit unterschiedlichen Rabatt- und Preisspielräumen immer wichtiger. Vivian Wagner: O-Ton 18 Wagner Klar wird das Segment erstmal unterteilt in verschreibungspflichtige Arzneimittel, da darf von Seiten der Apotheker kein Rabatt gegeben werden, aber auch von Seiten der Händler darf kein Rabatt gegeben werden, also des Großhandels oder der Industrie. Dann gibt es den großen Bereich, das Haifischbecken, sag ich jetzt mal, der OTC-Arzneimittel also der verschreibungsfreien apothekenpflichtigen und vor allem der nicht apothekenpflichtigen Arzneimittel. Sprecherin Das sogenannte Haifischbecken hat zwei Segmente, die jeweils etwa 10 Prozent des Umsatzes ausmachen. Es wird unterschieden: in jene Arzneimittel, die man ohne Rezept bekommt, aber nur in der Apotheke, wie etwa Schmerzmittel oder Grippesäfte - und jene, die es inzwischen überall gibt, zum Beispiel Vitaminpräparate. O-Ton 19 Wagner ... da ist der größte Rabattwettbewerb, weil das die sind, die auch in den Drogeriemärkten verkauft werden dürfen, ob das Kosmetik, Körperpflege ist, da gibt's auch keine Einschränkung der Rabatte. Aber wo es Rabatteinschränkungen gibt, das ist der Bereich der Selbstmedikation, da gibt es maximale Rabatte bis sieben Prozent, das ist vom Gesetzgeber auch noch eingeschränkt worden, um auch einen Missbrauch, sag ich jetzt mal, vom Großhandel und der Industrie zu verhindern. Sprecherin Hier vor allem versuchen Pharmahersteller in der Apotheke Fuß zu fassen. Immer mehr verkaufen direkt an Apotheken und teilen sich mit ihnen den Großhändlerrabatt. O-Ton 20 Wagner Angebote der Industrie gab es früher ja noch viel mehr, wenn man ihre Produkte gut platziert, da geht's schon mal um Sichtwahlplatzierung, auch so ein Begriff, da kaufen ja Firmen Regale, Stellplätze in den Regalen, in der ersten Reihe möchten sie stehen, mit anderen Worten: gut sichtbar. Für diese Platzierung gibt es dann Rabatte oder Geschenke, also Barzahlungen oder Fortbildungsfinanzierung, das was man ja kennt, was in anderen Marktbereichen auch gemacht wird. Das ist aber für mich etwas, also für mich zählt die Qualität eines Arzneimittels, also ich verkaufe es nicht, weil es sehr gut eingekauft wurde, sondern mich muss das Produkt überzeugen, was einerseits die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit angeht, wir handeln immer noch mit Arzneimitteln und da gibt's einfach noch Grenzen. Für mich ethische Grenzen. Sprecherin Ohne Kooperation mit Herstellern und Händlern geht es aber auch für die Apothekerin Vivian Wagner nicht: O-Ton 21 Wagner Natürlich, gerade so Verkaufsaktionen bieten sich dann an, wo der Händler einen auch unterstützt, indem er z. B. nicht nur Proben zur Verfügung stellt, sondern auch eine Schaufensteraktion mit uns macht, vielleicht auch noch Berater uns zur Seite stellt, weil in der Zeit des Personalmangels kann man selbst nicht mehr so viele Aktionen machen. Sprecherin Bis sie sich zu einer Werbeaktion entschließt, holt sie viele Informationen ein. Unabhängige Medizinforschung sei dabei unverzichtbar: O-Ton 22 Wagner Man muss immer zwei Seiten sehen, ich laß mir immer die Studie der Firma und dann natürlich auch die Gegenstellungnahmen von Arzneitelegramm oder auch andere Literatur, die uns ja auch zur Verfügung steht und daraus bildet man sich dann als Kompromiss ne Meinung, und man muss es ja immer maßschneidern auf die Bedürfnisse des Patienten, das erfordert halt den Fachmann. 2/3 Atmo Kasse Sprecherin Schwierig ist es derzeit, den Patienten die Rabattverträge der Krankenkassen zu erklären. Vivian Wagner darf nur noch solche Medikamente an die Versicherten abgeben, die die jeweilige Kasse als Rabattmedikament ausgewählt hat. Weil sich das monatlich ändern kann, müssen sich die Patienten immer wieder umstellen. O-Ton 23 Wagner Konkret heißt es bei uns jeden Tag, manchmal stundenlang: ach das Medikament sieht aber schon wieder anders aus, mein Blutdruck ist wieder höher. Wenn ein Patient immer wieder ein neues Medikament - wenn das alles so austauschbar ist, und er auch, ist das einfach nicht gut für die Wirksamkeit eines Stoffes. Natürlich lassen sich begrenzt Stoffe austauschen, aber sie werden auch ausgetauscht an Stellen, wo es pharmakologisch bedenklich ist. Sprich Anti-Epileptika, Psychopharmaka, Schmerzmittel, wo es auch durchaus schon Schäden gab durch diesen Austausch. Der Patient ist verunsichert, er hat Angst, mit diesen Gefühlen und auch mit der Wut müssen wir umgehen, jeden Tag. Sprecherin Verschiedene Salze eines Medikamentes etwa, verschiedene Grundstoffe einer Salbe können Allergien auslösen oder die Wirkung verringern, weiß die Apothekerin. Sie würde an dieser Stelle gern mit Blick auf den Patienten entscheiden. Aber die Erstattung durch die Krankenkassen wird gestrichen, wenn sie nicht strikt die Rabattverträge befolgt. Eine Methode der Politik, die Gesundheitskosten zu senken, ein Versuch, Schlupflöcher für Korruption zu schließen - aber auch ein starres System mit Nebenwirkungen für den Patienten. 7 Atmo Kommissionierungsautomat, Klackern von Packungen Sprecherin Problematisch für die Arzneimittelsicherheit und Unabhängigkeit der medizinischen Versorgung sind weniger die bürokratischen Kleinkriege in Deutschland, als vielmehr internationale Marktentwicklungen im Bereich des Pharmagroßhandels und der - industrie. Thomas Bellartz, Sprecher des Deutschen Apothekerverbandes ABDA, sieht hier vor allem die Bildung von Apothekenketten, die direkt mit Pharmafirmen verbunden sind. O-Ton 24 Bellartz Das heißt am Ende ist ein Hersteller deckungsgleich mit einem pharmazeutischen Großhändler, und mit einer Apotheke. Und am besten kennen alle dann auch noch die Daten der Versicherten. Sprecherin Pharmafirmen oder Großhändler versuchen aber auch, Apotheken durch eine gemeinsame "Zukunftsphilosophie" an sich zu binden, etwa auf Fortbildungsveranstaltungen. Gegen diese Tendenz gibt es eine Reihe von unabhängigen Apothekenzusammenschlüssen, die teilweise eigene Produktreihen entwickeln. Und es gibt in Deutschland immer mehr Apotheken, die neben ihrer Niederlassung einen Versandhandel im Internet betreiben. Denn immer mehr Kunden bestellen über das Internet, und finden hier fast alles, meist billiger: vom rezeptpflichtigen Krebsmittel über Viagra bis zur Lutschpastille. O-Ton 25 Bellartz Das Signal, was gesendet wird für einen schwarzen und parallelen Markt, den wir alle nicht sehen, ist dramatisch. Es geht darum, dass wir klarstellen, dass das ein Problem ist. Es geht darum, dass wir da auch die Warnungen von Zollbehörden und Kriminalisten einfach mal ernst nehmen. Sprecherin In der Tat berichten Zollfahnder über eine wachsende Pharmaflut aus China und anderen Ländern; es sind vor allem verbotene Aufputschmittel und Muskeldrogen, die in deutschen Kellern und Garagen umgepackt und neu etikettiert werden. Teils verunreinigt und mit unverständlichen Beipackzetteln versehen. Gefährdet der Internethandel also die Arzneimittelsicherheit? Gesundheitsforscher Gerd Glaeske legt Wert auf eine Differenzierung: seriöse Versandapotheken, die nach dem deutschen Apothekengesetz arbeiten, seien so vertrauenswürdig wie die Apotheke um die Ecke. Das Problem seien dagegen anonyme "Cyberspace-Firmen", wo illegale und legale Mittel angeboten werden: O-Ton 26 Glaeske Das heißt, das ist eine Riesengefahr, man kann es kurz zusammenfassen und auf Viagra bezogen sagen: Exitus beim Koitus. Ich weiß eben nicht, was ich da schlucke. Insofern muss man wirklich dringend davor warnen, einfach zu meinen, alles bestellen zu können, ob es rezeptpflichtig ist oder nicht, und schon, wenn es darum geht, dass die Rezeptpflicht nicht eingehalten wird von einem Lieferanten im Internet, weiß ich, ich bin dann an der falschen Stelle, dann ist es eine Gefahr! Also darauf schauen, ist das eine Apotheke, kann ich da anrufen, kann ich da nachfragen, haben die möglicherweise sogar so etwas wie eine Dokumentation meiner Medikamentengeschichte, können die mich selber warnen, mir sagen, wenn sie dies noch mit bestellen, dann haben sie Wechselwirkungen mit diesem und jenem, und es zeigt sich immer mehr, dass Internetapotheken, wenn sie denn Apotheken sind, auch einen guten Job machen. Sprecherin Von den ehemaligen Stammkunden der Apotheken, sagt Gerd Glaeske, seien es vor allem chronisch Kranke, die ihre Medikamente gut kennen, die derzeit bei Versandapotheken bestellen. Und die Veränderungen gehen weiter, ob es dem Stand der Apotheker gefällt oder nicht. Zwei deutsche Drogerieketten bieten inzwischen ihren Kunden einen Abholservice für Medikamente. Sie arbeiten mit Versandapotheken zusammen, in einem Fall gehören beide - Versandapotheke und Drogeriemarkt zur gleichen Firmengruppe, wobei die Apotheke ihren Sitz in den Niederlanden hat. Der Kunde holt sein Medikament dann in der Drogerie-Filiale ab - ohne Beratung versteht sich. Die Vertriebsformen für Medikamente ändern sich, aber auch das Zusammenspiel der "Player" im Gesundheitswesen. Gerd Glaeske sieht die Zukunft des Apothekerberufes in beratenden Gesundheitszentren; die Krankenkassen werden sich dann die besten als Vertrags- und Abrechnungspartner auswählen. O-Ton 27 Glaeske Es wird eben keine Kollektivverträge mehr geben, wo alle mitdürfen, sondern es wird nur noch die zu berücksichtigen geben, die auch bestimmte Kriterien erfüllen können. Also es wird sich schon relativ schnell auf diesem Weg klären lassen, welche Apotheken sinnvoller Weise mit Kassen zusammenarbeiten und dann die Versicherten versorgen. Über diesen Weg stell ich mir das vor, nicht über eine von oben deklinierte Zahl, ich will nur noch 10.000 Apotheken. Sondern: das soll sich im Wettbewerb um die Qualität ergeben. Sprecherin Und was machen die anderen Apotheker und Apothekerinnen? Hans Borger, gelernter Krankenkassenbetriebswirt, berät in Hamburg Apothekeninhaber, die nach einem eigenen Weg in die Zukunft suchen. Dazu gebe es viele Möglichkeiten. Eine sei, das pharmazeutische Wissen zur Herstellung eigener Produkte zu nutzen. Eine andere, die traditionelle Selbständigkeit des Apothekerberufes neu zu überdenken. O-Ton 28 Borger Ich höre von den Apothekerinnen und Apothekern, dass sie sagen, nee, selbst eine Apotheke aufmachen, da lass ich lieber die Finger davon, als Filialapothekerin weiß ich wenigstens, was ich verdiene und ich komm eigentlich in einen ähnlichen Status rein. Dieses Angestelltendasein sollte noch mehr gefördert werden, dann bin ich natürlich dabei und sage, oh, aber der freie Beruf Apotheker? Da kommt natürlich der Apothekerverband, die ABDA und sagt: nein!! das ist das Ende des Handels, da sag ich ok, ich kann lange warten, da ist ein Ende da, ein wirtschaftliches Ende da, oder ich gehe einfach den Weg und sage: ich lasse es zu, bitteschön, und ich sorge gleichzeitig für die Qualität, dass die da rein kommt! Sprecherin Der Apotheker als ein pharmazeutischer Qualitätsmanager in größeren Zusammenschlüssen, durchaus auch von Drogerieketten. Wie viel hoch qualifizierte und damit auch teure Mitarbeiter wird sich eine Kette leisten? Wird dabei die Beratungsqualität weiter sinken, die sich im europäischen Vergleich durchaus noch sehen lassen kann? O-Ton 29 Borger Für mich wäre es gut, wenn der Gesetzgeber das Fremdbesitzverbot auflöst, er diesen Bereich freigibt den Marktkräften, gleichzeitig aber auch sagt: bitteschön, hier müssen wir die Qualität entsprechend hochbringen und da haben wir genügend Organisationen, die auf diese hohe Qualität achten können, allen voran die ABDA, die ABDA müsste dann eben über den Sprung gehen, ok ich hab nicht nur mit einem Apotheker zu tun. Aber auch die Angestellten in den Apotheken, die würden dann auf einmal ganz andere Perspektiven für sich sehen können und das wäre für mich eigentlich der Weg: Liberalisierung, Qualität reinbringen. Und dann den Wettbewerb wirken lassen. Also: Tut was, geht hin und sagt, ok wir stellen uns dem Fremdbesitzverbot, wovor habt ihr Angst? Der Fremdbesitz fällt, ihr seid gut, und macht es denn einfach auch! Punkt. Sprecherin Noch wird über die künftige Rolle der Apotheken im Parlament debattiert, stehen Entscheidungen beim europäischen Gerichtshof und deutschen Wirtschaftsbehörden an. Für Gerd Glaeske ist die Zukunft der Zunft nicht von Standesprivilegien abhängig. Aber auch nicht allein vom Verkaufserfolg, wie es viele Pharmafirmen den Apothekerinnen und Apothekern suggerieren. O-Ton 30 Glaeske Da sag ich nein, völlig falsch, er wird als Heilberufler überleben. Als Verkäufer sind andere Branchen viel besser. Er hat aber sozusagen als Apotheker die Chance zu differenzieren, und eben deutlich zu machen: dieses Produkt verkauf ich nicht, weil... Und dieses Produkt verkauf ich, weil ... Das wird meiner Meinung nach auf Dauer geschätzt werden, denn da verliert sich sozusagen der Kunde in diesem Angebot von Arzneimitteln und braucht Hilfestellung und braucht so etwas wie einen Lotsen in diesem System. Und das muss der Apotheker sein. Atmo Sprecher vom Dienst: Risiken und Nebenwirkungen - Apotheken als Marktteilnehmer Eine Sendung von Barbara Zillmann Es sprach: Marina Behnke Ton: Inge Görgner Regie: Stefanie Lazai Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2008 12 1