COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Manuskript „Not gemüsed“ - Stand-Up-Comedy-Szene in Berlin Von Katja Bigalke Amto Einlass klingeln “Doors are open for reservations! Reservations …!“ Zuschauer: Comedy auf Englisch. Journalist: Hast du schon mal gesehen? Zuschauer: Nein, nur gehört von. Ja, freu ich mich drauf. Show-Musik „We are not gemüsed“ Paul Salamone: C’mon, it’s easy! We are not gemüsed, it’s a comedy open mike on a Tuesday …   Paul Salamone Hi everybody, how are you? Yeah, okay. Where were you fuckers last week? Jesus, we had 35 people in the audience last week, what the hell! … You guys are cool but you still look a little bit too much like you worked today. So let’s do a little game, I call this game “food-fight”. Alright, you got it? Okay! Watch the figure, here we go!   Publikum: Fleisch!   Paul Salamone: Viele Shows sind in Neukölln …   Publikum: Fleisch!   Paul Salamone: … ein paar in Kreuzberg …   Publikum: Fleisch!   Paul Salamone: … ein paar in Friedrichshain, Wedding …   Publikum: Käse!   Paul Salamone: …. aber die Hauptstadt sozusagen ist Neukölln.   Mann: Tofu! (Gelächter)   Zuschauerin Ich werd einfach gut amüsiert, also viel mehr passiert da eigentlich nicht, aber … also wie Fernsehen in echt.   Show-Musik   Paul The next comedian, its her first time here at the show … she’s originally from Australia, give it up for Sonja … !   Sonja: I’ve been single for ten years …   Übersetzerin: Ich bin seit zehn Jahren Single.   Sonja: … doesn’t feel like a long time until you hit the ten year mark.   Übersetzerin: Nach zwei Jahren denkt man, was soll’s?   Sonja: After two years you think, who cares? After five years you think maybe it would be nice to be with someone.   Übersetzerin: Nach fünf Jahren: Wär doch schön, jemanden zu haben.   Sonja: After ten years you google fight-clubs in the local area (Gelächter).   Übersetzerin: Und nach zehn Jahren googelt man Kampfsportvereine.   Sonja: You just wanna feel something, you know! (Gelächter)   Übersetzerin: Man will einfach mal was fühlen!   Zuschauerin Wir sind eine der wenigen im Publikum, die Deutsche sind und nicht irgendwie aus den Staaten oder aus England oder so … Das Daten in Berlin, ja, das sind so die hauptsächlichen Themen. Journalistin: Datest du noch? Zuschauerin: Ja. Journalistin: Und, ist nicht so der Knaller oder was? Zuschauerin: Wechselhaft, aber ich mein ist ganz schön, wenn man hier auch mal drüber lachen kann.   Jonas Imam (KussKuss Comedy) Also noch mal, eins, zwei, drei, bitte! (Publikum klatscht) Okay, jetzt hab ich ein Gefühl für den Raum …   Erzählerin Jonas Imam, geboren in Berlin, hat Biologie studiert. Seit viereinhalb Jahren steht er lieber auf der Bühne als im Labor und macht Spaß in der KussKuss Comedy.   Jonas Imam (KussKuss Comedy) Also ich bin jetzt mit ner Halbrussin zusammen und ich guck jetzt nicht in ihre Richtung, weil sie sitzt im Raum, und deswegen darf ich solche Sachen jetzt sagen, hab ich entschieden, korrekt, aber ich darf solche Sachen sagen über Russen …   Jonas Imam Ich mach jetzt erste Witze über meine aktuelle Beziehung zum Beispiel, während meine Freundin im Publikum sitzt, das ist manchmal ein bisschen komisch. Es geht meistens nicht auf ihre Kosten, weil deswegen ist es okay, das ist mir auch wichtig, aber das ist zum Beispiel ne Erfahrung, die ich vorher nicht gemacht hab, weil ich das einfach … wenn man absurdistischen Humor macht, kann man alles erzählen, das klingt alles immer sehr fantastisch und hat nichts mit der Realität zu tun. Das ist sehr kreativ, aber das ist ein bisschen sicher. Und wenn man biographisch an Sachen ran geht, wie seine Familie zum Beispiel, ich hab über die Scheidung meiner Eltern ein, zwei kleine Witze, ich hab darüber, dass alle meine Freunde gerade heiraten, was ich davon halte, was ich dafür für ne Einstellung hab, was alles sehr aktuelle Sachen sind.   Comedian (KussKuss Comedy) Mein Mitbewohnerin ist verliebt, und sie hat nen neuen Freund jetzt, was auch sehr aufregend ist, für mich. Die letzte Woche habe ich den beiden beim Sex zugehört im anderen Zimmer, bis wir alle drei gleichzeitig gekommen sind (Gelächter).   Paul Salamone Meine erste Erinnerung als Komiker war in der siebte, seventh Grade …   Erzählerin Paul Salamone ist vor neun Jahren aus den USA nach Berlin gezogen und macht hier Comedy auf Englisch. Er ist Mitbegründer und Co-Host der Comedy-Show „We are not gemüsend“ in Berlin-Neukölln.   Paul Salamone … ich war zwölf denk ich, und es gab eine hübsche Frau vor mir in Social Studies Class, Anfan aus Vietnam, und ich hab immer hinter ihr etwas geflüstert. Und sie hat immer gelacht. Nach alles. Also das ist mein erste …, dass ich lustig bin. Und ich komme aus einer humorvollen Familie, ich bin der älteste von vier Brüdern und das war immer ein Kampf, jeden Abend am Abendbrottisch, nicht die Eltern zum Lachen bringen, sie hatten keinen Bock drauf, aber das war mein Training.   Paul Salamone (We are not gemüsed) You gotta be defeated, like Tofu is the only Protein you get …   Paul Salamone Ein guter Witz muss für mich einen Kern Wahrheit haben. Es muss von einer bestimmten Erinnerung, Erfahrungen von mir entstammen. Es muss nicht alles wahr sein, aber es muss etwas da drin haben. Dann muss es auch die Leute überraschen, sie müssen denken, okay ja, ich seh mal, wo dieser Witz hin führt, in welche Richtung dieser Witz geht, dann kommt diese, ein Turn sagen wir, es biegt in eine andere Richtung, es kommt eine Überraschung und das geht, dann lacht das Publikum.   Michael Timm Könnt ihr noch? (lachen) Weil wenn ihr wollt, dann hab ich jetzt noch … Ich hab ja dieses Buch geschrieben und das ist auch wirklich schon so gut wie fertig, aber ich häng jetzt an dem Kapitel, wie man Witze schreibt und ich weiß es einfach nicht …   Erzählerin Michael Timm kommt auch Berlin und ist seit vier Jahren in der Berliner Stand-Up-Comedy-Szene unterwegs.   Michael Timm … da hab ich jetzt so ein bisschen aus ein paar Büchern, die ich auch mitgebracht hab für euch, die könnt ihr auch gerne hier behalten und auch mal zwischendurch ein bisschen drin blättern. Also was ich gut fand, war auf jeden Fall, dass im Idealfall ist Comedy jetzt nicht einfach nur Spaß, sondern es ist so in ein Lachen gepackte Kritik eigentlich an irgendwas, an der Gesellschaft oder an sich selbst vielleicht. Und was in dem Buch hier, das „Handwerk Humor“ von John Vorhaus, was ich da gut dran fand ist, ist „Comedy ist Wahrheit plus Schmerz“.   Atmo aus großer Show Anmoderation: Und heute ist er wieder hier, die bezaubernde Ole Lehmann! Ole Lehmann: Hallo Berlin!   Ole Lehmann Warum geht man auf die große Bühne, weil man auch, man muss irgendwie zu ein paar Prozent ne Rampensau sein und das auch wollen. Das ist auch ganz klar, dass man geliebt werden will, das kann mir keiner erzählen, selbst Oliver Polak, der sehr böse Witze macht, will glaub ich auf der Bühne auch geliebt werden oder will zumindest anerkannt werden.   Journalistin Ich bin heute an einem Friseur in meiner Straße vorbeigelaufen, Friseur Sahaara (lachen). Sahaara läuft immer recht schlecht, da sitzen immer nur so zwei Leute drin, das ist meistens Männer mit Migrationshintergrund und da hing so ein Zettel an der Tür „Es gibt Rabatt für Beamte mit Ausweis“. Ole Lehmann: Toll! Journalistin: Das find ich ein bisschen lustig. Ole Lehmann: Das stimmt, das find ich toll! In der Sahara. Journalistin: Wie würdest du jetzt nen Sketch daraus machen? Ole Lehmann Ich würde das erstmal erzählen, also ich würd sagen: Ich bin neulich mit meinem Hund, da hat so ein neuer Friseurladen bei uns aufgemacht, der heißt Sahaara – das würde ich dann stehen lassen und warten ob da schon Leute lachen, ob sie das kapieren … da muss man auch Mut zu haben als Comedian zu sagen irgendwie, also da die Ruhe zu lassen. Also ich würd sagen, ich bin mit nem Hund vorbei gegangen, da hat ein neuer Friseurladen aufgemacht, der heißt „Sahaara“. Journalistin: Pause. Ole Lehmann: Pause. Und ich würds wirklich, ich hab die Chuzpe mittlerweile, ich würd‘s lange so stehen lassen. Journalistin: Und würdest du das dann auflösen und sagen, „Sahaara“ mit AA in der Mitte? Ole Lehmann Das ist dann immer die Frage. Ich würd’s gar nicht groß erklären … dann kannst du sagen, jetzt hat er’s auch kapiert. Manchmal zeigst du ins Dunkle und sagst: Jetzt hat er’s auch … so, du nimmst die einfach so mit. Und dann würd ich auf das Schild, und dann ist mir das Schild aufgefallen „Es gibt Rabatt für Beamte mit Ausweis“. Warum mit Ausweis? Was ist vorgefallen, wie viele Beamte hatten keinen Ausweis dabei, was ist wenn ich meinen Ausweis verloren hab, aber Beamter bin, muss ich warten, kann ich nen Antrag ausfüllen? Journalistin: Kann man nen Beamten auch so erkennen? Ole Lehmann: Kann man nen Beamten auch so erkennen? Journalistin: Warum Beamte? Ole Lehmann: Warum eigentlich Beamte, also ich mein, weil die besonders ruhig dasitzen zum Beispiel. Oder weil die … Journalistin: … keine Haare haben. Ole Lehmann: Weil die dauernd einschlafen, dann kann man die zweimal kassieren. Irgendwie so (lachen).   Michael Timm Um auf Deutsch aufzutreten in Berlin, da gibt’s so die alten Bühnen in Berlin, also das ist unter anderem halt die Scheinbar, das ist das kleinste Theater Deutschlands, da passen 50 Leute rein, das ist so ein Mini-Raum, und das ist auch relativ gut gefüllt. Das ist aber eher so ein Varieté, da sitzt man dann hinten mit so Zauberern und Leuten, die auf dem Einrad üben. Irgendwann wurden es immer mehr Comedians und die haben dann da natürlich ein bisschen zusammen gehalten, da in diesem Kreis der Zauberkünstler und Einradfahrer und haben dann irgendwann gesagt, „Ey, wir müssen irgendwas machen, wir müssen unsere eigenen offenen Bühnen irgendwie gründen“.   Show-Musik We are not gemüsed   Sonja: I live in an apartment on top of the hairdressers-studio that I do not go to get my hair cut …   Übersetzerin: Ich wohne über einem Friseur, zu dem ich aber nicht gehe.   Sonja: … review, there is just one. It said, it was a pretty bad haircut …   Übersetzerin Weil dort die Frisuren schlimmer sind als das Titten-Grapschen.   Sonja … secondly he touched my breast (Gelächter). Secondly? Hang on, pretty bad haircut, no, that sounds like the worst fucking haircut ever, if sexual assault is not the number one complaint. What the fuck did he do to your hair?! (Gelächter)   Atmo Musik in der Pause   Comedienne (KussKuss Comedy) Also wie schon gesagt, ich hab wenig Geld. Mein Kredit wurde gekündigt, bei der Sparkasse, der Bank der armen Leute, die haben das jetzt einfach an so ein Inkasso-Ding verkauft. Und die waren ja total nett, das geht um 23.000 €, das fing mal an mit 18.000 €, und jetzt haben die da irgendwelche Zinsen draufgeklatscht und jetzt sind wir bei 23.000 € Geld aus der Zukunft, das ich noch nicht mal abgezahlt habe (Gelächter). Und ich hab den dann halt auch geschrieben so, ich kann nicht, ich geh Second Hand einkaufen mit meinem Kind. Und dann haben die gesagt: „Nein! Das lassen wir nicht gelten“. Und jetzt darf ich das in Raten abzahlen. In 2000 Jahren bin ich fertig. Ich darf 10 € Raten abzahlen. Und ich kann vorher nicht sterben (Gelächter). Ich bin der letzte Mensch auf der Welt, der noch nen Sparkassenkredit abzahlt an das Inkasso (Gelächter, Applaus). Mann!   Jonas Imam Das, was wir jetzt die alternative deutsche Comedy-Szene nennen, ist direkt aus der englischen entstanden, das heißt, viele von den Comedians, die deutsch auftreten, haben auf Englisch angefangen Comedy zu machen. Ich zum Beispiel hab auf Englisch angefangen, hab meine ersten zwei Jahre fast nur auf Englisch Auftritte gemacht und hab dann dieses Show-Prinzip, das die haben, mit anderen Leuten zusammen einfach auf Deutsch noch mal aufgezogen. Es gibt immer noch diesen Crossover-Effekt, dass zum Beispiel jetzt Comedians, die neu auf Deutsch anfangen, junge Comedians, dass wir denen auch sagen, geht ruhig mal rüber, probiert das mal auf Englisch, guckt euch mal an, wie die das machen, ihr könnt da ne Menge lernen. Und es ist auch eine andere Art von Schreiben auf Englisch, ein bisschen direkter, ist leichter reinzukommen für Leute, zumindest wenn sie einigermaßen gut Englisch können. Und deswegen schicken wir schon Leute darüber und Paul zum Beispiel, der ja seit ziemlich langer Zeit in Deutschland ist, hat auch erst vor kurzem wirklich angefangen, konsequent auf Deutsch aufzutreten, das macht er dann auch bei uns.   Paul Salamone 2009 haben wir unsere erste richtige Show-Case angefangen und seitdem haben wir diese kleine Community und das wächst immer und jetzt haben wir verschiedene Gruppen und so, aber wir kennen uns alle, ich kenne fast jede Person in der Szene und ich mag das. Wir unterstützen uns, es gibt wenig Gossip, Klatsch. Und ich denke, das liegt daran, dass wir ein Glasdach haben, weil man nicht so weit gehen kann mit English-Comedy hier in Europa, hier in Deutschland, weil es wenig Geld gibt und es gibt kein Chance, ins Fernsehprogramm zu gehen, wir machen das alles für die Liebe.   Show-Musik   Paul Salamone (We are not gemüsed) Every show, once a show we have to have a German comedian because we have an agreement with the German government to get our visas: We have to have one German comedian every show is part of the deal we have with the Witzenamt, okay (Gelächter). To get our Lachenschein we have to have a deutsche Komiker. He has to be gestempelt, he has to be certified lustig von dem deutschen Witzenamt. Hast du deinen Lachenschein dabei, Micha? Bist du bereit? Ja? Okay, Leute, hier kommt unser Deutscher, aus Deutschland: Michael Timm!   Show-Musik   Michael Timm (KussKuss Comedy) Guten Abend, wie geht’s uns? Wie war dein Tag? Zuschauerin: Toll. Michael Timm Toll? Kommst du aus der holländische Part von Russland, oder? (Gelächter) Ansonsten haben wir ein Pärchen heute Abend da? Ja, ich war ja eher immer so auf Tinder unterwegs. Also Tinder, nur falls die letzte Reihe (Gelächter) … nur damit wir alle uns verstehen, da sieht man immer so Bilder von anderen Leuten, die sich auch angemeldet haben und kann dann immer so halt hin und her wischen, ne, ja, nein, ja, nein, oder wie wir Männer es ja machen, ja, ja, ja, ja, ja (Gelächter). Und also ich hab mich dann abgemeldet, weil mit jedem ‚Ja‘ hab ich immer gedacht, oh Mann, ey, du likest irgendwie alle möglichen Frauen, die du nicht kennst, du weißt gar nicht, ob du sie likest, du likest sie trotzdem. Und ich hab mich mit jedem Like immer wie so ein Looser gefühlt. So: Looser, Looser, Looser, du bist ein Looser. Und irgendwann hat Tinder so was Neues eingeführt, das heißt ‚Superlike‘ (Gelächter). Und das kann man nur einmal machen am Tag oder so und dann kriegt halt die andere Person ne Nachricht, und dann, wenn man darauf drückt, dann fliegt immer so ein Stern hoch, pssssspoch und zerplatzt so, und jedes Mal, das war der Punkt, wo ich mich dann abgemeldet hab (Gelächter), jedes Mal, wenn ich darauf gedrückt hab, dann ist immer dieser Stern so hoch geflogen, psssspoch, Superlooser! (Gelächter)   Jonas Imam Das ist auch so ein bisschen die Kunst daran, also hundert Mal aufzutreten und beim hundersten Mal wirkt das immer noch so, als hätt ich mir das gerade ausgedacht, das ist sehr, sehr schwer, das schaffen die wenigsten, das ist wirklich so ein hohes Level an Professionalismus. Also im optimalen Fall, also wenn das Publikum und man selber, wenn es so klickt, wenn es so wirklich funktioniert, wenn man auf eine Wellenlänge kommt, dann ist das halt ein total interessantes Gefühl, weil das ist so ein bisschen so als würde man Energie rausgeben und die wieder zurück kriegen, so ein Ping-Pong-Effekt, und der sich aufschaukelt, die Leute fangen an zu lachen, am Anfang natürlich erstmal ein bisschen, dann kriegt man ein bisschen Energie zurück, dann traut man sich ein bisschen mehr, man kommt ein bisschen mehr aus sich raus, man schickt ein bisschen was zurück, dann fangen die mehr an zu lachen, lauter an zu lachen und so weiter. Und am Ende ist das halt, ein total starkes Gefühl, ja, auch ein bisschen ein Gefühl von Gemeinschaft im Endeffekt.   Michael Timm: Könnt ihr noch? (lachen)   Paul Salamone Meine Stärke ist, mit dem Publikum zu gehen. Ich denke, ich hab viel Energie und ich improvisiere viel und ich liebe es, wenn das Publikum scharf drauf ist, Interaktionen zu haben. Ich hasse das, wenn das Publikum, die sitzen dort und sie denken, dass das ein Theaterstück ist. „Ich will hier sitzen, ein Bier trinken und dann muss der Komiker sich ausdrücken.“ Journalistin: Liefern. Paul Salamone Liefern, ja, das ist ein gutes … ja, das hasse ich. Mein Lieblingskomiker in den USA ist nicht so bekannt, aber er heißt Jimmy Pardo, er ist der warm-up-act für Conan O’Brien und er sagte, dass Comedy keine Ausdruckskunst ist sondern eine Gesprächskunst oder eine Konversationskunst. Journalistin: Interaktion. Paul Salamone: Interaktion.   Paul Salamone (We are not gemüsed) We have a theme-song prepared, please get your microphones up, this thing is amazing, it took a minute to write, okay …   Show Musik We are not gemüsed “We are not gemüsed, comedy open mike on Tuesday. We are not gemüsed, comedy open mike on Tuesday” Paul Salomone: It’s easy, c’mon now: We are not gemüsed, it’s a comedy open mike on a Tuesday. Meateaters! We are not gemüsed. Vegetarians! Comedy open mike on Tuesday. Just Tofu! Tofu: We are not gemüsed.   Comedian (KussKuss Comedy) Wahrscheinlich wird der jetzt so selbstbewusst, weil er jetzt Präsident ist, dass er sagt, hey, ich hab gesagt, du kannst Frauen an die Muschi greifen, niemand hat es gestört, ich bin Präsident geworden, ich hab alle Mexicans Rapist genannt, keinen kümmert’s. Ich kann bestimmt meine Tochter im Weißen Haus vögeln und es auf Youtube stellen, und er wird’s machen und dann? (Gelächter) Okay, ist zu dark.   Comedienne (We are not gemüsed) I’m an actress … and I’m used to the bigger stages but that’s okay. It’s a first time for everything, isn’t it? … I’m from Sweden and when I tell that to Germans the response I usually get is: “But I thought that all Swedish girls have blond hair and big boobs” …   Michael Timm: Ähm, okay that joke is not to amazing like you can see from your reaction.   Paul Salamone Wir müssen immer einen komischen Vogel haben, wir müssen immer nur einen Freakact haben. Für uns gestern war sie das. Sie ist eine sehr nette Frau, aber ich hab keine Ahnung, was genau das war, aber ja, es war interessant und wir wollen immer einen Character haben, etwas, wo die Leute sagen: „Ey, was ist das … was?“ Und dann können wir am Ende zwei normale Komiker haben. Ich will ein bisschen Spannung haben.   Journalistin: Wie fühlt sich denn das an, wenn das Publikum nicht reagiert? Paul Salamone: Ja, ich fühl mich traurig, aber was kann ich dafür. Ich denke, hey, gestern Abend hatte ich eine gute Show, morgen vielleicht eine gute Show, heute ist nur ein schlechter Tag, was kann ich dafür. Aber als ich jünger war, würde ich denken: „Oh, fick diese Leute, ich hasse Comedy, ich hasse mich selber, ich höre jetzt auf. Sie haben kein Sinn für Humor. Sie sind Schuld, warum wir keine gute Show haben.“ Aber jetzt, es gibt verschiedene Faktoren, warum das schiefgehen könnte. Manchmal denk ich, hey, das ist ein gutes Training für mich. Mit einer Boxing-Metaphor, das ist so ein heavy-bag. Ich hatte das für sechs Wochen probiert, die Open-Mike-Szene in Denver, Colorado, das war 2006, und das war furchtbar, weil es gab nur Komiker und vielleicht ein paar Zuschauer, drei, vier Leute. Niemand hat Bock drauf, alle Witze waren über Abschiebung, Aids oder Auschwitz. Und die anderen Komiker, sie sitzen da hinten, sie waren alles Männer, es gab vielleicht eine Frau, der Rest waren Männer, und sie haben alle Leute auf der Bühne beleidigt. Und es war ein riesiges Drama hinter der Bühne. Ich wollte das nicht haben in Berlin.   Michael Timm: Könnt ihr noch?   Atmo Musik in der Pause   Ole Lehmann Ich hab auf der Bühne, ich hab so ne Geschichte erlebt auch vor 15 Jahren, ich stieg, hier auf der U-Bahnstation Eberswalder Straße, ich rauche eine. Es kommt so’n kleiner, ist wirklich passiert, erzähl ich grad in meinem Programm, es kommt so’n kleiner, 13-jähriger, und das sag ich auf der Bühne so, testosterongeschwängerter, und dann halt ich so in und sag, so jetzt hab ich ein Dilemma mit Political Corectness, früher hätt ich gesagt, Türkenjunge, darfst du heut nicht mehr, weil dann sitzt immer jemand im Publikum und sagt, woher wollen Sie denn wissen, dass es ein Türke ist, auch wichtig bei den Deutschen, ne, muss ganz korrekt sein, ne, hätt ja auch ein Armenier sein können, hätt ja auch ein Syrer sein können oder ein Schwabe mit Sonnenbrand, so was sieht man ja nicht so, ne (lachen). Und dann sag ich, ich umschreib das jetzt mal, so wie man politisch korrekt sagen muss, da kam also ein 13-jähriger testosterongeschwängerter Mensch mit schwerstem Migrationshintergrund, also ein Türkenjunge, weil ich kann das nicht, so, ne. Und das ist wirklich wahr, der kam nämlich zu mir und sagte: „Hast du mal Zigarette?“ Und ich so: Nee. „Wieso, bist du schwul oder was?“ (lachen) Und dann sag ich zum Publikum noch mal: „Jetzt hab ich eins nicht verstanden, was die Verweigerung einer Zigarette mit schwul sein zu tun hat. Vielleicht gibt die Lesbe gerne mal eine, vielleicht auch ne ganze Stange, ist das einzige Mal in ihrem Leben, so.“ Kommen immer Lesben und sagen „Find ich überhaupt nicht lustig“. Sag ich „ich schon“. Sorry, ist ein Klischee-Witz und ein Schwanzwitz, egal. So, und jetzt wirklich wahr, die Geschichte geht noch mal wirklich weiter, wirklich, 12 Jahre her, und dann hab ich überlegt, so sag ich’s auch auf der Bühne, jetzt hast du da so nen Ausländer vor dir, mit Migrationshintergrund, wenn du dem jetzt sagst, dass du schwul bist, der haut dir auf’s Maul. Und in dem Moment dacht ich, du hast es auch schon vielen deutschen Jungs gesagt, die ham dir auch auf’s Maul gehaun, es ist eine loose-loose-Situation. Und dann, das ist wirklich wahr, ich verbürge mich dafür, sage ich, ich will mich nie verstecken: „Ich bin schwul.“ Und da sagt er: „Echt? Dann will ich keine.“ Und ging. (lachen) Und es war großartig, es war einfach großartig, so und … Journalistin Political Correctness … weil Anne war eben schon so ganz „Das würdste nicht im Ernst machen!“ Ich find’s total lustig und auch okay. Wenn ich über Schwule Witze mache, ist nicht okay, weil ich hetero bin, aber für dich ist okay, weil du bist schwul. Ole Lehmann Das ist unsere Marotte. Aber das ist weltweit gerade so. Ich finde, das Political Correctness nicht nur langweilig ist, ich glaub, dass sie falsch ist. Ich glaube, dass wir weg davon müssen, mit „Das darfst du ja gar nicht!“. Wenn es seine Ansichtsweise ist, gibt es zwei Dinge dazu, die man beachten muss. Fandest du’s lustig, mal ganz ehrlich, auch wenn du in dem Moment nicht drüber gelacht hast? Oder fandest du es nicht lustig, weil er vielleicht über die Grenze rüber ist und einfach nur jemand angekackt hat oder so, weil’s wirklich rassistisch war. Die Unterscheidung müssen wir machen, ist es wirklich nur ein Gag. Und wenn’s ein Gag ist, dann lass doch den Gag einen Gag sein. Nimm es doch nicht als politische Haltung.   Show-Musik   Comedian (KussKuss Comedy) Mein Vater ist halt alt, und ich versteh mich nicht so mit alten Leuten und so. Ich muss sagen, ich hasse alte Leute. Ich weiß, hier sind ein paar alte Leute (Gelächter). Aber tut mir leid, dieses Bild werd ich nicht ändern. Ich hab heute gelesen, die älteren Leute, die Mehrheit haben Trump gewählt. Das war genauso beim Brexit, ältere Leute, es ist ihnen egal, was in der Zukunft passiert. Ich mag alte Leute nicht. Gestern hat mich ne Frau gefragt, eine ältere Frau, hat mich gefragt, wie spät es ist. Und ich hab ihr gesagt, ist zu spät (Gelächter).   Journalistin Caroline zum Beispiel hat gestern über Krebs geredet. Ist das ungewöhnlich, dass solche Themen auch auf der Bühne auftauchen? Paul Salamone Das ist eher ungewöhnlich, weil es so schwer ist, das lustig zu machen.   Caroline Clifford (We are not gemüsed) My dad while he was dying of cancer, my mum got breastcancer.   Übersetzerin Als Dad Krebs hatte, bekam Mum Brustkrebs   Caroline Clifford We were angry: Mum, this is Dad‘s thing (Gelächter).   Übersetzerin Wir ärgerten uns. Das ist doch Dads Sache.   Caroline Clifford Typical, she couldn’t let him have this one thing.   Übersetzerin Mum überlebte. Dad nicht. Typisch Mum.   Caroline Clifford So he’s dead, she’s alive. So typical (Gelächter).   Paul Salamone Jede Person ist von Krebs geprägt, in irgendwelcher Weise. Ich auch, mein Bruder ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Ich hab damals versucht, Witze zu erzählen, ich konnte das nicht. Nicht weil ich so traurig bin, ich bin traurig, aber man muss ein sehr, sehr guter Komiker sein, um solche Witze zu machen. Und nur sie kann das, meiner Meinung nach. Ich hab das probiert, ich konnte das nicht. Dann hat sie ein paar Witze über meinen Bruder geschrieben, die waren lustig. Das war fünf Monate nach dem Tod meines Bruders, sie hat Witze gemacht, nur sie konnte das. Alle anderen nicht. Journalistin: Und das war okay für dich? Paul Salamone: Nee. Aber das war Caroline, sie war lustiger als ich traurig war.   Ole Lehmann Wenn wir Humor nicht hätten, wären wir schon längst weg als Menschen, weil ich glaube dann wären wir alle, wir hätten uns alle schon vor 100 oder 200 oder vor 1000 Jahren die Kugel gegeben. Ich glaub auch, dass Humor bei Höhlenmenschen schon da war. Ich glaube auch, dass die gelacht haben über Dinge, also sei es, dass einer auf der Dinosaurierscheiße ausrutscht (lachen). Ja, ich glaub das ganz ehrlich, weil ich glaube, ich hab’s gesehen bei 9/11, da gab’s ja dann ein oder zwei Wochen später diese Benefiz-Gala, die wurde unter anderem moderiert von Janeane Garofalo, eine fantastische Stand-Up-Comedian aus New York und die Frage ist ja immer bei so einem Abend, wie fängst du den an als Moderator, so, und sie ging raus und sagte nur „Hello New York! Wow, those firemen!“ Und macht sie gleich so ein bisschen sexistisch, wie geil sahen die aus. Und der ganze Saal lachte, weil Humor auch immer eine Befreiung ist aus Dingen. Wir müssen zwischendurch mal lachen können.