COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. DeutschlandRadio Kultur Literatur 07.12.08 Red.: Sigried Wesener Maike Albath Ewige Stadt, brüchige Welten. Literaturort Rom Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Track 2, ab 4'00 - 4'05 (ev. zw. O-Töne setzen) O-1, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 In Rom zu leben, bedeutet, in der Geschichte zu leben. Aber die Geschichte ist nicht unmittelbar lebendig. Sie braucht einige Liebesbezeugungen von uns, man muss sich jenseits der Worte und Beschreibungen von ihr ergreifen lassen. O-2, O-Ton Giosetta Fioroni (voice over)/ Sprecherin Man entwickelt hier ein Gefühl für die Antike, die eng mit der Gegenwart verknüpft ist. O-3, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Rom besteht aus lauter Schichten. Mit einem geübten Auge kann man diese Schichten entschlüsseln. Es ist so, als stiege man in eine Zeitmaschine. Ein Gleiten von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Stil zu Stil. O-4, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Die Stadt war für mich auch immer eine Art Schule. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Track 2, ab 4'10 O-5, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 In einigen Vierteln von Rom hat man den Eindruck, dass sich die Geschichte dauernd wiederholt. In einer Gasse im alten Ghetto gibt es eine Ecke, wo die Bewohner der Gegend ihren Müll abladen, obwohl das eigentlich verboten ist. An der Mauer findet man eine Inschrift aus dem 16. Jahrhundert, die lautet: "Müll abladen verboten". Das bedeutet also, dass die Römer hier seit fünfhundert Jahren dasselbe Gesetz missachten und genau an dieser Stelle ihren Müll entsorgen, statt ihn zweihundert Meter weiter zu tragen und in die dafür vorgesehenen Mülltonnen zu werfen. Für jemanden, der dort wohnt, kann das nervtötend sein. Aber eigentlich ist es ziemlich komisch, denn hier kommt das widerständige Wesen der Römer zum Vorschein, das jede Regierung, die im Laufe der Jahrhunderte geherrscht hat, überlebt hat. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Track 2, ab 4'19 O-6, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Die großen Bücher über Rom stammen von Leuten, die keine Römer sind. Im Unterschied zu uns, die wir hier leben und hier vergammeln, machen sie den Schock zum Ausgangspunkt. O-7, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Die berühmtesten sind Carlo Emilio Gadda und Pier Paolo Pasolini. Gadda kam aus Mailand und Pasolini aus dem Friaul. Für beide war Rom eine Entdeckung. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Track 2, ab 4'19 Autorin (auf Musik): Ein Herbsttag in Rom. Wir lassen das Kolosseum links liegen, ignorieren die Spanische Treppe und steigen statt dessen an der Porta Pia aus dem Bus, jenseits der aurelianischen Stadtmauern. Auf der Piazza trinken Büroangestellte Cappuccino, ein Kind geht bettelnd von Tisch zu Tisch. Um die Ecke in der Via Bergamo gibt es eine billige Trattoria, in der sich jeden Abend Afrikaner versammeln, sie sind die neuen Einwanderer von Rom. Es ist ein Tauschbörse für Jobs: Altenpflege, Putzstellen, Kinderbetreuung. Manchmal gibt es Probleme mit Aufenthaltsgenehmigungen. Autos rasen über die Piazza Fiume, es ist laut, unübersichtlich. Jeden Moment kann etwas passieren. Eine Straße weiter wohnt Gabriele Pedullà, ein schlaksiger, hellwacher Typ Mitte dreißig, Kritiker, Professor für Literaturwissenschaften, Kinoexperte und Römer. Seine Wohnung besteht ausschließlich aus Büchern. Sie ziehen sich wie Bandwürmer an den Wänden entlang vom Flur über das Wohnzimmer ins Esszimmer bis ins Arbeitszimmer, nehmen einen Umweg über das Schlafzimmer und leiten uns bis in die Küche. Alle Wege führen in eine römische Küche. O-8, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Für viele Schriftsteller führten alle Wege nach Rom. Wenn man etwas werden wollte, kam man nach Rom oder ging vielleicht noch nach Mailand. In Rom gab es Stellen bei der RAI, dem öffentlichen Rundfunk und Fernsehen, man konnte Kontakte knüpfen, traf die richtigen Leute. Das kulturelle Leben war extrem lebendig. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 12 Autorin (auf Musik): Auch der Mailänder Carlo Emilio Gadda, 1893 geboren, ein schüchterner, freundlicher Herr, der mit Vorliebe blaue Anzüge trug, landete in der Ewigen Stadt. Sein berühmter Romroman heißt Die grässliche Bescherung in der Via Merulana. Der Kommissar Don Ciccio Ingravallo wird in die Via Merulana gerufen, um einen Diebstahl aufzuklären. Oder eine Schießerei. Oder ... Zitator (auf Musik): Die Sache war vor ungefähr einer Stunde passiert, kurz vor zehn Uhr war's: eigentlich eine unglaubliche Tageszeit für so was! Im Eingang und in der Hausmeisterloge war ein weiterer kleiner Auflauf, die Mieter des Hauses: das Grillennest der Weiber. Ingravallo, gefolgt von seinen beiden Begleitern und von der Hausmeisterin und von den Bemerkungen der anderen: "Die Polizei, die Polizei", stieg bis zum dritten Stock, Treppe A, wo die Bestohlene wohnte. Das große Geschwatze folgte ihnen auf den Fersen: die spitzen oder geradezu tremolierenden Stimmen der Frauen, die, mit einigen männlichen Baßtrompeten wetteifernd, von jenen sogar hin und wieder übertönt wurden; die Volksseele suchte den Glücksklee in der direkten Zeugenschaft; das "ich schwöre, ich hab's gesehen", begann die phantastische Torte eines Epos zusammenzubacken. Es handelte sich um einen Diebstahl, genauer gesagt um einen Raubüberfall in einer Wohnung, um einen bewaffneten Raubüberfall. (Carlo Emilio Gadda, Die grässliche Bescherung in der Via Merulana, übersetzt von Toni Kienlechner) O-9, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Gaddas Rom ist das Rom während der Zeit des Faschismus und kurz nach Kriegsende. Damals kamen vor allem aus dem Süden Leute nach Rom, um hier ihr Glück zu machen, und sie brachten nicht nur ihre Geschichte mit, sondern auch ihre jeweilige Sprache. Das ist Gaddas große Errungenschaft: er hat sich ein Rom vorgestellt, in dem der römische Dialekt überlebt und sich gleichzeitig alle anderen Sprachen und Dialekte überkreuzen. Den Bewohnern der Außenbezirken schreibt er eine ganz eigene, neue Sprache auf den Leib, und als die Ermittlungen den Kommissar Don Ciccio Ingravallo - denn der Roman ist ja eine Art Pseudo-Krimi - in diese Gegenden führen, trifft er auf lauter Frauen, die auf das antike Rom zurückverweisen. Diese Frauen tragen nämlich Namen aus dem Alten Rom und heißen Virginia oder Lukrezia, haben aber gleichzeitig eine völlig verwahrloste Art zu sprechen. Dieser Dialekt steckt schließlich auch die Erzählerstimme selbst an, man kann nicht mehr zwischen den Figuren und dem Erzähler unterscheiden. Zitator: Der Angeloni schöpfte wieder Atem. Er setzte sich einen Moment lang in die Positur des Sittenschilderers. "Nun, die Signora Manuela ist die Portiersfrau. Sie ... " - "Sie was?" schnappte die Inhaberin der Portiersloge drohend. Der Angeloni zog sich erneut in sein Schneckenhaus zurück, ließ nur die Nase draußen: draußen, vor der Seelenkruste. Er wollte vielleicht sagen, dass sie als Portiersfrau die Aufgabe hatte, alle Leute, die vorbeigingen, auszuspionieren. "Ich will damit sagen ... " Er verhedderte sich, es tönte leicht näselnd wie aus einer Papptrompete. "Nun ja, ich hab's Ihnen ja schon gesagt, Herr Kommissar. Ich kaufe eben da ein, wo's sich gerade ergibt. Kann durchaus stimmen, was die Signora behauptet. Auch vorgestern hat man mir zum Beispiel Sachen ins Haus geliefert. Das Dienstmädchen von einem meiner Kollegen, vom Wirtschaftsministerium, hat sie mir gebracht." - "Das Dienstmädchen! Na endlich, eine hübsche Magd!" brummelte Kommissar Ingravallo. Klopfte den Aktenstoß zurecht, brummelte noch etwas. Die drei Madams wurden entlassen. "Wieso, können wir gehen?" fragte die Bertola, bleich. "Jawohl, Gnädigste, bitte sehr!" Donna Manuela, mit einem Busengebibber, welches ihr die ganze Bluse aufknöpfte, ließ ein merulanisches Lächeln los "Oh, auf Wiedersehen, Herr Doktor. Kümmern sie sich um unsern Signor Filippo Angeloni. Behandeln Sie ihn ja gut!" (Carlo Emilio Gadda, Die grässliche Bescherung in der Via Merulana, übersetzt von Toni Kienlechner) O-10, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Gadda kam in seiner Funktion als Ingenieur nach Rom, in den zwanziger Jahren hat er das Elektrizitätswerk im Vatikan gebaut. Später ist er dann ganz nach Rom übergesiedelt. Er war ein Mensch, der allergrößten Wert auf Zeremonien legte. Das passt ja auch zu seinem Schreiben, zu diesen langen, gewundenen, barocken Sätzen. Es gibt vermutlich außerdem einen psychologischen Grund. Umständliche Zeremonien halfen ihm, sich vor anderen zu schützen. Gadda hatte vor anderen Menschen furchtbare Angst, er fühlte sich dauernd bedroht. Er war ein großer Schriftsteller und ein großer Neurotiker. Genau wie Pasolini war Gadda homosexuell, und die beiden gingen manchmal zusammen zum Bahnhof, um Soldaten oder Seemänner aufzugabeln, die sich dort prostituierten. Gadda scheint diese Männer mit seiner Höflichkeit vollkommen schockiert zu haben, er verlor sich in langen Abschweifungen, "Entschuldigen Sie, mein Herr, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, bitte sehen es mir nach, wenn ich ... ". Die verstanden überhaupt nicht, was er von ihnen wollte. Gadda war extrem unbeholfen und konnte kaum mit seiner Umgebung in Kontakt treten. Regie: Musik, Nino Rota, La strada, Track 2, ab 3'42 Autorin (auf Musik): Gabriele Pedullà schreitet an seinen Bandwurmbuchreihen entlang und zeigt uns seine Gadda- Ausgaben. Während der Mailänder Ingenieur mit den geschliffenen Umgangsformen in das Gedärm der Ewigen Stadt hinab stieg und eine literarische Revolution verursachte, arbeitete in dem großbürgerlichen Villenviertel Parioli ein von Knochentuberkulose gezeichneter junger Mann an einem Roman über die Trägheit seiner römischen Zeitgenossen. Die Gleichgültigen hieß das Debüt von Alberto Moravia, der 1907 in Rom geboren wurde und mit seinem 1929 erschienenen Buch das Psychogramm einer erstarrten Gesellschaft entwarf. Zitator: Kurzer, aber quälender Weg durch den Flur. Carla schaute zu Boden und dachte flüchtig, dieser tägliche Gang müsse das Gewebe des alten Teppichs, der auf dem Fußboden lag, ganz abgenutzt haben; und auch die ovalen Spiegel, die an den Wänden hingen, dürften Spuren ihrer Gesichter und Gestalten bewahren, die sich seit vielen Jahren mehrmals täglich hier spiegelten, oh, nur für einen Augenblick, gerade mal so lange, dass ihre Mutter und sie die Schminke und Michele den Krawattenknoten kontrollieren konnte; in diesem Flur lauerten die Gewohntheiten und die Langeweile und trafen jeden, der hier durchging, ins Innerste, als strömte ihr giftiger Geist direkt aus den Wänden. Alles blieb unverändert; der Teppich, das Licht, die Spiegel, die Glastür der Vorhalle zur Linken, das dunkle Treppenhaus rechts, alles wiederholte sich: Michele hielt einen Augenblick inne, um sich eine Zigarette anzuzünden, und blies das Streichholz aus, die Mutter erkundigte sich eitel bei ihrem Geliebten: "Nicht wahr, mein Gesicht sieht müde aus heute Abend?" Leo antwortete gleichgültig, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen: "Aber nein, ich habe dich nie so strahlend gesehen", und sie selbst litt darunter; das Leben änderte sich nicht. (Alberto Moravia, Die Gleichgültigen, übersetzt von Tobias Eisermann) O-11, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 In Die Gleichgültigen geht es um die Schwierigkeit, aus dem Gefängnis des grauen Alltags mit seinen Regeln auszubrechen. Der frühe Moravia besitzt eine existenzielle Kraft, ein radikales Ungenügen steht bei ihm im Mittelpunkt. Sein Roman war ein großer Erfolg und wurde von den Faschisten sofort angegriffen. Man hat ihm Pornographie vorgeworfen, was heute eher lächerlich wirkt, aber man sah in ihm auch einen Schriftsteller, der ein Zeitgefühl auf den Punkt brachte, das nicht zur offiziellen faschistischen Propaganda passte. Moravia hat Rom einige seiner besten Bücher gewidmet, ich denke da vor allem an die Römischen Erzählungen. Regie: Musik Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 10, übergehend in Atmo, Vespa, Bargeräusche, Maraini Autorin (auf Musik): Moravias Rom ist ursprünglich und vital; gewiefte Taxifahrer, verschlagene Kellner und Gelegenheitsgauner treiben ihr Unwesen. Entstanden sind seine Erzählungen Anfang der fünfziger Jahre. Moravia war damals schon eine Institution, ein Mann von Welt, schlagfertig und umwerfend charmant. An Verehrerinnen herrschte kein Mangel. Ehefrau Nummer eins war die Schriftstellerin Elsa Morante, Verfasserin des großen Kriegsepos La Storia, die aber schon bald von Ehefrau Nummer zwei abgelöst wurde, einer blond gelockten Sizilianerin mit betörenden grünen Augen: Dacia Maraini. Auch sie eine erfolgreiche Schriftstellerin, Verfasserin von knapp zwanzig Romanen, Ikone des Feminismus. Wir werden bei ihr erwartet. Gabriele Pedullà bietet den Rücksitz auf seiner Vespa an. Plötzlich liegt ein Hauch von dolce vita über der Piazza Fiume. Ein Umweg über die Via Veneto, das sind wir Fellini schuldig.... Wie ein träger breiter Fluss zieht sich die platanengesäumte Allee zur Piazza Barberini hinunter. Die Zeit reicht für einen Aperitif im Stehen. Dann rauschen wir zur Piazza del Popolo. Gabriele stattet den Caravaggio-Gemälden in Santa Maria del Popolo einen Besuch ab, während wir von Dacia Maraini mit süditalienischer Freundlichkeit empfangen werden. Alberto Moravia schrieb das Vorwort für ihren ersten Roman; so lernten sie sich Mitte der fünfziger Jahre kennen. O-12, O-Ton Dacia Maraini (voice over)/ Sprecherin: Er war ein reizender Mensch, sehr sanft, obwohl alle dachten, er sei eher störrisch. Aber das war er gar nicht, er hatte diese wuchernden Augenbrauen, die ihm etwas Brüskes gaben. In Wirklichkeit war er sehr gesellig, ein blendender Unterhalter und ein großer Geschichtenerzähler. Ein extrem liebenswürdiger Mann. Autorin: Seine Autorität als Schriftsteller hat Dacia Maraini, so sehr sie ihren Ehemann schätzte, nicht gehemmt: sie ging ihren eigenen Weg, schrieb im Schnitt alle drei Jahre einen neuen Roman, befasste sich mit weiblichen Schicksalen, dem historischen Sizilien und den Folgen des Faschismus. Knapp zwei Jahrzehnte lang reiste sie mit Alberto Moravia um die Welt und stand auch in Rom im Mittelpunkt des literarischen gesellschaftlichen Lebens. O-13, O-Ton Dacia Maraini (voice over)/ Sprecherin Das intellektuelle Zentrum war hier an der Piazza del Popolo und auf der Via Veneto. Es gab eine Reihe von Cafés und Restaurants, wo alle hingingen. Es waren keine festen Vereinbarungen, aber jeder wusste, dass man dort zu den Essenszeiten immer die anderen treffen konnte: Schriftsteller, Maler, Regisseure, Musiker. In der Bar Rosati zum Beispiel traf man Elsa Morante, Pasolini, Calvino und Fellini, aber auch Citati und Visconti, den Maler Guttuso, die Schriftsteller Bassani und Cassola. Man aß gemeinsam, jeder bezahlte für sich. Es gab Diskussionen, die sich stundenlang hinzogen, manchmal stritten wir auch, aber es war wunderbar, weil man so ungezwungen zusammen kam. Das gibt es heute nicht mehr. Im Rosati sitzen nur noch Touristen herum und in unseren alten Restaurants auch. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 14 Autorin (auf Musik): Wir unterhalten uns noch eine Weile mit Dacia Maraini, verabschieden uns dann und schlendern zur Piazza del Popolo. Gabriele Pedullà wartet an seiner Vespa. Einen Schlenker zur Bar Rosati machen wir noch. Es stimmt - nur Touristen. Auch Moravia hat hier Hof gehalten. O-14, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Moravia war tatsächlich ein Berufsliterat. Er hat die Zeitschrift Nuovi Argomenti geleitet, die ganz verschiedene Richtungen der italienischen Literatur auf sich vereint hat, und er stand immer in der Öffentlichkeit. Jede Literaturstadt hat ihre Salons, und Moravia verkörperte den Typus des offiziellen Schriftstellers. Nach dem Roman Agostino verlor sein literarisches Werk allerdings an Bedeutung, der junge Moravia besaß eine ganz andere, viel bedrängendere Kraft. Im Lauf der Zeit wurde er zu einer Art Schriftsteller-Papst. Ich habe ihn kurze Zeit vor seinem Tod 1990 kennen gelernt und erinnere mich noch, dass er unglaublich taub war. Man musste ihm direkt ins Ohr brüllen. Damals schien es mir so, als sei ich einem der größten Schriftsteller aller Zeiten begegnet. Heute muss ich darüber ein bisschen lächeln, denn im literarischen Panorama des 20. Jahrhunderts ordne ich ihn inzwischen als weniger wichtig ein. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 16 Autorin (auf Musik): Wir fahren zur Piazza del Risorgimento, wo wir dem anderen großen Wahlrömer und Spezialisten für die dunklen Triebkräfte der Seele auf die Spur kommen wollen: Pier Paolo Pasolini, 1922 in Bologna geboren und 1975 in Rom ermordet. Wir sind mit Walter Siti verabredet, Schriftsteller und Pasolini-Herausgeber. O-15, O-Ton Siti (voice over)/ Sprecher 1 Pasolinis erste Reaktion auf Rom war wirtschaftlicher Natur. Er schrieb an seinen Cousin, der im Friaul geblieben war, dass er seine Klassiker-Ausgaben verkaufen solle, denn Pasolini hatte begriffen, dass die römischen Jungen im Unterschied zu den friaulischen durchaus etwas kosteten. Der erste Kontakt mit der Stadt war also eher vom Konsum bestimmt, von der Entdeckung einer lockereren Sexualität. Sex war leichter zu haben, aber Gefühle spielten keine Rolle. Kurze Zeit später, Anfang der 50er Jahre, beschreibt er Rom wie ein arabisches Land, als einen Ort der Teilnahmslosigkeit, mit vielen Anspielungen auf Petronius. Ein postklassisches Rom. Es zeigte sich, dass Pasolini mit der Härte dieser Jungs nicht zu recht kam. Brutale junge Männer, die Anflüge von Zärtlichkeit zeigten, um im nächsten Moment in einen totalen Zynismus zu verfallen. Dieser Zynismus ist auch der Zynismus der Stadt. Autorin: Mit seinem korrekten Seitenscheitel, den elegant geschnittenen Anzügen und seinem klassischen Profil wirkte Pasolini unter den Vorstadtbewohnern wie ein Fremdkörper. 1955 kam sein Roman Ragazzi di vita heraus, der im Milieu der römischen Peripherie, der Borgate spielt, und von Strichern und Mördern erzählt. Das Buch war sofort vergriffen. Während die Kritik Pasolinis stilistischen Wagemut lobte, bezichtigte ihn die Staatsanwaltschaft der Verbreitung obszöner Schriften und verbot den Roman. Doch Pasolini war längst eine Berühmtheit. Die konservative Tageszeitung Corriere della Sera engagierte ihn als Leitartikler. Er trat im Fernsehen auf und äußerte sich zu seiner Arbeit. O-16, O-Ton Pasolini (voice over)/ Zitator Mein Urteil über die italienische Gesellschaft fällt nicht sehr günstig aus. Vom Bürgertum habe ich eine denkbar schlechte Meinung, aber ich empfinde eine tiefe Liebe für die einfachen Leute. Das hat verschiedene Gründe. Ich sehe diese Menschen als Repräsentanten der Dritten Welt mitten in Europa. In meinem Film Accatone sind die Protagonisten im Grunde Vertreter der Dritten Welt. Es handelt sich um präindustrielle Gesellschaften, und ein Kennzeichen dieser Völker ist ihre ursprüngliche Religiosität. In diesem Gegensatz zwischen dem religiösen Volk und dem nichtreligiösen Bürgertum liegt der Schlüssel für meinen Ansatz. Ich bin selbst ein Vertreter des Bürgertums und insofern laizistisch, rational und ungläubig. Wenn ich von Religion spreche, meine ich aber nicht eine Konfession. Ich richte mich gegen Verlogenheit und Heuchelei, die dem Bürgertum zu eigen sind. O-17, O-Ton Walter Siti (voice over)/ Sprecher 1 Als ich Pasolini kennen lernte, habe ich ihn als einen sehr freundlichen Menschen erlebt. Er war von geradezu ausgesuchter Höflichkeit, die fast gezwungen wirkte, was vielleicht auch seine Neigung zu Gewalt und Leidenschaft überdecken sollte. Er hat ohne Zweifel großen Mut besessen. Er war bereit, mit bloßen Händen gegen Bewaffnete zu kämpfen. Gleichzeitig war Pasolini ein typischer Verführer, der erst den Eroberer spielt und einen dann im Stich lässt. O-18, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Pasolini sah in den furchtbaren, sehr gewalttätigen Borgate einen Bereich, der nicht kontaminiert war. Die Borgata war für ihn Paradies und Hölle zugleich. Diese Sichtweise hat Pasolini große Schwierigkeiten beschert. Er verstand sich innerhalb der Kommunistischen Partei als ein Herätiker. Die Verweigerung der Modernität als eine Absage an den Kapitalismus hätte die PC vielleicht noch gelten lassen können, aber die ärmlichen Verhältnisse nicht verbessern zu wollen, wurde natürlich als ein Fehler angesehen. O-19, O-Ton Pasolini (voice over)/ Zitator Man kann das Subproletariat von zwei Gesichtspunkten aus betrachten. Ich habe mich auf keinen der beiden festgelegt, sondern benutze beide. Einerseits kann man diese Gesellschaftsschicht von innen heraus beschreiben. In meinen Büchern und Filmen tue ich genau das und verschmelze mit dieser Sphäre, so als sei es eine Welt für sich. Der andere Blickwinkel ist eine historisch-kritische Annäherung von außen. Von diesem Standpunkt aus, den ich als Angehöriger des Bürgertums zwangsläufig ebenfalls einnehme, hat das Subproletariat noch kein Klassenbewusstsein entwickelt, denn es kennt weder seine Rechte, noch seine Pflichten. Innerhalb der italienischen Gesellschaft ist diese Klasse ein passives Element. Aber die Ökonomen haben uns erklärt, dass das italienische Wirtschaftswunder nur deshalb zustande kam, weil unterprivilegierte Süditaliener in den Norden gingen, um dort für niedrige Löhne in den Fabriken zu arbeiten. Ihre billige Arbeitskraft war die Bedingung für den Fortschritt. Es wäre natürlich absurd, an diese Klasse politische Hoffnungen zu knüpfen. Aus einer historisch-kritischen Perspektive betrachtet, ist meine Form der Annäherung vermutlich ungenau und sogar irrational. Die ersten, die meine Haltung kritisieren, sind immer die Marxisten. Aber ich halte es gerade als Vertreter des Bürgertums für meine Pflicht, auf die Lage dieser Menschen aufmerksam zu machen, zumal sie zwei Drittel der Weltbevölkerung ausmachen. Regie: O-Ton Accatone (als Atmo), Streit, Geschrei O-20, O-Ton Walter Siti (voice over)/ Sprecher 1 Pasolinis Texte sind einerseits lyrisch und poetisch, gleichzeitig benutzt er Dialekt und Schimpfwörter, um aus dem Aufeinanderprall von hohem Ton und einem sehr derben Jargon Funken zu schlagen. Dafür wurde er berühmt. Nach seinem Roman Ragazzi di vita galt er als Schriftsteller der Unterwelt. Er war fast so etwas wie ein Soziologe der Stadt Rom. Soziologe einer Wirklichkeit, die die anderen Intellektuellen nicht kannten. Mit gewissem Stolz verkündete er seinen Freunden, "Ich habe zwei Leben, und ihr habt nur eins. Mit euch teile ich die Literatur, aber nachts erforsche ich dann Orte, die ihr nicht einmal vom Hörensagen kennt." Die Entdeckung der Borgata war also auch eine ethnographische Entdeckung. Es schien ein archaischer Ort zu sein, unberührt von der Geschichte. Gleichzeitig verknüpfte sich das Archaische dann unmittelbar mit der Moderne und dem Konsumismus. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 19 Zitator (auf Musik): Die sieben gingen zusammen in eine Pizzeria in der Nähe vom Bahnhof Termini, um mit Picchios Knete einen Liter Wein zu kippen. Danach kehrten sie mit heraushängenden Hemden oder um den Hals gewickelten Trikots lärmend und singend zur Via Veneto zurück und gingen auf die Reichen los, die geschniegelt und gestriegelt um diese Zeit dort auf und ab flanierten und einen Alfa hatten, der auf sie wartete. Die Villa Borghese war inzwischen fast menschenleer. Die Geigen der Casina delle Rose waren eben noch so zu hören. Als sie zur Pferderennbahn kamen, wachte Picchio wieder auf und begann aus voller Kehle zu brüllen: "Hurenärsche!" - Er kletterte über die Abzäunung und lief den Abhang runter. Kaum war er auf dem Rasen des Rennplatzes, stürzte er, fiel mit seinem Maul in den Dreck und schlief ein. "Verdammt noch mal, bin ich vielleicht scharf, jetzt wo ich all die affengeilen Ärsche auf der Via Veneto gesehen habe", sagte Ricetto. "Gehnwer doch runter und sehn nach, ob noch'n paar Nutten da sind", sagte Caciotta. "Vonwegen!" sagte Calabrese, "die wolln Geld sehn! Kohle!" "Denkste etwa, wir hätten kein Geld?" sagte Caciotta triumphierend. Die anderen wurden hellhörig. (Pier Paolo Pasolini, Ragazzi di vita, übersetzt von Moshe Kahn) O-21, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Pasolini hat seine Ideen im Widerstreit mit anderen entwickelt. In seinen Artikeln war er oft sehr aggressiv. Sein Kopf funktionierte einfach so, er musste immer einen Gegner haben. Es war ein Energiekreislauf. Außerdem war er von einer unglaublichen Produktivität, sein Gesamtwerk umfasst zehn Bände und dazu kommen noch zwei Bände mit Briefen, er hat also im Schnitt fünf Seiten pro Tag geschrieben, Drehtage und Reisen mit eingerechnet. Pasolini selbst sprach von einer "verzweifelten Vitalität". Fast zwanghaft musste er sich zu allen Fragen zu Wort melden, bis er schließlich zum wichtigsten italienischen Intellektuellen der Nachkriegszeit wurde. Seine Freunde erzählen auch, dass sich diese Kampfeslust bis in die Sexualität erstreckte. Wenn er sich nachts auf die Suche nach Liebhabern machte, kam er am nächsten Morgen oft völlig zerschunden zurück, er provozierte die Stricher absichtlich und ließ sich zusammen schlagen, er raufte gern herum. In diesem Licht muss man auch seinen Tod sehen. Heute geht man nicht mehr davon aus, dass es sich um ein Komplott gehandelt hat. Regie: Musik, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 14 Autorin (auf Musik): In den sechziger Jahren wurde der Film zu Pasolinis wichtigster Ausdrucksform, die Sprache der Bilder schien ihm unverfälschter und massentauglich. Mamma Roma, Das 1. Evangelium, Teorema, Große Vögel, kleine Vögel und König Ödipus machten ihn international bekannt. Aber die Kette der Verunglimpfungen riss nicht ab, es kam zu Beschlagnahmungen seiner Filme und Bücher. Pasolini blieb ein intellektueller Freibeuter, bis man ihn am 2. November 1975 mit zerschmettertem Kopf auf einem Sportplatz in Ostia auffand. Ein sechzehnjähriger Stricher gestand den Mord. Bis heute sind die Umstände nicht endgültig geklärt. O-22, O-Ton Walter Siti (voice over)/ Sprecher 1 Das einzige was klar ist, ist wohl, dass an seinem Tod mehrere Leute beteiligt waren. Aber mehr weiß ich nicht und mehr möchte ich darüber auch nicht sagen. Autorin: In seinen eigenen Romanen nimmt Walter Siti den Ort der pasolinianischen Borgata auf. Ansteckungen heißt sein gerade erschienenes Buch. Es erzählt die Geschichte eines Lehrers, der den Reizen eines jungen Römers aus der Vorstadt verfällt. O-23 O-Ton Walter Siti (voice over)/ Sprecher 1 Pasolinis Angst war ja, dass die Welt der Borgata, die auch in ihrer Gewalt etwas Reines besaß, durch das Kleinbürgertum seine Ursprünglichkeit verlieren würde. Ich habe eher den umgekehrten Eindruck. Das italienische Kleinbürgertum hat sich der Borgata angeglichen. Das Misstrauen in die Zukunft, die Unfähigkeit, den nächsten Tag zu planen, einen totalen Zynismus, was Wertvorstellungen und Normen angeht - all das war früher typisch für das Subproletariat und ist jetzt ein Kennzeichen des Kleinbürgertums. Nicht die Borgata verbürgerlicht sich, sondern das Kleinbürgertum übernimmt die Eigenschaften der Bewohner der Borgata. Zitator: Durch die Computer war seine Druckerei Pleite gegangen, wegen der Videokameras verlor seine Mutter ihren Posten als Portiersfrau, er hatte inzwischen geheiratet, zwei Kinder bekommen und sich für zwanzig Jahre verschuldet. "Ich hab' zwei Typen kennen gelernt, aus dem siebten Stock, das heißt, der eine aus dem siebten, der andere aus dem dritten ... . Ich hatte keine Ahnung, wie das läuft, die haben zu mir gesagt, bring' die Karre mit ... Beim zweiten Mal bin ich dann selbst bewaffnet rein und fand's großartig ... Der Adrenalinschub ist echt unglaublich, du fühlst dich wie der Herrscher der Welt ... Es gab immer wen, der uns was gesteckt hat, einer von der Post, der hat gesagt, auf der Post gehen fünf Millionen im Monat ein ... Wir sind dann mit einem Streitkolben hin, die Leute waren erschrocken, denn dieser Kolben macht auf Glas ein Geräusch wie Revolversalven, das erste Mal habe ich mich auch geirrt und gedacht, irgendjemand hätte geschossen ... Also, wir rein, bleibt ruhig, euch passiert nichts, nach zwei, drei Minuten waren wir wieder draußen". Giusy starrt ihn die ganze Zeit an und fährt sich mit der Zunge auf unmissverständliche Weise über die Lippen; er achtet nicht darauf und spricht weiter. "Ich war reich, wenn's schlecht lief, kamen zweihundert Millionen rum ... ich habe mit dem Koksen angefangen, weil ich einfach zu viel Freizeit hatte, wir haben ja praktisch nur einmal im Monat gearbeitet ... Wenn du den Stoff spendierst, hast du jede Menge Freunde, und Mädchen aus allen Schichten ... Ach was, für eine gute Prise, hast du eine Ahnung, wie viele Luder aus Parioli oder Piazza die Giochi Delfici da antanzen, ihre Freundinnen gleich mit ... " (Walter Siti, Contagio, übersetzt von Maike Albath) Regie: Musik, Luigi Nono, Fragmente - Stille, Track 13 Autorin (Musik): Walter Siti gelingt ein beklemmendes Porträt einer verrohten Gesellschaft, wo das Gesetz der Stärke gilt. Zeit, sich eine Borgata näher anzuschauen. Wir fahren mit dem Auto stadtauswärts. Rebibbia, Pietra Lata, Ceccafumo, Il Mandrione. Unser Begleiter deutet auf Mietskasernen, Ausfallstraßen, Hochhäuser, dazwischen wuchern Einkaufszentren und Gewerbegebiete. Betonwüsten. Wer in der Borgata wohnt, hat meistens keine Festanstellung, sondern hangelt sich von Tag zu Tag: Gelegenheitsjobs, Drogenhandel, Botendienste. Anders als zu Pasolinis Zeiten hungert dort niemand mehr. Aber wer Schwäche zeigt, hat keine Chance. O-24, O-Ton Walter Siti (voice over)/ Sprecher 1 Als ich an meinem Roman gearbeitet habe und regelmäßig hierher kam, habe ich mit einem vierzehnjährigen Mädchen gesprochen, die mir von der Vergewaltigung ihrer dreizehnjährigen Freundin erzählte. Sie sagte, na ja, jetzt ist meine Freundin wenigstens das Problem der Entjungferung los, da kann sie doch froh sein. Dieses Mädchen hat sich eine Form von Gleichgültigkeit anerzogen, um in der Borgata überhaupt überleben zu können. In ihrem Alter hatte sie schon zwei Morde miterlebt. Wenn man an solchen Erfahrungen nicht zugrunde gehen will, muss man vermutlich diese Härte entwickeln. Aber wer die Dinge schon mit vierzehn so sieht, wird es schwer haben. Denn für so jemanden ist es egal, ob man sich vor einer Kamera auszieht, irgendeinen reichen Typen heiratet oder einen Raubüberfall begeht. Die Leute bemühen sich, jede Form von Leiden abzutöten. Da kommt natürlich auch das Kokain ins Spiel. Mit Kokain schleift man seine Nerven. Autorin: Wie Pasolini unternimmt auch Siti in seinem Roman eine stilistische Recherche - die Bewohner der Borgata sprechen im römischen Dialekt, und die Erzählerstimme schwankt zwischen Faszination und Entsetzen. Sein Buch ist zugleich eine soziologische Bestandsaufnahme. O-25, O-Ton Walter Siti/ Sprecher 1 Erschüttert hat mich die Selbstverständlichkeit des Kokainkonsums, davon erzähle ich auch. Ich war bei einem fünfunddreißigsten Geburtstag dabei, der in einem Restaurant gefeiert wurde. Irgendwann standen die Männer an der Toilettentür Schlange, um dort eine Linie zu ziehen, aber sie stritten um die gerechte Verteilung des Stoffes. Als sie sich nicht einigen konnten, gingen sie zur Oma, die Oma saß ungerührt am Tisch, portionierte das Kokain für ihre Enkel, und die Enkel verschwanden auf der Toilette. Sie bieten einem das Zeug an, wie früher ein Glas Wein, hier, willst Du ein bisschen? In Sportstudios liegen die Säckchen herum, Polizisten sind auch gern gesehene Gäste bei den Runden, weil sie aus Beschlagnahmungen umsonst an den Stoff kommen. Wenn man kokst, ist einem alles egal. Es ist eine Droge, die das Leben ersetzt. Regie: Musik, Nino Rota, Concerto Soirée, Track 10, ab 0'14 Autorin (Musik): Diese Haltung passt zur Konsumgesellschaft, und sie entspricht einer allgemeinen Gleichgültigkeit. Berlusconi? Der neue römische Bürgermeister Alemanno, ein Postfaschist? Egal. Über Stadtautobahnen kehren wir in die Urbs eterna zurück. Das Forum Romanum wirkt im Abendlicht wie eine Kulisse. Vielleicht ist es das inzwischen längst. Am nächsten Morgen besuchen wir einen Mann, der seit vierzig Jahren in Rom zu Hause ist, ursprünglich aus Neapel stammt, ein paar Jahre im Schuldienst war, bevor er Zeitungsredakteur und schließlich Schriftsteller und Drehbuchautor wurde. Domenico Starnone, ein scharfsinniger Diagnostiker. Vor einigen Monaten erschien sein Roman Erste Vollstreckung. Im Mittelpunkt steht ein alternder Lehrer, der von einer ehemaligen Schülerin zu einer politischen Gewalttat animiert wird. O-26, O-Ton Domenico Starnone (voice over)/ Sprecher 2 Mein Held ist das typische Produkt einer Hoffnung, die sich nicht verwirklichen ließ. Er war nie gewalttätig, er hat sich nie politisch engagiert. Aber er hat seine Schüler dazu erzogen, Ungerechtigkeiten zu erkennen und sich über Ungerechtigkeiten zu empören. Über sich selbst sagt er: ich habe studiert, unterrichtet und auf diese Weise an einer kollektiven Hoffnung auf einen Wandel teilgehabt. Es war ein Wandel, der sich tatsächlich abzeichnete und das Leben der Menschen veränderte. Italien war gegen Ende der sechziger Jahre ein Land mit sehr rückständigen Gesetzen. Alles wurde damals erneuert, das Schulgesetz, das Gesundheitswesen, das Familienrecht, es war ein Erdbeben und man hatte den Eindruck, dass eine grundsätzliche gesellschaftliche Erneuerung vor der Tür stand. Als diese Erneuerung dann nicht eintrat, vermutlich auch wegen der wirtschaftlichen Krise Mitte der siebziger Jahre, explodierte der Terrorismus. Es war so, als hätte man aus einem Fenster eine schöne Landschaft betrachtet und dann kommt jemand und zieht plötzlich den Rollladen herunter. Zitator: Sie bat mich, die Wohnung eines Freundes aufzusuchen. Die Wohnung stünde seit langem leer, der Freund sei im Ausland, sie gab mir die Schlüssel. Im Bücherregal des Wohnzimmers fände ich eine Ausgabe von Hermann Brochs Tod des Vergil. Auf Seite 46 seien einige Wörter unterstrichen. Ich solle diese Wörter auf einen Zettel schreiben und den Zettel in einen Briefumschlag stecken. Dann würde sich bald jemand melden und den Umschlag abholen. Das sei alles. Ich sagte, "Dir ist klar, dass du überwacht wirst". Sie lächelte. "Niemand überwacht uns. Aber auch wenn sie uns überwachen würden, wo liegt das Problem?" "Das Problem liegt darin, dass ich in diese Wohnung gehen werde und die Botschaft abschreibe und anschließend sofort gestellt werde." "Was soll's." "Sie werden mich verhören." "Ja, und?" "Ich verstehe dich nicht." "Es gibt nichts zu verstehen. Wenn du mir diesen Gefallen nicht tun willst, gib's zu, dann suche ich mir jemand anderen". Ich wollte nein sagen und sagte stattdessen ja. Ich tat es, um ihren Erwartungen zu entsprechen. (Domenico Starnone, Prima Esecuzione, übersetzt von Maike Albath) Autorin: Starnones Roman geht der Frage nach, unter welchen Bedingungen Gewalt entstehen kann. Immer wieder wird die angespannte gesellschaftliche Stimmung spürbar. Der Zustand Roms ist für Starnone ein Sinnbild der italienischen Gesamtlage. O-27 O-Ton Domenico Starnone (voice over)/ Sprecher 2 Rom wird nach und nach zu einer Stadt ohne Deckel. Es reicht, ein paar Schritte vor die Tür zu gehen, um die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes zu bemerken. Und das ist lediglich die Oberfläche der ganzen Angelegenheit. Das grundsätzliche Problem ist die Vermischung von Politik und privaten Interessen und wie diese Interessen der Stadt aufgezwungen werden, wie alles Öffentliche ausgebeutet wird. Schule, Gesundheit, öffentliche Verkehrsmittel, sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens, nichts wird vernünftig verwaltet. Die Administrationen wechseln, aber die Probleme werden immer größer. Die Rechte, die jetzt gewählt wurde, hat mit Alarmismus gearbeitet, es hieß, die Kriminalität nehme immer stärker zu. Aber darum geht es gar nicht. Es geht nicht um die Mikrokriminalität, die gibt es hier wie in allen anderen Städten der Welt. Das Problem ist, wie der gesamte öffentliche Bereich und das Gemeinwesen dem Ausverkauf überlassen werden. Denn das bringt den Niedergang mit sich, der wiederum zu Armut führt, und die Armut führt dann zur Kriminalität. Regie: Musikakzent, Nino Rota, Musica da film, Muti, Track 20 Autorin (auf Musik): Auf der Piazza Bologna sitzen die Römer ungerührt vor den Cafés in der Sonne. Eine der wenigen Bastionen der intellektuellen Opposition ist die Zeitschrift Micromega. Seit 1986 erscheinen vier bis fünf Nummern pro Jahr, die zwischen 15 und 20.000 Mal verkauft werden. Wir machen einen Abstecher nach San Giovanni zu dem Herausgeber Paolo Flores D'Arcais, Professor für Philosophie. Auf dem Hinweg kreuzen wir einen Demonstrationszug von Studenten, die sich gegen das neue Hochschulgesetz der Regierung Berlusconi wehren. Paolo Flores D'Arcais ist nachdenklich. O-28 O-Ton Paolo Flores D'Arcais (voice over)/ Sprecher 1 Die neue Studentenbewegung ist die Bewegung einer Generation ohne Hoffnung und zwar in mehrerlei Hinsicht. In Bezug auf die Arbeitswelt, in der man höchstens befristete Verträge erhält, wo sozialer Aufstieg nur für Leute möglich ist, die durch ihre Familien gute Kontakte haben oder eine politische Anbindung, wo es nichts nützt, besser zu sein als die anderen und wo man trotz brillanter Leistungen höchstens ins Ausland abwandern kann. Diese Generation hat bis heute nicht erlebt, dass man sich gemeinsam engagiert und die Probleme teilt, wodurch sich die ohnehin schwierige Lage durch ein Gefühl der totalen Isolation und die Erfahrung der sozialen Vereinzelung noch verschärft hat. Die Studentenproteste sind bis jetzt vollkommen unideologisch, zum Teil auch in übertriebenem Maße. Jetzt ist ein schwieriger Punkt erreicht, denn die Studenten müssten konkrete Gegenvorschläge zur Universitätsreform machen. Regie: Musik wie oben Autorin (auf Musik): Immerhin empören sich die Studenten und Schüler. Und es gibt andere, die etwas unternehmen. Zum Beispiel an der Piazza del Ponte Milvio. Gabriele Pedullà erwartet uns vor einem kleinen Eckhaus. Hier hat der Verlag Minimum Fax seinen Sitz. O-29, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 In den letzten zehn Jahren sind in Rom eine Menge kleiner unabhängiger Verlage entstanden. Neuerdings ist sogar die Anzahl der in Rom verlegten Bücher höher als die der Bücher, die in Mailand erscheinen. Zwar sind die großen Konzerne wie Rizzoli und Mondadori in Mailand verwurzelt, während die römischen Verlage eher mittlere und kleine Unternehmen sind, aber sie zählen zu den interessantesten des Landes. Regie: Atmo Verlag Autorin: Der Verleger Marco Cassini begrüßt uns und stellt eine riesige Pralinenschachtel vor uns hin. Minimum Fax gibt es seit fünfzehn Jahren. Den Anfang machte eine Zeitschrift, die per Fax verschickt wurde, weshalb die Gründer ihr wagemutiges Unterfangen Minimum Fax tauften. Fünfzehn Mitarbeiter hat das Haus mittlerweile, es erscheinen etwa dreißig Bücher im Jahr, der Verlag betreibt auch eine Dokumentarfilmproduktionsfirma und eine Buchhandlung in Trastevere. O-30, O-Ton Marco Cassini/ Sprecher 1 Unsere Bücher sind sehr unterschiedlich, aber wenn man sich unser Programm anschaut, dann kann man schon eine Linie erkennen: wir haben immer nach besonderen Stimmen gesucht. Wenn man nach Schriftstellern Ausschau hält, kann man nach Geschichten suchen, nach einem Handlungsbogen, und uns ging es um die Stimme. Sie sollte innovativ sein. Nicht um jeden Preis experimentell, aber auf ihre Weise einzigartig. Autorin: Die Leute von Minimum Fax sind echte Spürnasen: sie waren der erste ausländische Verlag, der die Romane von David Foster Wallace heraus gebracht hat, sie haben Raymond Carver und Richard Yates wiederentdeckt und sie haben eine Reihe italienischer Talente ausgegraben, die inzwischen wichtige Autoren sind. Sachbücher und literarische Reportagen sind ebenfalls ein Schwerpunkt, eine Richtung, die in Italien insgesamt an Gewicht gewonnen hat. O-31, O-Ton Marco Cassini (voice over)/ Sprecher 1 Die Gründungen der vielen kleinen Verlage waren eine Notwendigkeit. Es gab ein kulturelles Bedürfnis, das die kleineren Häuser, ob bewusst oder unbewusst, jetzt befriedigen. Da kommen politische Gründe ins Spiel. Die Übernahmen betreffen in Italien nicht nur das Verlagswesen, sondern auch Zeitungen, Fernsehen, Magazine und Zeitschriften. All das ist in den Händen von wenigen Personen, und diese Personen bekleiden gleichzeitig politische Ämter. Es ging also darum, dem Land zu mehr Meinungsfreiheit zu verhelfen und neue Ideen zu verbreiten, denn eine starke Vereinheitlichung des Marktes bedeutet auch eine Vereinheitlichung der Produkte. Der literarische Geschmack und die Art und Weise, wie erzählt wird, kann die politischen Entscheidungen eines Landes schließlich durchaus beeinflussen. Dass unser Verlag genau im Frühjahr 1994 entstand, als die erste Berlusconi- Regierung antrat, mag ein kurioser Zufall sein, viele Zufälle schaffen Tatsachen. Autorin: Es ist auch kein Zufall, dass der Verlag in dieser Woche ein Buch des Soziologen Giulio Salierno heraus bringt, das "Autobiographie eines faschistischen Schlägers" heißt. Eine Stellungnahme zum politischen Klima der Stadt. Wir besichtigen die verschiedenen Abteilungen des Verlages und wünschen Marco Cassini viel Glück. Regie: Musik, Morcheeba, Diving deep, Track 1, Intro Autorin (auf Musik): Unsere letzte Station ist die Peripherie von Rom, Torranciata kurz vor dem EUR. Hier wohnen Chiara Gamberale und Emanuele Trevi, zwei Vertreter der jungen Szene. Vor allem wohnt hier Toleb. Ihr Hund, benannt nach einem Psychopharmakon. Regie: Atmo O-32, O-Ton Chiara Gamberale (voice over)/ Sprecherin Toleb, Platz. Der Hund war auch oft in meinem Radioprogramm. Autorin: Chiara Gamberale ist dreißig Jahre alt und genauso hübsch und liebenswert wie ihr Hund laut ist. Sie ist eine Kult-Moderatorin. Zuerst im Fernsehen, dann im Radio, demnächst wieder im Fernsehen. Vier Romane hat sie auch schon geschrieben, schräge Liebesgeschichten bekennender Neurotiker. O-33, O-Ton Chiara Gamberane (voice over)/ Sprecherin Der Chefredakteur von Radio Ventiquattro hatte mir angeboten, aus meinen Büchern eine Sendung zu machen, die sich ganz allgemein um die Alchemie menschlicher Beziehungen dreht. Das interessiert mich am meisten. Wie sich Paare finden, wie man sich dem anderen gegenüber verhält. Meine Sendung hieß Such' Dir einen ordentlichen Freund. Mein Co- Moderator war ein Schwuler, er war in Wirklichkeit gleichzeitig auch mein Mitbewohner, und es sollte auch um neue Formen von Familie gehen. Ich nahm immer ein Buch oder einen Film als Aufhänger, und dann konnten Hörer anrufen. Die erste Viertelstunde war eine Art Sitcom, und dann wandelte es sich zu einer Talkshow um, oft auch mit einem Gast. Meistens habe ich das Thema eines Romans ganz direkt auf die Leute bezogen. Es war anstrengend, denn die Sendung lief von montags bis freitags jeden Tag eine Stunde, und das hieß, dass ich praktisch täglich eine neue Sitcomszene schreiben musste. Drei Jahre lang. Regie: Musik, Morcheeba, wie oben Autorin (auf Musik): Kein Wunder, dass inzwischen das wirkliche Leben die Sendung nachahmt ... Chiara Gamberales neuester Roman Der blinde Bereich handelt von einer Radiomoderatorin, deren Sendung Anonyme Sentimentalisten heißt. Ihre neue Fernsehshow trägt denselben Titel. Bei ihr ist alles eins: Radio, Fernsehen, ihr Leben, ihre Bücher. In Der blinde Bereich geht es um Turbulenzen mit ihrem Freund. Der jetzt plötzlich zur Tür herein spaziert. So sehr seine Freundin mit der Medienwelt verwoben ist, so tief versenkt sich Emanuele Trevi in kulturgeschichtliche Fragen. O-34, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Man kann die Stadt wie ein Buch lesen, sie ist ungeordnetes Buch. Eine Art Lexikon. Man schlägt es an irgendeiner Stelle auf und stößt auf etwas Interessantes. Autorin: Dinge ohne Hand und Fuß heißt sein Buch über Rom, ein Abstieg in die Tiefenschichten der Metropole. Hauptschauplatz sind die Via Tasso und die berühmte Via Merulana. O-35, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Auf vielen alten Karten heißt die Via Merulana Via Gregoriana, aber es handelt sich um dieselbe Straße. Die Straße verbindet zwei Kirchen miteinander, die wichtige Pilgerorte waren, San Giovanni am Lateran, in gewisser Hinsicht bedeutender als San Pietro, und Santa Maria Maggiore, wo es Mosaiken biblischer Geschichten gibt. Carlo Emilio Gadda hat die Via Merulana natürlich unsterblich gemacht. Stendhal sagt, die Via Merulana eigne sich besonders gut für einen gestreckten Galopp. Ich bin diese Straße oft zu Fuß entlang gegangen und fand es schön mir auszumalen, wie man hier sein Pferd antreiben konnte und drum herum nur die Mauern der angrenzenden Besitztümer standen. Für mein Buch habe ich alte Zeugnisse benutzt, Fotografien, Landkarten, diese perspektivischen Landkarten, die einem den Blick eines Vogels vermitteln, all das berührt mich sehr. Ich habe immer das Gefühl, dass diese vielen verschiedenen Bilder wie Geister an dem Ort zurückbleiben. O-36, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Die große Qualität von Emanuele Trevis Buch liegt darin, dass er auf indirekte Weise von Rom erzählt, über metaphorische Umwege und Vergleiche. Es ist zugleich das Porträt eines verstorbenen Freundes, außerdem beschreibt er das Stadtviertel San Giovanni, von dem sonst nur sehr selten die Rede ist. Es liegt außerhalb des historischen Zentrums, und für das historische Rom gibt es mittlerweile schon ein festes Bildrepertoire. O-37, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Ich habe zum Beispiel das deutsche Rom in seiner schönsten und grausamsten Ausprägung genau in der Via Tasso entdeckt. Erst als ich dorthin umzog, wurde mir das klar. Es gibt eine wunderschöne Renaissancevilla, in der die Nazarener lebten, diese deutsche Malerkommune. Sie haben mit alten Techniken der Frührenaissance gearbeitet und die großen italienischen Epen bebildert. Und auf genau denselben Hof ging das Gefängnis der SS, wo heute das Museum der Befreiung beherbergt ist. Ich hatte beide Orte schon besucht, aber nie bemerkt, dass sie an ein und derselben Stelle liegen. Wir müssen lernen, das was wir lieben, richtig anzuschauen. Zu einer Stadt gehört sowohl der eine als auch der andere Ort. Man ist schließlich auch im Leben sehr glücklich und sehr unglücklich, ein Ort, an dem wir nur unglücklich wären, wäre unbewohnbar. Aber auch ein ewiger Ort des Glücks wäre nicht auszuhalten. Regie: Musik, Nino Rota, La strada, Track 2, ab 4'38 Autorin (auf Musik): Eine kleine Hommage an das Glück in der Ewigen Stadt wollen wir uns noch erlauben. Mit Gabriele Pedullà drehen wir eine Runde auf der Vespa und fahren quer durch Rom bis zur Via Veneto. O-38, O-Ton Gabriele Pedullà (voice over)/ Sprecher 2 Die Drehbücher für Fellinis wichtigste Filme stammen von Ennio Flaiano. Er ist einer der Schriftsteller, die aus Rom einen Mythos gemacht haben. Von Flaiano gibt es eine Komödie, die fast als ein Emblem der Stadt gelten kann: Ein Marsmensch in Rom. Wie der Titel schon ankündigt, geht es um einen Marsmenschen, der in Rom eintrifft und einen ungeheuren Tumult auslöst. Alle wollen ihn kennen lernen, aber schon bald sind die Leute wieder gelangweilt, also wirklich, immer dieser Marschmensch, es reicht! Rom ist bei Flaiano ein großer Verdauungstrakt, der alles aufnimmt. Ein Marsmensch taucht auf, okay, zuerst sind wir überrascht, aber dann, was soll sein, schließlich ist diese Stadt ewig, die Stadt gewöhnt sich an alles und wird von den Ereignissen höchstens gestreift. Im existenziellen Sinne befinden wir uns also weder im Paradies, noch in der Hölle, sondern im Fegefeuer. Wir warten. Ein Marsmensch kommt an, es scheint, als eröffneten sich ungeheure Möglichkeiten, als müsse sich alles ändern, aber dann wird auch der Marsmensch Teil des Alltags der Metropole. Rom ist eine Stadt, die sich trotz der Invasionen, der Päpste, der Einmärsche aus dem Süden, der Angriffe aus dem Norden und der Besuche eines Marsmenschen immer gleich bleibt, auch der Müllhaufen in der Gasse im Ghetto ist immer derselbe. O-39, O-Ton Emanuele Trevi (voice over)/ Sprecher 1 Rom ist unendlich. Immer fängt alles wieder von vorne an. Regie: Musik, Nino Rota, La strada, Track 2, auf Schluss fahren 1