COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel 12.1.2014 Nur gemeinsam sind wir stark: - Das Duo im Wintersport Von Gerd Michalek Atmo 1: Eiskanal/ (Ansager: Der Start ist frei) O-Ton 1+2 „Ich bin Toni Eggert.“ Ich bin Sascha Benecke.“ Und gemeinsam sind wir das deutsche Rennrodel-Doppel Eggert-Benecke.“ SPRECHER Die beiden Thüringer rodelten zunächst alleine. Toni Eggert war zwölf, Sascha Benecke gerade einmal vier Jahre alt, als sie sich in den Eiskanal trauten. Als sie 20 waren, wurden sie neugierig auf das Rodel-Doppel. O-Ton 3 T. Eggert Doppelsitzer fahren ist erstmal komplizierter, weil der Schwerpunkt höher ist, es ist im Prinzip ein bisschen gefährlicher, weil man schneller umkippen, schneller stürzen kann. Der Reiz ist dabei allerdings, man ist ein Team und egal, ob es bergauf oder bergab geht mit der Form: Man kann das zusammen besser meistern. Man kann sich zusammen eher freuen. Man kann natürlich auch zusammen besser Niederlagen wegstecken. Vom Fahren her, vom Gefühl, - ich kann nur sagen, dass es mir viel mehr Spaß macht. (S. Benecke) Für mich ist der Reiz, es ist ein ganz anderes Fahren – ich bin der Doppelhintermann. Es ist eher ein trägeres System, eher wie ein Bus. SPRECHER Seit 2010 jagen Toni Eggert und Sascha Benecke im Doppelsitzer durch den Eiskanal. 2013 wurden sie sogar Vize-Weltmeister. Atmo 2 Eishalle Dortmund SPRECHER Erst alleine, dann ein Duo im Sport - so lief es auch bei dem Eislaufpaar Chari Koch und Christian Nüchtern. O-Ton 4 (Chari) Bei mir war es so, dass ich zuerst Einzellauf gemacht habe, aber meine Karriere an den Nagel hängen musste, weil ich eine Verletzung am Fuß hatte, die etwas schwierig zu behandeln war. Sie tat nur bei Sprüngen weh und hätte operiert werden müssen. Deswegen dachte ich, probiere es mal mit dem Tanzen aus und Christian war frei (lachen). Dann habe ich gedacht: „Probierste das mal!“ O-Ton 5 (CHRISTIAN) Ich mache schon länger Eistanzen. Ich mache das, seit ich acht bin. Chari ist schon meine vierte Partnerin. Ich hatte in der Phase, in der wir zusammen gekommen sind, längere Zeit keine Partnerin gehabt, so ein halbes Jahr. Ich glaube, ich könnte alleine gar nicht laufen, das würde mir gar keinen Spaß machen. Zu zweit ist es immer schöner und auch einfacher, würde ich sagen. SPRECHER Die Eltern der beiden Eisläufer kannten sich und brachten sie vor vier Jahren zusammen. Heute ist Chari 20 und studiert Medienwissenschaften, der 21jährige Christian studiert BWL in Dortmund. Ihr Alltag - zweigeteilt: Sie pendeln täglich zwischen dem Eislauf-Zentrum in Dortmund und der Universität. Atmo 3: Rattern im Eiskanal SPRECHER Bei den meisten Wintersport-Duos verhält es sich anders: Wer Bob oder Rennrodel fährt, kann im Winter unmöglich eine Lehre machen oder Vorlesungen besuchen. Bobfahrer und Rodler sind permanent auf Achse. Sie reisen weltweit von einem Eiskanal zum nächsten, um Europa- oder Weltcup-Punkte zu sammeln. O-Ton 6 Lisette Thöne Im Bobsport ist man lange unterwegs, man sieht ganz neue Städte und sieht wunderschöne Landschaften, und es ist eine Teamsportart. SPRECHER Wie viele Bobfahrer ist Lisette Thöne gelernte Leichtathletin, also Einzelkämpferin. Inzwischen befindet sich die 25jährige auf dem Weg zur Teamsportlerin. Ihr gefällt die Lebensform von Bobfahrern, die der von Rennrodlern ähnelt: Beide fahren in denselben vier Eiskanälen, die es in Deutschland gibt. Profis in den beiden Sportarten sind meist bei der Bundeswehr, der Bundespolizei oder dem Bundesgrenzschutz angestellt. In athletischer und technischer Hinsicht bestehen allerdings gravierende Unterschiede zwischen den beiden Tempo-Sportarten. O-Ton 7 (Susi Erdmann) Als Rodler lenkst du mit den Beinen, als Bobfahrer mit den Händen, also mit Seilzügen, und einfach dieses große schwere massige Gerät unter Kontrolle zu bringen, das man halt weiß, wie schiebt er, wie reagiert er, das ist das größte Problem. Aber ansonsten von den Geschwindigkeiten, von den Lenkpunkten, von den Bahnen ist es das gleiche wie beim Rodeln. O-Ton 8 Sandra Kiriasis Wie wenn ich ein neues Auto hab, so als wenn man vom normalen Auto auf den Bus umsteigt. Ich sitze jetzt und sehe alles aus einem anderen Blickwinkel. SPRECHER Susi Erdmann und Sandra Kiriasis wissen, wovon sie reden. Die beiden wechselten als erste Weltklasse-Rodlerinnen in Deutschland im Jahr 2000 zum Bob. Schließlich feierte der Frauen-Bob 2002 Olympia-Premiere. Der Disziplinwechsel fiel den beiden Rodlerinnen nicht schwer: Sie kannten weltweit alle Eiskanäle und konnten im Bob schnell Erfolge einfahren. Inzwischen kommt es seltener vor, dass Rodler zu Bobfahrern werden. Je höher das Niveau der Weltspitze im Bobsport steigt, desto eher greifen Trainer auf athletisch ausgebildete Sportler – vor allem auf Leicht-athleten - zurück. Atmo 4: Kraftraum O-Ton 9 Ich bin Richard Ajej, bin in der deutschen Bobnational-Mannschaft. Ich bin ausgebildeter Bobpilot und Anschieber. Der Reiz ist einfach, dass man im absoluten Powerbereich ist. Man hat so viele Aufgaben: Man ist nicht nur Anschieber, man muss Mechaniker sein. SPRECHER Der Deutsch-Ghanae Richard Ajej ist 1,90 Meter groß, 110 Kilogramm schwer und gelernter American-Footballspieler. Ein echtes Kraftpaket. Wegen seiner Muskelkraft ist der 30jährige bestens geeignet für das Bob fahren. O-Ton 10 Dann kommt zum Schlitten das Anschieben, schnell zu sein, technisch gut zu sein auf dem Eis ist schwierig und im Schlitten mitzufahren und nicht wie ein Sandsack hin und her zu fliegen. SPRECHER Bobfahrer – wie auch Rodler - sollten ziemlich Tempo-verliebt sein. Meint Nachwuchsfahrer Darius Köhne aus Winterberg: O-Ton 11 Das macht super viel Spaß, den Eiskanal mit 130 runterzuballern, links und rechts alles verschwommen zu sehen, und sich drauf konzentrieren zu müssen, da richtig runter zu kommen. MUSIK 1: Depeche Mode: “Walking in my Shoes” (0-25 Sek.), 1993, LC 5834 SPRECHER Sein Meisterstück gelang Richard Ajej 2010. Im berüchtigten Hochgeschwindigkeits-kurs von Whistler bei Vancouver raste er als Anschieber von Thomas Florschütz mit Tempo 150 zu Olympiasilber! O-Ton 12 Ajej Zweierbobs sind wie Sportwagen, sehr schnell, aber auch unruhig zu fahren - und körperlich halt sehr anstrengend. Die meiste Zeit ist man im Kraftraum oder beim Sprinttraining, um schneller zu werden und noch zwei drei Hundertstel rauszuholen. SPRECHER Bobfahrer brauchen vor allem Schnellkraft in den Beinen. Sie laufen 45 Meter an, um den Bobschlitten auf Höchstgeschwindigkeit zu bringen. Entsprechend oft schinden sich - Piloten gemeinsam mit den Anschiebern - im Kraftraum. Atmo 5: Rodel im Eiskanal SPRECHER Rennrodler machen zwar auch Krafttraining, doch sind sie eher schlanke und leichtere Athleten. Schließlich besteht ihre Startphase nur aus einem kurzen Abstoßen mit den Armen! Meistens wiegen sie zwischen 75 und 85 Kilogramm. Die Besonderheit von Doppelsitzern; die in Deutschland höchstens zwei bis drei Dutzend Rodler steuern: Die Positionen werden nach Gewicht verteilt, berichtet Weltmeister Tobias Arlt, der mit Tobias Wendl ein Duo bildet. O-Ton 13 Der schwerere und größere liegt oben einfach wegen der Gewichtsverteilung. Er ist sechs, sieben Zentimeter größer als ich und von Hause aus zehn Kilo schwerer. Da muss ich mich nicht viel einbremsen, da schaut schon jeder drauf, dass das Gewicht passt. SPRECHER Wer sich auf den Doppelsitzer einlässt, verbringt viele Jahre zusammen mit einem Rennpartner. Es dauert lange, bis beide ihre motorische Feinabstimmung finden. Dazu ist völliges Vertrauen und blindes Verstehen nötig - vergleichbar mit einer Zweierseilschaft in gefährlichem Fels. Stürze kommen auch bei Doppelsitzern vor. Der Schlitten kann durch den höheren Schwerpunkt eher umkippen als das Sologerät. Anders als beim Bob, lenken beide Rodler zugleich durch den Eiskanal: O-Ton 14 Arlt Wir sind ja beide Piloten, ich kann ja genauso auf den Schlitten zugreifen wie der Tobi oben, er sieht etwas mehr, ich habe dafür mehr das periphere Sehen und liege direkt auf dem Schlitten und kann mit meinen Körpereindrehungen mehr bewirken als der Tobi oben drauf mit seinen Körpereindrehungen bewirken kann, weil ich den direkten Kontakt zum Schlitten habe. Atmo 6: Start-Ansage Rodeln SPRECHER Mit der Zeit ist der eine Rodler ganz auf seinen Kollegen geeicht. Die Kehrseite der Medaille: seine Unersetzlichkeit. Das wissen die beiden 26jährigen Bayern Tobias Arlt und Tobias Wendl. Sie teilen sich schon 13 Jahre den Doppelsitzer. O-Ton 15 (T. Arlt) Einen Ersatzpartner gibt es nicht, man fährt schon Jahre lang zusammen. Es heißt ja: „Never change a winning team“. Warum sollte man tauschen, wenn es gut läuft? Und wenn einer verletzt ist, muss der andere pausieren. Das war 2007 so. Da hat sich der Tobi die Achillessehne zum Beispiel gerissen, dann bin ich ein bisschen „Einer“ gefahren. SPRECHER Kein Wunder, dass Rodler selbst dann auf den Schlitten steigen, wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind. Husten und Schnupfen tun sie als Lappalien ab! O-Ton 16 (S. Benecke) Ein Rennen würden wir, solange uns kein Hubschrauber holt, niemals absagen. Wir sind schon mit einigen Leiden gefahren, das kann man auch irgendwo ein bisschen kompensieren. Es ist nicht immer jeder 100% fit drauf. Da ist man ein kleines bisschen schlechter, das heißt aber nicht, dass man deswegen ein Rennen absagen muss. SPRECHER Bobfahrer kennen solche Zwangslagen nicht, berichtet Nachwuchsfahrer Tristan Schnorbus aus Winterberg: O-Ton 17 Im Zweier nimmt man immer den stärksten Anschieber. Das kann sich in der Saison natürlich mal ändern durch Verletzungen oder Ähnliches. Da gibt es zu Anfang der Saison immer so einen zentralen Leistungstest, da wird immer ermittelt, wer den besten Leistungsstand momentan hat. (..). Normalweise steht das Team dann für die ganze Saison. Es sei denn, aus einem Team sind zwei oder drei Leute verletzt. Dann hilft schon mal ein anderer Pilot mit der zweiten Garde aus. SPRECHER Im Unterschied zum Doppelsitzer gibt es im Bob eine klare Arbeitsteilung von Anschieber und Pilot. O-Ton 18 (Tristan) Vor dem Start wird sich nicht groß abgesprochen. Der Pilot braucht beim Start seine Ruhe. Der geht für sich noch mal die Bahn durch, das sieht man auch immer sehr schön bei den Piloten. Die sind dann wie in Trance und gehen dann noch mal die Kurven durch und die Lenkpunkte. Und für den Anschieber ist am Start wichtig die nötige Aggressivität. Die ganzen Abläufe werden im Training besprochen, wir haben auch ne Anschubstrecke für den Sommer. Da werden die Starts geübt. SPRECHER Nach dem Einstieg in den Bob macht sich der Anschieber ganz klein, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten – ähnlich wie beim Rennrodeln. Doch nur der Pilot lenkt den Bob. Dem Anschieber bleibt am Ende der Fahrt eine Restaufgabe. Lisette Thöne: O-Ton 19 Viele denken immer, dass man sich in den Kurven reinlegen muss. Da wir aber selbst nicht sehen, wo wir gerade sind, können wir es gar nicht. Aber mein zweiter Job ist, halt am Schluss zu bremsen. Ich muss ungefähr wissen, wo ich bin und wissen, wo die Bahn zu Ende ist. Dann muss ich bremsen, damit wir entweder nicht irgendwo runterfahren oder raus fahren aus der Strecke. SPRECHER Der Bob-Pilot hat eindeutig das Sagen: Er engagiert mehrere Anschieber, um erfolgreich durch die Saison zu kommen, O-Ton 20 (Braun) Hauptsächlich der Pilot, der sagt: „Bei dem und dem Rennen hast du den Einsatz!“ Und ich muss organisieren, wie ich da hinkomme. Der Pilot arrangiert sich meist auch mit den Sponsoren, hat damit auch die Finanzhoheit und bezahlt den Bremsern auch den Weg zum Trainingsort wieder nach Hause, die Übernachtung und solche Dinge. Er ist am Ende wie ein kleiner Selbständiger. Atmo 7:_Bob rattert im Eiskanal SPRECHER Als kleine Selbständige sieht sich Josefine noch lange nicht! O-Ton 21 Ich fahre Bob, bin Josefine Müller, bin 18 Jahre alt und bin Pilotin. SPRECHER Die Schülerin aus Winterberg freut sich, dass sie bereits die Lenkseile des Bobs in die Hand nehmen darf. O-Ton 22 Josefine Man kann selbst fahren, das ist echt spannend vorne. Ich habe auch nicht so den Reiz, hinten drauf zu fahren. Es macht mehr Spaß vorne. (..) Man hat nicht viel Zeit an den Lenkseilen, die man benutzt, um den Bob zu lenken. Das ist sehr nah aneinander, das Richtige und Falsche zu tun. SPRECHER In Winterberg und anderen Bobzentren werden Jugendliche schon früh an die Pilotenrolle herangeführt. So war es auch bei dem 20jährigen Tristan Schnorbus. O-Ton 23 Ich komme nicht, wie die meisten Anschieber aus der Leichtathletik, das gibt es hier oben bei uns nicht, ich musste mir die athletischen Grundlagen von Grund auf erarbeiten. Ich hatte kein höheres Kraftniveau durch Leichtathletik oder so, wie das viele haben, die vom Diskuswurf kommen. Die sind schon eher ausgebildet. Da man hier die Bobbahn vor der Nase hat, ist für die Einheimischen die Pilotenlaufbahn eher das übliche. Atmo 8 Monobob/ Trainer-Anweisung: „Ganz entspannt, bis du so weit Kim?“ SPRECHER Kim ist Bob-Neuling. Gerade einmal 16 Jahre alt, eine Sprinterin aus Wiesbaden. Sie fährt zum sechsten Mal in ihrem Leben im Eiskanal von Winterberg. O-Ton 24 Ich finde die Geschwindigkeit das Unglaubliche, ich sprinte ja, das ist ja auch relativ schnell, aber nicht so schnell wie beim Bob.Wenn man die Bahnbegehung macht, versteht man das noch alles. Aber sobald man drinsitzt, geht das so schnell, dass man vom Kopf her nicht mehr mitkommt, wenn man das das erste oder zweite Mal macht. SPRECHER Die gelernte Einzelsportlerin Kim übt - zunächst alleine - unter Aufsicht ihres Bob-Trainers Rene Spieß. Ihr Übungsgerät nennt sich Monobob. O-Ton 25 (R,. Spieß) Wir haben den Mono-Bob gewählt, weil er mehrere Vorteile hat. Erstens ist er viel leichter als der Bob, er ist auf jeden Fall immer noch schwer rein zu heben, aber man hat immerhin 50kg Ersparnis an Gewicht. Dann braucht man keinen Anschieber. Und vom Fahren ist es so, dass sich dieses Modell ähnlich fahren lässt wie ein Zweierbob. SPRECHER Ob Kim später einmal Pilotin oder Anschieberin wird, ist noch völlig unklar. Erst allmählich stellt sich heraus, ob Kim und ihre Kolleginnen wirklich das Zeug zur Pilotin haben. Schließlich geht es darum, ein Team zu leiten, weiß Richard Ajej. O-.Ton 26 Man hat immer die Verantwortung für die Leute, die hinter einem sitzen. Und das ist ein großer Druck, das ist schon sehr anstrengend. Da ist man nach vier Fahrten müde und mental fertig nach, danach kann man eigentlich nichts mehr machen. Atmo 9 ( Musik) „Rückwärtslauf - ganz harmonisch laufen sie“ (Hans-Joachim Rauschenbach beim Olympia-Live-Kommentar 1964 in Innsbruck) SPRECHER Ganz anders stellt sich die Welt der Eislauf-Duos dar. Da geht es weder um Tempo 150 noch um Hundertstelsekunden. Die Gefahren sind eindeutig geringer. Und Paarläufer können sich etwas mehr Zeit nehmen, um ihre Bewegungen aufeinander abzustimmen. Dazu Eislauf-Trainerin Ibolya Rospert O-Ton 27 Wenn Musik und Rhythmus da ist, fühlt man schon selber, wie man mitgehen muss. Bei Hebungen gibt meist der Partner den Rhythmus an und sagt entweder „hepp“ oder „hopp“, auch bei den Pirouetten werden kleine Kommandos gegeben. SPRECHER Während sich die Athleten im Bob und Rodel nur vor und nach dem Rennen absprechen, passiert das im Eislauf auch zwischendurch. O-Ton 28 (Rospert) Meistens spricht man miteinander, während man läuft, guckt sich gegenseitig an, auch wenn man so ganz verträumt den anderen anguckt, trotzdem spricht man miteinander. „Jetzt müssen wir bisschen mehr Gas geben. SPRECHER Paarläufer müssen viel mehr im Blick haben als Solisten auf dem Eis, sagt Christian Nüchtern, der zusammen mit Chari Koch deutscher Juniorenmeister wurde. O-Ton 29 Rein technisch ist es natürlich, denke ich, auch schwieriger, wenn man zu zweit läuft. Man muss alles quasi doppelt koordinieren, man muss nicht nur für sich laufen, sondern muss auch auf den Partner achten. Insgesamt ist es einfacher, jede Bürde kann man zu zweit tragen. Wenn ein Partner zum Beispiel erkältet ist, sagt man das vorher im Training, und dann kann man sich eben drauf einstellen und den kranken Partner oder die Partnerin unterstützen. Die Haltung unterstützen oder ein bisschen mehr Kraft im Training einsetzen. SPRECHER Das Besondere am Paarlauf: Es geht nicht um Bestzeiten als Erfolgskriterium, sondern um ästhetisch vollendete Eislauf-Figuren – eine Interpretationssache! Nicht selten bewertet der eine Paarläufer das, was sie gemeinsam auf dem Eis zeigen, ganz anders als sein Gegenüber. Chari und Christian beschreiben es so: O-Ton 30 (Christian) Wenn man die Programme durchläuft, steht man ja unter Adrenalin, natürlich kommt auch weniger Sauerstoff oben an, das fühlt sich und hin und wieder auch unterschiedlich an – bei den beiden Partnern und auch beim Trainer. Dass es ganz anders aussah, als es sich angefühlt hat. Und dadurch entstehen schon mal Konflikte, dass man so von dem überzeugt ist, was da gerade passiert ist, aber es ist nicht der Realität entsprechend. O-Ton 31 (Chari) Das kann ich nur bestätigen, was Christian gesagt hat. Wenn man technische Elemente übt, kann die Meinung auseinander gehen. Da kann einer sagen: „Für mich war es gut!“ Da sagt der andere: „Hmm? Für mich war es nicht so bequem.“ Da sagt der Trainer: „Das muss auch nicht bequem sein, das muss richtig sein!“! SPRECHER Drehen sich die Gespräche zu oft um Fehler, kann es schließlich Streit geben. O-Ton 32 (Chari) Es liegt einfach daran, dass man was erreichen will. Und wenn es nicht so klappt, wird man halt sauer und frustriert. Wenn man es 25mal probiert und es nicht klappt, dann kommen schon mal die Schuldzuweisungen. „Du musst es so und so machen!“ „Nein, mache ich doch!“ SPRECHER Die Düsseldorfer Eislauf-Trainerin Ibolya Rospert kennt das Problem zu Genüge! O-Ton 33 Streitfälle gibt es schon. Das ist besser, dass der Trainer das schlichtet. Dann wird sich gegenseitig beschuldigt. Der Partner beschuldigt die Partnerin: „Du hast ein halbes Kilo zugenommen.“ Die Partnerin beschuldigt ihn: „Du hast schlecht geschlafen!“ So wie man in der Ehe streitet. O-Ton Christian 34 Ja natürlich gibt es das, das ist eigentlich völlig falsch. Bei uns gibt es das auch. Ich denke, wir sind auch ein bisschen älter geworden, das hat sich in den letzten Monaten und Jahren gelegt. Atmo 10: Bob im Eiskanal SPRECHER Streit kommt auch bei Bobfahrern vor, weiß Trainer Rene Spieß. O-Ton 35 Die Reibungspunkte kommen natürlich in Phasen, wo der Erfolg nicht da ist, wo der Pilot unzufrieden ist mit der Anschubleistung des Anschiebers. Oder umge-kehrt, der Anschieber Top-Leistungen bringt und der Pilot halt nicht die Linie findet und jeden Lauf „wegschmeißt“. Da kommt es drauf an, wie gut ist die Bindung, was sind das für Charaktere? Das ist wie in anderen Sportarten auch. SPRECHER Dicke Luft entsteht ebenfalls, wenn ein Bobpilot den Anschieber des Konkurrenz-teams abwirbt, indem er ihm mehr Gage zahlt. Wenn der Streit eskaliert, kann es zu Handgreiflichkeiten kommen! Atmo 11 Musik zur Eislauf-Kür SPRECHER Wie Konflikte ausgetragen werden, hängt auch vom Temperament der Beteiligten ab. Sport-Duos sollten deswegen nicht nur aus heißblütigen Menschen bestehen. O-Ton 36 Rospert Meistens so, dass einer der Partner ein bisschen ruhiger Typ ist - und der andere temperamentvoller. Dann gleicht sich das aus. Wenn beide temperamentvoll wären, dann würden die sehr viel streiten. Da muss einer nachgeben können. SPRECHER Eins ist sicher: Auch zwei eher zurückhaltende Naturen sind nicht automatisch erfolgreicher, sagt Chari Koch mit Blick auf die unterschiedlichen Eislaufprogramme. O-Ton 37 Die, die so lieb und nett sind - so sieht das Programm auch aus: „lieb und nett“, und langweilig! SPRECHER Anders als Bob- und Rennrodel-Paare haben Eislauf-Duos gelegentlich auch eine ganz enge private Beziehung. Wie wäre es für Chari und Christian, sich 24 Stunden am Tag zu sehen? O-Ton 38 (Chari) Ich glaube, dass es schwer ist, aber es gibt ein Paar - ein deutsches-, das ist miteinander verheiratet. Die kommen damit gut klar. Christian Bei uns wäre die Scheidung vorprogrammiert. Das liegt jetzt nicht daran, dass wir uns abstoßend finden. Es passt nicht, wir haben jeweils unsere Partner, das ist alles okay so. Man kann das so sehen: Wir sind eher wie Bruder oder Schwester, aber wir sind auch irgendwie Kollegen. SPRECHER Chari und Christian haben schon einige Höhen und Tiefen erlebt. Gerade waren sie dabei, sich auf den nächsten sportlichen Höhepunkt vorzubereiten - die Olympischen Winterspiele 2014. O-Ton 39 (Christian) Wir hatten drei Quali-Wettbewerbe. Bei zweien haben wir die Punktzahl nicht erreicht, und beim dritten konnten wir nicht starten, da sich bei Chari noch ne kleine Verletzung eingestellt hat. Da war die Olympiasaison quasi gelaufen. Atmo 12: Eiskanal SPRECHER Ganz anders steht es um das Rodel-Duo Tobias Arlt und Tobias Wendl. Der so ge-nannte „Bayern-Express“ eilt in der Olympia-Saison von einem Weltcup-Sieg zum nächsten. Als Favoriten für Sotschi nehmen sie das Wort „Medaille“ trotzdem nicht in den Mund! O-Ton 40 (Arlt) Wir wollen auf jeden Fall zwei ordentliche Läufe ins Ziel bringen, die Trainingsvorbereitungswochen sind gut gelaufen, wir sind zufrieden mit dem Material, im Februar sind andere Wetterbedingungen und da müssen wir schauen, dass wir das richtige Material dabei haben. SPRECHER Egal, wie gut sie ihren Rodel in Sotschi steuern: Für die beiden 26jährigen wird es kaum die letzte Olympiateilnahme sein. Duos im Eiskanal können durchaus mit über 30 Jahren noch zur Weltspitze gehören. Bestes Beispiel dafür ist der Bob-Bundestrainer Christoph Langen. Dazu der ehemalige Anschieber Falk Schade. O-Ton 41 Wobei gerade das Beispiel Christoph Langen ein glänzendes ist, weil er Zehnkämpfer war und dann von der Anschieberposition auf die Pilotenposition gewechselt ist, was natürlich den immensen Vorteil hatte, dass quasi die Pilotenposition athletisch kein Ausfall war. Und er war selbst ein vollwertiger Anschieber. Das bedeutet noch mal bessere Startzeiten. SPRECHER Christoph Langen holte 2002 im Zweierbob sein zweites Olympiagold - mit knapp 40 Jahren. Er ist nicht der einzige. Auch Einzelrodler können mit fast 40 auf dem Podest stehen – siehe Rodel-Legende Georg Hackl und der noch immer aktive Italiener Armin Zöggeler. Die Frage, ob Karrieren im Doppelsitzer länger dauern als bei Solisten, lässt sich nicht beantworten. Es hängt ebenfalls davon ab, ob Sportler von schweren Verletzungen verschont bleiben und mit den Risiken ihrer Sportart klar kommen. Das Beispiel von Falk Schade: O-Ton 42 Letztlich haben wir uns beim Fahren dann häufiger verletzt. Der eine trat dem an-deren beim Einsteigen mit den Spikes in die Waden, oder man saß ungünstig im Bob drin und holte sich blaue Flecken an der Schulter. Solche Sachen verhinderten im Anschluss daran das Training in der nächsten Woche. Atmo 13: Eislaufmusik SPRECHER Stürze und Verletzungen gibt es auch im Eiskunstlauf. Weil die Athleten das von klein auf kennen, hört deswegen so schnell keiner auf. Vor allem nicht, wenn man sich zu dem mausert, was das Publikum „Traum-Duo“ nennt. Das heißt, wenn sich zum Erfolg noch ein gewisser „Glamour“ gesellt. In Deutschland gibt es immer wieder solche Traum-Verbindungen, die sehr viele Zuschauer begeistern. Gegenwärtig sind es die vierfachen Weltmeister aus Chemnitz, Aljona Savchenko und Robin Szolkowy. Deutsche Traum-Eispaare haben eine lange Tradition. Bereits Anfang der 1950er holten die Eheleute Ria und Paul Falk Europa- und Weltmeistertitel. O-Ton-43 Live-Kommentar 1952 in Oslo Das Ehepaar Falk ist hinüber gegangen zum Olympischen Podest. Ria Falk steht jetzt auf der höchsten Stufe. (Applaus) So klatscht Oslo unseren Sportlern zu. SPRECHER Die beiden Düsseldorfer krönten 1952 in Oslo ihre Karriere mit Olympia-Gold. Zwölf Jahre später entwickelten sich Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler zu absoluten Sportgrößen der Bundesrepublik. Die beiden Idole schmückten häufig die Titelseiten des Boulevards, obwohl - oder gerade weil - sie privat getrennte Wege gingen. Bis zu 21 Millionen Menschen bestaunten ihre Eislaufküren im Fernsehen - was kein Rennrodler und Bobfahrer der Welt jemals erreichte! Als Favoriten der Winterspiele in Innsbruck ließen Kilius und Bäumler etwas voreilig Autogrammkarten mit dem Titel „Olympiasieger 1964“ drucken. Auf dem Eis reichte es dann nur für Silber. Das Duo reagierte damals genervt: Archiv-O-Ton 44/ (1964) (Kilius) Wir hatten einen Nachteil, hier mussten wir als Nummer Zwei starten. In Grenoble war es besser, wir sind direkt hinter den Russen gelaufen.(Bäumler) Wären wir direkt nach den Russen gelaufen, wäre bestimmt aufgefallen, dass wir sechs Hebesprünge mehr hatten - drei Sprünge mehr! SPRECHER Die besagten Russen waren die Goldmedaillen-Gewinner Ludmilla und Oleg Protopopow. Atmo 14: (mit Musik unterlegt) Originalkommentar v. H. J. Rauschenbach zur Olympiakür der Protopopows O-Ton 45 „Der 31jährige Student hat seine Frau fest im Arm, läuft jetzt rückwärts, weit zurück das Spielbein bei beiden zur Paarlauflibelle auf der Stelle gedreht. SPRECHER Ihr Olympiasieg liegt schon fast 50 Jahre zurück. Aber noch immer drehen die beiden Protopopows begeistert ihre Runden auf dem Eis, weiß Eislauftrainerin Ibolya Rospert: O-Ton 46 Ludmilla und Oleg Protopopow sind inzwischen fast 80 Jahre alt und laufen immer noch Eis! Es ist die Begeisterung. Es ist schon ein sehr schönes Gefühl, auf dem Eis zu schweben. Ich denke schon, dass man das Gefühl, so lange es geht, beibehalten möchte. SPRECHER Das Gefühl zu schweben, begeistert auch Chari Koch und Christian Nüchtern. Gleichwohl schauen beide recht skeptisch in die Zukunft. Gerade einmal 20 und 21 Jahre alt spüren sie bereits den körperlichen Verschleiß! O-Ton 47 (Christian) Wir haben keinen Vier-Jahres-Plan, wir denken einfach von Jahr zu Jahr. Wir müssen sehen, was unsere Gesundheit macht. Ich denke, der Sport macht den Körper auch ziemlich kaputt. Wir müssen auch die Ausbildung im Auge behalten. Und wenn man sieht, man kommt nicht mehr mit beidem klar, bei dieser dualen Karriere, dann muss man eins aufgeben. SPRECHER Mit Eislauf-Solisten würden sie dennoch nicht tauschen! O-Ton 48 (Christian) Einzelläufer sind viel mehr auf sich fokussiert, die wird auch nicht so viel geredet, die machen ihre Sprünge. Da ist auch die Kommunikation nicht so intensiv wie im Eistanz und Paarlauf, man lernt fürs Leben, wie man später mit einem privaten Partner umgehen soll. Man lernt die Konfliktlösung! SPRECHER Schöner hätte es ein Paar-Therapeut nicht sagen können! MUSIK 2: Hoop Dreams (Original Motion picture Soundtrack). St. 13 Sweet Dreams, 1994, LC 6713, 3:44 Min. Länge bis Wortende 26:13 Minuten 1 1