COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel 24.06.2012 Paddelstich und Wellenschlag Die neue Lust am Kanusport Von Caroline Kuban Atmo 1 Rechter, du warst hinten links. Ooch links, alle links, "ich fahr rechts", also links und rechts, Achim kann ja auch beede Seiten, oder? Dann mußt du zu Martin kommen, sonst wird das nichts. "So weit vorne will ick nich", jeht aber nich anders, sonst sitzen wa schief...(runterziehen) An einem frühsommerlichen Abend am Borsighafen in Berlin-Tegel. 16 sportlich gekleidete Männer und Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren stehen auf einem hölzernen Steg, in der Hand ein Stech-Paddel. Es geht um die Sitzverteilung in ihrem 12 Meter langen Drachenboot. Ein paar Minuten später sitzen sie paarweise auf den Bänken und das Boot nimmt Kurs auf den Tegeler See. Atmo 2 lockeres Fahren aus dem Hafen (Plätscher-Geräusche) Take 1 Is wirklich ne tolle Sache, die auch wirklich Spaß macht, aber man muß eben auch immer alle zusammenhalten, weil man hat ja in jedem Boot 20 verschiedene Charaktere. Es ist schwer, man muß ein kleiner Psychologe sein, aber ich kenn die so lange, ich krieg das schon hin, es gibt mal n paar böse Worte und denn ist es auch gut wieder. Reiner Rogge ist seit 5 Jahren Teamchef des sogenannten "Fließexpress": einer Drachenboot-Mannschaft, die sich mittlerweile über Berlins Grenzen hinaus einen Namen gemacht hat. Bei den Deutschen Meisterschaften in Rostock belegten sie in diesem Jahr den 4. Platz. Ehemalige Rennkanuten sitzen ebenso mit im Boot wie Freizeitsportler. Von der Hausfrau bis zum Olympiasieger ist alles vertreten. Gemeinsam teilen sie die Faszination der Geschwindigkeit auf dem Wasser und die Freude am Teamgeist. So auch Beatrice, eine gebürtige Münchnerin. Die Trainingspausen auf dem Wasser nutzt sie, um sich über die Ergebnisse der jüngsten Wettbewerbe zu informieren. Take 2 Letzten Samstag bei der Regatta sind sie 10 Kilometer gefahren, haben gebraucht 49 Minuten, is ne Durchschnittsgeschwindigkeit von ca 12 Stundenkilometern. Ist schon ganz ordentlich. Die hatten da nur eine Wende zu fahren und wir müssen drei Wenden fahren. Mit der Wende ist natürlich immer nochmal ein Zacken anders, wenn man da aus dem Rhythmus kommt, wenn man da nochmal anders machen muss, dem Steuermann bisschen helfen, und dann wieder in Fahrt kommen in Rhythmus kommen, und das drei Mal, aber das ist dann halt die Abwechslung, dass es nicht so langweilig ist, wenn man 12 Kilometer in eine Richtung nur fährt. Atmo 3 Start üben /"Are you ready, attention, go" schnelles Paddeln...) Zunächst gilt es, gut zu starten. Das muss trainiert werden. Denn nur wenn alle gleichzeitig ihr Paddel kraftvoll und rhythmisch einsetzen, kann das Kunststoffboot Fahrt aufnehmen und die Geschwindigkeit auch halten, sagt Teamchef Reiner Rogge: Take 3 Das Hauptprinzip eines solchen Bootes ist, dass alle homogen zusammen im Wasser sind, und das bei jedem Schlag. Da nutzen manchmal große Muskeln nichts, das ist eben so. Der Einklang ist das Wichtigste, deshalb auch der Trommler, den ham wa jetzt beim Training nicht bei, gibt ja ständig Beschwerden von den Anwohnern, ist ja auch ganz schön laut, denn hilft es schon. Der Trommler sitzt entgegen der Fahrtrichtung vorne am Bug auf einem Podest und gibt mit lauten Trommelschlägen und Rufen die Paddelfrequenz vor. Hinten am Heck steht der Steuermann und bestimmt die Richtung des Bootes. Das sind wichtige Funktionen im Drachenboot-Team, die allerdings schwer zu besetzen sind, erzählt Reiner Rogge: Take 4 Beim Trommeln sitzt meistens ne Frau vorne, die muss ja praktisch jeden Trommelschlag, den wir auch schlagen im Wasser, muss die natürlich immer mitmachen und bei einem 10 Kilometer-Rennen, da haben sie schon mal 5000 Schläge, die sie machen, das heißt also, die muss 5000 Mal trommeln. Das ist äußerst anstrengend, die haben oftmals Blasen an den Händen, die Stimme ist total weg, und beim Steuern ist es genauso. Dieses Boot, wenn es voll besetzt ist, wiegt zwei Tonnen. Das muss man erstmal um die Ecken bringen, das ist 12 Meter lang, das sieht alles einfach aus, ist aber nicht so, und auch diese Boote können kippen oder kentern. Atmo 4 Regatta (Trommeln und Anfeuern) Zwei Wochen später beim Drachenboot-Cup am Hohenzollernkanal in Berlin-Spandau. 12 Mannschaften kämpfen um den Sieg auf einer Strecke von 250 Metern. Jeweils zwei Teams treten gegeneinander an. Im dritten Lauf treffen dann die schnellsten aufeinander. Der Duft von Currywurst und Pommes wabert über das Gelände. Die Zuschauer, in der Hand einen Becher Bier oder Kaffee, säumen das Ufer und feuern ihre favorisierten Teams an. So auch Bernd Alba: Take 5 Am Drachenboot-Rennen fasziniert mich die Mannschaftsleistung, die Einheit und vor allem die Trommlerin, die vorne den Takt gibt und die der Mannschaft so richtig sagt, wo's langgeht. Natürlich gehört auch ein bisschen Technik dazu, und für Ungeübte, wir sind nun mal auf dem vorletzten Platz gelandet, aber ist es entscheidend dabei zu sein, man sieht schon, dass die Technik siegt. Etwas abseits steht Beatrice vom Fließexpress an der Absperrung zum Kanal und beobachtet die Konkurrenz: Take 6 Im ersten Lauf hat der das bei uns gemacht, das war der Steuermann vom HKC, der jetzt in dem rechten Boot drin sitzt, der ist auf unsere Welle drauf gefahren, hat sich schön mitziehen lassen, ist natürlich schon gemein. Und wir haben gemerkt, wie du dann gebremst wirst. Also wenn der auf deine Welle kommt, dann bremst es, und irgendwann will er an dir vorbeiziehen, aber das ist relativ unsportlich find ich, macht man net. Unterdessen studiert Reiner Rogge die Technik der anderen Teams. Take 7 Hier sieht man schon, dass hinten nicht mehr konform ist mit vorne. Der Mann in rot, der ist schon tot, ist aber wirklich auch anstrengend...wir haben da auch immer unsere Schwierigkeiten, dass wir mal auseinanderfallen, ist halt so. Sprichts und verschwindet in der Umkleidekabine, denn das letzte Rennen der schnellsten Teams steht an: der "Fließexpress" gegen die "Polisten", eine Gruppe jugendlicher Kanupolospieler. Fast gleichauf halten beide Teams anfänglich ihr Tempo. Doch auf den letzten Metern schieben sich die Polisten knapp nach vorn. Atmo 5 kurz vor dem Ziel (Anfeuern der Zuschauer, Jubel) Mit einer Zehntel Sekunde Vorsprung gewinnen schließlich die Polisten gegen den Fließexpress. Daniela Hallweg ist dennoch zufrieden: Take 8 War ein schöner Tag, die sind alle 20 Jahre jünger, brauchen wir uns nicht verstecken, ein Zehntel ist ärgerlich, nicht mal ein Wimperschlag, aber alles super. Wir sind im Regen das erste Rennen, im zweiten Rennen wurden wir verschont. War schön, war ein gelungener Saisonauftakt. Während in Spandau noch ausgiebig gefeiert wird, macht sich Heinz Schleusener südöstlich von Berlin startklar für ein ganz anderes Erlebnis. Atmo 6 leises rhythmisches Paddeln Take 9 Wir fahren jetzt von Erkner aus los, fahren durch den Gosener Graben zum Seddinsee, um uns den Zeltplatz des LKV anzusehen. Die Streckenlänge ist ungefähr 8 km, wir werden so eineinhalb Stunden unterwegs sein eine Tour. Wir fahren in einem Kajak- Zweier, das ist hier von Mettmann der Pazifik, schon die etwas gehobene Klasse. Schleusener ist Ressortleiter für Wander- und Breitensport im Landeskanuverband, kurz LKV Berlin und selbst passionierter Wanderpaddler. Jede freie Minute verbringt der ehemalige Kanu-Rennsportler auf dem Wasser, gibt regelmäßig Paddelkurse. Mit seiner Frau, die er natürlich beim Kanusport kennengelernt hat, ist er streckenmäßig schon einmal um die ganze Welt gepaddelt: über 40 000 Kilometer in 50 Jahren. Freiheit und Entspannung machen den Sport für ihn so attraktiv, sagt der rüstige 68-Jährige: Take 10 Mir geht's jedenfalls so, wenn ich unterwegs bin: ich vergess einfach das, was war, was ist, ich genieße den Tag, genieße die Natur, die Landschaft, freu mich an der Tierwelt, die ich sehe und wenns mal ein Fisch ist, der springt oder ein Wildschwein, das im Wasser vor einem noch schnell rüber will, Fischadler beobachten oder Möwen beobachten...um festzustellen, wie schön's einfach ist. Sanft gleitet das Boot über die undurchsichtigen Fluten des Gosener Kanals. Vorbei an Birken und Trauerweiden, deren lange filigrane Äste bis weit über die Wasseroberfläche hängen. Treibholz liegt am Ufer, wie aufgeschichtet zu ordentlichen Haufen, doch Biber lassen sich nicht blicken. Eine gute Stunde später: Einfahrt in den Seddinsee. Hier weht ein ganz anderer Wind. 20 Minuten und gefühlte 1000 Paddelschläge später: Ankunft auf dem "Seddinwall", 250 Meter lang und 200 Meter breit. Die größte Insel der Seenregion, seit 50 Jahren in der Obhut eines Kanuverbandes. Atmo 7 Vogelzwitschern und leiser Wind (idyllische Insel) Take 11 Die Insel selber ist sehr naturbelassen, urwüchsig, hat keinen Komfort, man muss Naturliebhaber sein, aber findet dann in der Woche völlige Ruhe hier. Kein Mensch ist zu sehen weit und breit, als Heinz Schleusener das Boot aufs Ufer zieht, sich seinen Rucksack greift und durchs Dickicht in Richtung Insel- Mitte stapft. Vorbei an riesigen Zelten, die wie verlassene Gewächshäuser anmuten. Selbst die Dauercamper sind offenbar nicht ständig reif für diese Insel. Ein bisschen Abenteuer ist immer mit dabei, wenn man neue Gegenden vom Wasser aus erkundet, sagt Heinz Schleusener. Dazu muss man nicht einmal weit wegfahren. Take 12 Man kann soviel erleben, dass man nicht mehr nach Finnland braucht, man hat auf den Mecklenburger Seen Finnland in Reinkultur. Neu hinzukommt jetzt, um Ruhe und Einsamkeit zu finden, dass man sehr viel Küste befährt, wo man nicht als Ungeübter hinfahren sollte, sondern auch Grundkenntnisse braucht und auch über Wetter, Wind und Einstiegshilfen Bescheid wissen muss. Dann macht das auch Spaß, weil man da die Weite genießen kann. Wer das Kanuwandern etwas ambitionierter betreiben möchte, kann an verschiedenen Wettbewerben teilnehmen. Für das Wanderfahrerabzeichen in Bronze zum Beispiel müssen Damen in einem Jahr mindestens 500 km, Herren 600 km paddeln. Die meisten Paddelfreunde fahren aber durchschnittlich eher eine Strecke von ca. 1000 km jährlich. Atmo 6 Paddeln Zurück auf der Insel Seddinwall. Auf einer moosüberzogenen Bank packt Heinz Schleusener sein Mittagessen aus: frisches Vollkornbrot, Salami, Käse, Paprika, Trauben und ein Fläschchen Rotwein. Er schraubt einen kleinen Klapptisch zusammen, legt ein Deckchen drauf, zwei Weingläser, Teller, Besteck. Kultiviertes Genießen gehört für ihn zum Paddeln mit dazu, sagt der Naturliebhaber. Sein Blick schweift über die verwilderte Wiese. Er könnte sich vorstellen, dass dieses Gelände auch gut geeignet wäre für einen ungewöhn- lichen Klassenausflug: Take 13 Wenn man jetzt hier die richtige Fläche findet, ist das für die Kinder ein riesen Abenteuer, hier so ne Woche, ein Wochenende zu verbringen. Ist sicher toll, man hat ringsum Wasser, man ist alleine hier, ich glaub, es ist verboten Feuer zu machen, das wird ein Manko sein für Klassenfahrten, aber ansonsten ist es ein Erlebnis für die Kinder, die mal weg sind von unserer technischen Welt. Hier kommt man mal wieder zurück zum Boden der Natur. Zwischen 300 und 800 Übernachtungen pro Jahr verzeichnet der Landeskanuverband Berlin auf dem Seddinwall. Willkommen ist jeder, der seinen Müll wieder mitnimmt und dem Kanuverband angehört - und sei es nur für einen Tag. Für diesen Fall gibt es eintägige Mitgliedsausweise. Insgesamt ist das Interesse der Jugend am Wanderpaddeln leider nicht so groß, bedauert Schleusener. Take 14: Mit dem Kanadier irgendwo hinfahren, dann zelten, das wird sehr stark angenommen. Problem ist bei uns für die Vereine nachher, sie machen es ein Mal, aber die wenigsten werden als Wanderfahrer dabei bleiben, denn um es täglich zu machen oder wöchentlich, wird's denn einfach für viele doch zu langweilig, da bieten sich andere Sportarten an. Man macht Kanupolo oder Kanuslalom, das bietet sich für die jungen Leute eher an, macht denen auch mehr Spaß. Atmo 8 Rauschen am Zitadellen-Wehr Schon von weitem hört man das Rauschen des Wildwassers auf dem Gelände der Zitadelle, einer mittelalterlichen Burganlage in Berlin-Spandau. Das Zitadellenwehr ist der einzige Ort in Berlin, wo passionierte Wildwasser- Kanuten Slalom fahren können. Manfred Schmandra ist schon seit drei Jahrzehnten mit dabei. In letzter Zeit allerdings mehr als Organisator und Sprecher bei Wettbewerben. So auch bei den diesjährigen Norddeutschen Meisterschaften. In einer Pause erläutert er, wie aus einem sanft fließenden Wasserlauf im Burggraben ein reißender Wildwasserkanal wird: Take 15 Wir stehen jetzt auf der Brücke vor der Wehrklappe, genau auf dem (0`45) Scheitelpunkt von Ober- und Unterhavel. Wenn diese Wehrklappe gezogen wird, kann das Wasser von der Ober- in die Unterhavel fließen, und dadurch wird das Wasser gesteuert. Das können wir halt ausnutzen, wenn wir die Genehmigungen haben. Es kommt immer darauf an, wie der Wasserstand ist - wir haben schon Jahre gehabt, wo der Wettkampf ausfallen musste nach einem heißen Sommer, wenn wir im Herbst einen Wettkampf hatten und die Havel zu wenig Wasser hatte, dann leidet die Berufsschiffahrt. Aber jetzt im Frühjahr ist genug Wasser da, und durch das Ziehen der Wehrklappe entsteht diese Strömung, die wir dann ausnutzen können und quasi in Berlin im Flachland ein Wildwasser erzeugen können. Mit Helm und Schutzweste ausgestattet kämpfen sich die Athleten mit ihren Paddeln durch die reißenden Fluten, manövrieren ihre Boote geschickt um die Tore. Vorbei an riesigen Felsbrocken und künstlichen Landzungen, die ins Wasser ragen. Take 16 Im Zuge der Ufersanierung sind vor einigen Jahren hier diese Buhnen gebaut worden, die uns als Hindernisse gelten. Durch dieses abfließende Wasser entstehen Kehrwasser hinter diesen Buhnen und vor einigen Jahren konnten wir auch diesen Findling hier vorne einbringen, der in Wildwasserflüssen überall natürlich drin ist, hier ist er eingebracht, der ein großes Hindernis darstellt in der Mitte, wo man dann Torkombinationen hängen kann. Atmo 9 Wettbewerb Kanuslalom Beim Kanuslalom geht es um Bootsbeherrschung, Geschicklichkeit und Schnelligkeit des Wettkämpfers. Ziel ist es, eine durch Tore vorgegebene Strecke in kürzester Zeit fehlerfrei zu durchfahren, erklärt Manfred Schmandra: Taken 17 Der Sinn ist halt dieses schnelle Umsetzen des Bootes in mehrere Richtungen, Körpergeschick, bisschen Kraft ist dabei, ne gewisse Ausdauer ist dabei. Die Strecken sind immer so etwa 250 Meter lang, in Berlin vielleicht nicht ganz so lang, die Fahrzeit für so eine Wettkampfstrecke sind so um die 100 Sekunden, um das mal zu vergleichen von der Belastung her mit einem Leichtathleten und auf der Strecke befinden sich etwa 20 Tore, die man bewältigen muss. Dabei werden die grünen Tore mit der Strömung flussabwärts, die roten Tore gegen die Strömung flussaufwärts befahren. Entlang der Strecke sind vier Wertungsrichter postiert. Einer von ihnen ist Andreas Jensch aus Braunschweig. Seit sechs Stunden sitzt der engagierte Vater eines jugendlichen Teilnehmers an der Strecke. Take 18 Wir bewerten, ob die Tore richtig durchfahren werden, das heißt die richtige Fahrtrichtung, und ob kein Tor berührt wird. Bei einer Berührung gibt es zwei Strafsekunden, und bei einer verkehrten Durchfahrung, also ein Tor ausgelassen oder Tor aufwärtsgefahren statt abwärts, gibt es 50 Strafsekunden. Neben ihm sitzt der 15 jährige Mike Bergner. In der Hand hält er ein Funkgerät. Damit gibt er dem Wettkampfbüro die einschlägigen Daten durch: Take 19 Mannschaft 350 hat 2 Strafsekunden... ...dann 0 - korrekt. Mike ist als kleines Kind schon gerne gepaddelt. Mit dem Kajak ist er seit drei Jahren unterwegs. Kanuslalom findet er absolut faszinierend: Take 20 Wildwasser ist einfach wie ne Achterbahnfahrt, wo man selber steuern kann, und das macht einfach Spaß. Manfred Schmandra drückt seine Begeisterung für diese olympische Sportart so aus: Take 21 Es ist die Gewalt der Natur, die zu brechen ist, man ist an der Luft, es ist ein spektakulärer Sport, nicht nur wenn man im Boot sitzt, sondern auch vom Zuschauen, ich glaube es ist eine Summe von vielen Dingen, die das reizvoll macht. Mehrmals fanden am Berliner Zitadellenwehr bereits größere Wettbewerbe statt: Qualifikationswettkämpfe ebenso wie Deutsche Schülermeisterschaften. Auch zum Training wird die einzigartige Strecke gerne genutzt. Allerdings setzt das jedes Mal eine Flut von Genehmigungsanträgen bei verschiedensten Ämtern voraus, bedauert Wolfgang Grothaus, Präsident des Landeskanuverbandes Berlin: Take 22 Das ist unser Paradebeispiel eines schier unendlichen Kampfes gegen die vermeintlichen Naturschützer: Wir müssen beachten: die Aalwanderung, die bodenbrütenden Vögel, nicht laichende Fische, also die schon ausgestorben sind...Wir müssen soviel Dinge dort beachten, es ist sehr sehr, schwer und wir hoffen, dass wir gerade diese Strecke in den Bebauungsplan hineinbekommen als eine Sportstätte anerkannt. Es ist einmalig für Berlin und alle Kleingeister aus diesem Naturschutzbereich machen sich eigentlich nur lächerlich, wenn man sieht was sie da anrichten. Atmo 10 "Hallo Theo, (Bootsrumpeln), Rosa auch da? Ja. Lisa? Ja. Gut. (runterziehen) Auf dem Gelände des Kanuclubs NordWest, direkt am Hohenzollernkanal im Berlin-Saatwinkel, treffen sich Kinder und Jugendliche zum Kanupolo-Training. In letzter Zeit hat der Verein starken Zulauf. Kanupolo boomt. Doch bevor es auf dem Wasser richtig los geht, müssen die 18 Schüler mit Boot und Paddel ausgestattet werden. Trainerin Nicole Jappke hat alle Hände voll zu tun: Atmo 10 "Wo is denn dein Paddel? Kaputt. Ja siehste, also mußte eins nehmen, was da ist ... Zwischendurch bessert die Trainerin noch kaputte Boote aus. An manchen Stellen blättert der Lack, von der Spitze aus Gummi, dem sogenannten Puffer, ist bei manchen Kajaks nicht mehr viel übrig. Mit einem wasserdichten Tape- Band flickt Nicole Jappke diverse Risse in den Seiten: Take 23 Das ist schon sehr dicht, hoffen wir, das benutzen wir immer, damit werden auch die Puffer vorne befestigt, ja sieht schon gut aus, so ein Boot, wenn es so acht Jahre in Benutzung ist. Die Herren und Damen kaufen sich auch alle paar Jahre ein neues Boot. Wenn die Bundesliga spielen, da geht's ja etwas mehr zu Sache, als bei den Schülern, da sehen die Boote denn schon nach wenigen Jahren so aus. Nach einer Dreiviertelstunde sind endlich alle ausgestattet, jeder nimmt sein Boot unter den Arm und marschiert wenige Schritte zum Wasser. Der 11 jährige Mike ist schon lange dabei. Er würde am liebsten jeden Tag trainieren. Take 24 Ich bin jetzt schon 5 Jahre bei dem Sport, kommen immer neue Schüler, die Teams sind einfach cool. Ja, also ich konnte ja schon von Anfang an werfen. Mein Vater war ja schon ganz lange in dem Verein hier, dann hat er mich einfach mal mitgenommen. Atmo 11 Kinder in der Bucht beim Kanupolo In einer lauschigen Bucht, unmittelbar neben dem Verein am Hohenzollernkanal, trainieren die Kinder auf einem Übungsfeld im Wasser. Zwei Tore hängen über der Wasseroberfläche, im Abstand von etwa 30 Metern. Take 25 So, ihr sollt um die Tore fahren zwei Runden, komm Jannick, ja hättest du vorher nicht so viel Quatsch machen müssen, los geht's, um die zwei Tore hier, zwei Runden nur... Das Trainingsprogramm ist straff organisiert. Take 26 Erst wird sich ein bisschen eingepaddelt, 1-2 km, mal mit Ball mal ohne Ball, dann wird gesprintet, ganz unterschiedliche Sprints, übers Feld, mit Drehungen, rückwärts, alles, dass die Kinder lernen das Boot zu beherrschen. Dann machen wir ein paar Torwurfübungen und dann spielen wir, was am meisten Spaß macht. Der 10 jährige Theo ist noch vorsichtig im Umgang mit seinem Boot. Respekt hat der Neueinsteiger vor allem vor der berüchtigten Eskimo-Rolle. Wenn man in dem leichten Boot umkippt, muss man sich aus eigener Kraft mit Schwung wieder an die Wasseroberfläche befördern. Keine ganz einfache Übung, die gelegentlich extra im Schwimmbad geübt wird und zunächst Überwindung kostet, sagt Theo: Take 27 Am Anfang schon, aber danach geht's. Man muss die Hüfte benutzen, vielleicht so? Take 28 Bei der Rolle, worauf kommt es da an, auf Körper-Boot-Gefühl einfach, es sieht manchmal schwerer aus, als es ist, ich selber beherrsche nur die Ball-Rolle (lacht). Die Kinder bringen sich das von alleine bei. Wenn man einmal weiß, wie man den Ball halten muss oder die Hände führen muss, dann ist das glaub ich ganz einfach. Man hat ne bestimmte Handbewegung, um das Wasser wegzuschieben, und die Hüfte geht in die entsprechende Richtung denn mit, und dann ist man eigentlich schon oben, wenn man es dann kann. Kanupolo ist kein Sport für Ängstliche oder Wasserscheue. Er ist eine Mischung aus Handball und Basketball im Kajak, oder eher eine Art Wasser-Rugby, jedenfalls ein schneller Ballsport. Gewandte Manöver, packende Zweikämpfe, rasante Paddelsprints, gezielte Würfe, gelungene Paraden - das alles ist zu erleben bei einem Kanupolospiel. Zum Beispiel beim "Hoka Spring Challenge", dem ersten Freiluftturnier im Jahr zu Beginn der Saison. Es wird immer am Hohenzollernkanal in Berlin ausgetragen. Gespielt wird zweimal 10 Minuten, 5 gegen 5 im Team. Atmo 12 Kanupolo Wettbewerb Take 29 Im Moment sehen wir hier das Spiel der Herren, Kajakclub Nordwest gegen die Kanuvereinigung Kiel. Favorit ist Nordwest, ist deutscher Vizemeister aktuell. Klaus Peter Koch steht am Ufer und verfolgt das spannende Spiel auf dem Wasser. Er ist Turnierleiter und Vorsitzender des Vereins für Kanusport in Berlin, kurz VKB. Kanupolo ist eine eher unbekannte Sportart aus England, die aber schon 1926 nach Deutschland übergeschwappt ist, erzählt Koch. Take 30 Allerdings wurde früher auf einem Großfeld gespielt mit Faltbooten. Die waren natürlich sehr empfindlich, wenn die kenterten war eine Rolle kaum möglich. Darum hat man sich in den 70er Jahren entschlossen, auf kleine Felder zu gehen, auch damit mehr Tore fallen. Seither begeistert das Ballspiel im Kajak immer mehr Menschen und ist mit Welt- und Kontinentalmeisterschaften auch international im Vormarsch. In Deutschland hat Kanupolo mehrere Tausend Anhänger und wird bundesweit in über 100 Vereinen betrieben. Holger Diederich vom Kanuclub Nordwest Berlin, ist seit 10 Jahren mit dabei. Nicht nur als Spieler, sondern jetzt verstärkt auch als Trainer. Seine U 21 Herren-Nationalmannschaft ist international sehr erfolgreich. Lässig an den Zaun gelehnt beobachtet Holger den spannendsten Moment eines Kanupolospiels: Take 31 Der Anstoss ist immer recht spektakulär. Beide Mannschaften stellen sich auf ihre Tor-Aus-Linie, ihre Grundlinie, und dann wird vom Schiedsrichter der Ball in die Mitte geworfen, und die schnellsten beiden Spieler aus jeder Mannschaft fahren aufeinander zu und probieren im Sprint den Ball zu ergattern. Sieht man jetzt, dauert so 10 Sekunden. Es kommt auch zu Momenten, wo der zweite Spieler, der ankommt, über den anderen rüberspringt, und mit dem kompletten Boot aus dem Wasser raus ist, das gibt es wirklich. Da gibt es auch Fotos von. Der spannendste Moment ist allerdings zugleich der Gefährlichste. Denn gerade, wenn sich die Kajaks mit hoher Geschwindigkeit ineinander verkeilen, passieren die meisten Unfälle. Kein Sport für Weicheier. Take 32 Von der Bewegung im Rückraum, von der Ballbewegung ist es ähnlich wie Handball, es geht genauso zu Sache, wahrscheinlich ein bisschen mehr. Man sieht ja, die Boote fahren aufeinander, untereinander, ineinander, die Paddel gehen auf die Hände, aber das gehört dazu. Ich bring es auch allen Leuten immer so bei, wenn man eins auf die Hände kriegt, muss man die andere hinhalten und fragen, ob das schon alles war (lacht). Manchmal bleibt einem die Luft weg, dann muss man durchatmen, manchmal tut die Hand weh, der Arm weh, dann muss man halt weitermachen und hoffen, dass es wieder weggeht. Schwere Verletzungen sind dennoch selten beim Kanupolo. Nicht zuletzt Dank der guten Ausrüstung. Dazu gehören ein Helm mit Gesichtsschutz und eine Schwimmweste. Sie soll den Oberkörper vor Paddel- oder Bootsangriffen schützen. Aggressive Zweikämpfe sind Teil eines guten Kanupolospiels. Dennoch geht es unter den Spielern freundschaftlich zu, sagt Holger Diederich: Take 33 Natürlich sind wir auch alle eine große Familie, die Kanupolisten, es ist halt alles ein Amateursport, Förderung gibt es da nicht, selbst Nationalspieler müssen alles selber zahlen, und alle Kanupolospieler sind ein bisschen positiv verrückt. Man muss den Sport halt lieben, um ihn auszuüben. Denn die Kosten sind enorm. Wenigstens alle drei Jahre ist ein neues Boot fällig, noch öfter geht das Paddel zu Bruch, und auch die häufigen Reisen zu nationalen und internationalen Wettkämpfen müssen finanziert werden. Die besten deutschen Mannschaften sind in der Bundesliga organisiert und treffen sich mehrmals pro Saison, um ihre besten zu finden. Sven Westphal gehört seit vielen Jahren dazu. Er ist als Spieler aktiv und arbeitet zusätzlich als Trainer und Schiedsrichter. Mit dem neuen, leichten Material sind die Boote viel schneller und beweglicher geworden, erzählt Sven. Der Sport habe sich komplett verändert. Geblieben seien allerdings die Vorurteile: Take 34 Das Image an sich ist ganz gut. Innerhalb der Kanuszene oder bei den Rennsportlern leider ein bisschen verschrien, weil alle denken: ist super einfach, ist ja nur ein bisschen Gespiele, man muss kaum trainieren. Aber wer oben mitspielen will, der muss ordentlich trainieren, ja das ist immer schade, dass das verloren geht. Der Einsatz, den die Menschen selber da reinstecken, der ist nach außen hin oft nicht genügend sichtbar, finde ich. Obwohl Sven Westphal mit seinen 37 Jahren zu den älteren Spielern gehört, denkt er noch lange nicht ans Aufhören. Take 35 Ich hab mir vorgenommen, irgendwann mal der älteste Polospieler hier in Deutschland zu sein. Da hab ich noch ne Weile zu tun. Ich kenne jemanden, der hat noch mit 53 in der Bundesliga gespielt. Ich kann einfach nicht aufhören, der Virus hat mich total gepackt und es macht mir nach wie vor Spaß, is mein Ding, Kanupolo. Da geht's einfach nur um blanke Kraft, um nicht mehr. Kraft, Wassergefühl und pure Energie, Adrenalin pur! 13