DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 25.12.2013 Redaktion: Marcus Heumann 11.05 - 12.00 Uhr Zuhause im Vergessen Das niederländische Demenzdorf de Hogeweyk Von Claudia Heissenberg URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.  Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo : Spieluhr Zitatorin: (alte Frau) Ich will Ihnen gleich am Anfang sagen, wie durcheinander ich manchmal im Kopf bin. Ich weiß oft gar nicht, was ich gesagt habe. Also so weit ist es bei mir. Man hört etwas und im gleichen Moment hat man es vergessen. Das ist ganz schlimm! Das belastet einen! Deshalb habe ich keinen Kontakt. Meine Tochter sagt immer: Du musst unter Menschen. Musikakzent Zitator: (alter Mann) Das mit der Krankheit ist allmählich gekommen. Ich hab das halt selbst bemerkt, dass ich soviel vergesse und nicht mehr richtig schreiben kann. Mit Schreiben fing das an. Ich konnte nicht mehr gerade schreiben, sondern nur noch schräg und war ganz unzufrieden mit mir. (...) Am Anfang, wenn ich wieder etwas vergessen hatte, wenn ich wieder nicht auf etwas gekommen bin, haben wir noch gesagt: "Ja, okay, es ist auch altersbedingt." Man braucht einfach länger, bis man auf Namen kommt. Und jeder sagte: Mensch, das habe ich auch. Das nimm mal nicht so tragisch. Musikakzent Zitatorin: Es fing damit an, dass ich immer glaubte, etwas eingesteckt zu haben, aber es war nicht so. Ich suchte es und hatte es in der Hand. "Was suchst Du denn in der Tasche, Du hast es doch in der Hand." Ich war nun so unsicher geworden, dass ich etwas vergessen habe. Das ist eben das Schlimme. Ich habe immer das Gefühl, ich habe alles vergessen. Und nun weiß ich auch, dass ich alles vergessen habe. Erzählerin: Die Zitate stammen aus dem Buch "Das Vergessen erleben - Lebensgeschichten von Menschen mit einer demenziellen Erkrankung." Es ist eine Krankheit, die Angst macht, weil sie das Wesen des Menschen verändert, ihm mitunter sogar seine Persönlichkeit raubt. Und weil es kein Zurück gibt auf dem Weg ins Vergessen, in dem das Ich mehr und mehr verschwindet. O-Ton (Gymastiklehrerin) We gaan het volgende onderdeel doen, dames en heren ....Een, twee in de maat anders word de juffrouw kwaad. (Atmo) Sprecherin 1: Kommen wir zur nächsten Übung, meine Damen und Herren. Wir werden ein bisschen tanzen. Sitztanz, das können wir doch alle, oder? Wir stellen die Beine nebeneinander auf den Boden und stampfen kräftig. Eins, zwei, so geht es, sonst macht uns das Fräulein Stress. Atmo: (von O-Ton 1) Stampfen und Klatschen, eine alte Frau fängt an zu Singen Ansage: Zuhause im Vergessen - Das niederländische Demenzdorf De Hogeweyk Ein Feature von Claudia Heissenberg. O-Ton: (Henk de Rooy, 78) Ik was koperslager van oorsprong....maar het is voor de rest alles prima. Sprecher 1: (Voice over) Ich bin von Beruf Kupferschmied, aber ich habe alles mögliche gemacht, habe als Schweißer gearbeitet, mit dem Lötkolben und an der Drehbank. Jetzt ist das natürlich was anderes. Mir gefällt es hier. Ich kann jedenfalls nicht sagen, dass es mir nicht gefällt. Ich vermisse nur meine Freiheit, logisch. Ich kann nicht alleine nach draußen, denn dann verlaufe ich mich. Das muss man akzeptieren, und das war am Anfang ein bisschen schwierig. Aber es geht eben nicht anders, denn wenn ich rausgehe, dann weiß ich nicht, ob ich hierhin oder dahin laufen muss. Dann bekomme ich Angst. Aber sonst ist alles prima. Erzählerin: Henk de Rooy, Bewohner von de Hogeweyk O-Ton: (Joke van Putten) Wat me aansprekt is dat ik de mensen, dat ik ze op mijn eigen manier kan benaderen ....dat maakt het toch wel heel mooi. Sprecherin 2: (Voice over) Was mir gefällt, ist, dass ich den Menschen hier auf meine Art begegnen kann. Sie wohnen hier, aber sie leben in ihrer eigenen Welt, und ich bin ein Teil dieser Welt, das finde ich sehr schön. Ich mag dieses freie Arbeiten und dass die Menschen hier nicht in einem Standard-Pflegeheim wohnen, sondern in einer echten Siedlung, wo sie sich frei bewegen können. Wie Herr der Rooy, der mit seiner Freundin gerne durch die Siedlung läuft. Er schiebt dann den Rollstuhl und sie machen zu zweit einen Spaziergang. Dass sie sich frei bewegen können, das finde ich wirklich schön. Erzählerin: Joke van Putten, Altenpflegerin in de Hogeweyk. O-Ton: (Bernhard Müller) Beeindruckt hat mich schon, diese individuelle Betreuung, die dort vorgenommen wird, auf der einen Seite haben die Bewohner dieser Wohngemeinschaften der Einzelwohnungen relativ viel Platz, relativ viel Freiraum, wenn man bedenkt, dass die für sechs bzw. für sieben Bewohner weit über 300 qm zur Verfügung stellen, ist das schon relativ viel. Erzählerin: Bernhard Müller, Verwaltungsdirektor und Heimleiter des Senioren- und Betreuungszentrum der Städteregion Aachen. O-Ton: (Müller) Ich fand die Anlage an sich sehr, sehr ansprechend, ...vermittelte auch so etwas, ja, diesen bürgerlichen Charme, den man auch braucht, dieses Gemütliche, das alte Menschen so gerne haben, ...man sitzt zusammen im Wohnzimmer, einige unterhalten sich, einige waren dabei Wäsche zusammen zu falten, einige haben beim Kochen geholfen, also es vermittelt schon den Eindruck eines ganz normalen täglichen Lebens. O-Ton: (Reimer Gronemeyer) Ich glaube aber, dass man ganz nüchtern sehen muss, dass wir mit dem Demenzdorf noch weiter in die Richtung gehen, eigentlich Flüchtlingslager, Ghettos für Menschen mit Demenz zu errichten. Erzählerin: Reimer Gronemeyer, Professor für Soziologie an der Universität Gießen. O-Ton: (Reimer Gronemeyer) Und das ist erst mal die sehr grundsätzliche Frage, wollen wir mit den vielen Hochaltrigen, die wir haben und haben werden, wollen wir mit den vielen Menschen mit Demenz eigentlich in die Richtung gehen, immer mehr Institutionen, von denen wir wissen, dass sie immer teurer werden, dass sie immer schwieriger zu halten sein werden ...oder wollen wir sagen, es fällt uns sowieso nichts anderes ein als die Leute irgendwie einzusperren. Und ein Einsperren ist es ja. Das Demenzdorf hat einen Eingang, aber eigentlich keinen Ausgang mehr. O-Ton: (Yvonne van Amerongen) In Deutschland ist ein große ... ja Widerstand dagegen und ja da spricht man auch von Ghetto usw. und wir wissen eigentlich nicht warum, ...wenn man hier herumläuft, sieht man doch, dass es nicht so ist. Erzählerin: Yvonne van Amerongen, Managerin von de Hogeweyk O-Ton: (Yvonne van Amerongen) Es fühlt nicht so und wir haben so viele Menschen, die hier doch wohnen möchten. Und wir gehören zum 10 besten Pflegeheimen von Niederlanden, wir haben sehr höhe Zufriedenheit, ja und die Kritiker, die wohnen nicht hier und haben es nicht gesehen. ...Und ich bin ein bisschen müde, dass immer diese Kritiken kommen, denn ich habe immer gedacht: Und? Warum sagen die das? Ich weiß nicht. O-Ton: (Ruud Isaak,50) Moeilijke vraag ook, die je altijd thuis krijgt of in je omgeving...dat het een veilige omgeving is. Sprecher 2: (Voice over oder Zitator oder Moderator) Eine schwierige Frage, die viele aus der Familie und dem Bekanntenkreis stellen, ist: Gefällt es Deiner Mutter dort? Darauf gibt es eigentlich gar keine Antwort. Ich weiß nicht, ob sie sich überhaupt der Tatsache bewusst ist, dass sie hier lebt. Ich habe schon den Eindruck, dass es ihr gut geht, aber das wichtigste ist, dass es eine sichere Umgebung ist für sie. Erzählerin: sagt Ruud Isaak, der mit seiner Mutter Minnie, die er liebevoll Müss nennt, durch de Hogeweyk schlendert. O-Ton: (Ruud Isaak) Dus je probeerd zo goed mogelijk voor je moeder te zorgen...van dat kan niet langer Sprecher 2: Ich habe versucht, so gut es geht für meine Mutter zu sorgen. Aber als sie eines nachts um 3 in ihrer Unterhose draußen in der Kälte stand, war das einfach ein Zeichen, dass man keine Kontrolle mehr hat. "Wenn es Dir zu lange dauert, sag Bescheid, dann laufen wir weiter." O-Ton: (kurz hochkommen lassen) Mutter murmelt "niet te lang praten." Sprecher 2: "Wir hören gleich auf zu reden." Also das sind Momente, wo man merkt, es geht nicht länger. Atmo: De Hogeweyk, in der Passage, auf dem Theaterplatz O-Ton: (van Amerongen) Okay, gehen wir rund hier in de Hogeweyk. Jetzt stehen wir hier auf Theaterplatz, ...wir denken, dass es wichtig ist für Menschen mit tief Demenzkrankheit, dass sie irgendwo leben, wo sie das normale Leben weitersetzen können. ... draußen ist es für unsere Bewohner nicht gut, dort versteht man nicht, was die Menschen mit Demenzkrankheit haben möchten, was die meinen,... ja, es wäre schön, wenn die Gesellschaft eine gute Platz für Menschen mit schwere Demenzkrankheit wäre, aber das ist nicht so, noch nicht, vielleicht. Erzählerin: Auf den ersten Blick wirkt in de Hogeweyk alles ganz normal. Es ist ein schöner Tag, die Sonne scheint und viele Dorfbewohner flanieren durch die Gegend. In der überdachten Passage gegenüber dem Supermarkt wirbt das Restaurant mit dem Tagesmenü: Tomatensuppe, Schweinemedaillons in Pfefferrahmsauce mit Pommes frites und gemischtem Salat, zum Nachtisch ein gemischtes Eis. Über den Theaterplatz mit plätschernden Brunnen geht es in die Einkaufsstraße, die hier Boulevard heißt. Dort gibt es einen Friseursalon, eine Praxis für Krankengymnastik, ein Café, einen Reparaturservice und ein Veranstaltungsbüro für allerlei Aktivitäten: Vom gemeinsamen Backen über Bingo, Ikebana, Schwimmen und Wandern bis zum wöchentlichen Treff des königstreuen Oranje-Vereins. O-Ton: (van Amerongen) Es ist ein ganz normale Wohnviertel, aber was nicht normal ist, ist, dass man nicht alleine draußen kann, aber das ist wie kleine Kinder auch, ich habe ein, wie nennt man das, Enkelsohn, ein Kleinkind, ...er ist 15 Monaten alt, er kann auch nicht alleine auf die Straße gehen, das ist zu gefährlich, ich bin für ihn verantwortlich. Und das ist hier auch so. Atmo: de Hogeweyk Erzählerin: Yvonne van Amerongen hat das Wohnprojekt für Demenzkranke im Städtchen Weesp in der Nähe von Amsterdam vor ziemlich genau 20 Jahren mit aus der Taufe gehoben. Damals war noch das alte Wohnheim in Betrieb - ein in seiner nüchtern grauen Optik sozialistisch anmutendes Hochhaus mit langen Fluren und dem typischen Krankenhausgeruch. O-Ton: (van Amerongen) Damals war ich Betreuungsmanager, in 93, 92, und haben wir darüber geredet, dass das Pflegeheim eigentlich nicht ist, was wir für uns selbst oder für unsere Vater oder Mutter mit Demenzkrankheit haben möchten, ...dass das doch nicht das Leben ist, dass man die letzten Jahre vom Leben wünschte. Denn alle Leute, die hier wohnen, die sterben hier und die haben noch ja mittelmäßig so 3 Jahre zu leben und das soll doch schön sein und nicht wie Leben in ein Krankenhaus und damals das Pflegeheim war wie Leben in ein Krankenhaus. Atmo: in der Passage, Fahrstuhl Erzählerin: 2006 wurde das alte Wohnheim abgerissen; drei Jahre später zogen die Bewohner in die neuen zweistöckigen Häuser aus anthrazitfarbenem Backstein. Umschlossen wird das Dorf von der sogenannten "Schale", einem äußeren (Mauer)Ring, den zu einem großen Teil die Hauswände bilden. Innerhalb der Siedlung mit breiten Straßen und schmalen Gässchen, einem Teich, lauschigen Gärten und Innenhöfen können sich die Alten frei bewegen, durch die Gegend spazieren, auf Parkbänken in der Sonne sitzen oder im Café ein kopje Koffie oder eine Tasse Tee trinken. Es gibt keine Hürden, die sie nicht bewältigen können. Türen öffnen sich wie von Geisterhand und auch der Fahrstuhl kommt von selbst, denn er hat einen Sensor. Er hat auch Knöpfe, die man drücken kann. Muss man aber nicht, denn sobald jemand den Fahrstuhl betritt, fühlt er das Gewicht und bringt ihn nach oben oder unten. O-Ton: (van Amerongen) Wir denken, dass es sehr wichtig ist, dass Menschen laufen, dass sie bewegen, dass sie rumgehen, also wir laden ein, noch weiter zu gehen, mehrere Sachen zu sehen, vielleicht noch mehrere Abenteuer zu haben ... also wir haben kein Problem mit Personen, die den Weg nicht mehr finden, manchmal natürlich gibt so, aber dann gibt es immer jemanden, der hilft. Und das ist natürlich auch so, überall sind Menschen, die hier arbeiten oder die Ehrenamtlichen, und die helfen... die wissen, was zu tun mit demenzkranke Leute und das ist natürlich auch eine Schützung. Erzählerin: Die Devise von de Hogeweyk lautet: Wenn der Mensch sich nicht mehr an seine Umgebung anpassen kann, muss sich die Umgebung dem Menschen anpassen. Die Siedlung ist konstruiert und funktioniert nach den Regeln der Vergessenden. Tagsüber sind bis auf die Eingangspforte alle Türen offen; abends, wenn die Leute ins Bett gehen oder Fernsehen gucken, werden die Wohnungstüren abgeschlossen. Der Nachtdienst überwacht akustisch, ob alles in Ordnung ist und betritt die Wohnungen nur, wenn es nötig ist. Die positiven Auswirkungen sind durchaus spürbar und messbar. In de Hogeweyk sind die Bewohner seltener krank, bekommen weniger Psychopharmaka und sind insgesamt ruhiger als im Altenpflegeheim. O-Ton: (van Amerongen) Damals habe ich gesehen im Altbau, das war ganz normal, dass man den ganzen Tag lange Menschen schreien hörte usw. und jetzt ist das nicht so, wenn jemand schreit, dann ist das sogleich etwas, dass wir alle denken, oh, was ist geschehen, was ist, es ist sehr bemerkenswürdig, dass jemand schreit. Erzählerin: Heute leben die 152 alten Menschen, die alle unter Demenz im fortgeschrittenen Stadium leiden, zu sechst oder siebt in einer der 23 Wohneinheiten. Jede Wohnung ist ein eigener Haushalt mit großer Küche, großem Wohnzimmer, zwei Bädern und sechs oder sieben Schlafzimmern. Der Alltag ist wie zuhause. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen, man schaut zusammen fern oder hört Musik. O-Ton: (de Rooy) Mijn naam is Henk, ...deutsch Heinrich (lachen), Heinrich, Henk de Rooy is mijn naam ...nou ik probeer een beetje mee te helpen ....en ook initiatief nemen, om alles goed te laten draaien ...dat is wel grappig. Sprecher 1: (Voice over) Henk de Rooy ist mein Name und ich versuche, hier in der Wohnung immer mit anzupacken. Ein bisschen aufräumen oder abwaschen oder zumindest das Geschirr in die Spülmaschine stellen, einfach Initiative ergreifen, damit hier alles rund läuft. Den ganzen Tag still zu sitzen, das ist nichts für mich. Wir tanzen auch manchmal, ich und die fünf Frauen, das ist lustig. Atmo: Musik, Menschen bewegen sich, leise Gespräche Erzählerin: Mit 78 Jahren is Henk de Rooy einer der jüngsten Bewohner in de Hogeweyk. Das Durchschnittsalter beträgt 84. Er ist gut beieinander heute Morgen, sagt seine Betreuerin, aber das kann in einer halben Stunde schon wieder anders sein. Die Frage, wie lange er schon in de Hogeweyk wohnt, ist für ihn allerdings schwer zu beantworten. Wie alles, was mit der Erinnerung der jüngsten Vergangenheit zu tun hat. Hilflos und ein wenig beschämt wendet er sich an seine Betreuerin. O-Ton: (de Rooy) Nou dat weet, dat weet Joke wel. He Joke, hoe lang woon ik hier al? Erzählerin: Drei Jahre, sagt Joke, die mit Nachnamen van Putten heißt und die Wohnung von Henk de Rooy und seinen fünf Mitbewohnerinnen tagsüber betreut. Eine sportliche Frau, Mitte 40, mit einem strubbeligen Kurzhaarschnitt und fröhlich blitzenden Augen. Sie ist eine von 250 festangestellten und 150 freiwilligen Helfern, die mit ganz alltäglichen Beschäftigungen versuchen, die verwirrten alten Menschen aus ihrer krankheitsbedingten Starre zu reißen. Jeder tut, was er kann: Unkraut zupfen, Kartoffeln schälen, Wäsche zusammenlegen, Staubwischen. Auch wenn sie außerhalb von de Hogeweyk leben, sind die Altenpflegerinnen, die keine weißen Kittel, sondern ganz normale Alltagskleidung tragen, für die Wohngruppe eine feste Bezugsperson. O-Ton: (Joke van Putten) Voor een aantal dames en een heer die herkennen mee ook echt als de zuster en ...vind u dat goed? Ja. Sprecherin 2: Einige der Damen und auch der Herr, die erkennen mich wieder, sie wissen wie ich aussehe, manche kennen sogar meinen Namen. Für andere ist es vielleicht ein Gefühl von Bekanntheit oder ich stelle mich Ihnen jeden Tag auf's neue vor: Ich bin die Schwester, ich helfe Ihnen gerne, finden Sie das in Ordnung? Erzählerin: Nicht nur zu Menschen, auch zu Gegenständen verlieren Demenzkranke den Bezug. Sie vergessen, wofür man einen Besen, einen Kamm oder eine Zahnbürste braucht. Trotzdem ist die unentwegte Suche nach Dingen, deren Namen sie nicht mehr kennen und deren Zweck für sie im Dunkeln bleibt, Teil ihrer Krankheit. Henk de Rooy kramt eine kaputte Wäscheklammer aus der Hosentasche. Drei Teile, die irgendwie zusammengehören. Die Frage ist nur, wie? O-Ton: (de Rooy) het is eigenlijk een doodinvoudig iets, ... en dan zou ik hem zo moeten doen, even kijken, hoor. Sprecher 1: Das ist eigentlich eine ganz einfache Sache. Aber ich weiß verdammt noch mal nicht, wie ich die Wäscheklammer zusammenbauen soll. Das ist merkwürdig. Ich habe es immer wieder probiert ... so muss die sein, so, ich muss die Stahlfeder hier irgendwo zwischen machen, hier an diese Stelle gehört die, und dann muss ich die...eben gucken. Erzählerin: Auch mit einer intakten Wäscheklammer als Vorlage ist es nicht einfach, die zwei Holzteile und die Feder zusammenzufügen. Trotzdem ist für Henk de Rooy heute ein guter Tag. Er weiß, wo er ist und warum. Und hat eine Antwort auf fast alle Fragen. O-Ton: (van Putten) Tot dat u op een gegeven moment vroeg, mag ik u kamer zien ...maar hij heeft ook zijn dementie. Ja. Sprecherin 2: Bis er gebeten wurde, sein Zimmer zu zeigen. Da lief er in die vollkommen falsche Richtung. Er war komplett desorientiert und wusste nicht, wo sein Schlafzimmer ist. Manchmal kommt er auch morgens ins Wohnzimmer und fragt sich: Gott, wo bin ich hier? Dann muss man ihn eben ins Hier und Jetzt zurückholen und ihm erklären, dass er in de Hogeweyk ist. Also der Herr scheint gut beieinander zu sein, er ist es auch verglichen mit vielen anderen, aber auch er hat seine Demenz. Musik: ruhig, schwebend Zitator 2: Demenz: erworbene, auf dauerhaften Hirnschädigungen beruhende Geistesschwäche, die sich im Abbau von kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten zeigt. Von lateinisch "dementia", "von Sinnen", "ohne Verstand". Betroffen sind Gedächtnis, Denkvermögen, Orientierung, Sprache, Motorik, manchmal auch die Persönlichkeitsstruktur. Hauptrisikofaktor für Demenz ist ein hohes Lebensalter. Erzählerin: In Deutschland leiden derzeit rund 1,3 Millionen Menschen an Demenz. Bis zum Jahr 2050 soll sich diese Zahl verdoppeln. Mit der kräftezehrenden Pflege sind viele Angehörige überfordert. Wissen nicht, was sie tun sollen, wenn die Mutter nachts ruhelos im Haus herumschleicht und fünfmal an die Schlafzimmertür klopft, um lautstark zum Essen zu bitten. Oder der Vater, der weder seinen Namen noch seine Adresse kennt, unbemerkt auf Wanderschaft geht und durch die Gegend irrt. Ständiger Bewegungsdrang ist oft Teil der Krankheit. O-Ton: (Gronemeyer) Der Sicherheitsaspekt ist natürlich einer, der in einer Sicherheitsgesellschaft wie der unseren, sofort irgendwie mal ganz stark in den Vordergrund tritt. Also können wir uns wirklich nichts anderes mehr vorstellen als das Einsperren? Man muss sich erinnern...dass in dörflichen Verhältnissen immer ein Auge da war für jemanden, der sich verlief und dann war da jemand, der gesagt hat, guck mal, die Oma ist unterwegs, hol sie mal zurück. In den Lebensverhältnissen, in denen wir uns heute befinden, gibt es das nicht mehr. Und ich finde, es ist so bequem zu sagen: Naja, was ist die Antwort darauf? Wir sperren sie ein. Erzählerin: Der Gießener Soziologieprofessor und Theologe Reimer Gronemeyer würde sich einen anderen Umgang mit Demenzkranken wünschen. Anstatt alte und verwirrte Menschen hinter hohen Mauern zu verstecken, plädiert er für die sogenannte quartiernahe Unterbringung in kleinen betreuten Wohneinheiten in der gewohnten Umgebung. Die Kranken aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, hält er für den falschen Weg. Er findet es traurig, dass sie keinen Platz mehr haben in unserer Gesellschaft, die ganz auf Jugend setzt. Und er bedauert, dass der Ausbau der stationären Versorgung und professionellen Pflege anscheinend die einzige Antwort auf den Anstieg von Demenzerkrankungen ist. O-Ton: Gronemeyer Man kann die Entscheidung fällen, so machen wir das. Wir bringen sie nach Alcatraz auf die Gefängnisinsel, wir nennen das aber Demenzdorf. Und das ist getragen von gutem Willen, von guten Absichten, daran habe ich keinen Zweifel. Aber es ist ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, die sich nur noch diese Lösung vorstellen kann. ... Wir machen es Ihnen richtig nett, aber wir schließen sie aus von unserem Leben und wir bringen Sie irgendwo unter, wo sie sicher und verwahrt sind. Ich meine, das Demenzdorf ist natürlich netter, als wenn man jemanden im Bett anschnallt, aber es ist das Projekt des Anschnallens in etwas größer dimensionierter Form. Erzählerin: Denn frei herumlaufen dürfen die Bewohner von de Hogeweyk ausschließlich innerhalb der Mauern. Wollen sie nach draußen, geht das nur in Begleitung von Familienangehörigen oder Pflegepersonal. Um Menschen wie im Demenzdorf Tag und Nacht einzuschließen, ist in Deutschland ein richterlicher Beschluss erforderlich. Zitator: Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Menschen mit Demenz dürfen nur eingesetzt werden, wenn diese sich selbst oder andere gefährden. Als freiheitsentziehende Maßnahmen werden Maßnahmen bezeichnet, die die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen dessen Willen einschränken. Dies können zum einen mechanische Geräte wie Fixiergurte oder Bettgitter sein, zum anderen ruhigstellende Medikamente und alle Maßnahmen, die dem Menschen die Möglichkeit nehmen, das Bett, den Stuhl, den Raum oder das Haus zu verlassen. Erzählerin: In den Niederlanden ist die Gesetzeslage ähnlich. Allerdings hat in de Hogeweyk der größte Teil der Bewohner von sich aus zugestimmt, eingesperrt zu leben. Und für alle, die nicht freiwillig dort sind, gibt es einen Gerichtsbeschluss. Reimer Gronemeyer würde solche geschlossenen Einrichtungen am liebsten abschaffen. Für den Soziologieprofessor ist Demenz keine Krankheit sondern eine Alterserscheinung. Anstatt die Betroffenen auszugrenzen, sollte man sie teilhaben lassen am gesellschaftlichen Leben, auf Nachbarschaftshilfe statt auf eine Rundum-Versorgung im Altenheim setzen. O-Ton: (Gronemeyer) Das ist für meine Begriffe eine Variation der Hölle. ...Es ist eine Variation der Hölle, weil es eigentlich das Nichts ist, die Abwesenheit der Menschlichkeit, der anderen Menschen, die die da sind, sind als Profis da, sind bezahlt da, vielleicht gibt es ein paar Ehrenamtliche, aber im Grunde genommen ist es eine Welt, in der das, was unsere Gesellschaft ja trägt, zum Ende gebracht worden ist, es ist alles völlig durchökonomisiert, es gibt keine Beziehung mehr, die nicht auf Geld basiert, was ist denn das anderes als eine Hölle? Musik Zitator 2: Die Gesellschaft ist in ständiger Bewegung. Traditionelle Gruppeneinteilungen auf Grundlage sozial-ökonomischer Merkmale wie Alter, Einkommen und Geschlecht verlieren an Bedeutung. Wir haben darum ein Mentalitätsmodell entwickelt, das Menschen nach ihrer Lebenseinstellung befragt. Um herauszufinden, welcher Lebensstil am besten zu Ihnen passt, beantworten Sie bitte die nachfolgenden Fragen mit "bin vollkommen damit einverstanden", "bin größtenteils damit einverstanden", bin eher nicht damit einverstanden" oder "bin überhaupt nicht damit einverstanden". Zitatorin: Alles verändert sich zu oft und zu schnell. Zitator: Ich finde es wichtig, die Geschichte meiner Heimat zu kennen. Zitatorin: Ich mag Unterhaltungssendungen. Zitator: Ich lege viel Wert auf gute Umgangsformen. Zitatorin: Ich fühle mich vor allem glücklich, wenn ich Geld ausgeben kann. Musik Atmo: Wasserplätschern, Schritte Erzählerin: 60 Fragen müssen die Bewohner oder ihre Angehörigen vor dem Einzug in de Hogeweyk beantworten. Entwickelt wurde der Fragebogen von Motivaction, einer Agentur für Forschung und Strategie. Das Ergebnis ordnet dem Teilnehmer einen von sieben verschiedenen Lebensstilen zu, die die Bevölkerungsgruppen in der niederländischen Gesellschaft repräsentieren sollen. Wer früher zum Beispiel gerne ins Theater, zu Konzerten oder Kunstausstellungen ging, ist in der kulturellen Wohngruppe richtig. Außerdem gibt es städtische, handwerkliche, vornehme und häusliche Wohngruppen. Sogar für Niederländer, die aus der ehemaligen Kolonie Indonesien stammen oder eine Zeit ihres Lebens dort verbracht haben, gibt es ein eigenes Domizil. O-Ton: (Yvonne van Amerongen) Die christliche Gruppe, das ist Lebensstil von Menschen, das Christliche ... ich erzähl das hier draußen, später gehen wir rein, wir gehen nur einige Minuten rein, wir möchten nicht stören ... also die christliche Gruppe, das sind die Menschen, das Christlich sein ist das Wichtigste im Leben. Es gibt mehrere christliche Menschen natürlich, aber für diese Menschen ist das das Wichtigste. Und das ist hier das Christliche von Nordholland, und das ist ... Luxus gibt's nicht, ein hartes Leben. Luxus: Das macht man nicht. Normales hartes Leben: früh auf im Morgen, früh ins Bett, beten und danken bevor und nach dem Mahlzeit usw. Erzählerin: Die gottesfürchtige, calvinistische Lebenseinstellung der Bewohner spiegelt sich auch in der Einrichtung. Die Möbel sind zweckmäßig und aufs Nötigste reduziert. Gedeckte Farben, vorwiegend braun und beige, machen das geräumige Wohnzimmer ein wenig düster. Für Yvonne van Amerongen ist ein ähnlicher Lebensstil die wichtigste Voraussetzung für das Wohlbefinden demenziell erkrankter Menschen. Ein Schlüsselerlebnis war für die Managerin der erste Hausbesuch im neuen Pflegeheim. O-Ton: (van Amerongen) Ich kam rein in diese Wohnung und ich habe gesagt: Guten Morgen, Damen und Herren, und wie geht's Ihnen? Und eine Frau, die war neben eine andere Frau und die hat gesagt: Wir haben es gut, sie hat meine Wörter. Und sie meinte, ...sie hat dieselben Normen und Werten, wir gehören zusammen, und das war das Lebensstil. Sie gehört zu mir, ist gut, dass wir hier zusammen sind. Erzählerin: Warum die Einteilung nach Lebensstilen sinnvoll sein kann, erläutert die Managerin am Beispiel von Woody Allen und Sylvester Stallone. Beide sind etwa gleich alt, haben dasselbe Geschlecht, einen ähnlichen Beruf und verdienen ungefähr gleich viel. Aber während Woody Allen seine Freizeit im Museum verbringt, geht Sylvester Stallone lieber ins Fitnessstudio und schaut die Nachrichten im Fernsehen anstatt Zeitung zu lesen. Er wählt die Republikaner und lebt in einer Villa in Los Angeles. Woody Allen ist politisch links und hat ein Apartment in New York. Trotz aller Ähnlichkeiten, haben die beiden also kaum Gemeinsamkeiten. Und wenn sie in einem Altersheim zusammenleben müssten, wären Zank und Streit vermutlich an der Tagesordnung. Genauso ist es, sagt van Amerongen, wenn jemand, der sein Leben lang ein Liebhaber moderner Kunst und klassischer Musik war, im Alter auf einen Fan von Volksmusik und dem "Traumschiff" trifft. O-Ton: (Gronemeyer) Ist doch vollkommen absurd, das gibt es doch gar nicht, dass man sozusagen die Menschen in solche sieben Schubladen einteilen kann und tut sie da rein und meint dann, sie würden sich da über die Musik einigen können. Also wenn Sie mich in die Abteilung "klassische Musik" stecken, dann könnte ich mich mit meinem Nachbarn schon über die Frage, ob Beethoven oder Mozart genauso streiten, ...das ist doch überhaupt keine Antwort auf die Konflikte und Probleme, die es gibt. ...Was für ein billiger Abklatsch eines Lebens ist das denn bitte? Atmo: Wasser plätschert O-Ton: (van Amerongen) Jetzt gehen wir in eine indonesische Wohnung, sehen wir, dass es ganz anders eingerichtet ist und ja dann kann man auch sehen, dass diese Menschen sich hier zuhause fühlen und die anderen irgendwo anders. Erzählerin: Möglichst viel von dem, was das Leben der Menschen früher ausgemacht hat, soll sich in den Wohnungen wiederfinden. Ein Radio soll aussehen wie ein Radio, eine Kaffeekanne wie ein Kaffeekanne und die Klobrillen sind schwarz, wie die meisten Bewohner sie noch von früher kennen, und nicht so wie heute üblich weiß. Zu essen gibt es je nach Vorlieben und Lebensstil deftige Hausmannskost, wie Erbsen- oder Möhren-Eintopf, gutbürgerliche Küche mit Kartoffeln, Gemüse, Fleisch und Sauce oder Nasi Goreng und Saté-Spieße wie in Indonesien. O-Ton: (van Amerongen) Wir sehen, dass wenn die Demenzkrankheit kommt, dass vielen wieder zurück gehen in der Zeit und sich wieder damit beschäftigen, das indonesische Essen usw. gerne hat ...Natur, sowieso Natur ist sehr wichtig. ... das Körper, dass das gesund bleibt usw. und das ist typisch indonesisch ...Klingeln (sehr leise) , Goede middag. Atmo: im Indonesischen Haus (Musik, ab und zu ein Husten) Erzählerin: Im indonesischen Haus sind die Wände fröhlich gelb, orange und hellgrün gestrichen, in Sofas und Sesseln liegen bunte Kissen. Überall stehen Pflanzen und Kunstgewerbliches aus der alten Heimat, es duftet nach Reis und frischem Koriander. Im Garten plätschert ein Brunnen umringt von Buddhafiguren im Lotussitz. Im Winter, erzählt Yvonne van Amerongen, sei es hier zwei Grad wärmer als in den anderen Häusern, weil die Bewohner gern barfuß laufen. Eine hagere, alte Frau döst eingesunken im Sessel, versunken in einer eigenen Welt. In den Armen eine Babypuppe, die sie fest umschlungen hält. O-Ton: (van Amerongen) Ich denke, wir gehen wieder. Ich fühle, dass ich störe....Dank u wel tot ziens. Atmo: Tür schlägt zu Erzählerin: Auf dem Weg trifft Yvonne van Amerongen eine zierliche ältere Dame, die leise murmelnd durch die Anlage streift. Mit der Perlenkette zum zartrosa Strickjäckchen wirkt sie sehr elegant und ist vermutlich in einer der gutbürgerlichen Wohnungen zuhause. Sie selbst weiß weder wo sie wohnt noch wo sie ist. O-Ton: (Frau) Ja, ik, ik, ik heb geen (sie stöhnt) warme (zögert) ... O-Ton: (van Amerongen) So sehen wir, dass die Menschen wirklich auch demenzkrank sind, wenn sie nach draußen geht und jemanden begegnet, ja die meisten wissen nicht, was die dann machen sollen. O-Ton: (Frau) Nou het is nou, het is soms nootweer, als ik hier ben, dan moet ik (sie pustet) niet äh Erzählerin: In der Wohnung der Oberschicht ist der Esstisch mit Weingläsern aus Kristall und schweren Stoffservietten eingedeckt. An der Decke hängen zwei elegante Kristallleuchter. Die sechs Bewohner kommen gerade von einem Klassikkonzert im Mozart-Saal. Doch obwohl es hier deutlich schicker aussieht - das Budget ist in allen Wohnungen gleich. O-Ton: (van Amerongen) Wir haben hier auch eine Küche, aber das ist hinter dem Wand, denn dort gehört das Personal, ...für die Indonesier ist das sehr wichtig, dass man zusammen kocht, das Kochen ist ein Teil vom Leben, für diese Menschen ist das etwas, was das Personal macht, und das war das ganze Leben so, jetzt noch. O-Ton: (Katharina Peters,86) Ich wohn auch in hier, von Anfang an, ... ja ich bin nicht hier geboren, das war im andere Straße ob es ein Krankenhaus war oder nicht, ich glaube nicht. Mein Mutter hatte schon sieben Kinder, ich war Nummer drie. Atmo: Yvonne redet mit den Bewohnern Erzählerin: Katharina Peters hat vor langer Zeit in der Schule Deutsch, Englisch, und Französisch gelernt. Auch Italienisch spricht sie und liest gerade wie jeden Tag die Zeitung. Ihr weißes Haar ist akkurat onduliert, über der cremefarbenen Bluse trägt sie eine dunkelblaue Kashmir-Strickjacke. Gepflegtes Aussehen ist der 86-Jährigen, die ihr ganzes Leben in Amsterdam verbracht hat, immer noch wichtig. Aber die Geschichten, die sie erzählt, haben keinen Anfang und kein Ende, es sind zusammenhanglose Sätze, deren Bedeutung sich niemandem so richtig erschließt. O-Ton (Peters) Stel je voor, dat die mensen zeggen, klotenbiber tegen mij,... je weet het, maar je will het niet weten. Sprecherin 3: Stell Dir vor, die Leute sagen Frostköttel zu mir, dann habe ich schon wieder einen neuen Spitznamen. Wenn Du zitterst, weil Dir kalt ist und wenn Du eine Tratschtante bist, auch nie gehört das Wort, Tratschtante? Das kennst Du bestimmt, aber Du willst es nicht sagen. Du weißt es, aber du willst es nicht wissen. Atmo Spieluhr Erzählerin: Seit die Demenz das Nervengeflecht in ihrem Gehirn ausdünnt, wird das Durcheinander in Katharina Peters Kopf immer größer. Verloren in Zeit und Raum, gestern, heute, morgen - alles verschwimmt. Langsam aber unaufhörlich raubt die Krankheit ihre Identität. Was bleibt sind Fetzen: Wortfetzen, Fragmente von Gehörtem, Gesehenem und Erlebtem, Vorlieben und Abneigungen. Versatzstücke eines langen Lebens, in dem die Erinnerungen mehr und mehr verblassen. Umso wichtiger ist es, den gewohnten Tagesablauf so lange wie möglich aufrecht zu halten. Um den Teufelkreis der Demenz und der damit verbundenen Isolation zu durchbrechen. Denn wer unter Vergesslichkeit leidet, Gesprächen nicht mehr folgen kann und sich dem Alltag nicht mehr gewachsen fühlt, zieht sich mehr und mehr zurück. O-Ton: (Van Amerongen) Aktiv sein ist sehr wichtig für das Gehirn ... darum ist bewegen und frische Luft natürlich noch besser so wichtig und auch ist bewegen, Aktivität ist wichtig für die ... Muskeln, dass die gut bleiben, dass man fit bleibt und ...wir sehen sehr viele Menschen herumlaufen und die bleiben fit, weil sie das wirklich jeder Tag machen. Atmo: Sportclub Erzählerin: Im hauseigenen Sportclub sitzt ein gutes Dutzend alte Frauen und Männer im Kreis. Sie werfen, schießen und schubsen sich einen riesigen Gummiball zu. Nur einer hat keine Lust und will lieber ein Päckchen Zigaretten kaufen. Der ehrenamtliche Helfer, ein kräftiger junger Mann, hat reichlich Mühe ihn davon abzuhalten und wieder auf den Stuhl zu bugsieren. Die Gymnastiklehrerin versucht, ihn zu beschwichtigen. O-Ton: (Gymnastiklehrerin + Atmo) We zijn in tien minuten klaar meneer Franz, 10 minuten...(die Gruppe klatscht und singt) Sprecherin 1: (Voice over) Wir sind in zehn Minuten fertig, Herr Franz. Zehn Minuten noch. Wir klatschen jetzt alle in die Hände und dann schlagen wir mit den Händen auf die Knie. Erzählerin: Bewegung und Beschäftigung sind das A und O in de Hogeweyk. Denn wer rastet, der rostet. Laut einer Untersuchung kommen Demenzkranke in den Niederlanden durchschnittlich nur 96 Sekunden am Tag an die frische Luft. 96 Sekunden. Das sind weniger als zwei Minuten. Zu wenig, um das Gehirn auf Trab zu halten. Auch wenn es bei dieser Krankheit bisher keine Aussicht auf Genesung gibt, können Bewegung und ein aktives Leben den Prozess verlangsamen. O-Ton: (van Amerongen) Was ich sehe, ist, (dass ich sehe,) dass es mehr Menschen gibt, die sich gut fühlen und was wir auch sehen, ist, dass es viele Menschen stärker bleiben, dass sie rumlaufen können und dann nicht bettlägerig werden, wir haben gar keine bettlägerige Bewohner seit 93 nicht mehr und das ist, weil man so viel Freiheit hat, täglich rund zu laufen und wirklich stark und gesund zu bleiben, das ist wirklich eine große Änderung denke ich. Atmo: Passage + Supermarkt Erzählerin: Solange es geht, soll das Leben so normal wie möglich sein. Denn die Simulation des Alltags fördert die geistige Regsamkeit. Feste Tagesabläufe bieten Orientierung. Wer es körperlich noch schafft, schlendert morgens zum Einkaufen in den Supermarkt. Dort ist das Regal für Kekse und Schokolade am längsten. Aber es gibt auch Obst und Gemüse, Käse, Wurst und Spirituosen. In einer Ecke ganz hinten stapeln sich große Pakete mit Windeln. O-Ton: (Trudi Vernooij, so Ende 50) Ja, wat leuk hieraan is, is gewoon dat elke dag anders is...ik ga altijd met plezier na mijn werk, ja. Sprecherin 4: (oder die Gymnastiklehrerin, also Sprecherin 1) Was mir hier gefällt, ist, dass kein Tag wie der andere ist. Es ist ein netter kleiner Laden, und ich habe hier immer so ein bisschen ein Camping-Gefühl. Ich gehe wirklich jeden Tag ausgesprochen gerne zur Arbeit. Erzählerin: Trudi Vernooij hat in ihrem Berufsleben schon als Kassiererin im Kaufhaus und in der Wäschekammer eines Altenheims gearbeitet. Über eine Zeitarbeitsfirma ist sie im Supermarkt von de Hogeweyk gelandet und hat sich nach drei Monaten Probezeit entschieden, zu bleiben. O-Ton: (Vernooij) In het begin is dat natuurlijk best wel moeilijk, want dan weet je niet zo goed hoe en wat,... dus ja het is net of ze hier gewoon ja verder met hun leven van vroeger gingen eigenlijk, vind ik. Sprecherin 4: Am Anfang fand ich es schon ein bisschen schwierig, da wusste ich nicht so gut, wie ich mit den Leuten umgehen soll, aber das lernt man schnell. Man muss sich einfach ein bisschen Zeit für sie nehmen und sollte nicht mit ihnen schimpfen oder gemein zu ihnen sein. Wenn sie irgendwas kaufen oder mitnehmen möchten, dann dürfen sie das auch. Wenn ich sehe, dass es ein bisschen aus dem Ruder läuft, dann rufe ich in der Wohnung an und frage die Altenpflegerin, ob sie es später wieder zurückbringt, denn meistens weiß ich, wo die Leute wohnen. Ich finde, es ist so, als würden sie hier ihr Leben von früher weiterleben. Erzählerin: Es ist egal, ob die Kunden mit Knöpfen, Steinen, Münzen oder gar nicht bezahlen. Auch wenn sie Wein oder Eierlikör auf's Kassenband legen, hält Trudi Vernooij sich raus. O-Ton: (van Amerongen): Also wir machen für diese Bewohner kein Problem. Wir lösen es. Wenn wir ein Problem machen, ist das ein großes Problem für diese Person, er versteht nicht warum das ein Problem ist, er ist enttäuscht, vielleicht aggressiv oder traurig und ...das ist was geschieht, wenn man in eine Supermarket draußen geht und etwas mitnimmt. O-Ton: (Gymnastiklehrerin + Atmo) Het volgende onderdeel wat we gaan doen is een beetje een weense walz, die kennen we allemaal wel, daar gaan we zwaaien met de armen: Tschalalalalam tschalamtschalam, (Wiener Walzer)... Sprecherin 1: Die nächste Übung ist ein Wiener Walzer, den kennen wir doch alle und dazu werden wir mit den Armen wedeln. Erzählerin: Mit seinem Konzept hat de Hogeweyk Schlagzeilen gemacht und wird mittlerweile von Gesundheitspolitikern, Altersforschern, Pflegeheimpersonal und auch Journalisten aus aller Welt überrannt. Gerade erst, so erzählt die Managerin, waren die Australier da. Franzosen, Norweger und Japaner stehen auf der Warteliste. Musik Zitator 2: Besuchen Sie de Hogeweyk - wir würden uns freuen Sie hier zu begrüßen. Erzählerin: Heißt es auf der Website des Pflegeheims. Zitator 2: Bitte planen Sie für einen Besuch zweieinhalb Stunden ein. Das Programm: Eine Einführung zum Thema "Wohnen und Leben im gewohnten Lebensstil - so viel wie möglich so wie früher." Die anschließende Führung durch de Hogeweyk dauert anderthalb Stunden. Es werden zwei Wohnungen mit unterschiedlichen Lebensstilen besucht. Dazu der Supermarkt, das Theater und die Passage. Die Kosten für eine Kleingruppe (1 bis 5 Personen) betragen 620 Euro. Jede weitere Person zahlt 50 Euro. Atmo: Stühle und Tische rücken Erzählerin: Mit 295 Euro pro Person deutlich teurer ist der spezielle Arbeitsbesuchstag für deutschsprachige Interessenten. Dafür dauert er aber auch viereinhalb Stunden, schließt die Kosten für einen Dolmetscher mit ein und beginnt mit einem Mittagsbuffet mit Suppe und Häppchen. O-Ton: (Schritte im Raum) Yvonne: Did you understand most of it? - Most of it, wel - Okay. Ask me later if you don't understand. I can translate maybe some things, but the presantation will be in Dutch an you will hear german on your thing, sorry, We Europe. (Lachen ) -Setzen Sie sich bitte. (atmo: Schritte, Stühle rücken) Atmo: (wenn nötig) Papierrascheln, Schritte Erzählerin: Einer der Besucher ist Bernhard Müller, der in Eschweiler eine kommunale Altenpflegeeinrichtung leitet, in der 240 Menschen mit und ohne Demenz leben. In Weesp ist Heimleiter Müller auf der Suche nach Inspiration und neuen Ideen. Denn die Dienstleistungsbranche Pflege wächst und sie wird weiter wachsen. Schon heute sind im Bereich Altenpflege mehr Menschen beschäftigt als in der Autoindustrie. O-Ton: (Bernhard Müller) Mich interessierte besonders, wie die das baulich umgesetzt haben und wie dieses System auch tatsächlich gelebt wird. Und da konnte man doch einen ganz guten Einblick nehmen... die Einteilung nach Lebensstilen fand ich auf der einen Seite bemerkenswert, denn das wird hier in dem Stil nicht vorgenommen, man nimmt also einen Dementen auf, auf den Platz, der gerade frei geworden ist. Das Milieu, das ihm geboten wird, passt auch wesentlich mehr zu dem Milieu, das er halt vorher auch gelebt hat, ...demente Bewohner sind ja sehr sensibel, was Veränderungen anbetrifft und reagieren dementsprechend auch stark darauf, er hat also, der demente Bewohner in Hogeweyk hat also ein geringeres Veränderungspotential in seinem Leben. ...das war schon einmal sehr, sehr gut, dadurch gibt's natürlich auch weniger Reibungspunkte. Weniger Reibungspunkte mit dem Personal, weniger Reibungspunkte auch mit Mitbewohnern, das war schon eine sehr gute Angelegenheit. Erzählerin: Inzwischen werden in vielen Ländern ähnliche Einrichtungen geplant - auch im rheinland-pfälzischen Städtchen Alzey. Dabei lassen sich die niederländischen Verhältnisse so gut wie gar nicht auf die Situation in Deutschland übertragen. Im Vergleich zu der Anzahl der ausgebildeten Pflegekräfte und Ehrenamtler in de Hogeweyk ist Bernhard Müllers Personaldecke zum Beispiel deutlich dünner. O-Ton: (Müller) Ich hab das mal für unser Verhältnis umgerechnet, wenn ich also dieses Personal, das ausnahmslos in den Wohnbereichen tätig ist, mal durch die Anzahl der Bewohner, durch sechs oder sieben teile, also jetzt mal im günstigen Fall durch sieben teile, und das mit unseren 240 Bewohnern multiplizieren würde, dann bräuchten wir knapp 150 Mitarbeiter. Die allein in diesen Wohnbereichen, in der Pflege und der Hauswirtschaft tätig sind. Wir haben aber nur 120. D.h. da ist schon mal eine Differenz von 30 Mitarbeitern ...zwischen dem holländischen System und dem deutschen System. Erzählerin: Gravierende Unterschiede gibt es auch, was die Kosten angeht, die in de Hogeweyk bei über 5000 Euro pro Person im Monat liegen. Die übernimmt zunächst einmal komplett der niederländische Staat, so dass auch mittellose Menschen in dem Pflegeheim wohnen können. Wer vermögend ist oder Angehörige hat, die gut verdienen, muss allerdings einen Teil der Kosten übernehmen. Dieser Eigenanteil bewegt sich zwischen ein paar Hundert bis maximal 2400 Euro monatlich. O-Ton: (Müller): Wir bekommen z.B. für die Pflegestufe 2 3000 Euro und die Bewohner, die ich dort in Hogeweyk gesehen habe, entsprechen ungefähr den Bewohnern, die wir hier in der Pflegestufe 2 auch haben. Also vergleiche ich für unsere Einrichtung diese 3000 Euro mit den 5200, die die dort drüben haben. ... Ich glaube nicht, dass die Bereitschaft bei Pflegekassen oder Landschaftsverband oder Sozialämter ist, einen dermaßen großen finanziellen Rahmen auch zu unterstützen oder zu finanzieren. Erzählerin: Auch wenn in den 5200 Euro bereits die Kosten für Arztbesuche und Krankengymnastik enthalten sind, die in Deutschland von den Krankenkassen übernommen werden, ist die Versorgung in de Hogeweyk deutlich teurer als in einem deutschen Pflegeheim. Mit 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts sind die Niederlande in Europa Spitzenreiter bei den öffentlichen Ausgaben für die Altenpflege. In Deutschland, wo wesentlich mehr Senioren zuhause betreut werden, betragen sie gerade mal 1 Prozent. O-Ton: (Gronemeyer) Also es gab neulich so eine Debatte mit der nordrhein-westfälischen Ministerin, ...die dann gesagt hat, ja Demenzdörfer sind ja ganz schön, aber wenn wir mal realistisch sind, die Kommunen sind pleite, keiner kann das bezahlen und das muss man ja auch sehen. Es wird eine Elitenlösung sein oder eine partielle. Erzählerin: Professor Gronemeyer kennt de Hogeweyk übrigens nur aus Berichten. Und hat, wie er sagt, auch gar kein Interesse, mit eigenen Augen zu sehen, was er so heftig kritisiert. O-Ton: (Gronemeyer) Erstens möchte ich diesem Hype nicht unterstützen, die haben ja inzwischen, ein Zug der Deutschen durch das Demenzdorf geworden, insbesondere der Pflegeprofis, ...aber das ist doch die interessante Frage: Warum ist das so ein Anziehungspunkt? Ist es so ein Anziehungspunkt, weil es ein tolles Modell ist oder weil es sich gut verkaufen lässt oder weil sich gut drüber berichten lässt? Ich meine, das Thema "Demenz" sozusagen, wer will denn noch mal die runzeligen, tüddeligen Alten im Heim sehen? Das haben wir oft genug gesehen, ...wir sehnen uns nach einem schönen, goldenen Modell, das uns von der Angst erlöst, dass es nix gibt, wenn es soweit ist, das ist glaube ich, das Legitime auch dabei. ...Aber wenn dann noch so getan wird, als wäre das sozusagen ein kleines Stück vom Paradies, dann finde ich es verlogen. Atmo: (Sportclub: Eine alte Frau singt weiter den Walzer, andere fallen ein) Erzählerin: Anton van Etten ist 94 - ein schlaksiger, hochaufgeschossener Mann in grauem Sakko, passender Weste und Hose. Sein schlohweißes Haar ist immer noch voll und mit Pomade frisiert. Früher hat er als Prokurist bei der niederländischen Hochofengesellschaft gearbeitet und war 65 Jahre lang mit seiner großen Liebe Klara verheiratet. Als sie im Juni 2011 verstarb, ging es mit ihm bergab, sagt Monique van Rooien. Sie ist mit 54 Jahren das jüngste von sechs Kindern, die den Vater abwechselnd jeden Tag in de Hogeweyk besuchen. O-Ton: (Monique van Rooien, 54) Maandag is altijd een goede dag als we komen,... ja nu is die een beetje aan't mopperen... op dat moment. Sprecherin 5: (voice over) Montag ist immer ein guter Tag, wenn wir kommen. Meine Schwester, die ihn sonntags besucht, hat da oft Pech. Meistens ist er dann sehr unruhig und kann auch aggressiv werden. Ob das mit dem vielen Besuch zu tun hat, der am Wochenende hier ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Er schimpft jedenfalls immer über die anderen Leute in seinem Haus, er denkt, die Wohngruppe wäre sein Haus und sagt, die anderen sollen alle verschwinden. Es ist wirklich nicht einfach mit ihm. Atmo : Hogewijk Theaterplatz Erzählerin: Anton van Etten lebt erst seit sechs Monaten in de Hogeweyk; ein Dreivierteljahr hat die Familie auf einen freien Platz in der gehobenen Wohngruppe warten müssen. Eine anstrengende Zeit, da der verwirrte Vater ständig von zuhause weg lief oder wie im Rausch bei Teleshoppingsendern nutzloses Zeug bestellte. Den sechs Kindern ist es trotzdem nicht leicht gefallen, ihn in ein Pflegeheim zu geben. O-Ton: (van Rooien) Het is heel moeilijk, omdat je ziet, dat je vader gewoon ziek is.... Maar het is wel lastig. Sprecherin 5: Es ist wirklich schwierig, wenn Du zusehen musst, wie es deinem Vater immer schlechter geht. Einerseits fragt man sich: Hätten wir nicht noch ein bisschen durchhalten können? Andererseits konnte er wirklich nicht mehr alleine bleiben. Wir hatten ständig Angst, er könnte hinfallen und vielleicht eine ganze Nacht lang verletzt auf dem Boden liegen. Deswegen ist es auch eine Erleichterung, dass wir nun wissen, wenn etwas passiert, ist sofort jemand da. Trotzdem ist es schwierig. Erzählerin: Am schwierigsten findet die Tochter, dass sich der Vater durch die Krankheit sehr verändert hat und immer mehr zu einem bockigen kleinen Jungen wird. Auch wenn er seine Kinder und Enkel meistens noch erkennt, weiß er nichts mehr von ihrem Leben und der gemeinsamen Geschichte. Und wenn er doch mal einen lichten Moment der Erinnerung hat, ist er spätestens nach einer halben Minute vorbei. Für die Zukunft hat Monique van Rooien nur einen einzigen Wunsch. O-Ton: Het klingt heel raar, maar dat ie....dat het gauw gaat gebeuren voor hem. Sprecherin 5: Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich wünschte, er würde morgen tot in seinem Bett liegen, denn das möchte er selbst auch. Er ist einfach fertig mit dem Leben. Darum sagt er, lasst mich einfach ruhig im Schlaf sterben und das gönne ich ihm auch. Und weil ich weiß, dass es sein größter Wunsch ist, hoffe ich, dass es schnell geschieht. Musikuhr Zitatorin: Wenn mal jemand fragt, was wünscht Du Dir? Dass mich abends jemand in den Schlaf singt. Es gibt so viele schöne Bücher und auch Liederbücher für Kinder, wenn sie ins Bett gehen und so. Dann habe ich gedacht, statt dass du im Bett liegst und immer wieder denkst, wie schrecklich das alles ist, wäre es doch schön, wenn jemand Dir eine Geschichte vorliest. Oder diese kleinen Musikuhren für Kinder, an denen man zieht und dann kommt eine Melodie. (...) Ich kann nachts ganz gut schlafen. Ich bekomme so ein Döschen, wo das Medikament drin ist, dass ich schlafen kann. Da bin ich heilfroh! Also da sparen sie nicht mit. Da schlafe ich immer ganz gut ein. Erzählerin: Niemand weiß, wie viel Demenzkranke im letzten Stadium der Krankheit verstehen, was sie empfinden, welche Ängste sie haben. Manche wispern, unaufhörlich, manche murmeln, manche brummen, manche zetern. Das niederländische Demenzdorf de Hogeweyk ist eine mögliche Antwort auf die drängende Frage, wie die Gesellschaft mit alten Menschen umgehen soll, die sich wie kleine Kinder verhalten. Es leuchtet ein, dass sie sich wohler fühlen, wenn sie unter sich bleiben. Und nicht mit "normalen" Alten zusammenleben, die sie anbrüllen, wenn sie sich komisch verhalten. In de Hogeweyk sind alle gleich. O-Ton: (Müller) Die Anzahl der Dementen, die steigt immer mehr. Alle reden vom demografischen Wandel. Wir werden extrem wesentlich mehr Pflegebedürftige bekommen und davon wird der größte Teil auch dement sein. Der medizinische Fortschritt, der hält unseren Körper immer weiter auf Trab und gesund, aber der Kopf, der macht da nicht immer mit. O-Ton: (Gronemeyer) Also erstens ist es so, dass wir, glaube ich, uns einen Augenblick mal der Tatsache aussetzen müssen, dass wir in dieser hochmodernen Informations- und Beschleunigungsgesellschaft mit einem Phänomen konfrontiert sind, auf das wir keine guten Antworten haben. Das Wegschließen ist eine mögliche Antwort und solange wir keine bessere haben, mag man sagen, es geht nicht ohne das Pflegeheim und es geht nicht ohne Demenzdörfer. Zugestanden. ... aber es kommt ja noch etwas anderes hinzu, es ist ja eigentlich eine erfundene Welt, ein Disneyland für Menschen mit Demenz, also es wird ...eine Einkaufsstraße vorgespielt, ... an anderen Orten gibt es dann Bushaltestellen, die gar keine sind, aber wo man das Gefühl hat, man fährt im Bus,...wir schaffen eine künstliche Welt, in der die reale Welt zum Vergessen gebracht wird, das ist ja der eigentliche Kern der Sache, dass wir dem Vergessen der Menschen noch eins drauf setzen, indem wir ihnen die Möglichkeit, die Welt wirklich zu erleben, nehmen, ...also es scheint mir eine Zumutung und eine Entmündigung der Menschen zu sein. O-Ton: (Yvonne van Amerongen) Die Illusion ist, dass es ein Illusion ist, alles ist Wirklichkeit, unsere Supermarkt ist wirklich eine Supermarkt, ich kaufe dort auch. Also nein, es gibt keine Illusion. ...Vielleicht ist die Illusion, dass, nein das ist auch keine Illusion, die Menschen, die hier wohnen, sind zuhause. Nicht mehr zuhause in die Wohnung, die sie längere Zeit hatten, aber jetzt wohnen die hier und das ist ihre Zuhause. Und die sterben auch in eigenes Bett. Ich denke, es gibt keine Illusion. Musik Absage: Zuhause im Vergessen - Das niederländische Demenzdorf De Hogeweyk Ein Feature von Claudia Heissenberg. Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2013. Es sprachen: Edda Fischer, Gregor Höppner, Richard Hucke, An Kuohn, Claudia Mischke, Agnes Pollner, Ernst August Schepmann und Ilse Strambowski Ton und Technik: Ernst Hartmann und Anne Bartel Regie: Anna Panknin Redaktion: Marcus Heumann Musik 31