DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 19.08.2014 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 ? 20.00 Uhr Ortserkundungen Auf Eierschalen balancieren Die schottische Volksrepublik Eigg Von Hannelore Hippe URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - MUSIK ATMO: Durchsage auf der Fähre, Lachen, Geldklimpern. Ablegen des Bootes, Motorgeräusch, Wasser Take Autorin: Fahren Sie das erste Mal nach Eigg? Frau: Yes, first time. 1. Sprecherin: Ja, das ist das erste Mal für uns. Wir sind aus Manchester und besuchen eine alte Freundin, die hier seit fünfzehn Jahren lebt. Mit ihrem Mann führt sie einen kleinen Hof auf ökologischer Grundlage. Autorin: Was erwarten Sie denn von der Insel? Mann: I don´t really know. 1. Sprecher: Keine Ahnung. Ich bin ursprünglich aus London und war noch nie hier. Autorin: Aber die Insel hat doch einen ganz bestimmten Ruf, die freie Volksrepublik Eigg! Beide lachen Mann: I like the idea 1. Sprecher: Das genau gefällt mir. Dass sie hier versuchen, sich als eine autonome Gemeinschaft zu sehen und so zu leben. Sie haben ihre eigene Energieanlange, das imponiert mir. Das finde ich toll. Ich bin sehr gespannt, das alles zu erleben. Wie es wirklich ist, am Ende der Welt. Ansage Auf Eierschalen balancieren. Die schottische Volksrepublik Eigg. Ein Feature von Hannelore Hippe Take 2 . Mein Telefongespräch auf Englisch Autorin: So schwer hatte ich es mir nicht vorgestellt, ans Ende der Welt auf die kleine Insel Eigg zu gelangen, die Teil der Inselgruppe der Hebriden ist. Eigg liegt ganz oben im Nordwesten Schottlands. Atmo: im Zug, Schwellengeräusch, Lachen von Mitreisenden Autorin: Sechs Stunden dauert die Fahrt von Glasgow hoch nach Mallaig. Es soll eine der schönsten Eisenbahnfahrten der Welt sein. Bereits kurz hinter der größten Stadt Schottlands führt uns die komfortable Bahn der Scottish Rail auf einspuriger Strecke durch eine wilde Landschaft. Während wir an Nadelwäldern vorbei, in immer kahlere Höhen geschraubt werden, glitzern weit unten sagenumrankte Lochs. Das sind die tiefen dunklen Seen Schottlands, die wie der Loch Lomond vorzugsweise besungen werden oder in denen sich freundliche Ungeheuer wie im Loch Ness tummeln. Die menschenleere Landschaft als malerisch zu beschreiben, wäre eine Untertreibung. Sie ist bedrohlich und doch einladend, den Elementen trotzend und gleichzeitig schutzlos. Nach einem knappen Drittel der Strecke wird der Zug geteilt. Danach sind es nur noch wenige Passagiere, die weiter nach Norden, nach Mallaig, und von dort aus zu den kleinen Inseln wollen, von denen Eigg die größte ist. ATMO Tickets please! Take Christine: You cant throw anything away 1. Sprecherin: Auf Eigg wirft man nichts weg. Man weiß nie, wann man etwas braucht. Eine Schraube, ein Stück Holz, ein Rohr. Mit dem Internet ist es für uns einfacher geworden. Jetzt bekommen wir, was wir suchen. Vorher nicht. Nicht auf einer Insel wie Eigg. Alte Autos zum Beispiel, werden bei uns nicht entsorgt. Man bewahrt Sachen darin auf. Unser altes Auto dient uns als Schuppen, jemand anderes züchtet Pflanzen darin, wieder jemand anders hat die alte Kiste zur Hundehütte umfunktioniert. ATMO: (beim Ticketkauf an der Fähre) I´d like a return ticket to Eigg. When are you coming back? Autorin Vom kleinen Hafen Mallaig in den westlichen Highlands verkehren die Fähren zur großen Insel Skye und den sogenannten ?Small Isles?: Rum, Canna, Muck und Eigg. Die Überfahrt nach Eigg dauert an dem Tag zweieinhalb Stunden. Die Fahrzeit hängt davon ab, welche anderen Inseln angelaufen werden. Eigg hat von allen ?kleinen Inseln? die meisten Einwohner, geschätzte fünfundneunzig. Auf Muck wohnen nur knapp dreißig Menschen, auf Canna fünfzehn und Rum wird nur im Sommer für Besucher angefahren. ATMO 4: Naturatmo mit Vögeln auf Eigg Take Jenny: I think it is freer than in a city. 3. Sprecherin: Das Leben hier ist freier als in der Großstadt. Natürlich gibt es auch hier Hierarchien, die man überall findet. Als Neuankömmling musste ich erst mal austesten, wie hier was läuft. Einige bringen extrem viel in die Gemeinschaft ein und daher ist deren Einfluss auch vielleicht größer als von anderen, die nicht so viel machen. ATMO: Durchsage Autorin: Endlich steuern wir das windige Utopia am Ende Europas an. Schon erkennt man den An Scurr, den hohen, vulkanischen Berg der hügeligen Insel. Kleine, weiße Häuser ducken sich im Halbkreis unter ihm. Am Pier steht schon eine erwartungsvolle Schar Insulaner. Dies ist, wie ich bald erfahren werde, der wichtigste Termin im Tagesablauf fast jedes Eiggier: Die Ankunft der Fähre. Sie bringt Waren, Lebensmittel, Post und Zeitungen. Besucher wie Rückkehrer. Und Neuigkeiten. Ich kann es kaum erwarten, nach zweitägiger Reise endlich die freie Volksrepublik Eigg zu betreten. Das nasse Paradies. Take Charlie: It´s a fantastic place. 1. Sprecher: Es ist ein fantastischer Ort. Für mich ist Eigg wie eine Blase außerhalb jeglicher Realität. Auf dem Festland gibt es jede Menge Stress und Sorgen. Ich hab dort lange gelebt und zwei Häuser verloren. Aber hier kommt man schnell an einen Punkt, wo man sich sagt, macht nichts. Das spielt alles keine Rolle. Leben heißt, den Moment zu genießen und wenn man hier her kommt, dann ist das das einzige, was man tun kann, genießen. MUSIK von Eigg Take Jenny: The guys are emptying the van 3. Sprecherin: Die Männer hier bilden eine Menschenkette, um den Lieferwagen so schnell wie möglich zu entladen, damit die Fähre wieder ablegen kann. Die Leute von Eigg sind gut darin, sich gegenseitig zu helfen und das seit Jahrhunderten. Autorin: Gerade tragen sie die alte Kommode an mir vorbei, die ich schon auf dem Festland gesehen habe, als ein Mann und eine junge Frau sie auf die Fähre hievten. Hier am Pier treffe ich Jenny wieder. Ich hab die Kommode schon vorhin bewundert. Take 3. Sprecherin: Ich bin Jenny Hill und ziehe gerade nach Eigg. Ich bin Musikerin, Kontrabass. Wir wohnen da oben in einem kleinen Holzhaus. Komm doch mal vorbei! Das hier ist übrigens Laia. Autorin: Ein wenige Monate altes Baby wird nach der Kommode und drei Säcken Viehfutter vorbei getragen. Autorin: Ist sie die Jüngste hier? 3. Sprecherin: Nein. Heute wurde wieder eine neue Einwohnerin geboren. Noch ein Neugeborenes! Take Jamie: Hello, this is a cousin 3. Sprecher: Hallo, das hier ist die Cousine von der kleinen Laia. Ich bin Jamie, der Papa. Autorin: Als die Fähre ablegt, löst sich die kleine Versammlung am Pier noch lange nicht auf. Es wird geredet als habe man sich ewig nicht gesehen, Kartons werden in den einzigen Laden der Insel geschleppt, um vor dem Wochenende noch einmal das kleine aber durchaus präsentable Angebot aufzustocken. Atmo Shop Mädchen: Mushrooms, leeks 3. Sprecherin: Pilze, Lauch, Frühlingszwiebeln, Ingwer, Chilli. Die Leute können auch was bestellen. Wir liefern direkt nachhause. Autorin: Ohne Umwege bin ich im einzigen Laden der Insel gelandet. Während es sich draußen schnell aber sicher zuzieht, inspiziere ich die Regale. Neben Grundnahrungsmitteln überrascht die breite Palette der Weine, wie auch der in einem kleinen Laden von ungefähr zwanzig Quadratmetern überdurchschnittlich hohe Anteil an Bio-Produkten. Wie sieht es denn mit frischem Gemüse und Fleisch aus Eigg aus? Hier soll es doch zahlreiche kleine Öko-Höfe geben? Take Mädchen: It´s not easy 3. Sprecherin: Es ist nicht leicht für uns daran zu kommen. Es gibt nicht genug, die meisten sind Selbstversorger. Die Nachfrage nach lokalen Produkten ist groß, aber wir bekommen sie einfach nicht. Autorin: Als ich vor den Shop trete, um zu schauen, ob ich abgeholt werde, sehe ich einen gut gelaunten älteren Mann, der ein kleines Glas schwenkt und sich mit drei Kumpels unterhält. Sie lachen und schauen in meine Richtung. Sicherlich falle ich unter die Kategorie unbekannter Neuankömmling. Doch ich täusche mich. Alle wissen, wer ich bin. Er geht ein paar Schritte auf mich zu und sagt mir auf den Kopf zu, dass ich wohl die deutsche Journalistin bin, die heute ankommen soll. Ich staune. Inselpost verbreitet sich hier rasend schnell und effizient. Und wer ist er? Take Eric: I´m Eric, yeah. I live here 2. Sprecher: Ich heiße Eric und lebe hier schon seit sechzehn Jahren. Früher habe ich in Glasgow und Edinburgh gelebt. Autorin: Und was ist so besonders an Eigg? 2. Sprecher: Keine Ahnung. Der Calvados? Ich denke mal, wenn man hier länger als fünf Jahre lebt, wird es schwierig, woanders zu leben. Hier gibt es kein Verbrechen. Wir alle lassen unsere Häuser unverschlossen, weil es sicher ist. Ich bin jetzt pensioniert und trinke Calvados, gehe fischen, mal ist ein Hummer dabei. Es gibt ja keine kommerzielle Fischerei mehr hier. Ich habe in der ganzen Welt gelebt und hier bin ich endlich glücklich. Autorin: Als ich vom Sohn meiner Wirtin abgeholt werde, gießt es schon in Strömen. Das Festland, das bis vor wenigen Minuten noch klar am Horizont zu erkennen war, ist verschwunden. Peggy Helliwell mit Mitte achtzig die älteste Einwohnerin Eiggs, zog 1959 von der Hebrideninsel Juist zu ihrem Mann hierher. Und sie sprach ausschließlich Gäisch, die ursprüngliche Sprache der Hebriden. Take Peggy: (Gälisch ) 2. Sprecherin: Ich bin Peggy und wurde auf Juist geboren. Wir nennen uns nicht mit Nachnamen, sondern nur Peggy, Tochter von Angus, der Sohn von Doughall. Autorin: Wie war das Leben damals auf Eigg, als sie ankam? Take Peggy: We had gas light.. 2. Sprecherin: Wir hatten keine Elektrizität, nur Gaslicht, kein fließendes Wasser aber wir waren daran gewöhnt und deshalb sind wir damit klar gekommen. Autorin: Und gab es schon die regelmäßige Fährverbindung? 2. Sprecherin: Wenn das Boot kam, konnte es nicht anlegen. Es gab keinen Pier und ein Beiboot musste die Passagiere und die Ladung von der Fähre an Land bringen. Autorin: Sind damals viele Menschen weg gegangen? 2. Sprecherin: Ja. Als wir damals jung waren, konnten wir kein Land kaufen auf dem wir ein Haus bauen durften. Wir konnten noch nicht einmal einen Pacht- oder Mietvertrag vom Laird bekommen. Das aber benötigte man, um ein Darlehen von der Bank für ein Haus oder auch nur Reparaturen zu bekommen. Das ist heute so wunderbar für die jungen Leute, dass sie Land umsonst bekommen und bauen können. Es ist heute alles so viel besser. Als wir ankamen, gab es noch einen guten Laird, die Runcimans, doch was danach kam, muss man einfach vergessen. Autorin: Was danach kam, hieß Keith Schellenberg. Ein exzentrischer Entrepreneur aus dem nordenglischen Yorkshire mit Wurzeln im windigen Lichtenstein. Er sammelte schnittige Oldtimer aus seiner Lieblingszeit, den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Über mehrere Ecken, hatte seine Frau Eigg geerbt und Schellenberg, der neunte ?Laird?, wie man hier die Eigentümer der Inseln nennt, fühlte sich sofort berufen, das Leben auf ?seiner? Insel neu zu gestalten und der kontinuierlichen Abwanderung der Insulaner etwas entgegen zu setzen. In ganz Großbritannien schaltete er Annoncen, in denen er Menschen einlud, nach Eigg zu kommen, um sich dort in Natur pur mit Kunsthandwerk und Öko Anbau selbst zu verwirklichen. Die siebziger Jahre, das war die Hochzeit des Wunsches nach Selbstverwirklichung junger Menschen in der ganzen westlichen Welt. 1976 traf Schellenberg in einem Zentrum für Kunsthandwerk auf dem Festland die junge Maggie Fyffe und ihre Familie. Eine Begegnung, deren Auswirkungen für die kleine Insel damals niemand voraussehen konnte. Take Maggie: Eventually he offered us a job and a house. 2. Sprecherin: Er bot uns schließlich einen Job und ein Haus an und wir ergriffen die Chance sofort. Als wir hierher zogen, dachten wir im Traum nicht daran, dass wir für immer auf Eigg bleiben würden. Irgendetwas hier ergreift einfach Besitz von einem. Von mir zumindest. ATMO: Schritte durch Regen und Wind Autorin: Eigg muss für einige Menschen etwas Magisches haben. Es regnet schon den dritten Tag ohne Unterbrechung, als mich Maggie in ihrem kleinen, vollgestopften Haus empfängt. Sie ist schätzungsweise Mitte sechzig und mit den langen grauen Haaren erinnert sie vage an Janis Joplin, wenn die weiter gelebt hätte, das berühmte meckernde Lachen eingeschlossen. Maggie ähnelt einer archetypischen Hippiefrau, so beschrieben sie zumindest die Medien, denen sie über Jahrzehnte zahllose Interviews gegeben hat. Sie ist Sprecherin des Insel Trusts, der alles auf Eigg am Laufen hält. Sie ist zudem die Vorsitzende der Inselverwaltung und sie war die Anführerin der Rebellion, die zum Kauf der Insel durch die Insulaner führte, kurz- sie ist die ungekrönte und unangefochtene Königin eines basisdemokratischen Winzstaats namens Eigg. Verschmitzt grinst sie mich an, während sie sich eine Zigarette am Küchentisch dreht. Es hängt ein Geruch von Woodstock in der Luft, als ich meinen nassen Anorak an den bullernden Ofen zum Trocknen hänge. Take Maggie: There was a huge turnover of people 2. Sprecherin: Die Fluktuation an Leuten, die damals kamen und gingen, war enorm. Schellenberg mischte sich in alles ein. Niemand kam mit ihm klar. Wir merkten alle sehr schnell, dass man komplett von ihm abhängig war. Ohne ihn kein Job, keine Unterkunft. Es gab einfach keine Alternativen. Besonders, was die Wohnsituation betraf. Ihm gehörte alles. Viele von uns lebten über Jahre mit unseren Familien in Wohnwagen und hofften auf ein Haus mit etwas Farmland, das er allen in Aussicht stellte und nicht einlöste. Es waren aufregende Zeiten. Autorin: In der Nacht zum 7. Januar 1994 ging dann der schönste Rolls Royce des Lairds, ein seltenes Sammlerstück aus dem Jahr 1927 unten am Pier in Flammen auf. Die Polizei, die vom Festland aus anrückte, um die Brandstiftung aufzuklären, musste ergebnislos abziehen. Kein Insulaner hatte etwas gesehen. Es war der Tag, an dem der Laird, der selbst mitten in einem hässlichen Scheidungskrieg stand, Angst bekam und sich entschloss, die Insel an den meist Bietenden zu verkaufen. Take Maggie: The island went up for sale. 2. Sprecherin: Davor schon hatten einige von uns die Idee gehabt, den Eigg Trust, also eine Stiftung zu gründen. Der Trust lud dann eine Handvoll Leute hierher ein, die Ahnung von Landreform hatten und sich mit den rechtlichen Aspekten von gemeinsamem Eigentum, Community Ownership genannt, auskannten. Was die sagten, beeindruckte uns sehr. Der Eigg Trust wurde also 1994 ins Leben gerufen und 1996 folgte dann der Eigg Heritage Trust. Das waren zwei rechtlich entscheidende Schritte. Autorin: Beide Trusts schickten die Einwohner auf Workshops und zu Konferenzen. Dort lernten die Insulaner alles über Eigentums- und Gemeindeverwaltung, Land- und Bodenrechte und welchen rechtlichen Status die Insel haben könnte. Take Maggie: eventually this fed into 2. Sprecherin: Wir waren bestens vorbereitet und hatten bereits begonnen, Geld zu sammeln, um mitzubieten. Da erfuhren wir 1995 plötzlich, dass die Insel für 1,5 Millionen Pfund an einen mysteriösen Deutschen verkauft worden war. Er nannte sich Maruma. Autorin: Maruma flog 1995 mit einem Helikopter nach Eigg, hörte sich geduldig die Wünsche der überraschten Insulaner an, versprach alles genau so zu machen, wie es die Einwohner wollten, stieg nach zwei Tagen wieder in die Lüfte und ward nie mehr gesehen. Eineinhalb Jahre später schwappte die Neuigkeit zu den Hebriden, dass der Deutsche in düstere finanzielle Machenschaften verstrickt und Eigg wieder auf dem Markt sei. Jetzt für zwei Millionen Pfund. Take Maggie: If the island would go up for sale. 2. Sprecherin: Wir hatten ein Dreiergremium, das bereitstand, bestehend aus dem Eigg Trust, dem Highland Council, das auf unserer Seite stand, und dem Wildlife Trust des Naturschutzbundes, den wir mit ins Boot genommen hatten. Was wir nicht hatten war genug Geld. MUSIK von Eigg Autorin: Doch mittlerweile berichteten nicht nur schottische und britische Zeitungen, sondern auch die Medien in den USA und Australien vom Kampf der tapferen, damals knapp siebzig Eiggier, ihre Insel zu kaufen und selbst zu verwalten. Das Konzept des ?Community Buy Out? wie es offiziell heißt, wurde von Journalisten in der ganzen Welt bekannt gemacht. Die rebellischen Insulaner konnten es gar nicht fassen, von wo sie überall her Unterstützung bekamen. Mit und ohne Spenden. Take Maggie: That as the point where we said we go for it. 2. Sprecherin: Da sagten wir uns: Los! Wir machen es. Einige wenige auf der Insel meinten zwar, vielleicht kriegen wir das nächste Mal einen besseren Eigentümer, aber wir hatten die Nase voll. Es ist ein Lotteriespiel und vollkommen unakzeptabel, dass irgendwer sich eine Insel kaufen kann und damit das Leben von so vielen Menschen unmittelbar in der Hand hält. Das Internet war damals noch ganz jung und wir nutzten es für unsere Zwecke. Wir hoben einen Spendenaufruf aus der Taufe. Der staatliche Lotteriefond wollte uns schließlich das Geld für den Kauf zur Verfügung stellen, allerdings mit der Auflage, dass der Naturschutzbund oberster Boss werden müsse und nicht die Einwohner. Das lehnten wir jedoch ab. Zwischendurch vergraulten wir potentielle Käufer, die sich die Insel mal anschauen wollten. Und aus heiterem Himmel bekamen wir eine Million von einem anonymen Spender. Wir trauten unseren Augen nicht. Im November 96 hatten wir schließlich 1,2 Millionen zusammen. Eigg wurde versteigert. Wir boten mit. Niemand bekam den Zuschlag. Im März darauf hatten wir knapp 1,5 Millionen zusammen und machten ein geheimes Angebot. Um vier Uhr nachmittags am 4.4. 1997 bekamen wir den Zuschlag und um fünf ging es durch die Weltpresse. Eine super Story. MUSIK von Eigg Autorin: Mit der ?Unabhängigkeit? von Eigg wurde natürlich kein selbständiges staatsrechtliches Gebilde geschaffen. Man ist Teil des Highland Councils, dessen Rechte und Gesetze selbstverständlich auch auf Eigg gelten. Dann gehört man zum Teilstaat Schottland, der wiederum Teil des Vereinten Königreiches mit England ist. Das wiederum gehört der EU an. Trotzdem hat das Community Buy Out von Eigg zur Veränderung des bis dahin strikten schottischen Feudalrechts geführt und erlaubt seitdem in Schottland ähnliche gemeinderechtliche Gebilde wie das auf Eigg. Alle sind hier sehr stolz auf ihre ?Freie Volksrepublik?. Auch die junge Musikerin Jenny Hill, die mit der Kommode: Seit drei Jahren besucht sie regelmäßig ihren Freund Damian auf Eigg und hat nun den Schritt gewagt, sich dauerhaft hier niederzulassen. Take Jenny: people have fought very hard 3. Sprecherin: Die Leute hier haben sehr hart dafür gekämpft, sich selbst zu verwalten. Dort, wo wirklich alle Gemeindemitglieder an Entscheidungsprozessen beteiligt sind, merkt man sofort, wie gut es der Gemeinde geht. Das kann man natürlich auch auf die Unabhängigkeitsdebatte für ganz Schottland anwenden, was passiert, wenn Gemeinden das Recht bekommen, selbst zu bestimmen, was unser tägliches Leben berührt. Take Maggie: The residents association 2. Sprecherin: Jeder Einwohner Eiggs ist automatisch Mitglied in der Einwohner-Gesellschaft und hat eine Stimme. Sie tagt einmal im Monat. Die Gesellschaft wählt vier Direktoren in ein Gremium für eine Periode von vier Jahren, die für verschiedene Bereiche zuständig sind. Einer von den vier scheidet jedes Jahr aus, ein neuer wird in das Gremium gewählt und zwei stehen bereit. Die Tätigkeit für das Gremium ist unbezahlt und der Öffentlichkeit zugänglich. Allein mein Job als Verwaltungssekretärin ist bezahlt. Das Gremium tagt alle drei Wochen und kümmert sich um alle laufenden Geschäfte der Insel. Dieses Eigg Gremium wird von einem Board kontrolliert, das aus einem Einwohner, jeweils einem Vertreter vom Highland Council, und vom Naturschutzbund und einem Unabhängigen besteht. Es funktioniert fabelhaft. Mir gefällt der Gedanke, dass wir hier etwas vorleben, was vielleicht bald im größeren Rahmen Anwendung finden könnte. Autorin: Die deutsche Kathrin aus dem pfälzischen Zweibrücken wollte vor acht Jahren als freiwillige Helferin auf einem Ökohof nur ihr Englisch vor dem Staatsexamen als Lehrerin aufpolieren. Doch dann infizierte sie sich ebenfalls mit dem Virus, von dem mir hier so viele erzählen und statt Kindern in der Pfalz Englisch beizubringen, backt sie nun auf Eigg leckeres Brot und macht Catering für das Hostel mit ihrer kleinen Firma Eiggybread. Take Kathrin: Ich habe jetzt eine Baugenehmigung beantragt. Autorin: War das einfach? Kathrin: Es wird erst mal ermutigt, dass Leute hierher kommen, die sich in die Gemeinschaft einfügen und sich überzeugen, dass sie auch hier leben können. Es ist nicht immer alles nur rosig hier. Die Mentalität ist schon eine andere. Hier wird schon durch die Blume geredet. Ins Gesicht schön freundlich, aber wenn die Person nicht mehr da ist, wird sich beschwert. Das finde ich schwer, damit klar zu kommen. Ich sag nöö, das passt mir nicht und das können sie nicht so gut verkraften. Man braucht schon ein dickes Fell. Geredet wird überall, aber hier ist es schon intensiver. Man hat auch keine Auswahl an Freunden. Autorin: Trotzdem will sie bleiben und deshalb wird sie bauen. Auf Eigg gab es zahllose Ruinen alter Häuser, die niemand bewohnen konnte, da das alte Eigentumsgesetz alles unter die Initiative des Lairds stellte, der in den letzten Jahrzehnten nichts mehr in Stand gehalten hatte und alles verrotten ließ. Um die Probleme an bezahlbarem Wohnungen und Häusern zu lösen, hatten die Bewohner wieder eine ungewöhnliche Option gewählt. ATMO 9 Lämmer, Vögel Take Kathrin: Es ist so, dass es ein tolles System hier gibt, das ist auch einzigartig und heißt ?shared equity?. Das ist für Leute mit wenig Einkommen. Man will einfach umgehen, dass hier Leute herkommen und Land kaufen, um Geld draus zu machen. Und nichts zur Gemeinschaft beitragen. Autorin: Das landschaftlich wunderschöne Schottland ist ein gern genutzter Ort für Ferienhäuser, die drei Monate im Jahr vermietet werden und dreiviertel des Jahres leer stehen. Take Kathrin: Und das mit der shared equity bedeutet, dass man Land bebauen darf, so um die 1000 qm und ich kann dort mit Genehmigung mein Haus drauf bauen. Also angenommen mein Haus wäre 100.000 wert und das Stück Land 80.000. Dann würde bei Verkauf das geteilt werden. Die 180.000 Pfund würden an mich zur Hälfte und zur Hälfte an den Trust gehen, um zu vermeiden, dass jemand Profit dabei scheffelt. Ich finde es super. Ich muss ja für das Land nichts bezahlen. Es ist auf jeden Fall fair. Autorin: Und hat in den Zeitungen schon mal böse Artikel inspiriert, in dem von kontrollierenden Ökokommunisten auf Eigg die Rede war, die jeden Interessenten auf Herz und Nieren und auf politische Korrektheit hin überprüfen würden. Dafür gibt es bis heute so gut wie keine Ferienhäuser und keine Immobilienspekulation. Camping ist auf der fast autofreien Insel jedoch erlaubt. Es gibt wenige Bed & Breakfast Pensionen und ein Hostel. Der pensionierte Biochemiker John Booth und seine Frau Christine haben offenbar die strenge Überprüfung ihrer Absichten, als sie vor vierzehn Jahren nach Eigg ziehen wollten, überstanden und renovieren seitdem hingebungsvoll und ohne Ende eins der ältesten Häuser auf der Insel. Ganz nebenbei baute John die ?Eigg Electric? mit auf, ein Energiekonzept, das der Insel nicht nur ausreichend nachhaltige Energie beschert, sondern sie ein weiteres Mal zum Aushängeschild auf der ganzen Welt machte. Für das nachhaltige Energieversorgungssystem von ?Eigg Electric? heimsten die Insulaner seit dem Start 2008 mehrere internationale Auszeichnungen ein und empfangen gern interessierte Experten aus der ganzen Welt, die es sich vor Ort erklären lassen. Wind-, Wasser- und man glaubt es kaum, auch Sonnenenergie wird hier zusammen genutzt. Eins stützt das andere. Dies hatte vorher noch niemand in dieser Form kombiniert und eine ganze Insel vom Festland autonom gemacht. John, der über siebzig ist und seit 2000 auf Eigg lebt, treffe ich, selbstverständlich bei Wind und Regen, im kleinen summenden Kontrollzentrum unterhalb der Fotovoltaik Anlage, die von der einzigen Straße der Insel nicht sichtbar ist. ATMO: Auf dem Weg zu der Power Station. Bächlein, Regen, Wind Take John: Good morning ! This is the control building. 2. Sprecher: Von hier aus wird alles automatisch kontrolliert. Die Gemeinde hat in unserem ersten Zehnjahresplan die Elektrifizierung der Insel in dieser Form beschlossen. Man hat uns gewarnt, aber am Ende stellte sich heraus, dass es nicht nur effizient war, sondern sogar ein Drittel weniger kostete als wenn wir, wie es in Frankreich zum Beispiel für Inseln praktiziert wird, vom Festland aus ein Kabel gelegt hätten. Wir haben von zwei Firmen einen Plan erarbeiten lassen, der unseren Vorstellungen folgte: wir wollten alle eine nachhaltige Energieversorgung mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen: Wind, Wasser, Sonne. Grüne Generatoren. Autorin: Bis 2008 hatte jeder Haushalt seinen eigenen Diesel betriebenen Generator im Garten. Teuer, nicht nachhaltig und in der ansonsten himmlischen Ruhe der Insel, unsagbar laut. Wie funktioniert denn Eigg Electric für den Verbraucher? Take John: You buy a card 2. Sprecher: Man kauft eine Karte über zehn oder zwanzig Pfund Guthaben, steckt sie in den Zähler und dann hat man Strom. Einmal in der Woche kann man sie im Büro des Trusts kaufen und es sind drei Pfund Notversorgung mit drin, falls man zu viel verbraucht. Take John: We allow people to take 5 kw at any one time. 2. Sprecher: Jeder Haushalt hat 5 KW auf einmal zur Verfügung, mehr nicht. Sonst schaltet sich das System ab und muss von der Gesellschaft wieder aktiviert werden. Das bedeutet im Prinzip keine Einschränkung, nur man kann nicht gleichzeitig die Waschmaschine, die Spülmaschine und den Staubsauger benutzen. Hintereinander schon. Das macht einen schon vorsichtiger. Wir verbrauchen tatsächlich weniger Strom als die gleiche Anzahl von Haushalten auf dem Festland und vermeiden Stoßzeiten, wo in kurzer Zeit sehr viel verbraucht wird. Die Leute lassen auch nicht mehr ihre Computer laufen oder den Fernseher, wenn sie das Gerät nicht brauchen. Und das alles trägt dazu bei, dass unser Energiesystem effizient funktioniert. All das wurde von uns allen beschlossen. MUSIK von Metta Autorin: Diese verlässliche Stromversorgung war die Voraussetzung für etwas, was auf den Hebriden bisher nur auf Eigg stattfindet: Bevölkerungswachstum. Die meisten Bewohner haben ein kleines Stück Land und sind ökologische Selbstversorger, was Obst und Gemüse und eventuell Fleisch betrifft. Es gibt nur drei wirkliche Höfe auf der Insel. Was machen die anderen? Selbst auf einer so abgelegenen Insel wie Eigg hat das dritte Jahrtausend mit dem Internet, einem Highspeed Wlan Einzug gehalten und eröffnet so vielen, besonders jungen Menschen eine berufliche Zukunft vom Ende der Welt aus. ATMO: Café, Bar. Gerede und Musik im Hintergrund Take: Papa! 3. Sprecherin: Drei Babies in so kurzer Zeit ! 1. Sprecherin: Das kommt vom Haggis und vom Whisky. 2. Sprecherin: Drei junge Familien sind vor kurzem zurückgekehrt. Autorin: Zurückkehren bedeutet: es sind Kinder, die auf Eigg geboren und aufgewachsen sind, dann wegen Schule und Ausbildung aufs Festland mussten, dort einige Jahre gearbeitet haben, heirateten und sich dann entschlossen haben, nach Eigg zurückzukehren. Autorin: Hilda Ibrahim ist die Lehrerin der sechs Schulkinder von Eigg und der sechs von Muck. Seit 2006 lebt sie auf der Insel. ATMO: Vögel, Gartenatmo Take Hilda 2. Sprecherin: Historisch betrachtet, waren ja alle hier vom Laird abhängig und erst durch den Erwerb der Insel durch die Menschen, die hier leben, gibt es neue Möglichkeiten, die man sich selbst erschafft. Eigg bietet die Basis dafür. Es fördert die Kreativität. Take Kathrin: Es läuft super gerade im Moment. Es gibt eine Dynamik mit den jungen Leuten, die zurückgekommen sind und kleine Unternehmen gründen, das trägt zur Gemeinschaft bei. Angst habe ich eigentlich nicht. Autorin: Aber es ist ein bisschen, als wenn ihr auf Eierschalen balanciert? Kathrin: Kann man schon so sagen. (lacht) MUSIK Metta Autorin: Musik spilet eine wichtige Rolle auf Eigg. Jeder Titel, den wir hören, wurde auf Eigg aufgenommen. Jenny und ihr Freund Damian Helliwell, gründeten die Gruppe Metta, deren Musik wir gerade hören. Damian arbeitet wie fast jeder auf Eigg in mehr als einem Job. Er hat das hübsche Fachwerkhaus allein gebaut, in dem er und Jenny nun leben. Der gebürtige Eiggier ist Komponist, Musiker, Bauarbeiter und was noch? Take Damian: Running a studio is a further plan. 3. Sprecher: Wir wollen hier noch ein Studio aufbauen. Also von allem etwas. Ich kann hier nicht nur als Musiker überleben, aber mit komponieren, produzieren und anderem beim Hausbau helfen geht es. Jenny: It has to do with the vibe here. 3. Sprecherin: Das hat mit dem Vibe hier zu tun. Eigg ist ein offener Ort. Die Menschen können hier sein wie sie wollen und werden akzeptiert und es hat eine sehr junge Bevölkerung. Das macht es für uns, die wir zwischen zwanzig und dreißig sind, immens attraktiv, an einem Ort zu leben, wo man so viel Spaß haben kann. Autorin: Kein Kino, keine Disco, kein Shopping, hier gibt es noch nicht einmal einen Pub. Nur das kleine Café, das auch als Bar fungieren kann, am Pier, direkt neben dem einzigen Laden. Schon auf dem Boot hatte man mir zugeflüstert, dass Eigg die Partymeile der Hebriden sei. Take Jenny: We are out on the beach 3. Sprecherin: Im Sommer sind wir am Strand und grillen. Dann gibt es Partys ohne Ende und Ceilighs, wo getanzt und musiziert wird. Auf Eigg gibt es eine super Event Szene. Viele Bands spielen hier und es gibt Festivals. Auf Eigg kann man sich einfach nicht langweilen. Man hat das Gefühl permanent in einer Art Großfamilie zu leben. Weil sich alle so vergnügen und Freude am Leben haben. Eine Partyatmosphäre. ATMO Bar drinnen und draußen Autorin: Jeden Samstagnachmittag um vier, so erfahre ich, ist am Pier die Hölle los. Da ist die letzte Fähre abgedreht, hat Post, Zeitungen, Zwiebeln und andere interessante Sachen hinterlassen und auch wenn sich nicht alle fünfundneunzig Insulaner versammeln, um zu feiern, sind es an diesem Samstag doch über die Hälfte, schätze ich. Jung und Alt, Mann wie Frau, Babies im Wagen, Kinder und etliche aufgeregte Hunde bilden eine gut gelaunte Partygruppe. Bei geschätzten dreizehn Grad regnet es leicht, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Viele stehen mit ihrem Bier in der Hand draußen und amüsieren sich. Ich frage die fünfzehnjährige Megan, ob sie als Teenager hier nicht Kinos und Discos vermisst oder Shops. Take Megan: No,no, it´s fine 3. Sprecherin: Nein, das ist prima hier. Ich mag es, wo ich lebe. Hier ist es sehr persönlich und jeder kennt dich. Zwar gibt es auch bei uns den einen oder anderen, der sich nicht blicken lässt aber die meisten Leute sieht man andauernd. Und das ist der Grund, warum die Menschen gern hier leben. Autorin: Auch der zwanzigjährige Praktikant auf der Ökofarm Doughall, der aus Südengland stammt. Take Doughall: 3. Sprecher: Ich wohne fünf Meilen von Swindon entfernt, einer großen Stadt und hier auf Eigg ist wesentlich mehr los als dort. Vielleicht weil man sich dort nicht anzustrengen braucht. Wenn man Geld hat, geht man einfach in den nächsten Pub. Hier gibt es keinen Pub. Die Leute hier unterhalten sich noch richtig miteinander und schaffen sich ihre eigene Zerstreuung statt raus zugehen und sie sich zu kaufen. Autorin: Auch John von Eigg Electric und seine Frau Christine sind Teil der Inselparty am Pier. In aufgeräumter Stimmung prosten sie mir zu. Diese Pierpartys, so erfahre ich, ziehen sich meist bis in die Morgenstunden. Take John: If you need shops, bars or Restaurants 2. Sprecher: Wenn man Läden, Bars und Restaurants braucht, ist das hier nichts für einen. Unser Laden ist gut bestückt und das ist alles, was es hier gibt. Die jungen Leute, die haben noch einen Chor, und Nora gibt Yogakurse, doch wir beide sind nicht die singenden Yogaleute, aber da gibt es ja noch die vielen Ceilighs und Bands in der neuen Gemeindehalle?. MUSIK von Eigg Autorin: So viel Freude und Spaß am nassen, zugigen Ende Europas ist beglückend und das kleine, überschaubare, basisdemokratische Experiment namens Eigg löst bei mir Schmunzeln, warmherzigen Neid und einen guten Schuss Anerkennung aus, aber auch eine Prise Skepsis. Take Hilda: There is poverty here 2. Sprecherin: Ja, es gibt hier Armut. Ich glaube, der Arzt und ich als Lehrerin sind die einzigen, die ihr Einkommen aus einem einzigen bezahlten Job beziehen. Alle anderen müssen mehrere Jobs haben. Was es jedoch nicht auf Eigg gibt, ist wirkliches Elend. Es gibt einige Menschen, die mit einem sehr niedrigen Einkommen auskommen müssen, aber wegen der Art, wie man hier lebt, kann man tatsächlich davon leben. Das wäre auf dem Festland nicht möglich. Take Kathrin: Man kommt über die Runden und wenn man kreativ ist, findet man auch eine Arbeit oder etwas um etwas zu verdienen. MUSIK Eigg Autorin: So wie Charlie, der mich als Taxifahrer über die Insel fährt. Autos dürfen nur Einheimische einführen und Eigg ist zwar klein, aber mit zehn Kilometern Länge und vier Kilometern Breite, mit etlichen Bergen und Hügeln nicht einfach und schnell zu durchwandern. Bei Sturm und Regen schon gar nicht. Charlie sieht aus wie der Bilderbuch-Schotte, auch wenn er keinen Kilt trägt. Rothaarig und vollbärtig, mit Bommelmütze, schätzungsweise Mitte Vierzig. Bis vor zwei Jahren lebte er an verschiedenen Orten des schottischen Festlands. Früher arbeitete Charlie in allen möglichen Jobs. Auf Eigg wurde er zum Philosophen. Take Charlie: You are more laid back 1. Sprecher: Man ist hier viel entspannter. Den Stress habe ich auf dem Festland zurück gelassen. Man merkt, wo die eigentlichen Prioritäten liegen. Man braucht nur wenige Dinge wirklich, wie Heizung und Essen. Das kostet nicht die Welt. Meine Missus und ich haben verschiedene kleine Jobs, die den Wolf von der Tür weg halten. Ich war schon immer der Meinung, dass man zurück bekommt was man gibt und dass nichts umsonst ist. Zu glauben, man bekommt alles geschenkt ist eine wirklich schlechte Idee. Nur wenn man selbst mit anpackt, passiert etwas. Jeder hier hat seine kleine Nische und Aufgabe und ist für irgendwas Gemeinnütziges verantwortlich. Ich bin bei der Feuerwehr. Wenn jemand nicht mehr klarkommt, stehen wir zusammen und helfen ihm. Ja, das ist ein feiner Ort zum Leben und was genauso wichtig ist, die Menschen hier können richtig feiern und ich meine richtig, wie keine andere Insel?da tut sich niemand einen Zwang an? MUSIK Absage: Auf Eierschalen balancieren Die schottische Volksrepublik Eigg Ein Feature von Hannelore Hippe Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2014. Es sprachen: Jonas Baeck, Kerstin Fischer, Renate Fuhrmann, Frauke Poolman, Susanne Reuter, Philipp Schepmann und Josef Tratnik Ton und Technik: Daniel Dietmann und Jutta Stein Regie: Hannelore Hippe Redaktion: Hermann Theißen Take Charlie: It´s a bubble outside reality. Yeah.