COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 14. März 2011, 19.30 Uhr Die Partei, die Partei, die braucht immer Geld Das Superwahljahr und die Parteienfinanzierung Von Martin Hartwig Musik Sprecher vom Dienst: Die Partei, die Partei, die braucht immer Geld Das Superwahljahr und die Parteienfinanzierung Eine Sendung von Martin Hartwig und Michael Brandt. Sprecherin: 500 Plakate Format A0 kosten zirka 600 Euro. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Alles beruht auf Steuereinnahmen des Staates. Zitator: Ein so genannter "Wesselmann" - ein 2,90 m mal 3,70 m großes Stellplakat im Wahlkampf kostet inklusive dreimaliger Beklebung etwa 500 Euro. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Das wird ja nicht alles billiger! Sprecherin: Kugelschreiber mit einfarbigem Aufdruck kosten, bei einer Abnahme von mehr als 5000 Exemplaren, etwa 20 Cent pro Stück. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Leider ist es natürlich auch so, dass wir ja dieses Geld ja gar nicht haben. Zitator: Ein Tagungsraum im Hotel Moosburger Hof in Pfaffenhofen, in dem letztes Jahr der Bezirksparteitag der SPD Oberbayern stattfand, kostet 200 Euro am Tag. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Und dass muss finanziert werden. Sprecherin: Die Ausrichtung des CDU-Bundesparteitages 2006 in Dresden kostete etwa 1,6 Millionen Euro. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Wir werden die Kasse dabei auf jeden Fall fest im Blick behalten. Sprecher: Politikmachen ist teuer, besonders in Wahlkampfzeiten- einerseits. Andererseits ist Politikmachen durchaus lukrativ - vor allem, wenn man bei Wahlen Erfolg hat. O-Ton: (Alemann) Zuschüsse des Staates werden einmal gewährt pro Wählerstimme. Die Parteien, die bei Wahlen erfolgreicher sind, bekommen für die ersten 4 Millionen Stimmen 85 Cent pro Stimme und ab 4 Millionen, das fördert ein bisschen die kleinen Parteien, ab 4 Millionen bekommen die Parteien 70 Cent. Sprecher: Ulrich von Alemann, Professor für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf. Von Alemann beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Entwicklung der deutschen Parteienlandschaft und war unter anderem Mitglied der Parteienfinanzierungskommission, die 2001, nach dem Schwarzgeldskandal der CDU, Empfehlungen für eine Reform des Parteiengesetzes vorlegte: O-Ton: (Alemann) Es gibt kaum ein Gesetz wie das deutsche Parteiengesetz, das so oft aufgrund der Intervention des Bundesverfassungsgerichtes geändert werden musste, weil tatsächlich immer wieder neue Schlupflöcher gefunden wurden. Geld ist wie Wasser, das sickert irgendwo wieder durch in der Parteienfinanzierung und dann ist eben wieder ein neuer Tatbestand aufgetaucht. In der Öffentlichkeit auch skandalisiert worden und dann hat so alle 5-10 Jahre das BVG dann wieder in einer Urteilsbegründung seine Entscheidung verschärft. Sprecher: Die Diskussion um die Finanzierung der Parteien in der Bundesrepublik ist alt, wenn auch nicht so alt wie die Parteien selbst, denn bis in die sechziger Jahre war es keineswegs umstritten, woher das Geld kommen sollte - ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Sprecherin: Die SPD lebte vor allem von ihrer starken Mitgliederbasis, die pflichtbewusst Marken klebte und den Parteibeitrag an der Haustür entrichtete sowie von ihren damals noch profitablen Eigenbetrieben. CDU und FDP hingegen finanzierten sich vor allem durch Geld aus der Wirtschaft, die ihre Spenden damals noch anonym und steuerlich voll absetzbar leisten konnte. In Bonn kursierte der Spruch, dass CDU und FDP arme Parteien mit reichen Freunden seien, während die SPD als reiche Partei mit armen Freunden galt. Sprecher: 1957 sahen die Sozialdemokraten Handlungsbedarf. Nach einer verheerenden Wahlniederlage, für die sie unter anderem die üppigen Wahlkampfspenden der Industrie an die Gegenseite verantwortlich machten, klagte die hessische Landesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die steuerliche Absetzbarkeit von Parteispenden und bekam recht. Der Spendenfluss an Union und FDP geriet sofort ins Stocken. Man machte sich auf die Suche nach neuen Finanzquellen. Sprecherin: 1959 stellte der junge CDU Abgeordnete Gerhard Stoltenberg bei den Haushaltsberatungen den Antrag, den Parteien fünf Millionen Mark für staatsbürgerliche Bildungsarbeit zur Verfügung zu stellen. Er berief sich auf den grundgesetzlich fixierten Auftrag der Parteien an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Das war der Beginn der staatlichen Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik und deshalb ist bis heute immer auch irgendwann von Bildung die Rede, wenn die Parteien Geld brauchen. Sprecher: In vielen Ländern ist es undenkbar, dass Parteien in die Staatskasse greifen, in Deutschland spricht ihnen das Recht kaum jemand ab. Selbst Kritiker der aktuellen Finanzierungspraxis wie die Organisation Lobbycontrol sehen darin einige Vorteile. Ulrich Müller: O-Ton: (Ulrich Müller) Zunächst mal hat das auch seinen Vorteil, wenn sie staatliches Geld bekommen auch wenn man das öffentlich auch häufig negativ bewertet. Wenn man das zum Beispiel mit den USA vergleicht wo es relativ wenig Unterstützung von staatlicher Seite gibt, dann führt das dazu die Politiker eigentlich jeden Tag mit Spendensammeln beschäftigt sind und da sehr abhängig davon sind. Sprecherin: Derzeit speist sich die Finanzierung der Parteien im Wesentlichen aus vier Quellen: den staatlichen Zuwendungen, die je nach Partei zwischen 25 und 37% der Einnahmen ausmachen, den Mitgliedbeiträgen, den Spenden und den so genannten Mandatsträgerabgaben, also dem, was Abgeordnete, haupt- und nebenamtliche Politiker und Aufsichtsratsmitglieder an ihre Parteien abführen. Diese formell freiwilligen Zahlungen, auf denen jede Partei besteht, sind ein durchaus bedeutender Faktor. Bei den Grünen machen die Mandatsträgerabgaben gut 20 % des gesamten Budgets aus, bei der CDU sind es 12, bei der SPD 13%. Sprecher: Der Anteil der staatlichen Mittel an der Finanzierung einer Partei ist in zweifacher Hinsicht "gedeckelt". Zum einen darf er nicht mehr als 50 % eines Parteibudgets betragen. Zum anderen ist die Summe, die die Parteien insgesamt erhalten mit 133 Millionen Euro jährlich fixiert. Eine durchaus üppige Grundausstattung, finden nicht nur der Bund der Steuerzahler, die Bildzeitung und die Stammtische des Landes. Bei den Parteien selbst sieht man das anders. Volker Beck parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. O-Ton: (Beck) Wenn ich gucke, wie viel Mitarbeiter wir in der Parteigeschäftsstelle haben, ich glaube es sind 25 oder 30, das ist erbärmlich wenig... Die Parteien sind gerade wenn man es auch im Vergleich zu den Fraktionen sieht, sehr schlecht ausgestattet und die Parteien sind ja der Teil, wo unmittelbar die Mitglieder und damit Teile der Bevölkerung auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen. Sprecher: Auch Helmut Linssen, Bundesschatzmeister der CDU, glaubt nicht, dass er die Finanzen einer reichen Partei verwaltet. O-Ton: (Linssen) Wenn sie sehen, dass wir 2002 ein Parteiengesetz verabschiedet haben in dem im Grunde genommen die Entschädigung jährlich nach Preissteigerungsindizes angepasst werden sollte, dann ist das jetzt fast ein Jahrzehnt nicht geschehen und insofern müssen die Parteien richtig ackern. Das war damals sicherlich ne großzügige Reglung aber wenn sie fast 10 Jahre weiter sind, bei den Preissteigerungen, die wir haben, dann muss man sich schon selber anstrengen und auch die CDU im Bund hat ja nun gerade durch Personalkostensenkungen erheblich an ihrer Kondition gearbeitet. Die ist wesentlich besser geworden. Sprecher: Tatsächlich ist es für alle in den letzten Jahren enger geworden. Vor allem die großen Parteien haben Mitglieder und damit Beitragszahler verloren. Zudem sind die Großspenden aus der Wirtschaft zurückgegangen und die Öffentlichkeit reagiert infolge der Spendenskandale der letzten Jahrzehnte empfindlich auf jeden Vorstoß, die staatlichen Zuwendungen zu erhöhen. Das stellt die Parteien vor Probleme, denn die Kosten sind nicht gesunken. Dabei sind es nicht einmal die teuren Wahlkämpfe, die die Bilanzen belasten. Sprecherin: Wahlkampfkosten machen nur etwa ein Viertel der Gesamtsausgaben der Parteien aus. Der Rest wird vor allem für Personalkosten und den laufenden Betrieb der Parteiorganisationen verwendet. Von der Bundesgeschäftsstelle, über die Landesverbände bis zu den Ortsgruppierungen: Auf allen Ebenen fallen Kosten für Miete, Büroausstattungen und Veranstaltungen an. Zudem sind mit dem Internet, Twitter und Facebook auch für die Parteien kostenträchtige Anforderungen entstanden. Sprecher: Von daher überrascht es nicht, dass sie sich nach neuen Einnahmequellen umsehen. Atmo: Applaus - jetzt geht's los Sprecherin: In Baden-Württemberg ist Wahlkampf. In der Donauhalle in Donaueschingen verklingt der Applaus für die fast zweistündige Parteitagsrede des Ministerpräsidenten und CDU-Vorsitzenden Stefan Mappus. Atmo Saal unterlegen In der Lobby der Halle machen sich die Lobbyisten bereit. Gleich kommt ihre Kundschaft. Etwa 20 Organisationen haben Standplätze gemietet. Natürlich ist die Junge Union dabei, ebenso wie die CDU-Studentenorganisation RCDS, die Seniorenunion oder die Vertriebenenunion, vertreten durch ihre stellvertretende Landesvorsitzende Bärbel Hering. O-Ton: Hering Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, dass wir eben das ostdeutsche Gut hochhalten, das wir dafür sorgen, dass das Interesse wach gehalten wird. Sprecherin: Neben den parteinahen Organisationen stehen in der Lobby vor allem Vertreter des Gesundheitssektors. Die Krankenkassen sind vor Ort, die Apotheker sind da und die Zahnärzte. Sie haben Erfolg, denn an ihrem Stand versammeln sich eine Bundesministerin, zwei Landesminister und die Berliner Gesundheitsstaatssekretärin. Udo Lenke, der Präsident der Landeszahnärztekammer ist zufrieden. O-Ton: (Lenke) Das zeugt davon, dass die Zahnärzte vertrauensvoll und offen ihre Politik betreiben. Sprecherin: Dieses Bild wollen auch anderen Organisationen von sich vermitteln, wobei sie häufig ein konkretes politisches Ziel haben. Peter Meyer vom Verband "Mobil mit Erdgas" will auf die Vorzüge von Erdgasfahrzeugen aufmerksam machen und auf die seiner Meinung nach irreführenden, aber gesetzlich vorgeschriebenen Preisangaben. O-Ton: (Meyer) Unsere Problematik ist die Erkennbarkeit an der Tankstelle fehlt noch, weil Erdgas in Kilogramm ausgewiesen wird und Benzin in Liter. Nun ist es so, dass der Energiewert von Erdgas viel höher ist als Diesel und als Benzin, das müssen wir dem Verbraucher noch nahe bringen. Sprecherin: Plötzlich kommt Bewegung in die Lobby. Der Ministerpräsident macht seine Runde. Bei der CDU ist es Tradition, dass er an jeden Stand kommt, ein paar Worte mit den jeweiligen Vertretern wechselt und sich mit ihnen fotografieren lässt. Das sei, so Generalsekretär Thomas Strobl, nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, sondern auch im Interesse der Partei. O-Ton: (Strobl) Und das muss gar nicht verschwiegen werden: Selbstverständlich verlangen wir auch Geld dafür und finanzieren den Parteitag ein Stück weit durch diese Einnahmen mit. Sprecher: Die Vermietung von Ständen an Organisationen und Unternehmen auf Bundes- und Landesparteitagen ist seit Jahren gängige Praxis bei allen Parteien und fester Posten in der Kalkulation der teuren Events. Ulrich von Alemann: O-Ton: (Alemann) Ja,man kauft sich Zugang zur Politik. Das ist schon richtig. Man unterstützt auch die immensen Kosten, die ein Parteitag verursacht , die reißen ganz schöne Löcher in die Parteikassen, die Parteitage weil sie auch oft - das sage ich kritisch viel zu aufwendig gestaltet sind in den letzten Jahren. Und hier helfen diese Sponsorenstände diese Kosten für die Parteien etwas zu reduzieren. Dass das ein Kaufen von Politik ist, das sehe ich so nicht sondern nur wenn es überhöhte und verdeckte Beträge wären. Das spielt sich in der Öffentlichkeit ab. Und deshalb halte ich das auch nicht für illegitim. Sprecher: Was sich in der Vergangenheit allerdings nicht öffentlich abspielte, sondern erst nach Recherchen der Medien bekannt wurde, waren die Bemühungen der nordrheinwestfälischen und der sächsischen CDU ihre Spitzenpolitiker im Rahmen des Sponsorings zu vermarkten. So konnten Standmieter der Konferenz "Denkfabrik Sachsen" in Dresden einen Kurzbesuch von Ministerpräsident Tillich und einen Foto- Termin erwerben. Gegen Zahlung eines Aufpreises wurden sie zudem in der Begrüßungsrede des Generalsekretärs erwähnt. Der sächsische Ministerpräsident geriet in schwere Bedrängnis: O-Ton: (Tillich) Ich versichere Ihnen, der sächsische Ministerpräsident ist nicht käuflich. Wir sprechen mit allen mit Armen oder Reichen, mit Wählern oder Nichtwählern. Sprecher: Tillichs Amtskollege Jürgen Rüttgers kam nicht mit einer solchen Versicherung davon, als bekannt wurde, dass seine Partei Gespräche mit ihm im Rahmen von Sponsoringpaketen an Unternehmen angeboten hatte. Sein Generalsekretär, Hendrik Wüst musste zurücktreten, nachdem er die Verantwortung für die Briefe übernommen hatte. Rüttgers versicherte, nichts davon gewusst zu haben. O-Ton: (Rüttgers) Ich habe diese Briefe nicht gekannt. Es hat auch keine solchen Gespräche gegeben, die Briefe sind aus dem Verkehr gezogen. Sprecher: Geschmäckle, ist das Wort, das im Zusammenhang mit dem Sponsoring oft benutzt wird, der schwäbische Begriff zur Charakterisierung von Handlungen, die nicht in einem rechtlichen Sinn strafbar sind, aber dennoch irgendwie etwas Verwerfliches an sich haben oder zu haben scheinen. Ob anrüchig oder nicht, außer der LINKEN lässt sich keine Partei die Zusatzeinnahmen aus dem Sponsoring entgehen. Erwartet man von der FDP geradezu dass sie sich als wirtschaftsnahe Partei von Unternehmen sponsern lässt, ist es doch erstaunlich, wenn man bei Bundesdelegiertenkonferenzen der Grünen auf Stände von BP, O2 oder dem Bundesverband der privaten Krankenversicherer trifft. Volker Beck: O-Ton: (Beck) Wir lassen unsere Parteitage sponsern, dadurch dass Leute im Nebenraum des Parteitages Messestände aufstellen können und die zahlen da die üblichen Messepreise. Wir nehmen da keinen Zuschlag für irgendwelche Sonderkonditionen oder Gespräche mit Politikern oder irgendwelche anderen Versprechungen sondern sie können sich auf diesem Markt der Möglichkeiten darstellen, als Unternehmen. oder Verband. Sie können sich mit ihren Argumenten mit ihren Produkten mit vielleicht auch ihren Geschenken an die Delegierten und an die Presseleute präsentieren, zu den üblichen Konditionen. Das bringt Geld aber das sind im --- Vergleich zu dem was andere Parteien über Sponsoring teilweise reinholen, minimale Beträge. Es finanziert ein bisschen die Kosten eines Parteitages mit, aber noch nicht mal ganz. Sprecher: Unumstritten ist diese Art des Sponsorings bei den Grünen nicht. Vor allem, dass man den privaten Krankenversicherungen auf dem letzten Parteitag einen Stand gewährte, führte zu Auseinandersetzungen, schließlich will man die private Krankenversicherung eigentlich überflüssig machen. Für Volker Beck kein Widerspruch: O-Ton: (Beck) In der Demokratie sollte man vor Nähe auch beim Gegner keine Angst haben, wenn man seine eigenen Argumente kennt, muss man das nicht fürchten und Auseinandersetzung ist ok. Und da wir da ja normale Messepreise nehmen und dadurch kein spezifischer Einfluss geriert wird, ist das so ok. Sprecher: Kritisiert wird vor allem, dass nicht transparent ist, welcher Sponsor wie viel für welche Leistung zahlt. Anders als größere Spenden müssen diese Einnahmen von den Parteien nicht gesondert veröffentlicht werden, sondern laufen in den Bilanzen summarisch unter sonstige Einnahme. Lobbycontrol setzt sich deshalb für eine erneute Novellierung des Parteiengesetzes ein. O-Ton: (Müller Lobbycontrol) Wir wollen einerseits überhaupt, dass Sponsoring offen gelegt wird, was nicht passiert momentan und dass wir Obergrenzen und stärker auch ne Transparenz der normalen Parteispenden haben und ne bessere Kontrolle. Sprecher: Die Grünen hatten nach den Affären Tillich und Rüttgers auf eine schnelle Veränderung des Parteingesetzes in diesem Sinne gedrungen und entsprechende Anträge gestellt. Der Vorstoß blieb allerdings schon im Ansatz stecken. Volker Beck: O-Ton: (Volker Beck) Sie liegen noch im Ausschuss, wir haben auch ne Anhörung gemacht. Das ist aber gegenwärtig deutlich, dass es kein Interesse der Koalition gibt in dieser Richtung mit uns zusammen zu arbeiten. Wir werden sie sicher abstimmen lassen und dann vielleicht doch noch mal mit nem Gesetzentwurf im Laufe der Wahlperiode zu kommen. Atmo: Parteitag Sprecherin: Es brummt in der Lobby der Stuttgarter Liederhalle, wo die baden-württembergische SPD ihren Wahlparteitag abhält. Hier bietet sich ein ähnliches Bild wie bei der CDU, neben parteinahen Organisationen werben vor allem Vertreter des Gesundheitsbereichs um Aufmerksamkeit. : O-Ton: Kümmel Sie sehen, wir bieten hier Smoothies an und es ist auch auf solchen Veranstaltungen wie im echten Leben. Wir wollen, dass sich die Politiker bei uns wohlfühlen und deshalb bekommen sie so einen Drink von uns. Sprecherin: sagt Wolf Kümmel vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg. Die Interessenvertreter der Apotheker gehören zu den treuesten Sponsoren der Parteien und sind praktisch bei jedem Landes- oder Bundesparteitag dabei. Auch die Zahnärzte sind da. O-Ton: (Ute Maier Bündnis Zahngesundheit) Wir sind hier von der kassenzahlärztlichen Vereinigung und von der Landeszahnärztekammer. Wir versuchen ins Gespräch mit Politikern einzutreten. Sprecherin: Ute Maier vom Bündnis Zahngesundheit bietet den sozialdemokratischen Delegierten ein Tasse Kaffee an. Wer will, bekommt auch eine Zahnbürste. Die Lobbyistin hat zudem einige politische Forderungen mitgebracht. O-Ton: (Ute Meyer Forderungen) Ein großes Anliegen ist, dass die Budgetierung abgeschafft wird, weil diese auch für die Patienten immer wieder Einschränkungen bedeutet. Sprecherin: Ein paar Meter weiter haben sich Vertreter der Betriebskrankenkassen aufgestellt, die AOK ist vor Ort und der heimische Pharmahersteller Celesio - hier gibt es Traubenzucker für müde Delegierte. Die Preise für die Stände seien gestaffelt, erklärt Peter Friedrich, Generalsekretär der baden -württembergischen SPD. Gemeinnützige Organisationen müssten weniger zahlen als Pharmakonzerne, aber auch für die sei es hier deutlich günstiger, als auf einer kommerziellen Messe. Ein Mieter wurde jedoch abgelehnt: O-Ton: Friedrich Wir haben wegen der Brisanz gesagt, dass wir keinen Stand der EnBW wollen, weil es jetzt ein öffentliches Unternehmen ist und öffentliche Unternehmen sollen nicht an Parteien spenden. Aber andere wie das Forum Zahngesundheit verfolgen auch einen Mehrwertauftrag für uns, rein kommerziell, insofern sind sie auch gern gesehen. Sprecher: Obwohl das Sponsoring durch die Vorgänge des letzten Jahres stark im Fokus der Öffentlichkeit steht und an Bedeutung gewonnen hat, sind die Einnahmemöglichkeiten in diesem Bereich letztlich sehr begrenzt. CDU- Schatzmeister Linssen zumindest erwartet hier keinen großen Zuwachs. O-Ton: (Linssen) Ich glaube, dass das ziemlich ausgereizt ist mit den Beträgen, die ja wohl irgendwo zwischen 5 und 15.000 Euro meistens liegen, je nach Standgröße. Sprecher: Viel wichtiger als das Sponsoring sind trotz eines Rückgangs in den letzten Jahren, nach wie vor die viel diskutierten Spenden. 2008 erhielten die im Bundestag vertretenen Parteien insgesamt knapp 76 Millionen Euro aus privaten Schatullen, davon gingen gut 2/3 an die Regierungsparteien. Diese Spenden machen bei der FDP und der CSU immerhin um die 30 % der gesamten Einnahmen aus. Trotz aller Skandale und Unregelmäßigkeiten hält Ulrich von Alemann Spenden an Parteien für grundsätzlich wünschenswert, zumindest wenn es sich um Kleinspenden handelt. Deshalb sei es auch richtig, dass der Staat diese mit 38 Cent pro Euro bezuschusst. O-Ton: (Alemann) Durch die Kleinspenden und die Mitgliedsbeiträge sollen nämlich die Parteien deutlich machen, dass sie in der breiten Bevölkerung verankert sind und nicht einfach nur so Kaderparteien sind. Das ist das Bild, das das Bundesverfassungsgericht von den Parteien hat. Sie sollen breit in der Bevölkerung verankert sein und deswegen werden sie bezuschusst Sprecher: Anders, so der Parteienforscher, verhalte es sich mit den Großspenden, besonders denen von Unternehmen. O-Ton: (Alemann) Da ist eine der größten Lücken in unserer Parteiengesetzgebung in Deutschland, dass die Spendenhöhe nach oben nicht begrenzt ist. Und es gibt es eine zweite Lücke: In den meisten Ländern ist es verboten, dass korporative Bürger also Unternehmen Verbände usw. juristische Personen , dass die Spenden dürfen an Parteien, obwohl sie ja nicht wählen können und obwohl das Unternehmen oder der Verband Dinge spendet obwohl nicht alle Mitglieder des Verbandes oder des Unternehmens diese Partei auch wählen würden oder unterstützen wollten. Sprecher: Auch wenn die Bedeutung einzelner Großspenden im Gesamtetat der Parteien eher zu vernachlässigen ist, stellt der Eingang mancher Zahlungen aus der Industrie oder von Unternehmerverbänden doch ein bemerkenswertes Ereignis auf dem Parteikonto dar. Sprecherin: Ende Februar konnten sich die Schatzmeister von CDU, CSU, SPD und FDP über den jährlichen Obolus der Bayerischen Motorenwerke freuen. Am meisten bekam die CSU mit 142.000 Euro, gefolgt von der SPD, die 95.000 Euro erhielt. BMW spendet jedes Jahr, wobei die Familie Quandt/Klatten häufig noch mal was aus der Privatschatulle drauf legt, dann allerdings stets nur für CDU und FDP. Im Mai oder Juni des Jahres kommt meist das Geld der Daimler AG, jeweils 150.000 Euro für CDU und SPD und im August bedenkt dann die Allianz alle Parteien bis auf die Linke mit etwa 60.000 Euro. Sprecher: Nachzulesen ist das auf der Homepage des Bundestages, wo, als eine Konsequenz aus dem letzten Skandal, Spenden über 50.000 Euro unmittelbar nach ihrem Eingang veröffentlicht werden. Zuwendungen über 10.000 Euro müssen dann später im jährlichen Rechenschaftsbericht der Parteien auftauchen. Dass Unternehmen oder Einzelspender mit Parteispenden konkrete Entscheidungen befördern konnten ist zwar häufig offenkundig, jedoch nur selten aktenkundig. Sprecherin: Zwischen 2008 und 2009 spendete die Düsseldorfer Substantia AG zu der unter anderem die Mövenpick-Gruppe mit ihren Hotels gehört, in drei Teilspenden insgesamt 1,1 Mio. Euro an die FDP. Im Herbst 2009 wurde in den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen beschlossen, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent zu senken. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Wenn Sie diese Spende behalten, dann werden Sie zu Recht als Mövenpick-Partei in die Geschichte eingehen. Sprecherin: 1998 konnte ein Konsortium rund um die WCM Beteiligungs- und Grundbesitz- Aktiengesellschaft 40.000 Wohnungen aus dem früheren Besitz der Bundesbahn erwerben, obwohl ein deutliches besseres Konkurrenzangebot vorlag. Kurz danach zahlte das Unternehmerehepaar Ehlerding, die Hauptaktionäre der WCM, der CDU, als "Dankeschön" 5,9, Millionen Mark - teils als Spende, teils als Darlehen, was im Gegensatz zu Spenden nicht veröffentlicht werden muss. Aus dem Darlehen wurde dann im Folgejahr doch eine Spende. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Auf diesem Geld lieg kein Segen, meine Damen und Herren. Sprecherin: Im Jahr 2000 kaufte die Trienekens AG 49 % der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe mit denen sie seit Jahren gute Geschäfte machte. Sie erhielt den Zuschlag obwohl ein besseres Angebot vorlag. Kurz drauf wurde bekannt, dass der Müllunternehmer Trieneken zwischen 1994 und 1999 etwa 500.000 Mark an die Kölner SPD gespendet hat. O-Ton/Schnipsel: (Bundestag) Meine Damen und Herren. Es ist selbstverständlich dass wir gegen Korruption sind. Sprecher: Auch wenn die Liste der Skandale und Affären inzwischen lang ist, die so genannten Einflussspenden, also die Spenden mit denen konkrete Gesetze oder Entscheidungen befördert werden, sind in der Bundesrepublik eher die Ausnahme. Meistens verfolgen die Spender allgemeinere Interessen. Ulrich Müller von Lobbycontrol: O-Ton: (Ulrich Müller) Ich glaube tatsächlich, dass sie sich über Spenden und Sponsoring Einfluss kaufen, nicht in so einem eins zu eins Sinn nach dem Motto: Ich geben Dir die Spende, dann bekommen ich die politische Entscheidung dafür. Das läuft auf verschiedenen Ebenen, die Deutsche Bank ist ein Unternehmen, dass immer wieder an Union und FDP spendet. Und dann ist klar: Sie wollen einfach die politischen Kräfte fördern, von denen sie erwarten, dass sie ihnen sowieso gewogener sind. Dass sie sowieso für sie ne freundlicherer Wirtschaftspolitik machen. Wenn man sich die schwarzen Kassen der Union unter Kohl abguckt, dann war natürlich das Interesse da, die Union an der Macht zu halten. Und dadurch hatte man schon einen bestimmten Einfluss ohne dass man jetzt über einzelne Gesetzte direkt geredet hat Zweite Ebene wär, man fördert bestimmte Personen dadurch, die einem nahe stehen, Das Beispiel Kahrs von der SDP, jemand der Rüstungsfirmen nahe steht und dann in dem Haushaltsausschuss dafür zuständig wird und eben Wahlkampfspenden bekommen hat. Sprecher: Unternehmen und Verbände betreiben mit ihren Spenden politische Landschaftspflege, das heißt sie düngen mit ihrem Geld dort, wo sie sich Wachstum wünschen. Das ist im Prinzip nicht anrüchig, findet Helmut Linssen. O-Ton: (Linssen) Spender unterstützen eine gewisse Umweltpolitik bei den Grünen. Für innere Sicherheit oder für Wiedervereinigung als sie eingetreten sind. Diese Ziele unterstützen sie und dafür geben sie. Das ist völlig legitim. Wenn damit unmittelbare politische Einflussnahme verbunden ist. Dass ist das von Übel. Sprecher: Auch Volker Beck von den Grünen findet es normal, dass ein Unternehmer die Kräfte stärken möchte, von denen er sich Vorteile verspricht. O-Ton: (Volker Beck) Er hat wirtschaftliche Interessen und die werden bei unterschiedlichen Parteien unterschiedlich gut aufgehoben sein. Sprecher: So entspannt wie Beck sehen das allerdings nicht alle Grünen. In der Partei hat die immer wieder erhobene Forderung nach einem generellen Verbot von Spenden juristischer Personen durchaus Anhänger. O-Ton: (Beck) Ich hab da durchaus auch Sympathien dafür zu sagen: Wir wollen, dass Unternehmen oder juristische Personen gar nicht Spenden können, dafür ist gegenwärtig keine Mehrheit zu erreichen. Deswegen wäre schon sehr viele erreicht wenn wir es hinbekämen, dass wir eine konkrete Deckelung dessen haben, weil für 100.000 Euro, da ist niemand bereit, seine Politik zu ändern. Sprecher: Diese Forderung ist für eine Partei, die noch nie eine Spende über 100.000 Euro erhalten hat, allerdings leichter zu stellen, als für eine, die in den letzten 10 Jahren über 90-mal mit Beträgen, die teilweise weit darüber lagen, bedacht wurde. Helmut Linssen: O-Ton: (Linssen) Man muss das Ganze aus dieser Schmuddelecke rausholen. Das wird dann argumentiert von der Linken mit Korruption und mit ich weiß nicht was. Und deshalb bin ich für absolute Transparenz in diesem Bereich. Sprecher: Allerdings hat seine Partei wie keine andere etwas dafür getan, dass die Parteienfinanzierung in diese Schmuddelecke geraten ist. Schließlich hat die Union im Flickskandal der 80er Jahre eine Schlüsselrolle gespielt. Zudem ist sie in Folge der Schwarzgeldaffäre, als herauskam, dass die Partei über schwarze Konten Spenden als vermeintliche Nachlässe emigrierter jüdischer Unionsfreunde in die eigenen Kassen schleuste, nur knapp am Bankrott vorbei geschlittert. Doch diese Praktiken gehören, so der CDU-Schatzmeister, der Vergangenheit an. O-Ton: (Linssen) Wir sind, glaube ich, aus Schaden klug geworden. Und wenn ich mir jetzt mal das letzte Jahrzehnt ansehe, dann glaube ich hat sich unser Parteiengesetz und die Art wie wir das Ganze handhaben sehr bewährt. Sprecher: Dass das aktuell geltende Parteiengesetz das letzte Wort zum Thema Parteienfinanzierung ist, kann man als ausgeschlossen betrachten. Denn bisher ist die Geschichte der Parteienfinanzierung in Deutschland, stets die Geschichte der Verschärfung von Regeln und der Veröffentlichungspflichten und ihrer anschließenden Umgehung gewesen. Das Geld findet immer einen Weg zu den Parteien. Wie, das zeigt, der gerade durch die Süddeutsche Zeitung bekannt gewordenen Fall des Spielautomatenherstellers Gauselmann. Sprecherin: Das Unternehmen versucht seit Jahren sich Freunde in der Politik zu machen, indem es der CDU, der SPD und der FDP Geld zukommen lässt - allein im letzten Jahr über 80.000 Euro. Anstatt das Geld jedoch einfach aus der Unternehmenskasse zu nehmen und an die jeweilige Partei zu überweisen, forderte der Chef seine leitenden Angestellten nachdrücklich auf, aus ihren privaten Mitteln zu spenden. Er teilte ihnen mit an welche Bundestagsabgeordneten sie zahlen sollten und wie viel - immer nur so viel, dass der Betrag deutlich unterhalb der Schwelle der Veröffentlichungspflicht lag. Sprecher: Das Modell hat aus Sicht des Unternehmens gleich mehrere Vorteile. Das Geld geht direkt an Abgeordnete von denen man sich Verständnis und Unterstützung erhofft, und obwohl die Begünstigten wissen von welchem Unternehmen es kommt, tauchen weder der Spender noch der Empfänger in irgendeinem Bericht auf. Ein Verfahren, das in jeder Hinsicht dem Geist des Parteiengesetzes widerspricht, illegal ist nicht. Deshalb, so Ulrich Müller von Lobbycontrol brauche es nicht nur ständig angepasste Gesetze, sondern vor allem ein waches öffentliches Auge auf die Finanzen der Volksvertreter: O-Ton: (Müller) Man braucht neben rechtlichen Regeln, mit denen man versucht möglichst viel zu erreichen und zu erfassen eben ne kritische Öffentlichkeit die dann auch sagt: Ok hier sehen wir die und die Unternehmen und Verbände versuchen außerhalb der Regeln den einzelnen Parteien was zugute kommen zu lassen und das auch öffentlich zu diskutieren, sodass die die Parteien sich auch selber positionieren müssen um sich zu überlegen , auf was wollen wir und einlassen. Also ich glaube, dass es auch diesen öffentlichen Sanktionsmechanismus geben muss. Sprecher: Insofern ist eines gewiss: Nach dem Skandal ist vor dem Skandal. Musik Sprecher vom Dienst: Die Partei, die Partei, die braucht immer Geld Das Superwahljahr und die Parteienfinanzierung Von Martin Hartwig und Michael Brandt. Es sprachen: Bettina Kurth und Roland Spiess Ton: Ralf Perz Regie: Stefanie Lazai Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 1