COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Länderreport, 19.11.2010 Hollywood in der Heide - Die Bendestorfer und ihre Filmgeschichte Autorin: Silke Lahmann-Lammert Red.: C. Perez Anmoderation: Nach dem Krieg lag Hollywood - oder zumindest eine Zweigstelle davon - in der Lüneburger Heide: Ein kleiner Ort namens Bendestorf war damals eine der wichtigsten Filmproduktionsstätten in Deutschland. Zarah Leander, Marika Rökk, Johannes Heesters und Hildegard Knef: Sie alle haben in der Nordheide gedreht. Heute erinnert nur noch ein Museum an die glanzvolle Zeit. Und die Filmstudios, die Ende der 1940er Jahre gebaut wurden. Aber die sollen jetzt abgerissen werden. Die Erlaubnis dazu will der Gemeinderat in Kürze erteilen. Damit scheint das Ende der Film-Ära in Bendestorf besiegelt - ausgerechnet zur Geburtstagsfeier des Studiogründers Rolf Meyer, der in diesem November 100 geworden wäre. Silke Lahmann-Lammert blickt in ihrer Reportage über die Bendestorfer und ihr kulturelles Erbe zunächst einmal zurück - in die Zeit, als in der Nordheide noch Leinwandträume produziert wurden: Musik 1: Rökk/Heesters: Machen wir's den Schwalben nach Ich warte auf das große Wunder tralala, von dem man so viel spricht. In Wirklichkeit ist alles anders tralala, die Wunder kommen nicht. (Musik runterblenden). Atmo 1: Blättern in Photos ... O-TON 1: Becker Hier ist er in Italien. Mit Vico Toriani. Das ist mit Marika Rökk... Waltraud Becker blättert in einem Stapel mit alten Photos und Zeitungsausschnitten. Die 74-Jährige gehört zu den Bendestorfern, die sich noch gut an die Zeit erinnern, in der Filmstars durch die Straßen flanierten. Sie nimmt eine braunstichige Aufnahme mit Zackenrand zur Hand. Im Vordergrund lächelt Marika Rökk ihr Divenlächeln in die Kamera. Dahinter haben sich etwa 20 Männer postiert, manche von ihnen in Filmkostümen. O-TON 2: Becker Das ist eben die ganze Crew, die dann bei diesem Film - ich glaube, das war Csardasfürstin - mitgemacht hat. Musik 2: Rökk/Heesters: Machen wir's den Schwalben nach Ich denke mir die Ehe himmlisch, tralala, so immerfort zu zwein. Das ist gewöhnlich nur am Anfang, tralala, dann ist man gern allein. Waltraud Becker zieht das Portrait eines schlanken jungen Mannes hervor: O-TON 3: Becker Mein Vater ist ja gleich 1948 beim Film angefangen zu arbeiten. Erstmal wurden die Hallen gebaut und dann ist ja 48 auch gleich mit dem Drehen angefangen worden. Atmo 1: Blättern in Photos ... O-TON 4: Becker Hier.... Mein Vater hat praktisch alles gemacht. Der hat die Klappe geschlagen, wie man hier sehen kann, der war Beleuchter, der hat die Requisiten angebracht. Ja, und wir haben eben auch Komparse ganz, ganz viel gemacht. Mein Bruder, meine Mutter und ich. Meine Mutter hat an die Filmleute hier noch vermietet. Wir hatten dann gleich das Glück nen kleines Häuschen kaufen zu können, nachdem wir von Schlesien hierher gekommen sind. Und so haben wir dann alle vom Film gelebt, ne. Gott sei Dank! Atmo 2: Schritte auf steiniger Straße (bis Ende O-TON 5) Von Waltraud Beckers Haus bis zum Filmgelände sind es nur wenige hundert Meter. Unzählige Male ist sie diesen Weg als Kind gegangen. O-TON 5: Becker Wir haben die Marika Rökk morgens gesehen, wenn sie vom Hotel hierher ging. Ungeschminkt! Sah etwas anders aus (lacht). In der Auffahrt des Filmgeländes bleibt Waltraud Becker stehen und betrachtet mit prüfendem Blick die langgestreckten Gebäude: O-TON 6: Becker Im Grunde genommen hat sich eigentlich nicht viel verändert. Von den Bauten her. Auf dem schmalen Hof, der früher voller Menschen war, ist es still. Links liegt der Verwaltungstrakt, in dem ein Tonstudio Räume gemietet hat. Rechts erstrecken sich die hohen, schlichten Gebäude, in denen die Filmateliers untergebracht sind. Mit ihren blauen Türen und Fenstern und dem verwitterten Rauputz wirken sie wie Fabrikhallen, in denen die Produktion zum Erliegen gekommen ist. O-TON 7: Becker Es fehlt Farbe und was weiß ich alles. Also da muss - müsste - doch einiges gemacht werden. Und das ist wohl auch der Grund, dass es jetzt abgerissen werden soll. Was viele, viele Bendestorfer doch bedauern werden und bedauern. Ich auch! Atmo 2: Schritte (beginnen schon unter vorangehendem O-Ton) Nicht weit entfernt vom Filmgelände liegt der "Meinsbur". Ein edel restauriertes Hotel im Reet-gedeckten Bauernhaus. Hier logierten während der Dreharbeiten die Filmstars. Atmo 3: Türöffnen der schweren Hoteltür, Schritte in den Innenraum ... Atmo 4: Restaurantgeräusche (liegt unter folg. Moderationen... ) Wo Peter Lorre, Zarah Leander und Gert Fröbe sich nach getaner Arbeit ein Gläschen Wein genehmigten, haben sich jetzt die Leiter des Filmmuseums, Monika Götz und Walfried Malleskat, niedergelassen. O-TON 8: Götz Ich weiß natürlich noch, als Frau Knef hier war, da hatte man den Eindruck, sie schwebte 20 Zentimeter überm Boden. Heute halte ich es für Unsicherheit, denn sie war ja damals auch noch recht jung. Ähnlich wie Waltraud Beckers Biographie ist auch der Lebensweg von Museumsleiterin Monika Götz eng mit der Bendestorfer Filmgeschichte verbunden: 1948 zieht sie mit ihren Eltern aus Ostberlin nach Sevetal. Ihr Vater, früher Filmvorführer bei der Tobis, findet Arbeit in den Bendestorfer Studios. Oft darf seine Tochter ihn ans Set begleiten. Auch 1949, als Willi Forst "Die Sünderin" dreht. Ein Drama, das im prüden Nachkriegsdeutschland für einen Skandal sorgt. O-TON 9: Götz Und alles wisperte und raunte: Da geht die Knef. Sie ging neben ihrem Ehemann, damals noch der Deutschamerikaner mit dem Namen Hirsch. Was die Atelierarbeiter immer veranlasste zu sagen, wenn die beiden ins Studio kamen, da kommt Ehepaar Knirsch. O-TON 10: Filmausschnitt Die Sünderin Was war mir nur eingefallen, dich in meine Wohnung zu bringen? Wie kam ich dazu? Musik 3: Musik aus "Die Sünderin" (beginnt unter vorangehendem O-Ton, liegt unter folg. Text) Hildegard Knef spielt in der "Sünderin" eine Prostituierte, die ihrem todkranken Geliebten, einem Maler, eine Überdosis Veronal verabreicht und sich anschließend selbst das Leben nimmt. Aus Sicht der katholischen Kirche gleich drei Verstöße gegen christliche Gebote: Käuflicher Sex, Sterbehilfe und Selbstmord. In einem Hirtenbrief ruft der Kölner Kardinal Joseph Frings dazu auf, die Vorstellungen zu boykottieren. Vergebens: Das Publikum steht Schlange, um die erste Nacktszene der deutschen Filmgeschichte zu sehen. O-TON 11: Filmausschnitt Die Sünderin Endlich konntest du auch im Freien malen. Ich lag im Gras, vor fremden Blicken geschützt durch einen großen Schirm. O-TON 12: Götz Überhaupt die angeblich so berüchtigte Szene. Ich weiß noch, wir waren gerade in Bendestorf und hatten meinem Vater, hatten ihm irgendwas vorbeibringen wollen. Und da war das ganze Studiogelände plötzlich so leer und ruhig. Und fast wie ausgestorben. Und dann sagte uns der Pförtner: Ja, ja, in der kleinen Vorführung - also es gab ja hier so richtig nen kleines Kino, um die Muster anzuschauen - da läuft doch grad DIE SZENE! O-TON 13: Filmausschnitt Die Sünderin Die Sünderin nanntest du das Bild. Aber du meintest nicht mich. Phryne, die Sünderin der Antike maltest du. Sie wurde auch erst von ihren Richtern freigesprochen, als sie nackt und bloß vor ihnen stand. O-TON 14: Götz Und wir versuchten dann in die Vorführung zu kommen. Es war unmöglich. Also dies kleine - ich sag mal - Wohnzimmerkino, so richtig ne Leinwand mit zwei richtigen Kinoprojektoren im Vorführraum, aber das war so rappelvoll. Und schon der Zugang, der Flur, so voll. Und die in der hintersten Reihe standen, die hupften immer hoch, um mal nen Blick auf die Leinwand werfen zu können. Musik 3: Instrumentalteil aus "Die Sünderin" (hier nicht frei, liegt unter dem Ende des vorangehenden O-TONS und der folg. Moderation) Dem Filmproduzenten Rolf Meyer beschert der Skandalfilm einen seiner größten kommerziellen Erfolge. Musik 3: Instrumentalteil aus "Die Sünderin" (kurz hochziehen, dann unter folg. Moderation Kreuzblende mit Restaurantgeräuschen aus dem Meinsbur) Sechs Jahre vor der legendären Kinopremiere war der frühere Drehbuchautor der Berliner UFA aus der zerbombten Hauptstadt geflohen. In dem Heideort, den er aus friedlichen Zeiten kannte, fand er Unterschlupf. Nach Kriegsende gehört Meyer zu den wenigen Männern im Ort, die kein NSDAP-Parteibuch besitzen, und bringt es schnell zum Bürgermeister. Aber der Berliner will vor allem eins: Filme drehen. Weil die britischen Besatzer mit deutschen Leinwandwerken in erster Linie Hitlers Propaganda- und Durchhaltekino verbinden, gestaltet sich das allerdings schwierig, erzählt Walfried Malleskat. O-TON 15: Malleskat Die Alliierten, ganz besonders die drei Westalliierten, haben zunächst mal das Interesse gehabt, dass in Deutschland eigenständig überhaupt kein Film produziert wird. Das haben die Sowjets sofort konterkariert, indem sie eben halt die UFA zur DEFA gemacht haben. Und die DEFA hat im Grunde 1946 schon nahtlos weiterproduziert. Rolf Meyer hat es geschafft, die alliierten Besatzungsoffiziere zu überzeugen, dass man hier in den Westsektoren wieder anfangen kann mit der Produktion von Unterhaltungsfilmen. Am 1. April 1947 erteilen die Briten Rolf Meyer die Lizenz, in Bendestorf zu drehen. Noch im selben Jahr produziert er das Nachkriegsdrama "Menschen in Gottes Hand". O-TON 16: Malleskat Rolf Meyer hatte natürlich aufgrund seiner Erfahrung als Drehbuchautor Kontakte zu den professionellen Filmemachern. Zu guten Kameraleuten. Ganz besonders zu Filmmusikern. Und er hatte natürlich auch Kontakte zu den großen Stars. Mit Gustav Fröhlich war er befreundet, bekannt. Und Gustav Fröhlich hatte magnetische Kräfte. War nen großer Name und hat dann weitere große Namen nach Bendestorf geführt. Die ersten Filme dreht Meyer noch im Tanzsaal des Gasthauses "Schlangenbaum". 1948 beginnt er mit dem Bau der Studios: O-TON 17: Gunnar Möller Also ein tolles Atelier, gute Garderoben, kleines Wärterhäuschen vorne mit ner Schranke für die paar Parkplätze, aber Autos hatten wir sowieso keine. Der Schauspieler Gunnar Möller, heute 82, steht noch am Anfang seiner Karriere, als er in Bendestorf den Film "Taxi Kitty" dreht. O-TON 18: Möller In Hamburg waren die Atelierverhältnisse schlecht. Aber Bendestorf war eben Klein- Hollywood. Möller, der heute in Berlin lebt, hat einen Ausflug an den Drehort seiner Jugend gemacht. Jetzt sitzt er im Meinsbur und erinnert sich daran, wie sich allabendlich das Filmteam hier traf. Den Studioboss, Rolf Meyer, hat er nie zu Gesicht bekommen. Aber es war bekannt, dass der Chef der Jungen Film- Union Finanzprobleme hatte: O-TON 19: Möller Natürlich hat er also hin- und hergeschunkelt mit den Geldern. Aber das war damals üblich. Wie oft haben wir die Gage am letzten Drehtag bekommen. Und da haben wir schon drum gezittert. Die damalige Filmproduktion kann man mit ner Kaffeemühle vergleichen. Was unten rausgekommen ist, hat man schnell wieder oben reingesteckt. Damit man wieder an der Kaffeemühle drehen konnte. Am Set erzählte man sich aber auch, der Produzent neige zur Verschwendung. Gunnar Möller grinst bei der Erinnerung an ein Kissen, das Meyer für sein Direktorenzimmer anschaffen ließ - für damals unvorstellbare 200 Mark. So viel zur Schau getragener Luxus brachte Möllers Schauspielerkollegen Karl Raddatz auf die Palme: O-TON 20: Möller Karl Raddatz ist immer etwas aufbrausend. Und da stimmte irgend etwas nicht im Atelier. Also der stürmte rauf. Und dieses Kissen sah also Kalle Raddatz. Und haute das erstmal vom Sofa und sage: "Hier oben, so'ne Scheiße, alles Geld ist hier. Aber wir unten im Studio - da fehlt das und das". Und da sagte der Rolf Meyer zu ihm: "K- Karli, wir m-müssen heute alle improvisieren. Mir wär ja S-Spencer Tracy auch lieber a-als du." (lacht) Die Komödie "Taxi Kitty", in der Möller eine kleine Rolle spielt, ist ein typisches Beispiel für die Bendestorfer Filmproduktion. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, setzt der Studio-Chef von Anfang an auf leichte Unterhaltung. Zum Repertoire gehören Liebesromanzen, Heimat- und Revuefilme. Musik 4: Johannes Heesters: Machen wir's den Schwalben nach Machen wir's den Schwalben nach, bau'n wir uns ein Nest. Bist du lieb und bist du brav, halt zu dir ich fest ... (Musik runterblenden) Ende der vierziger Jahre ist die Erinnerung an den Krieg noch frisch. Trotzdem werden die Nazizeit, Fragen nach Schuld und Mitverantwortung, nicht thematisiert. Weder in den Drehbüchern, die Rolf Meyer verfilmt, noch in den Unterhaltungen der Filmschaffenden: O-TON 21: Möller Es wurde gar nicht darüber gesprochen. Es wurde also totgeschwiegen. Eigentlich. 20 Spielfilme realisiert Meyer zwischen 1947 und 1952. Dann kommt das Aus für die Junge Film-Union: O-TON 22: Malleskat Rolf Meyer war weniger kaufmännisch versiert. Um eben hier wieder weiter zu produzieren, hat er sich eingelassen mit nicht so seriösen Finanziers. Ich nenne nur die Fifi - die Filmfinanzierungs-GmbH. Dahinter standen ehemalige Schwarzmarkthändler, Schrotthändler, Margarine-Produzenten. Und die hatten eben gehofft, im Filmgeschäft ganz schnell den großen Reibach zu machen. Das ist so nicht eingetreten, die haben dann Druck gemacht. Rolf Meyer hat dann auch noch nen verheerenden Verkehrsunfall erlitten. Und wenn der erste Mann gesundheitlich ausfällt, dann sind die Probleme natürlich ganz schnell da. Und dann kam dieser wirtschaftliche Druck. Ja und das Ergebnis war, dass dann eben die Hauptbürgen, das Land Niedersachsen, Freie und Hansestadt Hamburg und Bundesrepublik Deutschland dann diese Junge Film-Union in den Konkurs haben gehen lassen. Völlig zu Unrecht hat die Pleite Rolf Meyers Ruf bis in die Gegenwart beschädigt, meint Monika Götz, die den Produzenten noch kennengelernt hat: O-TON 23: Götz Er hatte ja auch Visionen, die er ja auch zum Teil in dem Studio hat Wirklichkeit werden lassen. Also die Sache mit dem Portalkran. Weil man ja damals noch kein Zoom am Photoapparat hatte oder an der Kamera. Also er schwebte mit Portalkran auf die Deko zu und wieder weg. Und dadurch hatte man einen Zoomcharakter. Und das Wasserbecken in dem Studio. Atmo 2: Schritte auf steiniger Straße ... Der Portalkran ist längst abgebaut. Aber sonst erinnert noch vieles in den Ateliers an die Ära ihres Erbauers. Atmo 5: Filmgelände außen, Vogelzwitschern ... Hans-Joachim Fink hat seinen Wagen auf dem Gelände geparkt und die große Flügeltür zum Hauptatelier geöffnet. Der 45-Jährige betreibt die Studios in dritter Generation. Sein Großvater ist unmittelbar nach Meyers Konkurs ins Bendestorfer Filmgeschäft eingestiegen. O-TON 24: Fink Er hat aus dieser Situation heraus zuerst diese Gebäude gekauft, das Grundstück gepachtet. Und ich meine, Ende der 50er Jahre dann das Grundstück dazu erworben. Anders als der frühere Studioboss produzierte Hans-Joachim Finks Großvater selbst keine Filme, sondern vermietete die Hallen an wechselnde Produktionsfirmen. In den 50er und 60er Jahren ein lukratives Geschäft. Dann wuchs die Konkurrenz in Hamburg, und die Nachfrage ebbte ab. O-TON 25: Fink (Schritte) Wir betreten jetzt das Atelier 3. Das ist 1950 fertig gestellt worden. Das hat eine Gesamtgröße von 1000 Quadratmetern in der Grundfläche. Und eine sogenannte Bauhöhe, das ist die Höhe, die wir anbieten für sogenannte Filmdekorationen, von 10 Metern. Bis in den Dachstuhl sind es noch einmal weitere fünf. Also wir haben hier ungefähr 15.000 Kubikmeter Raumvolumen. Rings um die leere Halle zieht sich - wie ein Innenzelt - eine Konstruktion aus straff gespanntem Nessel. O-TON 26: Fink Im Moment ist da Blueboxfarbe drauf, das heißt: Es wurde hier mit virtuellen Hintergründen gearbeitet. Das war für eine große Werbefilmproduktion. Das ganze Gebäude ist natürlich tonfest. Auch schallabsorbierend. Hier unter uns das sind Verlegeplatten. Im Moment gehen wir jetzt auf den Bassinbereich zu. Gleich verändert sich auch hier der Klang unserer Schritte, das hören wir jetzt. Jetzt befinden wir uns über einem Wasserbassin, das hat 100 qm Größe, ist zwei Meter tief. Hier wurde unter anderem auch die Teichszene mit Hildegard Knef in der "Sünderin" verfilmt. O-TON 27: Filmausschnitt Die Sünderin (Wassergeräusche/Klatscher liegen unter vorangehendem Text) Und gleich strahlten deine Augen wieder! Ach, wie unsagbar glücklich wir waren. Spielfilme werden in Bendestorf nur noch selten gedreht. Gelegentlich buchen Firmen die Ateliers, um Werbespots zu produzieren. Den größten Teil des Jahres bleiben die Hallen jedoch ungenutzt. Was auch daran liegen mag, dass in den vergangenen Jahren kaum investiert wurde. An den Wänden der Produktionsbüros und Garderoben hängen noch vergilbte Filmplakate aus den 60er Jahren. Offenbar sind die Räume seither nicht modernisiert worden. Die Studios den heutigen Standards anzupassen, würde ein Vermögen kosten, meint Hans-Joachim Fink. O-TON 28: Fink Das ist eine alte Heizungsanlage, das sind alte elektrische Anlagen, alte Trafoanlagen, die entsprechen nicht mehr dem Stand der heutigen Zeit. Auch nicht den Anforderungen. Und da liegen die größten Probleme. Die Gebäudesubstanz ist zwar alt, aber die ist in Ordnung. Die macht's auch noch lange. Aber ich seh das größere Problem in der Technik. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis in Bendestorf die letzte Klappe fällt. O-TON 29: Fink Also ich strebe hier mit der Gemeinde Bendestorf und auch mit der Samtgemeinde Jesteburg eine Nutzungsumwandlung an. Was das für Bendestorf bedeutet, spricht Fink erst auf Nachfrage aus: O-TON 30: Fink Das heißt konkret, diese Halle wird abgerissen. Ein Investor soll an ihrer Stelle Mehrfamilienhäuser bauen. Dagegen regt sich in Bendestorf Widerstand. Allerdings nicht, weil die Bürger die Filmstudios erhalten wollen, sondern weil sie fürchten, die neue Architektur könnte ihr Dorfidyll verschandeln. Musik 1: Rökk/Heesters: Machen wir's den Schwalben nach Ich warte auf das große Wunder tralala, von dem man so viel spricht. In Wirklichkeit ist alles anders tralala, die Wunder kommen nicht. (Musik runterblenden). Der Gemeinderat hat signalisiert, dass er der Umwidmung des Geländes in Wohngebiet - Voraussetzung für eine Bebauung - zustimmen wird. Für die Mehrheit des Gremiums besitzen die Hallen keinen historischen Wert. Man habe ja das Filmmuseum eingerichtet, um das Bendestorfer Kulturerbe zu bewahren. Zu den wenigen Menschen im Dorf, die sich für einen Erhalt der Studios engagieren, gehören die Leiter des Museums, Monika Götz und Walfried Malleskat: O-TON 31: Malleskat Hier wurde Filmgeschichte geschrieben. Und man kann sich vorstellen, wenn man ein bisschen Phantasie und ein bisschen Intelligenz walten lässt, dass diese historische Architektur möglicherweise noch zu retten ist. Musik 5: Revuemusik instrumental aus "Sensation in San Remo" (unter folgendem Text und O-TON ...) Malleskat und Götz schlagen ein Mischkonzept aus Wohnbebauung und gewerblicher Nutzung vor: Sie sind überzeugt, dass die Hallen - äußerlich erhalten, aber entkernt und umgebaut - ein idealer Platz für kreative Gewerbe wären. Auch das Filmmuseum, das jetzt sein Dasein in einem winzigen Raum unter dem Dach des Gemeindehauses fristet, wäre auf dem Filmgelände besser aufgehoben. Mit Kinosaal und Gastronomie könnten die restaurierten Studios ein Anziehungspunkt für Ausflügler und Heidetouristen werden. Ein Ort, an dem die Bendestorfer Filmgeschichte weiterlebt und einen Hauch von ihrem Glamour bis in die Gegenwart versprüht. O-TON 32: Götz Ja, hübsche Heideorte haben wir viele hier in der Lüneburger Heide. Und das ist eben das Besondere an Bendestorf. Vielleicht hören es viele Bendestorfer nicht gerne, aber trotzdem: Also sie haben noch nicht verstanden, dass es nen bisschen ärmer ist hier, wenn die Studios weg sein sollten. Musik 5: hochziehen, Schlussakkord. 1