Deutschlandradio Kultur Länderreport Der Kölner und sein Rhein - Eine hübsche Beziehungsgeschichte - Autor Frank Überall Red. CS Rehfeld Sdg. 11.07.2012 - 13.07 Uhr Länge 18.45 Minuten Moderation "Stadt - Land - Fluß" so hieß mal ein beliebtes Unterhaltungsspiel in Familien, unter Kindern. Das alphabetische Wissensquiz machte Spaß. Welches Kind besiegt nicht gerne seine Eltern! Und : Der Zusammenhang liegt nahe : Stadt und Fluß. Die Besiedlungsgeschichte illustriert dies; die geographische Lage führte gar häufig die Feder bei der Ansiedlung und schrieb ihre eigenen Geschichten. Zum Beispiel bei Köln und beim Rhein. Dies ist heute das Thema im Länderreport von Frank Überall. Eine leutselige Heimatstimmung, wie sie entsteht, wenn "Hey Kölle, Du ming Stadt am Rhing" angestimmt wird, dürfte nur kurzzeitig zu erwarten sein. Bitte. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag (Atmo Wellen schlagen an Rheinufer) Mit mehr als 1.200 Kilometern Länge ist der Rhein einer der eindrucksvollsten Flüsse Europas. Er fließt seit Millionen Jahren zwischen Alpen und Nordsee, alleine auf 41 Kilometern durch das heutige Stadtgebiet von Köln. Im Schnitt ist er hier 300 Meter breit. Ulrich Soénius vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv hat nicht nur die Geschichte des Flusses wissenschaftlich untersucht. Er geht auch gerne am Rhein spazieren. Das hat in seiner Familie Tradition: Heute flaniert er mit seinen Kindern am Rheinufer, als er selbst Schüler war, nahmen ihn seine Eltern mit zum Sonntagsausflug am Fluss: "Da hatte der Rhein so einen, ja eigentlich abweisenden Geruch, aber dennoch sympathisch. Und diesen Geruch gibt es heute nicht mehr. Aber ich habe den in der Nase. Wenn ich drüber rede, habe ich den Geruch in der Nase. Weil, das war natürlich die Chemie, die ihre Ausdünstungen in den Rhein transportierte. Und es war dann schon für uns Kinder so ein ganz besonderer Geruch, das war nichts Positives, aber an den erinnert man sich." (0'20, soenius_1) Gut 50 Jahre ist das schon her, dass der Rhein in Köln diesen strengen Geruch in die Stadt gebracht hatte. Damals hatten Chemiewerke entlang des Stroms ihre Abwässer oft ungeklärt eingeleitet. (Atmo Plätschern, mit Zug/Schiff) Inzwischen ist der Rhein in Köln wieder etwas Wohlriechendes und Idyllisches. Vor mehr als 2.000 Jahren wurde hier eine erste Siedlung errichtet. Dass das gerade hier geschah, lag natürlich an der Nützlichkeit des mächtigen Flusses: "Köln war der nördlichste Standort der Römer, deshalb die nördlichste Stadt Italiens, heute noch. Deswegen hat man hier eine Art Militärhochburg erst mal gesettelt. Aber natürlich immer am Wasser. Das heißt, die Wirtschaft kam im Zuge des Militärs hier hin. Weil das Militär auch am Wasser gesiedelt werden musste, Transportwege für Soldaten, Transportwege für Nachschub, man hat ja damals sehr viel mit Holz gearbeitet. Das wurde alles über den Rhein transportiert." (0'24, soenius_3) (Atmo Plätschern) Man nutzte den Rhein als Wasserstraße, Wäsche wurde gewaschen, Fische wurden gefangen. Der Kölner Hobby-Historiker Hans Burgwinkel ist am Rhein aufgewachsen. Er weiß deshalb, dass der reißende Strom von den Einheimischen früher ausschließlich unter dem Aspekt des praktischen Nutzens gesehen wurde. Erst als das Rheinland von den Franzosen und später von den Engländern besetzt wurde, entdeckten sie die romantische Seite des Rheins. Die Kölner begannen, Passagierschiffe zu bauen, damit war die Grundlage für den heutigen Tourismus gelegt. Davon profitiert zum Beispiel Sarah Keppel, die Stadtführungen rund um den Rhein in Köln veranstaltet. Bei ihren Rundgängen erläutert sie auch, warum die Stadt Köln ausgerechnet an dieser Stelle des Rheins entstanden ist: "Einfach aufgrund der Tatsache, dass der Rhein seine Beschaffenheit zwischen Köln und Bonn etwas ändert. Sprich, das Stück zwischen Köln und dem Meer ist sehr breit, ist auch sehr tief, da kann man wirklich auch mit seetüchtigen Schiffen entlang fahren. Hinter Köln, Richtung Bonn hoch, wird es dann sehr viel schmaler, es wird sehr viel niedriger, das heißt, dort musste man einfach mit anderen Schiffstypen fahren, die nicht so viel Tiefgang hatten, und das zwang die Menschen schon im Mittelalter dazu, eben ihre Waren in Köln umzuladen von dem einen Schiffstyp auf den anderen Schiffstyp." (0'37, keppel_3) (Atmo brummendes Schiff) Inzwischen ist das kein Problem mehr - die Schiffe sind baulich darauf ausgelegt, sowohl auf dem Ober- als auch dem Niederrhein zu fahren. Im Mittelalter aber hatten die Kölner die damals notwendige Umlade-Tätigkeit als lohnendes Geschäft entdeckt. Gewitzt und geschäftstüchtig, wie sie damals schon waren, haben sie nicht einfach Zollgebühren kassiert, sondern das so genannte Stapelrecht erfunden. Das besagte, dass alle Waren, die den Rhein rauf- oder runtertransportiert wurden, in Köln ausgeladen und drei Tage lang den Einheimischen zum Kauf angeboten werden mussten: "Die Kölner haben insofern davon profitiert - zum einen, weil das Warenangebot riesengroß gewesen ist hier, in der Stadt, im Mittelalter. Und zum anderen natürlich auch, weil sie sich alles, jede Diensthandlung sozusagen haben extra zahlen lassen. Nur die Kölner Kaufleute durften bei den Fremden Kaufleuten einkaufen. Dadurch, dass Köln aber ein riesiges Warenangebot hatte mit riesigen Mengen an Kaufleuten, die hier auch natürlich aus der Fremde kamen, die hier eingekauft hätten, haben sich die Kölner Kaufleute ihre Zwischenhändler-Tätigkeiten dann auch gut bezahlen lassen, sprich sie haben Provision dafür kassiert." (0'36, keppel_4) Aus dieser Zeit stammt auch die Anekdote, wie der Unterschied zwischen den karnevalistischen Ausrufen Alaaf und Helau entstanden sein soll. Der Buchautor Gerd Krebber ist dem Phänomen nachgegangen: "Zur Zeit dieses Stapelrechts kam ein Mainzer Kaufmann natürlich auch mit seinem Schiffchen an Köln vorbei, wollte entlang fahren, wollte weiter Richtung Düsseldorf. Und die Kölner sagten: Tja, so geht das aber nicht. Der Mainzer: Ich will aber helau fahren, die Kölner daraufhin: Nee, nee, alaaf laade! Also, ich will hier lang fahren, und die Kölner: Alles abladen! So ist angeblich Alaaf und Helau entstanden." (0'26, krebber_1) Das Stapelrecht führte auch dazu, dass ständig Fremde in Köln waren. Die Stadt entwickelte sich zum Drehkreuz für begehrte Waren, aber auch zum Schmelztiegel von Menschen unterschiedlichster Herkunft. Der Rhein wurde zum weltgewandten Magneten für Kaufleute, böse Zungen bezeichneten das Stapelrecht als Wegelagerertum. Ulrich Soénius sieht darin das Fundament für den frühen ökonomischen Aufstieg Kölns: "Das war das wirtschaftliche Zentrum, auch. So richtig am Wasser gelegen, wo die Schiffe dann umgeladen wurden oder beladen wurden mit neuen Waren. Da standen Unmengen Krane, es gab sehr viele Kranenarbeiter, so hießen die auch, Kranenmeister, das waren die Aufseher, Kranenschreiber, die haben also diese ganzen Warenbewegungen in große Bücher aufgeschrieben, die im Stadtarchiv liegen." (0'19, soenius_5) Heute noch spielt der Warentransport auf dem Rhein für Köln eine wichtige Rolle. Auch wenn das im Stadtbild auf den ersten Blick nicht direkt ins Auge sticht. Acht Binnenhäfen gibt es im Stadtgebiet, zusammen machen sie eine Fläche von gut zwölf Quadratkilometer aus. Köln ist nach Duisburg der zweitgrößte Binnenhafen-Standort in Deutschland. Und immer noch bietet diese Branche vielen Menschen in der Region Arbeitsplätze mit Zukunft. Das ganze Jahr über - wenn nicht das regelmäßig wiederkehrende Hochwasser den Reedereien einen Strich durch die Rechnung macht. Ganz so schlimm wie in vergangenen Jahrhunderten sind dagegen andere Wettereinflüsse nicht mehr. Es ist gerade mal ein paar Jahrzehnte her, da bildete sich selbst auf dem reißenden Strom in Köln eine durchgehende Eisschicht, erzählt Historiker Ulrich Soénius: "Die Schifffahrt wurde ja komplett eingestellt bei Eisgang. Und der ganze Warenverkehr brach damit zusammen. Das war im Mittelalter noch mal sehr viel schlimmer, weil man ja keine anderen Transportwege hatte. Man hatte ja keine Eisenbahn, LKW`s gehabt. Das ging alles praktisch in weiterer Entfernung über die Wasserwege. Und das hat dann schon zu großen Krisen geführt - es ist jetzt niemand verhungert, aber es hat zu großen Krisen geführt in der Versorgung der Bevölkerung und der Unternehmen." (0'24, soenius_9) Doch Köln wäre nicht Köln, wenn man nicht auch dieser Situation etwas Positives abgewonnen hätte. Des einen Leid, des anderen Freud`: Sarah Keppel weiß ... " ... dass man trockenen Fußes von der einen Seite auf die andere Seite spazieren konnte, wo die Menschen dann auch regelrechte - ja, Volksfeste gefeiert haben mit Würstchenbuden auf dem Eis, Schlittschuh laufen und so weiter und so weiter. Musik auf dem Eis, und da sind dann richtige Parties abgefeiert worden." (0'18, keppel_6) (Atmo Plätschern) Auch heutzutage löst der Rhein bei den Kölnern überwiegend positive Emotionen aus. Er verlockt zum Sonntagsausflug an der frischen Luft, ganz so wie in den 50er Jahren, vor der großen Fluss-Verschmutzung durch die Chemie. Ältere Kölner wie Hans Burgwinkel erinnern sich noch gut daran, dass sie damals sogar regelmäßig im Rhein geschwommen sind. Und das ganz ohne Eltern: "Wenn man dann einem Großen gezeigt hatte, dass man schwimmen konnte, durfte man vielleicht auch mal um eine Kribbe herum schwimmen. Und wenn man das ein paar Mal geschafft hatte, dann durfte man auch in den Rhein schwimmen. Niemals ist einer allein geschwommen, sondern es wurde nur in Gruppen geschwommen. Das war immer eiserne Regel, es konnte ja mal was passieren." (0'21, burgwinkel_6) (Atmo Kinderstimmen am Rheinufer) Heute ist es verpönt, im Rhein wirklich schwimmen zu gehen. Immer wieder wurde die Fahrrinne begradigt und ausgebaggert, so dass die Strömung immer rasanter wurde. Deshalb geht zum Beispiel Autor Gerd Krebber höchstens direkt am Ufer in das kühle Nass: "Da kann man schön planschen, ja! Der Umweltbundesminister hat das ja schon mal vor, ich weiß nicht, 15, 20 Jahren vorgemacht. Der Herr Töpfer. Obwohl, da war es glaube ich saudreckig. Und da hat er auch noch einen Neoprenanzug getragen. Ich habe, als ich im Rhein war, kein Schmieröl an den Beinen gehabt, das kann ich nur sagen." (0'15, krebber_4) Überhaupt ist der Rhein wieder natürlicher geworden. Flora und Fauna gedeihen gerade in den ruhigen Uferbereichen der Kölner Vororte nahezu ungestört: "Ich sehe ganz viele Tiere, also Vögel, Kormorane oder weiß ich was. Ich sehe Menschen, die am Rheinufer sich sonnen, Kinder die da spielen, es gibt die Poller Wiesen, wo der Drachen steigt. Ach, es ist einfach Leben und Spaß, es ist einfach schön und ist Kölsch!" (0'17, krebber_3) Selbst als Lebensmittel eignet sich das Rheinwasser inzwischen wieder - ganz so wie im Mittelalter. Matthias Schmitt von der kommunalen Firma Rheinenergie engagiert sich bereits seit Jahren gemeinsam mit anderen Wasserwerken für den Naturschutz rund um den Rhein. "Weil dieses Rohprodukt des Wassers müssen wir zum Trinkwasser aufbereiten und dann unseren Kunden geben. Und mittlerweile ist es sehr gut geworden. Nach der Ufer-Filtration ist das Wasser Trinkwasserqualität, Sie können es direkt trinken, wunderbar!" (0'11, schmitt_1) "Dat Wasser vun Kölle es joot", heißt es in einem viel gesungenen Kölner Karnevalshit. Die Kies- und Sandschichten am Rheinufer sorgen dafür, dass das Wasser gut gefiltert wird: "Da sind Bakterien drin, die halt auch gerne was essen. Und das alles, was im Rhein drin ist, ist teilweise sehr nahrhaft für die, das fressen die gerne auf." (0'07, schmitt_2) (Atmo Muscheln wühlen) Am Kölner Rheinufer findet man oft Hunderte Meter lang Sandstrände, die man zum Flanieren oder Rumfläzen nutzen kann. Oder zum Muscheln sammeln. Die Schalentiere zeugen davon, dass das Rheinwasser tatsächlich sauberer geworden ist. (Atmo Plätschern) Das Wasser des Rheins kommt aus den Schweizer Alpen und wird von verschiedenen Quellen gespeist. So sauber, wie es vor der Verschmutzung durch die Industrie war, bot es ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an genießbaren Süßwassertieren. Vor allem Lachse und der heringsähnliche Maifisch sorgten einst dafür, dass sich in Köln viele Fischer ansiedelten. Der gefangene Fisch aus dem Rhein kam nach Recherchen von Hans Burgwinkel immer frisch auf den Tisch: "Er war aber auch zum Teil so zahlreich, insbesondere wenn der Lachsaufstieg war oder der Maifischaufstieg war, dass Dienstboten in ihren Dienstbüchern einen Passus drin stehen hatten, dass sie nicht jeden Tag Fisch essen mussten." (0'15, burgwinkel_3) Für viele ist das heute nur eine noch historische Anekdote. Fische aus dem Rhein werden nirgends mehr verspeist oder verkauft. (Atmo Restaurant) Verschiedene Initiativen und Behörden versuchen jetzt, im Rhein wieder Fische anzusiedeln. Vielleicht kommen auch dann auch wieder die vielen Biergärten zurück, die es früher direkt am Ufer gab - später wurden sie geschlossen, eben weil der Rhein einen unangenehmen Geruch verbreitete: "Da will natürlich niemand am Rhein irgendwo sitzen, an einem stinkigen Fluss, und deshalb wurde das gar nicht mehr gepflegt, dass man also Biergärten direkt unten am Rhein hat." (0'10, burgwinkel_9) (Atmo Plätschern) Abgesehen von wirtschaftlicher Nutzung und Tourismus wird ganz langsam auch der Rhein nahe der Innenstadt wieder für die Freizeitgestaltung aktiviert. "Wasser hat einen hohen Anziehungspunkt immer gehabt auf die Menschen und sie wollen ihre Freizeit dort verbringen, sie wollen am Rhein eine Stadt erleben. Wie man das heute auch so macht. Ich habe das letzten gemacht - so eine Böötchens-Tour am Rhein, mit amerikanischen Freunden, die einfach mal die Stadt was sehen wollten, da habe ich gesagt, da gehen wir mal zur Anlegestelle, haben ein paar Karten gekauft, sind so eine Stunde rumgeschippert: Man sieht auch als Kölner die Stadt vollkommen anders!" (0'22, soenius_7) (Atmo Stimmengewirr Boot) Die Faszination, die Engländer und Franzosen einst mit dem Rhein verbanden, ist heute ein wahres Massen-Phänomen. An Bord verschiedener Ausflugsschiffe kann man den Fluss befahren. Toni Alfter ist einer der erfahrensten Kapitäne in diesem Geschäft. Seit seiner Jugend schippert er auf Booten der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt durch Köln. "Ich muss natürlich dazu sagen, jetzt im Laufe dieser 46 Jahre hat sich die Stadt auch mit ihrem Stadtbild zum Rhein hin mächtig verändert. Aber, und das muss ich dazu sagen, es gibt so einzelne Punkte wie zum Beispiel der Dom oder die alten Häuser der Altstadt, die also beständig sind und auch bleiben. Die prägen schon das Stadtbild." (0'25, alfter_2) (Atmo Fahrtgeräusch) Bei gutem Wetter strömen an der Anlegestelle in der Kölner Altstadt Hunderte Passagiere auf die MS Rheinfantasie. Auf der Rundfahrt an die Stadtgrenzen kann der Kapitän von seinem Steuerrad aus deutlich mehr am Ufer beobachten als die einfachen Touristen an Bord. "Wenn Sie, so wie wir jetzt, in einer Position sitzen, von der Sie sehr vieles überblicken können, dann sehen Sie oder beobachten Sie natürlich auch schon mal Menschen, die sich eigentlich unbeobachtet fühlen. Ja? Und natürlich gibt es dann hier und da schon mal was zu sehen, ganz klar. Aber ich sage mal so, ja - zum Schmunzeln gibt es schon einiges. Natürlich auch einiges, was man auch im Radio nicht erzählen darf." (0'26, alfter_4) (Atmo Anlegen, Aussteigen) Zurück an Land - jetzt kann die Erkundung der Kölner Rheinufer zu Fuß weiter gehen. Acht wuchtige Brücken verbinden den links- mit dem rechtsrheinischen Teil Kölns. Wobei der eingefleischte Kölner aus der Innenstadt immer noch mit einer gewissen Häme auf das Rechtsrheinische schaut. Im Dialekt nennt man diesen Bereich Schäl Sick, was so viel heißt wie schlecht, dumm, unschön. Die historischen Gründe dafür werden unterschiedlich interpretiert. Hans Burgwinkel meint, das lag unter anderem daran, dass man zum Feiern eben die Kölner Stadtmauern verlassen und auf die Schäl Sick wechseln musste: "Wenn man von Köln nach Deutz ging, über die Schiffsbrücke, oder vorher mit den Fähren, dann waren da Riesen-Biergärten, Riesen-Feierstätten, auch große Hotels gewesen. Wo der Kölner sich vergnügen konnte. Hier war auch das Glücksspiel möglich. Hier waren auch Dirnen, was in Köln in der muffigen Stadt in jeder Beziehung eigentlich verboten war." (0'25, burgwinkel_2) Der Wirtschaftshistoriker Ulrich Soénius hat eine andere Erklärung - sie hängt zusammen mit den Schiffen, die früher noch keine Motoren hatten: "Die Pferde gingen an Land und hatten lange Seile und zogen die Schiffe rheinaufwärts. Damit die nicht abgelenkt worden sind, hat man den Pferden, wie man das heute aus dem Karnevalszug übrigens noch kennt, solche Augenklappen verpasst. Damit die nicht immer den Kopf links und rechts eben bewegten. Das hätte nämlich Schlingerbewegungen auf dem Schiff ausgelöst. Und um diese Schäl Sick sozusagen den Pferden zu verbergen, hat man denen links eine Augenklappe angezogen. Da hat halt der Kölner daraus gemacht: Naja, da drüben auf der anderen Seite, da ist es eben nicht so toll." (0'30, soenius_10) (Atmo Plätschern) Der Rhein verbindet die Kölner also nicht nur, manchmal trennt er sie auch. Der Fluss bringt Wohlstand und Freude, aber er kann auch zum reißenden Ungeheuer werden. Zum Beispiel, wenn sich allzu viel Wasser in ihm ansammelt. Bei Hochwasser werden ganze Straßenzüge und Wohngebiete überflutet. Laut Stadtführerin Sarah Keppel wollten die römischen Ur-Kölner genau das eigentlich vermeiden: "Die Römer wollten von vornherein ein Siedlungsgebiet haben, was hochwasserfrei ist und sie fanden es. Genau an der Stelle, wo heute die Kölner Innenstadt sich befindet. Und haben sich aufgrund der geographischen Situation, weil das Areal eben ein Hochplateau ist, dafür entschieden, dort eine Siedlung zu errichten." (0'19, keppel_1) Später seien aber vorgelagerte Inseln mit Sand aufgeschüttet worden, um die Stadt zu erweitern. Unter anderem sei auf diesem Boden die heutige Altstadt errichtet worden - ein Bereich, der in der Moderne immer wieder überflutet wurde. (Atmo Wellen) Wenn in der Schweiz der Schnee schmilzt und es zusätzlich am Oberrhein regnet, werden die Wellen am Kölner Rheinufer für die Anwohner bedrohlich. Thomas Kahlix wohnt im Kölner Vorort Rodenkirchen und ist schon Opfer der Hochwasser-Fluten geworden. Das Rheinwasser stand innerhalb weniger Stunden mitten in seinem Wohnzimmer. "Das ist einfach entsetzlich. Der Strom ist dann weg. Hier steht dann so eine bräunliche, nicht angenehm riechende Brühe in der Wohnung. Es gluckert ab und zu mal leise, das war Weihnachten, die Weihnachtsdekoration, so eine Lichterkette mit Weihnachtsmännern, trieb da herum, Zeitungen, leere Flaschen. In der letzten Sekunde wurden noch Teppichböden raus gerissen. Der Backofen auseinander genommen und so weit es ging höher gestellt. Das hat gerade noch funktioniert. Aber ansonsten war hier tatsächlich für Monate nichts mehr bewohnbar." (0'33, kahlix_1) Trotzdem kommt Thomas Kahlix nicht auf die Idee, seinen gefährdeten Wohnort zu verlassen. "Das Paradoxe ist ja, dass wir immer noch hier leben, obwohl wir vor jetzt fast 20 Jahren in übelster Weise abgesoffen sind. Es gibt eben auch Dinge, die einen in dieser Stadt halten. Das ist zum Beispiel die Tatsache, dass man hier sehr gut leben kann und viele Menschen findet, mit denen man gut zusammenleben kann." (0'18, kahlix_3) Mit vielen dieser netten Nachbarn hat Kahlix eine Initiative für den Hochwasserschutz gegründet - und das nicht ganz wirkungslos: Die Stadt Köln hat inzwischen aufwändige mobile Schutzwände installiert. Grundsätzlich verdrängt man aber gerne die Gefahren des Rheins, seiner sandigen Umgebung und der Hochwasserphasen. So wird vermutet, dass das Grundwasser - das mit dem Fluss gleichzeitig ansteigt - zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 beigetragen hat. Irgendwie habe man das bei den Planungen wohl nicht ausreichend berücksichtigt, und das sei typisch für die Kölner, meint Thomas Kahlix. "Das ist für mich eine ziemlich unverständliche Ambivalenz, aber so ist eben diese Stadt. Und die Hochwasser-Schutzzentrale hat ein T-Shirt kreiert, das sozusagen den Hochwasserschutz bewerben soll, und da steht oben drauf. Et kütt, wie et kütt. Das heißt also, diese Stadt schwankt zwischen Widerstand und Fatalismus (lacht)." (0'22, kahlix_5) (Atmo Plätschern) -ENDE Beitrag- 11