COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel 2.1.2011 "Du bist, was du isst" Wie Nahrung die sportliche Leistung beeinflusst/Jantje Hannover Atmo: Besteck, Kantine Die Kantine der Eliteschule des Sports in Berlin Weißensee. Die große Pause hat gerade begonnen, die Schüler der achten Klasse schnappen sich ein Tablett, Messer und Gabel und reihen sich vor der Essensausgabe ein. Viele der Schüler leben hier im Internat. Atmo hoch Für das Essen haben sie eine Chipkarte, mit der sie aus drei Menüs auswählen können. An der Essensausgabe müssen sie nur noch ihre Karte an einen kleinen Bildschirm halten, dann füllt das Küchenpersonal das gewünschte Gericht auf den Teller. Atmo Andy Beer ist hier der Küchenchef: Wir haben heute angeboten Cevapcici mit Letschosauße und Reis, dazu gab es eine Tagessuppe mit grünen Bohnen und Schweinefleisch, wir hatten ein Salatbüffet, wo verschiedene Salate drin waren, wir hatten ein Dessertangebot, wo Joghurt mit Früchten angerührt wurde. (-) Dann hatten wir noch im Menü zwei Heringsfilet mit einer Dillsauce und Petersilienkartoffeln. Atmo Fast eintausend Landes- beziehungsweise Bundeskaderathleten trainieren an den insgesamt drei Berliner Eliteschulen des Sports in Berlin. Das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin in Weißensee ist eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe, die bereits für Erstklässler die Kombination aus Schulunterricht und intensivem sportlichen Training anbietet. Die 14jährige Nadja macht hier Leichtathletik. Jetzt holt sie sich ihr Mittagessen: Cevapcici? Keine Ahnung wie das heißt, wie heißt denn das, Paula?(-) Ich esse teilweise viel Gemüse, viel Salat, ich versuche viel Fisch zu essen, nicht soviel Fleisch und viele Kohlenhydrate halt für den Leistungssport. (-) Eigentlich ess ich hier so gut wie gar nicht, weil es mir nicht schmeckt. Ich esse zuhause das, was ich hier essen würde Also, ich gucke jetzte, ob da zuviel Fett, damit da auch genug Proteine drin sind, damit ich keinen Muskelschwund kriege. Erzählt der 13jährige Bogenschütze Tom. Auch er hat, wie die meisten heute, den Teller mit Cevapcici gewählt: Auf jeden Fall weiß ich, im Fleisch sind Proteine drin, in Reis ist kein Fett aber sehr viel Kohlenhydrate, die ich zum Trainieren brauche, für Energie. Esse ich zuhause auch. Da mach ich mir immer selber so Apfel und Möhren klein gerieben und dann mach ich dazu Zitronensaft. Die Kantine des Schul- und Leistungssportzentrums befindet sich in einer hohen Halle neben dem Eingangsbereich der Schule, gleich dahinter liegt die Cafeteria. Auf der Trennwand zwischen den Räumen steht auf drei farbigen, mit Tesafilm angeklebten Kreppstreifen das Motto, unter dem die Schüler hier essen: Sprecher: Richtig ernährt, bessere Leistung wobei man das Wort: richtig nur erahnen kann. Denn dieser Kreppstreifen wurde offenbar abgerissen. Darunter hängen Plakate mit anschaulichen Abbildungen. Hier können die Schüler das Einmaleins der Sporternährung studieren: Sprecher: Optimal ernähren, wie geht das? Damit dein Körper gesund und leistungsfähig ist, benötigst du Energie liefernde Nährstoffe, Mikronährstoffe und Wasser. wie viel du essen musst, hängt von folgenden Faktoren ab: alter Geschlecht, Sportart und Trainingsphase. Wer Leistungssport treibt, hat einen höheren Energieumsatz als ein Untrainierter. Will die Person ihr Gewicht halten, muss sie darauf achten, etwa soviel zu essen, wie sie auch verbraucht. Küchenchef Andy Beer sieht hier den wesentlichen Unterschied seiner Küche zu dem, was in anderen Schul- oder Betriebskantinen angeboten wird: Das sind definitiv die Kilokalorien, ein normales Kind hat bis zu 500 bis 700 Kilokalorien, wir fangen hier bei 900 kcal bis hoch zu 1500 Kilokalorien fangen wir an. (-) Andere Schulen kochen mit Wasser, wir kochen auch mit Wasser, da gibt's keine großen Unterschiede. (-) Nur dass wir einen separaten Speiseplan für den Sport schon haben (-), der ist halt aufgebaut auf dem Leistungskatalog, den der DOSP erstellt hat, wo bestimmte Kriterien drin sind, die für Sportler wichtig sind. Im Jahr 1997 hat der Deutsche Olympische Sportbund DOSB die AG "Ernährungsberatung an den Olympiastützpunkten" gegründet. Der Berliner Olympiastützpunkt befindet sich wenige 100 Meter von der Sportschule entfernt. Die dortige Schulküche versorgt auch die erwachsenen Sportler, die am Stützpunkt im Haus der Athleten wohnen. Der Leistungskatalog macht konkrete Angabe dazu, wie viel Gemüse, Getreide- oder Milchprodukte und Getränke über den Tag verteilt angeboten werden müssen: Bei der Zusammenstellung arbeiten wir definitiv mit einer einheitlichen Rezeptur. (-) die meisten Produkte von uns sind ODZ, ODZ heißt: ohne deklarierungspflichtige Zusatzstoffe, darauf achten wir, dass keine Konservierungstoffe drin sind, dass keine künstlichen Farbstoffe und andere künstliche Sachen drin sind, sodass es eigentlich optimal für einen Sportler ist. Beraten wurde Andy Beer zum Beispiel von Elke Neuendorf, die als Sportärztin im Olympiastützpunkt angestellt ist. Sie bietet außerdem individuelle Ernährungsberatung für einzelne Sportler an. Dabei versucht sie erst einmal herauszufinden, was der Sportler erreichen will: Geht es darum, Gewicht ab- oder zuzunehmen oder eine bessere Leistungsfähigkeit, bessere Belastungsverträglichkeit zu erreichen. Sind Sie möglicherweise häufig krank, mit Infekten, da gibt es ja auch eine häufige Verbindung zur Ernährung. Das ist erstmal, dass man generell darüber spricht, was das grundsätzliche Problem ist, und dann unterhalten wir uns darüber, wie der Tagesablauf ist, wie also Essen, Training, Schule ineinandergreift, wie man das am besten gestaltet oder wie es im Moment gestaltet wird, dann sehen wir ja schon bald, wo die Probleme liegen. Atmo( Aufwärtshaken, ab geht's, jajaja, stöhnt) Die Trainingshalle für die Boxschüler des Schul- und Leistungssportzentrums in Berlin. Drei Ringe sind aufgebaut, einer davon auf einem Podest wie beim Wettkampf, die anderen beiden ebenerdig. Atmo hoch Man möchte ihnen nicht in die Quere geraten, diesen zehn 14 bis 17 Jahre alten Jungen. Mit kurzen Schritten, den Kopf wie eine Bulldogge zwischen die Schultern geduckt, die angewinkelten Arme vorm Gesicht, pro Schritt zweimal den imaginären Gegner schlagend, eine Kurzhantel in jeder Faust, durchmessen sie kraftvoll den Ring. Atmo In Bruchteilen von Sekunden, sind die Hanteln abgelegt, die Fäuste stemmen jetzt gen Boden, die Körper auf und nieder, zehn Liegestütze sind dran. Vier der Jungen hier sind bereits deutsche Meister in ihrer jeweiligen Gewichtsklasse. So fertig, gerade wieder, Pfiff, (-) richtig hoch Ellbogen, rein die Hüfte, ohne, klirren Hantel, wieder ziehen, richtig rein, jajaja, Beim Boxen ist erst mal das grundsätzliche Problem, dass in Gewichtsklassen geboxt wird. (-) Sagt die Sportärztin Elke Neuendorf Das heißt, man muss erstmal feststellen, hat der Boxer ein Problem, die Gewichtsklasse zu erreichen, oder ist das weniger ein Problem (-) Boxen ist eine Kraft-Ausdauersportart, das heißt, dass auch Kohlehydrate und Eiweiß wichtig sind, aber in welchem Umfang, das hängt von dem Training und dem Gewicht ab, dass er erreichen muss. Ansonsten ist natürlich das Leben eines Leistungssportlers im Boxen gerade in der Ernährung nicht so einfach. Er kann nicht alles einfach essen wie zum Beispiel ein Gewichtheber, der ja von seiner Masse lebt. erklärt Boxtrainer Egon Ohmsen: Der Boxer braucht keinen großen Querschnitt im Muskel, der braucht einen schmalen Querschnitt, also einen Ausdauermuskel. Demzufolge essen die Sportler nicht soviel wie andere Sportarten, die richtig gut essen können. Verzichten müssen sie auf viele schöne Sachen, Mac Donalds, Schokolade, alles wo Süßstoffe drin sind, da muss ein Sportler 2-3 Wochen vor dem Wettkampf drauf verzichten, (-) weil Zucker und alle Gewürze binden die Flüssigkeit, und die Flüssigkeit macht nun mal das meiste unseres Gewichtes aus. Bei Sportarten, die in Gewichtsklassen unterteilt sind, streben die Athleten meistens die niedrigere Gewichtsklasse an. Das bedeutet für die Sportler, beim Trainingsaufbau gleichzeitig das Gewicht intensiv zu kontrollieren. In der Sporthalle geht es jetzt an die Sandsäcke: Bewusst Übergänge, lange Distanz, Halbdistanz, lange Distanz, ja? So arbeiten drei Minuten, wieder kompakte Haltung, da ist noch einer frei für dich, da in der Mitte, der schwarze, bist du blind? (-) so, fertig, Pfiff Atmo ah, kloppen, klatschen, brüllen, Atmo läuft weiter Der Schweiß läuft den Jungen über das Gesicht, während sie die in Reihe gehängten Sandsäcke malträtieren. Atmo hoch Beim Training gibt es hier weder zu essen noch zu trinken. Aber gleich danach dürfen und müssen die Reserven wieder aufgefüllt werden. Omar, 17 Jahre, Deutscher Meister der Junioren bis 52 Kilogramm. Da hat man erstmal Durst, bisschen hungrig, dann trink ich erstmal was, und dann esse ich ne Kleinigkeit, pass auf, dass ich nicht zuviel esse wegen meinem Gewicht, damit ich fit bleibe (-) ich wiege jetzt so 54 kg, und ich mache zwei Kilo Gewicht, auf 52 Kilo Pfiff, (-)wir verabschieden uns dann, die Boxer des Bundesnachwuchsleistungsstützpunktes Berlin mit einem dreifachen: Ring - frei, Ring - frei, Ring - frei, danke schön, meine Herren. Es sind schon Sportler an Herzversagen gestorben, die versucht haben, an einem einzigen Tag zwei oder drei Kilo Gewicht zu verlieren. Einer hatte sich im Taucheranzug aufs Fahrrad gesetzt, die Raumtemperatur betrug 35 Grad. Wenn ich Körpergewicht abbauen muss, das geht Sportlern genauso wie jedem anderen auch, muss ich mehr Kalorien, mehr Energie verbrauchen, als ich zunehme. Erklärt der Ernährungswissenschaftler Günter Wagner vom Institut für Sporternährung in Bad Nauheim: Das kann ich machen, indem ich weniger esse oder intensiver trainiere. 1.20 Nicht nur zu sagen, 14 Tage, eine Woche vor dem Wettkampf lebe ich in der Sauna, nur außerhalb der Sauna, um sehr viel Wasser zu verlieren, um eine gewisse Gewichtsklasse nach unten hin zu erreichen. Im Institut für Sporternährung in Bad Nauheim arbeiten Ernährungswissenschaftler, Sportmediziner, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler fachübergreifend zusammen. Gegründet wurde das Institut vor 20 Jahren vom Deutschen Sportbund, dem heutigen Deutschen Olympischen Sportbund. Anlass war damals die Aktion: "Essen und Trimmen, beides muss stimmen", erklärt Günter Wagner: Eine Auswertung dieser Aktion ergab, dass die 90- 100.000 Vereine in Deutschland zwar auch ein kleines Wissensdefizit im Bereich der sportlichen Seite hatten, aber im Bereich der Ernährungsseite große Defizite da waren, dass man vielleicht die eigenen Fehler weitergegeben hat. Da hatte man überlegt, eine Institution zu schaffen, der die Sprache der Sportler, der Aktiven spricht, und Erkenntnisse, wissenschaftliche Erkenntnisse herunterbricht, übersetzt in die Sprache des Sportlers, des Endverbrauchers. Hier haben wir Metzger als Vereinsvorsitzenden und als Aktiven im Verein, dort haben wir den Biobauern als aktiven Menschen, dort haben wir Vegetarier, dort haben wir Muslime. (-) Das ganze ist einfach die Kommune Sportverein. Eine große Bandbreite also. Dogmatische Essensvorschriften können nur scheitern. Das Institut für Sporternährung hat die Übungsleiter zu Fortbildungen eingeladen und gemeinsame Projektrichtlinien erarbeitet, wie eine bewusstere, clevere Lebensmittelauswahl zu treffen ist: Dass man eine Siegesfeier oder ein Büffet versuchen kann, (-) das, was wir glauben, etwas vermehrt gegessen werden soll, im Büffet weiter nach vorne zu stellen. Wenn wir also glauben, dass die Leute mehr Obst und Gemüse essen sollen, (-) versuchen wir das eben als erstes auf das Büffet zu stellen und vielleicht die Bratwurst, die auch nicht fehlen darf, eher am Ende. Und wenn der Sportler versucht seinen Teller zu füllen, dann füllt er sie zuerst mit Lebensmitteln, die wir für sinnvoll halten, und dann hat er einfach keinen Platz mehr für die Bratwurst oder den Hackbraten. Im Jahr 1956 hat die Bundesregierung den ersten Ernährungsbericht herausgegeben. Ernährungsfehler haben sich seither kaum verändert: Wir essen zu viel, zu süß, zu salzig. Menschen, die sportlich aktiv sind, haben eine höhere Kernmotivation, auch im Bereich Ernährung etwas zu tun, sei es, um ein bisschen schneller laufen zu können, sei es, um dem Körper etwas Gutes zu tun. Die meisten übergewichtigen Menschen in Deutschland sind wahrscheinlich eher selten sportlich aktiv. Besonders bedenklich: es sind zunehmend Kinder, die zu viele Kilos auf die Waage bringen. Am stärksten betroffen sind die Kinder, die einen türkischen oder arabischen Migrationshintergrund haben. Hatije Genc, Beraterin vom Projekt "Gesund sind wir stark" aus Berlin-Kreuzberg meint: Dass bei uns türkischen Mitbürgern das so ist, wenn ein Baby geboren ist, und es nicht so prall und dick ist, ist das Kind nicht gesund, oder die Mutti ist keine gute Mutter. Sie kann ihr Kind nicht gesund ernähren. (-) oder die Kinder haben viel zu wenig Bewegung, sie sitzen heutzutage vor dem Fernseher, vor irgendwelchen Nintendos und Playstations, stundenlang, machen keinen Sport, bewegen sich nicht , fahren kein Fahrrad, sind nur in der Wohnung, essen Chips, Schokolade, das muss man den Eltern auch wirklich bewusst machen. 100 Gesundheits-Mentorinnen hat das Projekt: "Gesund sind wir stark" in den letzten Jahren ausgebildet, die meisten davon im Bezirk Friedrichshain-Kreuz- berg. Das Projekt gehört zur Initiative: "Besser essen, mehr bewegen", mit der das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das Übergewicht bei Kindern in den Griff kriegen will. Die Tipps, die wir geben, (-) dass die Kinder nicht jeder, wenn man von der Schule kommt, zwischendurch mal was isst. (2.15) dass sich nicht jeder da ne Tasse Kellogs, hier ne Tafel Schokolade holt, sondern (-) dass man mit der ganzen Familie sich an den Tisch setzt, nicht nebenbei der Fernseher läuft, sondern dass man sich unterhält und auf das Essen konzentriert. Die Mentorinnen sind selbst Migranten, sie sprechen gezielt Frauen in Kitas, Nachbarschaftszentren und Schwangerengruppen an. Die können dann in Kochkursen lernen, wieder traditioneller und mit frischem Gemüse zu kochen. Gemeinsam besuchen sie den Supermarkt und erfahren dabei, dass Fertigpizzen und andere -gerichte meistens zuviel Fett, Geschmacksverstärker und Gewürze enthalten. Dass Kinder, die sich an Fertigmenüs gewöhnt haben, Selbstgekochtes ablehnen. Viele merken das gar nicht, dass die Kinder mit der Zeit eigentlich übergewichtig sind, (-) sehr viele sträuben sich auch dagegen: ach das wird schon, wenn er in die Pubertät kommt, wird er sich schon strecken, das hör ich sehr oft. Ich versuche dann so zu argumentiere: wenn du jetzt nicht aufpasst, dann wird sich gar nichts strecken, gestreckt und in die Breite gegangen, da muss man schon was dafür tun. Hatije Genc hat selbst vier Kinder. Inzwischen machen alle vier Wing-Tsun, einen chinesischen Kampfsport, im Sportverein. Hatije Genc besteht darauf, dass ihre Kinder auch wirklich hingehen und versucht sie weiter zu motivieren. Zum Beispiel, indem sie Interesse zeigt und bei den Prüfungen zuschaut. Ich hatte ein Handicap, dass, wenn ich von der Arbeit komme, erstmal mich auf die Couch lege, weil ich müde bin. Dann wurde mir bewusst während der Ausbildung, dass wenn meine Kinder nach Hause kamen, ich immer nur auf der Couch lag, und ich den Kindern immer gesagt hab: ihr müsst euch bewegen, aber das nicht vorgelebt habe. Und seitdem, wenn es unten klingelt und die Kinder kommen, stehe ich auf, und mach was. Wer abnehmen, sich gesünder ernähren und sportlich betätigen will, muss motiviert werden. Das gewünschte Verhalten selbst vorleben ist ein wichtiger Hebel in der Kindererziehung. Wenn er Übungsleitern oder Lehrer zum Thema Ernährung berät, stellt Günter Wagner vom Institut für Sporternährung daher das Richtige Motivieren an den Anfang. Es ist schwierig, jemanden aus der Sofaecke hervor zulocken, um etwas nicht zu bekommen, sei es Übergewicht, Diabetes oder einen Herzinfarkt: Sondern entscheidend ist, dass jede Maßnahme mit einem positiven Ziel umschrieben ist, was er bekommt: das heißt, er bekommt einen tollen Körper, er bekommt eine Leistungsverbesserung im Sport. Das ist, was wir über Generationen gelernt haben: wir sind nicht früher einem Mammut hinter hergelaufen, um es dann wieder freizulassen, sondern wir wollten das Mammut haben. Jede Handlung, die wir machen, machen wir nur dann ein zweites, drittes Mal, wenn wir eine positive Bestätigung bekommen, dass mein Handeln richtig war, sonst lassen wir etwas. Damit zum Beispiel jemand, der gerne abnehmen möchte, ein Erfolgserlebnis hat, sollte er oder sie dann Sport machen, wenn er wenig gegessen hat. Denn dann muss der Körper an die Fettpolster ran, um Energie zu gewinnen. Fette werden erst verbrannt, wenn die sogenannten Glykogenspeicher des Körpers leer sind. Als Glykogenspeicher bezeichnet man in die Muskelfasern und die Leber eingelagerte Kohlenhydratvorräte. Sie liefern den Treibstoff für jedes Ausdauertraining, weit effizienter als dies der Fettstoffwechsel vermag. Sind die Glykogenspeicher gut gefüllt, wird man allerdings auch kaum Gewicht verlieren. Umgekehrt ist die Interessenslage für jeden Leistungssportler, der Ausdauer braucht. Er wird vor Wettkämpfen bewusst ausreichend Brot, Nudeln und Kartoffeln essen. Zum Beispiel die Spieler von Hertha BSC. Sie sind fest entschlossen, bis zum Ende der Saison wieder den Aufstieg in die erste Bundesliga zu schaffen. Konditionstrainer Henrik Kuchno ordnet alles diesem Ziel unter: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir aufsteigen, wir sind jetzt oben mit dabei, (-) die Mannschaft ist gut drauf, hat zwischendurch auch miteinander gesprochen, es gab viele Einzelgespräche, man merkt auch, dass die Mentalität auf dem Platz jetzt anders wird. Deswegen haben wir auch in Punkto Nahrungsanalyse, Ernährungsberatung, Nahrungsergänzungsmittel, vielleicht sind wir auch damit einen neuen Wege gegangen, weil wir wollen halt jedes Risiko ausschließen, was den Weg gefährden könnte. Um Leistungsabfälle während eines Spiels zu vermeiden, setzt Henrik Kuchno von Hertha BSC auch auf Energieriegel und sogenannte isotonische Getränke in der Spielpause. Das kann eine Apfelsaftschorle sein, die Kohlenhydrate und Mineralien enthält und besonders gut vom Körper aufgenommen werden kann. Sich dagegen mit Bratwurst, Schokoriegeln und viel Bier einen schönen Nachmittag zu machen, bleibt den Fans vorbehalten. Im Hochleistungssport sind diese Dinge tabu: Ganz klar: Alkohol, (-) Nahrungsprodukte, die halt sehr viel Einfachzucker besitzen, die den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen und schnell wieder absinken lassen, somit immer wieder ein sehr starkes Hungergefühl erzeugen. Wenn Sie immer so ein Auf und Ab des Blutzuckerspiegels haben, können sie auch keine gute Performance auf dem Platz abliefern. Darum spielen die Herthaner nicht nur zusammen, soweit als möglich essen sie auch zusammen. Das fängt schon mit dem Frühstück an, denn gerade hier wird die Basis für den Tag und damit die individuelle Leistung gelegt. Henrik Kuchno bietet seinen Männern Müsli mit Früchten an - er sieht es nicht gerne, wenn die Sportler sich stattdessen auf dem Weg zum Training mit Croissants eindecken. Das werden sie ihm dann vielleicht nicht erzählen, aber merken tut er es trotzdem: Sicherlich lebe ich auch davon, was mir die Sportler vermitteln, aber ich mache das auch über eine Gewichtskontrolle, Bilanzanalyse, kann ich schon schauen, in welchem Verhältnis sich Körpergewicht, Körperwasser, die aktive Zellmasse sich befinden. Das kontrolliere ich alle ein bis zwei Wochen. Da sehe ich schon, wer sich vernünftig ernährt und wer gut trainiert ist und wer nicht, (-) Worauf wir achten, ist, dass an den Trainingstagen, wenn wir zusammen sind, vernünftig gegessen wird, auf den Trainingslagern, auf den Fahrten von und zum Spiel, da achten wir schon drauf, was die Jungs zu sich nehmen, Die großen Stars auf dem Platz müssen also Kalorien zählen und dürfen trotz Millionengagen eigentlich nie mal so richtig hemmungslos feiern. Zumindest so lange sie topfit bleiben wollen. Das Thema Ernährung ist gerade im Fußball bisher unterbewertet worden, findet Henrik Kuchno: Da ich selber aus dem Leistungssport komme, habe ich da ein anderes Verhältnis dazu, was die Ernährung angeht. Das ist mir schon ein sehr wichtiges Thema, weil alle Bereiche sind ja fast schon zu 100 Prozent ausgereizt, Trainingmethode, Trainingswissenschaft, da gibt's nur ein paar Prozentpunkte, wo man noch mal was Neues bringen kann, und die Ernährung, das ist so ein breites Feld, mit dem sich die Spieler auch nur sehr zögerlich beschäftigt haben, da haben wir so eine Lücke, wo wir noch mal ein paar Prozent mehr Leistung vielleicht abfordern oder rausholen können. Atmo Musik Studio Als wahre Gourmets und Schleckermäuler könnte man Fußballer und Boxer allerdings immer noch bezeichnen, wenn man ihre Speisepläne mit denen eines Bodybuilders vergleicht. Sven Worscheck hat gerade ein anstrengendes Training für Brustmuskeln, Waden und Bizeps hinter sich. Seine Muskelpracht verhüllt er mit einem weiten weißen T-Shirt und schlabberiger Jogginghose. Erschöpft sitzt er jetzt auf einem Barhocker am Thresen und wartet auf einen Shake, der hier Powerdrink heißt: Also das ist mit Haferflocken, Wasser und Glutamin, und Magerquark natürlich, ob das gut ist und ob es schmeckt ist noch die andere Frage, aber man gewöhnt sich dran. Hinter dem Tresen steht Altun Ismael, schlank und gut aussehend, Geschäftsführer des Bodybuidling-Studios "Hardcore" in Kreuzberg und Fachmann für Muskel-Drinks. An seiner Bar gibt es keinen Alkohol. Statt Whiskey-Flaschen stehen große weiße Plastikbehälter auf dem Regal, darin befindet sich Protein-Pulver, geschmacklich ist von Erdbeer bis Zitronen alles zu haben. Konzentriert befüllt Altun Ismael einen Haushaltsmixer: Da sind jetzt erstmal vier Löffel Haferflocken dazugekommen und ein Löffel Glutamin, Glutamin ist für die Regenerierung der Muskelzellen und für die Erweiterung sehr, sehr wichtig, sollte man immer nach dem Training eigentlich trinken! Altun Ismael holt eine Packung Magerquark aus dem Kühlschrank, schaufelt mehrere Löffel in den Mixer. Jetzt fehlt nur noch Wasser: Das wird eigentlich geext, (-) (Mixer an) Glutamin hat keinen besonders guten Geschmack, deswegen sollte man es erst recht exen, damit man sich nicht so schwertut, so, jetzt wird das noch ins Glas eingeführt, und dann kann man schon die Verkrümmung an seinem Gesicht sehen, danke. Obwohl er trinkt es ja immer wieder, da wird sich dann nichts mehr an seinem Gesicht verkrümmen, ihm gefällt schon der Geschmack, ja ja, man gewöhnt sich halt dran, stimmt, zum Wohle. Trainer Jens Taisakowski betreut in Kreuzberg jedes Mitglied individuell beim Aufbau eines Körpers, der aus Muskeln anstelle von Fett besteht. Am Anfang der Mitgliedschaft steht ein ausführliches Aufnahmegespräch: Dann gehen wir seine Werte durch, das heißt, wie viel er wiegt, Kilogramm, Körperfett, die Ziele werden festgelegt, was er für Ziele hat, Fettabbau, Muskelaufbau, (-) dann erarbeite ich den Trainingsplan, den Ernährungsplan und dann geht es los. In diesem Studio können selbst untergewichtige Menschen erfahren, dass sie erhebliche Fettanteile auf Rippen und Knochen sitzen haben - denn alles, was sich zwischen zwei Fingern greifen und ein wenig abziehen lässt, ist Fett. Atmo Trainiert wird in einer dunklen Fabriketage. Hier gibt es Laufband, Fahrrad und Stepper. Andere Trainingsgeräte erinnern ein wenig an Folterinstrumente. Altun Ismael deutet auf eine Art Galgen, an dem mit diversen Seilen und Seitenkonstruktionen Gewichtplatten aus Metall aufgehängt sind. Je kräftige jemand ist, je mehr Platten kann er stemmen oder schieben: Da haben wir eine Turmdrückanlage, (-) Rückentraining, Trizeps wiederum, (-) dann haben wir noch unser Bankdrückanlage, wo wir unsere Brüste trainieren, (-) Schrägbank zum Formen, obere Brustpartie. Atmo heftiges Stöhnen 200 Kilogramm drückt dieser junge Mann gerade - mit seinen Beinen. Er liegt auf einer Schrägbank und schiebt eine Platte, die über eine Schiene läuft, nach schräg oben. Auf die Platte sind riesige Metallräder montiert, jedes zwanzig Kilo schwer, theoretisch kann man noch einige mehr anbringen. Am anderen Ende der Halle begleitet Jens Taisakowski einen Neuankömmling am Bizepstrainer: So, jetzt probieren wir es noch mal, ich helfe mal mit, jetzt Kopf ran, zurück wieder, langsam, und nach vorne drücken, richtig Mund auf beim Atmen, Einatmen und Luft raus, jawoll. Training und Essen, beim Bodybuilding geht das eine nicht ohne das andere: Wir machen keine Diät, egal, ob er Muskeln trainiert oder Fett abbaut. Bei uns gibt es sechs Mahlzeiten, (-) dass der Körper ständig Energie zur Verfügung hat. Würde er vier Stunden nichts essen, dann überlegt ja der Körper, was soll er denn machen, wo soll er seine Energie hernehmen? Dann laufen die meisten in diese Falle rein, dass der Körper anfängt, den größten Energieverbraucher zu verbrennen, das ist die Muskulatur. Also er hat nicht fünf Kilo Fett abgenommen, sondern fünf Kilo Muskeln verbrannt. Statt Kohlenhydrate isst der Bodybuilder möglichst viel Eiweiß. Die Sportnahrungsindustrie lebt nicht schlecht von überteuerten Pülverchen und Getränken, die man im Internet bestellen kann. Im Prinzip ist gegen Nahrungsergänzungsmittel aber nichts einzuwenden, sagt Günter Wagner vom Institut für Sporternährung aus Bad Nauheim: Nahrungsergänzungsmittel, wie der Name ja schon sagt, können oder sollten die Nahrung ergänzen und eben nicht ersetzen. Das findet Trainer Jens Taisakowski auch, und schreibt seinen Bodybuildern lieber Fleisch, Hüttenkäse oder Magerquark auf den Speiseplan. Bloß zusätzliche Vitamine und Magnesiumgaben hält er für unerlässlich. Und noch einmal, stöhn, jetzt machen wir den letzten, jawoll, und noch einen, jawoll, jetzt kommt der letzte, und zurück, Luft rein und Feuer, jawoll, gut, das war es. 1