COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Forschung und Gesellschaft Deutschlandradio Kultur Redaktion: Kim Kindermann Dringend gesucht Speicher für Erneuerbare Energien von Johannes Kaiser Mod.: Es gibt immer mehr Energie aus Wind und Sonne. Doch oft fällt sie zu Tageszeiten an, in denen sie nicht gebraucht wird und fehlt, wenn sich Wind und Sonne rar machen. Für solche Zeiten bräuchte man Energiespeicher. Welche Möglichkeiten es bereits gibt und was geplant ist, berichtet Johannes Kaiser. ATMO 1: Börsenklingel kurz stehen lassen, dann Spr. drüberlegen, langsam ausblenden Spr.in: Das hatte die Strombörse in Leipzig noch nie erlebt. Als am zweiten Weihnachtstag ein starker Wind über Deutschland hinwegbrauste und alle Windräder auf Hochtouren brachte, gab es plötzlich im Stromnetz stundenlang weit mehr Strom, als gebraucht wurde. Eine ausgesprochen missliche Situation, die im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Netzes hätte führen können, wäre man den Strom nicht rasch losgeworden. Auf alle Fälle hätte man konventionelle Kraftwerke runter fahren müssen. Das aber ist ein teures Vergnügen. Also zahlten die Stromverkäufer den Stromkäufern bis zu 20 Cent pro Kilowattstunde, damit sie ihnen den Strom abnahmen. Der Strompreis war negativ. Eine absurde Situation: die Stromanbieter mussten noch Geld drauflegen, um ihren Strom loszuwerden. Spr.: Negative Strompreise drohen in Zukunft immer häufiger, denn immer mehr Windräder und Photovoltaikanlagen werden an das Netz angeschlossen. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es zu bestimmten Zeiten ein Überangebot an Ökostrom gibt. Das unterzubringen wird auf alle Fälle die große technische Herausforderung des nächsten Jahrzehnts. Sprecher: Immerhin soll in Deutschland der Anteil der Erneuerbaren Energien an der gesamten Stromversorgung bis 2020 auf 40 Prozent ansteigen. Einen Großteil davon wird die Windenergie liefern. Es gibt zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren, so Martin Kleimaier, der gerade eine Energiespeicherstudie für den VDE, der Verband der Elektrotechnik, erstellt hat: TAKE 1: O-Ton Kleimaier "Entweder man baut neue Leitungen, um die Energie irgendwohin zu transportieren, wo sie gerade gebraucht wird und die VDE Studie zeigt ja auch, dass Energieübertragungen immer noch das kostengünstigste Mittel ist, das heißt also, wenn ich irgendwo Europa zu meiner erzeugten Energie einen Abnehmer finde, dann ist es immer günstiger, den direkt dorthin zu leiten, bevor ich ihn speichere. Aber die Möglichkeiten sind eben begrenzt und auch die Ausbaumöglichkeiten für Leitungen sind momentan sehr eingeengt. Da muss man über Speicher nachdenken." Spr.: Das Land braucht Speicher und zwar eine ganze Menge. Weihnachten hat gezeigt, dass es allerorten an Speicherkapazität fehlt und das gilt nicht nur für Überangebote, sondern auch für das Gegenteil: besonders hohe Nachfrage. Je stärker Deutschland auf Ökostrom setzt, desto weniger Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen werden dem Klimaschutz zuliebe gebaut werden. Da Kohlekraftwerke und Atommeiler rund um die Uhr laufen, liefern sie bislang eine gleichmäßige Grundversorgung, die Grundlast. Soll Ökostrom sie ersetzen, muss diese Grundlast weiterhin garantiert bleiben. Biogas, Geothermie, Wasserkraft sind da durchaus hilfreich, werden aber nicht ausreichen, falls sich zum Beispiel Wind und Sonne rar machen und damit im Netz Strom fehlt. Den müssten dann Speicher liefern. TAKE 2: O-Ton Kleimaier "Man kann das ganz anschaulich zeigen. Es gibt Perioden in Deutschland ohne Wind deutschlandweit 14 Tage. Wenn man das umrechnet in heutigen Energiebedarf, dann entspricht das ungefähr einer Terrawattstunde, das heißt also eine Milliarde Kilowattstunden. Wir haben momentan in Deutschland 40 Gigawattstunden, also weniger als 5 Prozent von dem, was sie eigentlich bräuchten, an Speichern." ATMO 2: Pumpspeicherkraftwerk Golisthal kurz stehen lassen, dann Spr. drüberlegen, langsam ausblenden Spr.in: Vier gigantische Turbinen in einer kirchturmhohen Kaverne tief im Berg pumpen Wasser aus einer Talsperre, dem Unterbecken, durch mannshohe Röhren mehr als 300 Meter hoch auf die Kuppe des Großen Farmdenkopf im thüringischen Wald. Dort sammeln sich in einem künstlich geschaffenen Becken zwölf Millionen Kubikmeter Wasser. Der See, immerhin 55 Hektar groß, dient als Energiereserve für Zeiten, in denen der Strom knapp ist. Würde das Wasser wieder abgelassen, könnten die vier Turbinen acht Stunden lang 1060 Megawatt Strom erzeugen. Das würde reichen, um das ganze Bundesland Thüringen einen Tag lang mit Strom zu versorgen. Spr.: Das Pumpspeicherwerk Goldisthal ist das größte Wasserkraftwerk Deutschlands. Wolfgang Bogenrieder, Chef des Vattenfall Unternehmens EEG-bedingter Netzausbau und Speichertechnologien hat es mitgebaut: TAKE 3: O-Ton Bogenrieder "Ein Pumpspeicherkraftwerk ist eigentlich vergleichbar mit einer Batterie, die wir kennen. Auch eine Batterie muss irgendwann aufgeladen werden. Beim Pumpspeicherkraftwerk ist es ganz ähnlich. Da laden wir dieses Pumpspeicherwerk dadurch, dass wir Wasser mittels einer Pumpe hoch pumpen. Damit ist die Energie, die vorher als Strom vorhanden war, dann durch eine, wir nennen das potentielle, Energie in einem höher gelegenen Becken gespeichert und wenn wir die Energie wieder brauchen, dann lassen wir dieses Wasser wieder durch Turbinen fließen, also wieder runter fließen in ein Unterbecken. Dadurch gewinnen wir die Energie wieder zurück." Spr.: Geplant noch zu DDR-Zeiten, aber wegen Geldmangels gestoppt, wurde das Großprojekt nach der Wiedervereinigung erneut in Angriff genommen. 1997 begannen die Bauarbeiten. 2003 wurde das Kraftwerk offiziell eröffnet. Goldisthal ist heute zwar die modernste Anlage in Deutschland, aber das Prinzip, Wasser als Energiespeicher zu nutzen, ist alt. TAKE 4: O-Ton Bogenrieder "Es hat sich am großen groben Prinzip eigentlich seit Jahrzehnten nichts geändert. Nur in einzelnen Teilbereichen wie überall in der Technik hat es natürlich Verbesserungen gegeben. Und das führte dann letztlich dazu, dass wir einen mittleren Gesamtwirkungsgrad von über 80 Prozent erreichen. Heute haben ältere Speicherwerke, wie zum Beispiel Niederwartha einen Wirkungsgrad von ungefähr 65 bis maximal 70 Prozent. Andere Pumpspeicherwerke, die so 20 Jahre alt sind, haben vielleicht 70, 71, 72 Prozent. Unter dem Gesamtwirkungsgrad können wir uns eben vorstellen, wenn ich eine Kilowattstunde hineinstecke zum Zwecke der Speicherung, wie viel bekomme ich dann wieder heraus und das sind eben 80 Prozent, 0,8 Kilowattstunden und dieser Verlust resultiert daraus, dass ich eben beim Umwandeln in den Maschinen und beim Transportieren des Wassers zwischen Unter- und Oberbecken und umgekehrt Verluste erleiden." Spr.: Goldisthal zeigt, was Pumpspeicherkraftwerke heute leisten können. Das hat seinen Preis. Mit einer bis zwei Milliarden Euro Baukosten können sich nur große Energieunternehmen solche Anlagen leisten, denn um große Mengen an Energie zu speichern, braucht man Großtechnologien. Die lassen sich für den Hausbedarf nicht beliebig verkleinern. Da sind andere Lösungen gefragt. Es gibt in Deutschland nicht mehr allzu viele Möglichkeiten, Täler zu fluten und Wasserbecken anzulegen. Wolfgang Bogenrieder vom Energieversorger Vattenfall schätzt denn auch vorsichtig: TAKE 5: O-Ton Bogenrieder "In Summe haben wir knapp über 30 Anlagen, die so ganz grob eine Turbinenleistung von etwa von 6600 MW haben. Was kann ich mir vorstellen, wie viel Pumpspeicherpotenzial könnte denn in Deutschland noch ausgebaut werden, dann schätze ich mal ganz grob, dass wir die gleiche Leistung und die gleiche Energiemenge, Speichermenge errichten könnten, wie sie heute schon existiert, also ungefähr verdoppeln. Nach oben hin wäre vieles möglich, aber die Schwierigkeiten werden dann natürlich immer größer, weil die Bereiche, die wir bepla-nen müssen, natürlich auch sensibler werden und das wird so ohne weiteres nicht gehen." Spr.: Angesichts heftiger Proteste von Naturschützern griff damals in Goldisthal der bauende Energieversorger, die Veag, tief in die Tasche, um dem BUND, dem Bund für Naturschutz und Umwelt die Zustimmung zum Pumpspeicherkraftwerk abzukaufen. Der bekam sieben Millionen Mark zur Gründung einer Naturstiftung. Der Konflikt zwischen Landschaftsschutz und Erneuerbaren Energien ist vorprogrammiert. So werden neue Anlagen eine Ausnahme bleiben und eher alte Pumpspeicherkraftwerke technisch aufgerüstet. Damit könnte eine Speicherleistung von insgesamt rund 13 000 Megawatt geschaffen werden ? mehr nicht! Spr.: In der Nacht zum 26. Dezember lieferte der Wind aber über 20 000 Megawatt mehr, als die Stromkunden abnahmen. Und wenn erst einmal die riesigen Offshore-Wind-parks in der Ost- und Nordsee errichtet sind, strömen noch einmal bis zu 25 000 Megawatt ins Netz. Die Wasserspeicher jedenfalls werden bei Weitem nicht ausreichen. Alternative Speichermöglichkeiten werden deshalb dringend gesucht. ATMO 3: Luftkompressor kurz stehen lassen, dann Spr. drüberlegen, langsam ausblenden TAKE 6: O-Ton Moser "Ein Druckluftspeicherkraftwerk funktioniert so, dass ein Kompressor bei Stromüberangebot Luft komprimiert und die komprimierte Luft dann in einer unterirdischen Kaserne, in einem Salzstock zwischengespeichert wird und dann bei Strombedarf diese Druckluft über eine Turbine entlassen wird an die Atmosphäre und dabei eine Turbine antreibt und da kann man dann Strom produzieren." Spr. Das Prinzip des Druckluftspeichers klingt einfach, wenn Peter Moser, Leiter der Abteilung Neue Technolgien beim Nordrhein-Westfälischen Energieversorger RWE es das erste Mal vorstellt. Doch die Tücke liegt im Detail und das ist auch der Grund, warum es weltweit erst zwei Anlagen überhaupt gibt, die nach diesem Prinzip arbeiten. Spr.in: Wenn man Luft verdichtet, wird dabei viel Wärme frei. Bislang wird sie einfach an die Umwelt abgegeben. Eben diese Wärme aber bräuchte man erneut, wenn man die komprimierte Luft wieder aus dem Salzstock raus lässt, um mit ihr Turbinen anzutreiben. Würde man die zusammengepresste Luft, ohne sie vorher anzuwärmen, in die Turbinen schicken, könnten die vereisen, denn sich ausdehnende Luft entzieht der Umgebung Wärme. Spr.: Das Aufwärmen kostet viel Energie. So hat das 1978 gebaute, weltweit erste Druckluftspeicherkraftwerk in Huntorf in Norddeutschland nur einen Wirkungsgrad von 42 Prozent, das heißt, zwei Drittel der eingespeisten Energie gehen verloren. Eine miserable Bilanz, die eine neuen Generation von Speicherkraftwerken erheblich verbessern kann: das adiabates Druckluftspeicherkraftwerk. RWE ist dabei, eine solche Anlage namens 'Adele' zu errichten. Sie wird die erste weltweit sein und soll 2013 in Betrieb genommen werden. Ihre Besonderheit: die Wärme wird nicht gekühlt, sondern diesmal gesondert gespeichert. TAKE 7: O-Ton Moser "Man hat einen großen Behälter, in dem Formsteine drin sind. Das sind Keramiksteine, wo Röhren drin sind und dort fließt die komprimierte heiße Luft durch in Richtung der Speicherkaverne und gibt dabei ihren Wärmeinhalt ab und wenn ich dann Strom produzieren will, lass ich die kalte Luft aus der Kaverne wieder über diesen Wärmespeicher fließen und die heizt sich dabei auf. Unser Ziel ist 70 Prozent Wirkungsgrad zu erreichen mit dem adiabaten Druckluftspeicher." Spr.in: Salzstöcke eigenen sich besonders gut als Druckluftspeicher, denn Salz gilt als luftundurchlässig. Um eine große Höhle für den Speicher tief im Boden zu schaffen, presst man Wasser in die unterirdischen Salzschichten. Das Salz löst sich auf. Und die so entstandene salzige Lauge pumpt man anschließend nach oben. Die Größe der so erschaffenen Kaverne hängt davon ab, wie dick die Salzschicht ist. Spr.: Das geplante Druckluftspeicherkraftwerk soll jedenfalls 1000 Megawatt Leistung bieten. Dazu müsste eine unterirdische Kaverne von der Höhe des Eiffelturms geschaffen werden. Wenn dieser Hohlraum geleert wird, reicht die Druckluft aus, um mit den Turbinen fünf Stunden lang 200 Megawatt Strom zu erzeugen. Damit könnte man bei einer Windflaute die Stromproduktion von 40 modernen Windkraftanlagen ersetzen. 'Adele' soll nicht das einzige Luftdruckspeicherkraftwerk bleiben. TAKE 8: O-Ton Moser "Wir haben in Norddeutschland, aber auch in Mitteldeutschland ausgedehnte Salzstockfelder, das heißt wir haben gerade dort, wo auch künftig die große Einspeisung der Windkraft stattfinden wird, haben wir sehr, sehr großes Potenzial für Speicher. Wir gehen davon aus, dass wir benötigen werden durchaus im Bereich von etwa 20 bis 30 solcher Anlagen in Deutschland, um diese Netzschwankungen abzufedern." Spr.in: In den Salzstöcken könnte allerdings statt Druckluft auch Wasserstoff gespeichert werden. Wasserstoff ist ein guter Energiespeicher. Er braucht viel weniger Platz, um dieselbe Energiemenge wie Druckluft aufzubewahren. Ein Luftballon voll Wasserstoff enthält soviel Energie wie ein ganzes Wohnzimmer voll komprimierter Luft. Spr.: Die Erzeugung von Wasserstoff ist derzeit noch teuer, denn Wasserstoff ist ein flüchtiges Element, das in der Natur nur in gebundenem Zustand vorkommt. Man kann Wasserstoff aus Wasser mithilfe der Elektrolyse herauslösen. Das kostet zwar viel Strom, hat dennoch offenkundige Vorteile, so Energieexperte Martin Kleimaier: TAKE 9: O-Ton Kleimaier "Für die Großspeicherung bietet sich momentan Wasserstoff an aufgrund der sehr hohen Energiedichte. Wenn man in die gleiche Salzkaverne, wo man heute Druckluft speichern würde, Wasserstoff unter Druck speichert, dann kann man in diesem gleichen Volumen etwa das 60fache an Energie speichern, was entsprechend preisgünstig wird, das Speichervolumen bezogen auf die Energie, aber der Nachteil ist momentan der schlechte Wirkungsgrad." Spr.in: So bleiben nur 40 Prozent der ursprünglichen Energie übrig. Dennoch könnte sich Wasserstoff für Langzeitspeicher als Reserve für Notfälle anbieten. Dafür allerdings müssten erst einmal großtechnische Elektrolyse-Apparate entwickelt werden. Noch ist die Wasserstoffherstellung ein Nischenprodukt in der chemischen Industrie. Spr.: Auf Wasserstoffproduktion in großem Stil hofft auch ein weiteres Speicherprojekt, das das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Stuttgart zusammen mit dem Kasseler Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtech-nologie entwickelt hat. Sie wollen aus Wasserstoff Methan herstellen, ein Brennstoff, der bestens bekannt ist, da er der Hauptbestandteil von Erdgas ist. Michael Specht vom Stuttgarter Zentrum: TAKE 10: O-Ton Specht "Das ist im Prinzip relativ einfach. Wir bleiben nicht auf der Stufe Wasserstoff stehen, sondern konvertieren diesen Wasserstoff mit Kohlendioxid weiter. Das ist eine relativ einfache Reaktion, die sogenannte Methanisierungsreaktion, das heißt der Wasserstoff wird mit Kohlendioxid umgesetzt und es entsteht daraus Methan und Wasser." Spr.in: Die Umwandlung ahmt die Fotosynthese nach, bei der Pflanzen mithilfe der Sonnenenergie aus Wasser und Kohlendioxid aus der Luft Chlorophyll, also grüne Blätter herstellen. Dabei wird einerseits Sauerstoff frei und andererseits in Biomasse gebundener Kohlenstoff gebildet. Spr.: Bei der Methanisierungsreaktion passiert Ähnliches. Aus Wasserstoff und Kohlendioxid wird Methan und Wasser gebildet. Nun kostet natürlich jede Energieumwandlung ihrerseits Energie. Das gilt auch für die Herstellung von Methan aus Wind- oder Solarstrom. TAKE 11: O-Ton Specht "Ich würde mal überschlagend sagen, 60 Prozent des eingesetzten Stroms ist nachher in Form von Methan verfügbar." Spr.: Das ist nicht viel und so stellt sich die Frage, warum Methan ein besserer Energiespeicher als Wasserstoff sein soll? Für Michael Sterner vom Fraunhofer Institut liegen die Vorteile klar auf der Hand: TAKE 12: O-Ton Sterner "Es ist kompatibel mit der heutigen Infrastruktur und zudem hat halt Methan eine dreifach höhere Energiedichte bezogen auf das Volumen, das heißt, wenn wir Wasserstoff speichern möchten unterirdisch, brauchen wir dreimal mehr Platz als bei Erdgas. Die Erdgastechnologie ist vorhanden, auch die Speichertechnologie ist erprobt, ist Stand der Technik. Bei Wasserstoff ist das noch nicht der Fall, leider, und Wasserstoff ist sehr schwierig zu speichern, ist halt auch hochexplosiv und entweicht leichter aus dem Speicher als Erdgas." ATMO: Gaszischen Kurz stehenlassen, dann Spr. drüber legen, ausblenden Spr.: Ob Wasser oder Druckluft, Wasserstoff oder Methan ? all diese Speichermedien erfordern großtechnische Systeme, die zwar enorme Mengen an Energie speichern können, aber in der Regel nicht auf Knopfdruck reagieren, oftmals Minuten brauchen, bis die Turbinen anspringen und Strom liefern. Ein plötzlicher Spannungsabfall im Stromnetz aber kann katastrophale Folgen haben. Man denke nur an Computer im Bankgewerbe oder die Fertigung von Halbleiterchips. In beiden Fällen würde eine Stromunterbrechung Millionenschäden verursachen. Hier setzt man auf andere Speichermedien, die ohne Verzögerung Strom liefern. Spr.in: Das können Batterien. In Millisekundenschnelle springen sie ein. Zudem taugen sie auch als kleine Speicher für den Privatbedarf wie auch als Notstromreserve für die Wirtschaft. Je nachdem wie viel Leistung man braucht, schaltet man mehrere Batterien hintereinander zu einem kleinen Kraftwerk zusammen. Genau das macht sie auch in den Augen mancher Forscher als mögliche Speicher für erneuerbare Energien interessant. Spr.: Doch Batterie ist nicht gleich Batterie. Der klassische Batterietyp, den jeder Autofahrer kennt, ist die Starterbatterie, eine Bleisäurebatterie. Sie kann kurzfristig zum Beispiel zum Starten viel Leistung bringen, ist aber als Speicher nicht besonders ergiebig. Um einen Laptop zwei Stunden zu betreiben, bräuchte man ein Kilogramm Bleibatterie. Sie ist also schwer und hält nur ein paar Jahre. Dafür allerdings ist sie unschlagbar billig. Für Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik von der Technischen Hochschule Aachen ist die Bleibatterie trotzdem noch längst nicht überholt. TAKE 13: O-Ton Sauer "Große Anlagen sind da in der Vergangenheit realisiert worden im Bereich vieler zehn Megawatt. Das ist eine Technologie, die auch technologisch nach wie vor ausbaufähig ist, an der aber relativ wenig geforscht wird. Alle unterbrechungsfreien Stromversorgungsanlagen in großen Rechenzentren, in Krankenhäusern, in Kraftwerken, das sind alles Bleibatterien, die da heute zum Einsatz kommen und werden es da auch noch lange bleiben, weil einfach das Gewicht dort keine große Rolle spielt. Stationäre Anlagen haben da kein größeres Problem mit und letztendliches sind es dann die Kosten, die den Ausschlag geben." Spr.: Neben diesem klassischen Batterietyp existiert seit längerem die Hochtemperaturbatterie, das heißt die Batterie muss vorgewärmt werden, bevor sie anspringt. Dazu zählt die Natrium-Schwefel-Batterie. TAKE 14: O-Ton Sauer "Natrium-Schwefel besteht aus flüssigem Natrium und flüssigem Schwefel im Betriebszustand. Der Betriebszustand wird bei etwa 300°C erreicht. Diese Technologie hat sehr gute Lebensdauerzyklen. Es gibt kaum Alterungsprozesse in diesen Batterien und sie ist auch aufgrund der sehr günstigen Ausgangsmaterialien billig herstellbar." Spr.: In Deutschland hat sich vor allem die Autoindustrie bis Mitte der neunziger Jahre mit diesem flüssigen Batterietypus beschäftigt, ihn aber wegen zu hoher Unfallgefahr verworfen. An einen Einsatz als Speicher für Energie dachte damals offenkundig niemand. Das leichtfertige Versäumnis, jede weitere Forschung aufgegeben zu haben, kam den Japanern gerade recht. Als Inselstaat, der im Notfall keinen Nachbarn um Strom anpumpen kann, muss man Energie auf Vorrat halten. So befassten sich die Japaner intensiv mit diesem Batterietypus als Stromspeicher. TAKE 15: O-Ton Sauer "Natrium-Schwefel-Batterie ist von den Japanern massiv weiterentwickelt worden für große stationäre Anlagen. Die heute größten Batterieanlagen sind als Natrium-Schwefel-Batterien in Japan realisiert. 50 Megawatt Batterien gibt es dort im Einsatz. Aus allen Berechnungen, die man machen kann, ist in die Natrium-Schwefel-Batterie, wenn es um große Batteriesysteme im Netz geht, die absehbar attraktivste Technologie und vom Entwicklungsstand eben auch relativ weit an der Stelle." Spr.: Da nur ein einziges japanisches Unternehmen diese Hochtemperaturbatterien herstellt, also eine Art Monopol innehat, wird von der Preisentwicklung abhängen, inwieweit sie sich als Speichermedien auch hierzulande durchsetzen. Findige Forscher sind daher an anderer Stelle fündig geworden: Sie setzen auf die Batterien, die Elektroautos antreiben sollen. Spr.in: Die Automobilindustrie favorisiert Lithium-Ionen-Batterien, die derzeit weltweit Handys und Laptops antreiben. Dabei wandern Lithium-Ionen zwischen zwei Kristallgitterstrukturen hin und her, je nachdem ob geladen oder entladen wird. Je nach eingesetztem Metall bieten die Batterien unterschiedliche Leistungen. TAKE 16: O-Ton Sauer "Grundsätzlich Lithium-Ionen-Batterien in allen Parametern können allen anderen Systemen überlegen sein, das heißt wir haben die höchsten Energiedichten, das heißt die längste Laufzeit eines Laptops oder Fahrdistanz eines Fahrzeuges pro Kilogramm. Wir können die höchsten Leistungsdichten im Verhältnis zu allen anderen Batterietechnologien erreichen und auch die Lebensdauern sind sehr lang, weil es nicht hier zu vollständigen chemischen Umsetzungen der Materialien kommt. Das ist deutlich Lebensdauer verlängernd." Spr.: Werden Benzin und Diesel knapp und teuer, könnte die Stunde der E- Mobile geschlagen haben. Die Hersteller rechnen in den nächsten zehn Jahren mit einem Absatz von rund einer Million Elektrofahrzeuge. Und dann werden die E-Mobile auch für den Ökostrommarkt gute Kunden. Batterieforscher Dirk-Uwe Sauer: TAKE 17: O-Ton Sauer "Die Idee ist ganz klar, dass zum Beispiel das Nachladen von Elektrofahrzeugen genau dann erfolgt, wenn es zum Beispiel große Windkraftüberschüsse gibt und dass man dann entsprechende Signale, das können zum Beispiel ganz einfache Preissignale sein, an die Fahrzeuge verschickt, nach dem Prinzip, jetzt ist der Strom billig und wenn du die Möglichkeit hast, jetzt aufzuladen, dann kann sich das Fahrzeug entscheiden, ob es das tut." Spr.: Viel Strom werden die Elektrofahrzeuge nicht aus dem Netz ziehen. Eine Million Fahrzeuge würden nur rund 0,3 Prozent des gesamten Stromangebots speichern. Um Überangebotsspitzen zu kappen, wäre das schon ganz gut. Ab drei Millionen Fahrzeuge beginnt die E-Mobilität für die Stromanbieter wirklich interessant zu werden. Denn - und das ist der Clou - aus den Elektrofahrzeugen ließe sich ein virtuelles Speicherkraftwerk bilden. Falls gerade zu viel Strom im Netz fließt, könnten die Autos als Speicher dienen. Die einfachste Variante wäre eine passive Steuerung. Wenn es viel Strom gibt, lädt man die Batterie. Gibt es wenig Strom, stoppt man das Laden. Der Strom im Netz steht dann für andere Zwecke zur Verfügung. TAKE 18: O-Ton Sauer "Die mehr fortgeschrittene Version wäre, wenn diese Fahrzeuge sogar Energie wieder abgeben. Ein typischer Fall wäre: ich fahre zur Arbeit acht Uhr, zwischen acht und elf Uhr wird die Batterie aufgeladen, das ist typischerweise eine Schwachlastzeit, zwischen elf und zwei ist eine Hochlastzeit, wenn mittags gekocht wird. In der Zeit würde ich wieder entladen und zwischen zwei und fünf Uhr lade ich wieder auf und wenn ich um 17 Uhr nachhause fahre, dann ist die Batterie genau da, wo sie ist." Spr.: Wird viel Strom benötigt, könnten Millionen Autobatterien Strom liefern und damit ein konventionelles Kraftwerk ersetzen. Herrscht jedoch Stromüberangebot, dienen die Batterien als großer Energiespeicher. Der Wirkungsgrad liegt immerhin bei rund 95 Prozent. Spr.in. Technische Voraussetzung eines solchen virtuellen Speichers ist eine hohe Zyklendauer der Batterie, denn sie muss nicht nur zum Fahren, sondern auch zwischendurch für das Netz ständig be- und entladen werden. Moderne Lithium-Ionen-Modelle bieten 3000 bis 5000 Zyklen. Das ist weit mehr, als man für den Fahrbetrieb braucht. Man kann also die überschüssigen Ladezyklen für das virtuelle Kraftwerk nutzen. Der Batterie ist das egal: sie steht sich kaputt oder sie wird ka-puttzyklisiert. Dem Autobesitzer allerdings brächte diese Zusatzfunktion seiner Autobatterie bares Geld. Spr.: Voraussetzung solcher virtuellen Speicherkraftwerke sind sogenannte 'smart grids', intelligente Netze, in denen der Strom in beide Richtungen fließen kann und sämtliche Beteiligten, vom großen Kraftwerksbetreiber bis zum Elektromobilbesitzer über das Netz angesteuert werden können, um Speichern und Entladen zu koordinieren. Spr.in: Das funktioniert bei den großen Überlandleitungen, ist aber in den nachfolgenden Verteilernetzen bislang die Ausnahme. Dazu gehört, dass man zum Beispiel Windräder bei Überangebot abschalten und gleichzeitig Energiespeicher einschalten kann, stromverbrauchende Geräte im Haushalt bei Stromknappheit vorübergehend vom Netz nimmt und zugleich aus Elektromobilen Strom ins Netz einspeist. Spr.: Erst wenn das Netz so intelligent Stromangebot und ?verbrauch regeln kann, lässt sich Strom aus Erneuerbaren Energien auch in kleinen Batteriespeichern aufbewahren. Wichtig sind natürlich die Kosten für die Speichermedien. Die variieren stark, je nachdem ob man Strom für Minuten, Stunden oder Tage speichern möchte. Spr.in: Die billigste Variante sind die Pumpspeicher. Da kommt ein modernes Wasserkraftwerk wie Goldisthal auf rund 3 Cent pro Kilowattstunde. Beim Druckluftspeicher rechnet man mit ähnlichen Kosten. Achtmal teurer ist die Wasserstoffspeicherung mit heute rund 25 Cent. Man hofft in zehn Jahren bei zehn Cent zu liegen. Die billigste Batterie ist die Bleibatterie. Am teuersten mit 50 Cent sind Lithium-Ionen-Modelle. Spr.: Ein Polo, der 15 Kilowatt braucht, um rund 100 km zu fahren, bräuchte dafür derzeit Lithiumbatterien im Wert von 15 000 Euro. Das kann niemand bezahlen. Jetzt geht es also darum, die hohen Kosten zu senken und da hat Deutschland einiges an Forschung und Entwicklung aufzuholen, wie Wolf-Dieter Lukas, als Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung zuständig für Schlüsseltechnologien einräumt. TAKE 19: O-Ton Lukas "Wir haben in Deutschland festgestellt, dass wir in der Batterieforschung Terrain verloren haben, übrigens wir haben in dem gesamten Elektrochemiebereich Terrain verloren. Wir haben festgestellt, dass wir bei Batterie nicht mehr die Rolle spielen, wie wir sie früher mal gespielt haben." Spr.: Es fehlte einfach die Notwendigkeit, Speicher zu bauen. Das Stromnetz war stabil, sicher, zuverlässig. Seit der Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien, die heute bereits über 10 Prozent des Energieverbrauchs abdecken, steht die deutsche Forschung plötzlich vor der Aufgabe, den Vorsprung anderer Industrienationen gerade bei Batteriesystemen aufzuholen. Die Lithium-Ionen-Technologie wurde vor allem in Asien für Handys und Laptops vorangetrieben. Erst seit die deutsche Autoindustrie aus ihrem Tiefschlaf aufgewacht ist, beginnt man sich auch hierzulande ernsthaft mit diesem Batterietypus auseinanderzusetzen. Die Industrie hat eine Innovationsallianz Lithiumbatterie 2050 gegründet nicht zuletzt auf Veranlassung des Forschungsministeriums: TAKE 20: O-Ton Lukas "Wir haben schon sehr viel Geld in die Hand genommen, allein für die Lithium-Ionen- Batterie, da haben wir 60 Millionen Euro bereits verpflichtet. Im Rahmen des Konjunkturprogramms Zwei hatten wir noch mal die Möglichkeit, uns auf Themen zu konzentrieren, die für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands besonders wichtig ist und da kam ganz klar: wenn, dann ist das das Thema Elektromobilität. Mittlerweile gibt die Bundesregierung insgesamt etwa 700 Millionen Euro aus." Spr.: Eine stolze Summe. Dahinter steht vor allem die Furcht, den Automarkt der Zukunft zu verlieren. Das Speicherproblem ist bislang eher zweitrangig. Das könnte sich mit dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren Energien schon bald rächen. Hier besteht genauso viel Forschungsbedarf wie bei der E-Mobilität. Die Bundesregierung scheint zudem die politische Brisanz für den liberalisierten Energiemarkt noch gar nicht begriffen zu haben. Die derzeit gültigen Netznutzungsentgelte verteuern Speicherstrom erheblich, wenn für jedes Be- und Entladen Netzgebühren gezahlt werden müssen. Absurd, denn ohne Speicher wird der Ausbau des Ökostroms gestoppt. Wichtig ist auch, wem zukünftig das Netz gehören soll. Privatunternehmen, die maximalen Profit aus minimalem Service herausholen, Ballungsgebiete bevorzugen, ländliche Regionen links liegen lassen? Auch davon hängt ab, wer in welche Speicher investiert. Forschung und Technik können Lösungen aufzeigen. Die Politik aber muss die Rahmenbedingungen schaffen. 19