COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt - 16.08.2008 Berge, Flüsse und Stauseen - Unterwegs im Sauerland Von: Roland Krüger Redaktion: Sonja Scholz Musik Jingle - Kennmusik Take01 Meine Damen und Herren, ich möchte auf das Sauerland zu sprechen kommen. Jene herrliche, westfälische Landschaft im Nordosten des Rheinischen Schiefergebirges, malerisch gelegen zwischen Rhein, Ruhr, Möhne und Sieg, höchste Erhebung der Kahle Asten mit 841 Metern, angefüllt mit den zauberhaftesten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen kann. Take02 Das Wasser wurde für die Wasserkraft benötigt, die Wälder für die Holzkohle, Eisenerz war auch vorhanden, im Gegenzug fehlten eigentlich weitgehend die landwirtschaftlichen Flächen, so dass die Menschen ohnehin gezwungen waren, sich ihren Broterwerb durch das Eisengewerbe zu sichern. Take03 Und jetzt ham wir noch eins, das auch sehr gerne hier im Sauerland gesungen wird. Dat is lütke lütke Fassenacht. Dann haben die Kinder Spieße genommen, Holzspieße und haben dieses kleine Liedchen gesungen: (plattdeutscher Gesang) Sprecherin vom Dienst Berge, Flüsse und Stauseen - Unterwegs im Sauerland. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Atmo Waldrauschen, im Hintergrund leiser Autoverkehr Take04 Es gibt gar nicht DAS Sauerländer Platt, sondern die plattdeutschen Mundarten. Und zwar gibt's einige Mundarten im Sauerland, die nicht sauerländisch sind. Und das wissen die Leute auch, in der Gemeinde Wenden. Das wend´sche Platt ist ein niederfränkischer Dialekt. Man kann also sagen, die Wenden oder die Wend´schen, das sind Sauerländer, die nicht sauerländisch sprechen. Autor Es gibt wohl niemanden, der fachkundiger über kleinste regionale Unterschiede im Sauerland berichten kann als er: Werner Beckmann, Dialektforscher mit Schwerpunkt: Sauerländer Platt. Hinter jedem Hügel wird anders gesprochen, sagt er, und Hügel gibt's im Sauerland reichlich. Im Stertschultenhof von Cobbenrode, einem stattlichen und reich geschmückten Beispiel barocker sauerländischer Baukunst, hat Werner Beckmann ein Mundart-Archiv eingerichtet, und sein Ziel ist, möglichst viel von dem zu dokumentieren, was den Sauerländern über die Lippen kommt. Mit einem Aufnahmegerät hat der Mundarten-Forscher viele Interviews auf platt geführt. Er hat Gedichte, Lieder und Texte gesammelt, die das frühere Leben im Sauerland widerspiegeln: Take05 De nigge Strom http://www.sauerlaender-heimatbund.de/start6.html circa 30 Sekunden: A: Heäst'e all hoort, dät se nöi dät ganze Duorp an deäm Hüssen seynen Strom anschlöiten wellt? Dät mag mey wat gieben. B: Bat fär Strom? Autor Für die meisten Ohren klingt das wie Tünnes und Schääl auf Plattdeutsch. Aber wer den Dialekt versteht, weiß nun immerhin, was es bedeutet, wenn ein kleines Dörfchen an das elektrische Stromnetz angeschlossen wird. Take05 weiter und unter Autor ausblenden A: Dai doch nit sai, ere wann de do nai nix van hoort heäst. De Kavalier heät ne doch schon en paar Johre im Schluote. Un up der Fabrik lüchtet se domier doch en ganzen Papiersaal öit. B: Strom, Unsinn, Ick wöll abber doch mool geerne witten, böi dät mit deäm Strom funktioniert. A: Dät kann ick dey vertellen. Do stickest'e en Droht mit twoai Engen in de Wand, un dann lüchte ne Glasbeere, sai helle wie de Sunne.Düse Daage wur sain Keärel bey mey, doai hoorte gar nit up te küren van deäm Strom. Ick wur donoh ganz schweymeleg imme Koppe. B: Un bat girret nöi mit deäm Strom. Kreyge vey in Überalme aik Strom, bat seggt Hüssen Karl? A: Jau nöi sallt balle wat gieben. B: Dät gloibe ick nit. Boai well dät dann betaalen? Autor Werner Beckmann hat viel mehr herausgehört. Eigentlich könnte er bei "Wetten, Dass" auftreten, denn er kann am Dialekt erkennen, dass wir eben akustisch im sauerländischen Dorf Alme zu Gast waren, das längst zu Brilon gehört, auf halbem Weg zwischen Hamm in Westfalen und dem nordhessischen Kassel. Die Unterschiede sind klein, aber vorhanden: Take06 Der Satz heißt hochdeutsch so: Sitzt ne Eule auf´m Zaun, hat ne Maus im Maul. Der heißt hier in Cobbenrode: Sittet, ne Öle off ne Töle, de hat ne Mös in Möle. Aber wenn se jetzt sieben Kilometer weiter rauffahren nach Elspe, südlich, da heißt es: Sittet ne Eule of ne Teule, hätt ne Mius inne Maule. Und dasselbe ist weiter nördlich, Eslohe, da wird auch wieder so gesprochen. Aber man sagt in Masberg, das ist ja schon fast hessisch, aber noch Hochsauerlandkreis, da sagt man: Sittet ne Ole of ne Tole, häätet ne Mos inne Mole. Und in Niedersfeld, da ist es noch putziger, da heißt es: Sittet ne Iele of ne Tiele, hättet ne Mies inne Miele. Und in Olpe, Kreisstadt Olpe, da heißt es: Sittet ne Ül opn Tuun und hätt ne Muus inne Muule. Autor Dialekt-Forschung, zumindest im Sauerland, ist Fleißarbeit. Werner Beckmann wird nicht müde, alles in den großen linguistischen Kontext einzuordnen und zu betonen, zu welcher Gruppe der Mundarten die sauerländischen Dialekte gehören: Take07 Die sauerländischen Mundarten sind westfälische Mundarten. Aber: In einigen Teilen rutschen die Ölper z. B. schon rüber ins Rheinland. Im westfälischen haben wir beim Verb einen Einheitsplural. Das heißt, wenn wir im Hochdeutschen sagen, "Wir kochen, ihr kocht, sie kochen", da haben wir -en, wir kochten, -t, ihr kocht, -en, sie kochen. Und das ist einheitlich, da heißt es dann im zum Beispiel im Bochumer Platt, wo ich ja herkomm, wi kuoket, ihr kuoket, se kuoket. Oder hier in Cobbenrode: fei kuoket, ei kuoket, sei kuoket. Der Ölper sagt dann: wi kuokent, ei kuokent, sei kuokent. Das ist -nt. Der Einheitsplural ist zwar bewahrt, diese Kategorie Einheitsplural ist da, aber mit -nt. Und dieses -n, das ist von Süden her gekommen. Musik 1 "Sauerland" I: Zoff , K: R. Hänsch Sony, LC 08637, Bestell-Nr. 88697 08016 2 Autor Sauerländer sind Drahtzieher. Und zwar, wenn man den Begriff ganz wörtlich nimmt. Ein Drahtzieher nicht als Terrorist, Verbrecher, korrupter Politiker oder als Intrigant, der im hintergrund die Strippen zieht, sondern der Drahtzieher als Industriearbeiter, der Draht durch ein Loch zieht, um den Draht dünner und länger zu machen - so, wie ihn die Industrie benötigt. Und die Industrie benötigt sehr viel Draht. Beim Draht ist das Sauerland deutscher Spitzenreiter. Salopp gesagt, ist die gesamte Region schwer auf Draht. Und deshalb ist in Altena das Deutsche Drahtmuseum untergebracht, das eine Dauerausstellung zum Thema "Vom Kettenhemd zum Supraleiter" zeigt. Wenn man mit Stephan Sensen das Museum besucht hat, fallen einem draußen plötzlich überall Gegenstände auf, die es ohne Draht gar nicht geben könnte: Take08 Dass man sieht, dass Draht mehr ist als nur Stacheldraht, Blumenbindedraht und Maschendraht. Man sieht plakativ hier eine Seilbahn, einen Querschnitt durch ein großes Trägerkabel der Golden Gate Bridge in San Francisco, oder die Anmutung einer Kühlturmarchitektur, die auch auf Draht basiert, außerdem jede Menge Telefone, was haben die mit Draht zu tun? Jedes elektrische Kabel hat Draht drinnen, Kupferlitzen, auch das ist Draht. Autor Drahtziehen kostet Kraft. Etwas vereinfacht gesagt, ist Drahtziehen nichts anderes, als Metall durch ein enges Loch zu zerren. Take09 Hier sieht man die wichtigsten Werkzeuge der Drahtzieher, das sind die Zieheisen, mit den konischen Löchern, wo der Draht etwas dicker reinkommt als er hinterher rauskommt, und er wird durch diese konischen Löcher mit Kraft gezogen, in dem Fall mit Muskelkraft, und wird dadurch dünner, und weil da kein Span abfällt, muss das Material irgendwo hin, und das bedeutet, der Draht wird nicht nur dünner, sondern er wird auch länger. Autor Draht wird heute maschinell durch Diamant gezogen oder durch Hartmetall, ohne vorher erhitzt zu werden. Am Prinzip hat sich seit vorchristlicher Zeit nichts geändert, außer dass seit dem 14. Jahrhundert Muskelkraft durch Wasserkraft ersetzt wurde. Im Industriezeitalter schließlich wurden dazu Maschinen eingeführt. Fast 90 Prozent des in Deutschland benötigten Drahts kam in der frühen Neuzeit aus dem Sauerland. Allein in Altena standen mehr als einhundert Drahtziehereien. Ein kleines Modell im Museum funktioniert noch mit Wasserkraft. Atmo Drahtzieherei-Modell Take10 Der Stauteich läuft jetzt erst voll. Wenn das Wasser dann über´s Wehr tritt, kann es die beiden Wasserräder antreiben, und das Wasserrad treibt dann die Drahtzüge an, in dieser sogenannten Drahtrolle, der Begriff Rolle kommt von Rad, von dem Wasserrad, und es treibt draußen auch noch zwei Polterbänke an, die so aussehen wie Kinderwippen auf´m Spielplatz, auf diesen Polterbänken wurde nach dem Zwischenglühen des Drahtes so bei etwa 700 Grad Celsius die Oxidationsschicht, die durch das Glühen entstand, mechanisch wieder abgeschlagen und das wurde vorher auch chemisch behandelt mit Säure, so dass sich das leicht abschlagen ließ. Autor Die Arbeit der Drahtzieher war auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch sehr gefährlich. Einerseits setzte die Säure der Gesundheit der Beschäftigten zu, aber die höchste Verletzungsgefahr bestand darin, dass die Arbeiter oft versehentlich mit einem Finger, einer Hand oder dem Fuß in eine Drahtschlinge gerieten, bevor diese auf die Drahtrolle gewickelt wurde. Abgetrennte Gliedmaßen waren häufige Verletzungen. Außerdem wurde bei der Arbeit Schnaps getrunken. Take11 Sie sehen hier die Schnapsflasche und auch den Henkelmann, den typischen, der in den Drahtziehereien wirklich verbreitet war. Interessant ist ne Geschichte aus dem 18. Jahrhundert: `N Vorläufer des Henkelmanns, der so genannte Diegel, den haben wir hier auch in der Ausstellung, davon sagt die Überlieferung, dass dieser Diegel zu Hause bei den Drahtziehern dazu genutzt wurde, dass die ganze Familie ihren Urin darin rein machte, diesen Urin nahm der Drahtzieher mit zur Arbeit, zur Drahtzieherei, der hat ja Harnsäure enthalten, und diese Harnsäure brauchten die Drahtziehereien, um den Draht zu beizen. Also, bei dem Entfernen der Zunderschicht wurde Säure eingesetzt, Säure und mechanisches Abschlagen im Zusammenspiel haben den Draht wieder entzundert. Dann haben die Drahtzieher anschließend den Diegel, den sie ins Säurefass entleert hatten, in dem Bach eben ausgespült und konnten im Gegenzug da ´n bisschen Rüböl reinfüllen, was als Schmiermittel für den Drahtzug benötigt wurde, und haben dieses Rüböl nach Hause genommen, da konnte man dann Bratkartoffeln drin braten. Autor Schmuck kann aus Draht sein, der Küchenquirl und das Sieb, Drahtstühle, Nägel und Nadeln, die Haube, die den Kuchen im Sommer vor Fliegen schützt, der Lockenwickler oder - hier steckt es schon im Namen: Der Drahtbügel. Keine Frage: das sind typische Drahtprodukte. Aber wie ist es mit den Folgenden? Take12 Kugellager-Kugeln, ohne die sich kein Rad drehen würde, in welchem Fahrzeug auch immer, werden grundsätzlich immer aus Draht hergestellt. Die sind nicht gegossen und werden auch nicht geschmiedet, sondern die werden aus einem Stück Draht hergestellt, das in ´ne runde Form reingepresst wird und verschiedene Stufen der Oberflächenbehandlung durchläuft. Nur so werden die Kugeln stabil genug, um im Kugellager auch ihren Zweck zu erfüllen. Ohne Draht dreht sich kein Rad. Autor Übrigens auch kaum ein Reifen. Stahlgürtelfelgen sind in Gummi eingelassene Drahtgeflechte. Sucht man den Begriff "Draht" im Internet, gibt es auf Anhieb gut viereinhalb Millionen Treffer, das englische "wire" führt zu mehr als 200 Millionen Seiten. Und: Ohne Draht wären auch Orchester sehr viel ärmer: Musik 2 Das wohltemperierte Klavier, Präludium und Fuge I BWV 846 C-Dur K: Johann Sebastian Bach, I: Ralph Kirkpatrick - Deutsche Grammophon, LC 0113, Bestell-Nr. 463 601-2, I: Sviatoslav Richter - RCA, LC 0316, Bestell-Nr. VD 61042 darauf: Take13 Ja, Musikinstrumente mit Saiten, gleich, welcher Art, zum Beispiel eben auch Klavier (klimpert) sind generell aus Draht hergestellt. Musik 2 weiter bis Ende Autor Vor 400 Millionen Jahren war dort, wo jetzt das Sauerland ist, ein seichtes Meer. Atmo Unterwasser-Geräusch Autor Das Gestein des Sauerlands, Schiefer, Sandstein, Kalkstein und Grauwacken, entstand im Erdzeitalter des Devon. Als vor Milliarden von Jahren die beiden Großkontinente der Erde zusammen stießen, bildeten sich Gebirge. Aber das sind noch nicht die Berge, die man heute sieht - der 841 Meter hohe Kahle Asten oder die 843 Meter höheren Berge Hegekopf und Langenberg. Im Gegenteil: Das Gebiet des späteren Sauerlands war lange Zeit eine Ebene, denn die Gebirge aus dem Erdaltertum wurden wieder abgetragen. Dass das Sauerland heute den Titel "Land der tausend Hügel" trägt, liegt an der immer noch andauernden Hebung des rheinischen Schiefergebirges und an den vielen Flüssen, die sich immer noch in das Gebirge einschneiden. Im Norden des Sauerlands gibt es hunderte von Tropfsteinhöhlen, die spektakulärste liegt in Attendorn. Es ist die Atta-Höhle, eine durch Erosion und Auswaschungen entstandene sogenannte Sekundärhöhle; vermutlich um die 450 Millionen Jahre alt und 1907 zufällig bei Sprengarbeiten entdeckt. Die Atta-Höhle bietet ihren Besuchern spektakuläre Grotten und erzählt zugleich von der spannenden geologischen Vergangenheit des Sauerlands: Atmo Hineingehen in die Höhle Take14 Wissenschaftler haben jetzt errechnet, der Tropfstein wächst einen Millimeter in zehn Jahren. Vielleicht ´n bisschen anders ausgedrückt: für drei Zentimer Wachstum brauchen wir dreihundert Jahre. Und wenn Sie jetzt bitte mal rechts dort in die Nische mal reinschauen, dann können sie dort hinten einen kristallisierten Wasserfall erkennen. Man könnte auch meinen, die Wassertropfen seien zu Eis erstarrt. Das ist hier in der Höhle aber nicht möglich, warum? Wir haben hier unten immer eine gleichbleibende Temperatur von plus neun Grad Celsius. Sommer wie Winter, Temperatur ist immer konstant in der Höhle, also frieren kann hier unten nix. Okay, dann wollen wir weiter. Autor Wenn Rudolf Hinkelmann Touristen durch die Atta-Höhle führt, dann liegt ihm viel daran, die Leute zum Schmunzeln zu bringen. Ein Besuch in der "Königin unter den Tropfsteinhöhlen" soll der unterirdischen Wunderwelt gerecht werden und nicht alten Stoff aus dem Erdkunde-Unterricht wiederkäuen. Mehr als 40 Millionen Besucher sind in gut einhundert Jahren schon in der Atta-Höhle gewesen. Take15 Hier sind wir in der Zentralhalle, wie der Name schon sagt, ist das der zentralste Punkt der Höhle, und wenn Sie jetzt hier mal bitte nach links schauen, dann sehen Sie hier einmal wunderschöne Sinterfahnen, die haben eine Höhe von bis zu fünf Metern, und das sind insgesamt 16 Stück. Der Gesamtkomplex, den Sie hier sehen, ist circa 1,5 Millionen Jahre alt. Autor Leise, fast ehrfürchtig staunend stehen die Touristen vor den Sinterfahnen, Gesteinsbildungen ähnlich den Tropfsteinen, aber in ihrer Form und Farbe wie durchscheinende Gardinen. Weiter geht es in die Burgengrotte. Schon, als wir um die Ecke biegen, grinst Höhlenführer Rudolf Hinkelmann verschmitzt. Er stellt uns einen "Höhlenbewohner" vor, mit dem wir ganz sicher nicht gerechnet hatten: Take16 Schauen Sie mal oberhalb des Sees auf die Felsecke. Da sehen Sie alle so´n großes, weißes Gebilde. Wenn Sie wollen, können Sie da einen Eisbären erkennen, der will oben mit der Schnauze an die Spitzen der Sinterfahnen. Und rechts und links hat er die Pranken in den Felsen reingehauen, er hält sich fest. Das ist unser größter Höhlenbewohner, den wir haben. Ich hatte vor kurzem ´ne Schulklasse hier unten, die waren so zehn, elf Jahre alt, da fing ich auch mit dem Eisbären an, das wurde auch akzeptiert, plötzlich kam so´n Spruch von so nem Burschen, das fand ich so gut, sagt der zu mir "Eisbär gut und schön, das könnte aber auch ´n Nikolaus am Marterpfahl sein. (Gelächter) Tja, schauen Sie mal hin, so unrecht hat der gar nicht, den Nikolaus können Sie auch erkennen, nech? Aber gut, man muss erst mal auf die Idee kommen, dat der am Marterpfahl steht, das ist ne andere Geschichte, nech? Autor Etwa 40 Minuten dauert der Rundgang durch die achtzehnhundert Meter lange Höhle, in der der über die Region hinaus bekannte Atta-Käse zum Reifen gebracht wird. Bei einer gleich bleibenden Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent lagern ständig drei- bis vierhundert Käselaiber in der Höhle. Einmal wöchentlich werden sie mit Salzwasser abgerieben, was ihnen einen würzig-delikaten Geschmack verleiht. Allergie-geplagte Menschen können in einer Gesundheitsgrotte einen Heuschnupfen-Notservice in Anspruch nehmen, mit zwei mal zwei Stunden Aufenthalt in vollkommen staub-, keim-, allergen- und ozonfreier Luft, 50 Meter unter der Erde. Die hohe Luftfeuchtigkeit und die konstante Temperatur wirken anregend und vertiefend auf die Atmung; Patienten verbringen bis zu dreiwöchige Heilkuren mit täglichem Aufenthalt in der Grotte. Atmo Türgeräusch Autor Rudolf Hinkelmann macht uns auf eine Eisentür aufmerksam: Take17 Wenn Sie diese Eisentür sehen, sind Sie dort genau an der Stelle, wo die Höhle entdeckt worden ist. 1985, das ist noch nicht so lange her, hat man hier in dieser Höhle noch circa viereinhalb Kilometer neue Gänge entdeckt, die werden zur Zeit noch weiterhin erforscht. Gefunden hat man bereits wunderschöne Grotten, auch Seen, ob und wann einmal diese Gänge der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, diese Frage kann ich Ihnen leider heute nicht beantworten, da muss man mal abwarten, was aus dieser ganzen Geschichte wird. Autor Wolfgang Böhmer war schon drin in den neu entdeckten Gängen der Höhle. Als Geschäftsführer der Atta-Höhle ließ er es sich natürlich nicht nehmen, bei einer Begehung mitzuforschen. Ein bisschen hat er sich wie Captain Kirk gefühlt vom Raumschiff Enterprise, denn er hat dabei auf Boden gestanden, den nie zuvor ein Mensch betreten hatte. Take18 Ich bin hier groß geworden und über 50 Jahre mittlerweile mit der Atta-Höhle vertraut, und jeder Gang in die Höhle ist was besonderes, man lässt also die Höhle jedes Mal auf sich wirken und man kriegt andere Gefühle dabei, ist schon sensationell. Zudem ist es mir passiert, 1986, wie wir diesen neuen Teil entdeckten, an einer Expedition teilzunehmen und sich mal da hinzustellen, wo nie ein Mensch gestanden hat, und das war schon ein erhebendes Gefühl. Das hab ich sehr konserviert, und das werde ich das Leben lang auch nicht vergessen. Musik 3 Enter The Cave - I: Wuthering Heights Locomo Soulford Music, LC 13305, Bestell-Nr. B 0000UB2FG Take19 (Ausschnitt Jürgen von der Lippe): Und ein Pragmatismus. Zwei Sauerländer im Knast, gerade eingeliefert: Wie lange haste? - Zehn Jahre, und du? - Acht Jahre - Dann nimm du die Pritsche anner Tür. Autor Pragmatisch sind die Sauerländer immer gewesen - sie mussten es sein. Als Bauern ihren Lebensunterhalt verdienen konnten nur wenige, denn Ackerland war knapp. Also weckten sie den Erfinder in sich. Es gibt kaum einen Flusslauf durch das Sauerland, an dem sich nicht irgendein eisenverarbeitender Betrieb niedergelassen hat. In fast jedem Auto findet man Zubehör "Made In Sauerland": Take20 Bis auf die Autos, die heute vielleicht in China schon gebaut werden, gibt's sicherlich weltweit kein einziges Auto, was ohne Produkte aus dem märkischen Sauerland fahren kann. Das sind ganz viele Produkte, die auf Drahtbasis hergestellt werden, zum Beispiel Verbindungen, wie Schrauben, Nieten, und so weiter, aber auch Auto-Elektrik. Autor Stephan Sensen, Museumsleiter im Märkischen Kreis des Sauerlands ist stolz auf die Bilanz in seiner Heimat. Die Arbeitslosenquote im Kreis lag im Juni bei 6,6%, womit der Kreis unter dem Landesdurchschnitt Nordrhein-Westfalens von 9,3% und sogar unter dem Bundesdurchschnitt von 7,5% liegt - Baden- Württembergische Verhältnisse, könnte man meinen. Doch der Sauerländer posaunt diese guten Nachrichten nicht hinaus, Angeberei ist seine Sache nicht, sagt Stephan Sensen: Take21 Das ist sicherlich ein wesentlicher Grund, dass der Sauerländer eher bescheiden auftritt, der andere Grund ist natürlich, dass wir da wenig Endprodukte haben, die der Verbraucher irgendwo kaufen kann, wo dann "Made in Sauerland" zum Beispiel draufstehen würde. Wenn es Zuliefer-Produkte sind, verschwinden die hinter dem Namen beispielsweise des Automobils, was ja nicht hier her kommt. Autor Von wegen. Zwei Automobilhersteller produzieren im Sauerland, viele stolze Autobesitzer hatten als ersten Wagen beispielsweise einen Mercedes von der Lüdenscheider Firma Siku. Siku stellt Spielzeugautos her, andere Modellbauer hingegen schwören auf Autos der Firma Wiking, ebenfalls aus Lüdenscheid. Sogar hochseetüchtige Segelyachten werden im Sauerland gebaut, in Freienohl, einem Ortsteil von Meschede. Gute Lampen und exklusive Leuchten kommen von hier, ebenso Papier, Strümpfe und Haushaltswaren. Und wenn der amerikanische Verteidigungsminister im Pentagon aufs WC muss und vorschriftsmäßig spült, dann bedient er eine Armatur aus dem Sauerland. Atmo Spülgeräusch Autor Achim Gandras vom Sauerlandkurier hat schon viele sauerländische Unternehmen porträtiert und weiß, wie gut der Mittelstand im Sauerland aufgestellt ist. Versteckte Meister, nennt er sie, hidden champions: Take22 Die Mittelständler, die wir hier vor Ort haben, zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie ihre Nischen besetzen. Also, diese berühmten "hidden champions" sind bei uns viel zu finden, das sind also hoch spezialisierte Unternehmen, und für High-Technologie wird natürlich auch hoch spezialisiertes Wissen verlangt. Man hat das Gefühl, dass die Sauerländer schon immer von der Nische leben mussten, auch ursprünglich ist es schon so gewesen, dass der westfälische Boden nicht viel abgeworfen hat, also musste man sich etwas anderes suchen, um über die Runden zu kommen. Man könnte fast vermuten, dass fette Böden wie die Magdeburger oder die Soester Börde es den Leuten leichter gemacht haben, als unser steiniges Bergland, nech? Und daran kann man auch erkennen, ich würde mal behaupten, auch der Waldbau, der uns so bekannt gemacht hat, die tiefen Täler, diese schwarzwaldartigen Vorurteile, die sich da aufgestaut haben, dass die damit zu tun haben, dass die Sauerländer auch im 19. Jahrhundert schon sehr auf den Waldbau gesetzt haben, um die Gruben mit Grubenholz im Ruhrgebiet zu versorgen. Musik 4 Coultergeist - I+K: Phil Coulter BMG, LC 00316, Bestell-Nr. 09026 63615 2 Take23 Mir ist aufgefallen, wenn ich mit Leuten zu tun habe, die vom Rheinland sind. Die umarmen einen schneller, die geben einem auch schneller die Hand. Von der Emotion her sind sie auch schneller dabei, sie äußern das schneller. Der Sauerländer ist in der Beziehung zurückhaltender. Oder, dass man sich, ich sag jetzt mal ganz grob weg, dass man sich Küsschen gibt. Der Sauerländer Schlag hat das nicht so gekannt. Der Sauerländer, ich möcht nur so sagen, Sauerländer oder überhaupt auch Westfalen sind mit ihren Gefühlen nicht so schnell nach außen wie ein Rheinländer. Autor Zurück bei Werner Beckmann, dem Dialektforscher für Mundarten im Sauerland. Seine Interviewpartner hat er als bodenständig in Erinnerung, als redlich, nüchtern und als unaufgeregt. Die meisten prominenten Sauerländer unterstreichen dieses Bild. Take24 Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen Jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe. darauf: Autor Heinrich Lübke wird Bundespräsident. Ein enormer Karrieresprung für den Mann aus Enkhausen im Sauerland. Seine Amtszeit begann am 13. September 1959. Take25 Ich komme von nem kleinen Dorf im Sauerlande, von kleinen Leuten, und man hat mir an der Wiege nicht gesungen, dass ich Kandidat für den Posten des Bundespräsidenten sein sollte. Autor Schnell nahmen die Kabarettisten Heinrich Lübke aufs Korn, mokierten sich über die mangelnde Weltläufigkeit, parodierten den Präsidenten, der auf seinen beliebten Auslandsreisen zum Schrecken des Protokolls zu oft das vorbereitete Redemanuskript verließ und frei zu sprechen versuchte. Lübke litt mit fortschreitendem Alter an schweren Durchblutungsstörungen, und seine Auftritte vor der Presse wurden immer häufiger zu einer Lachnummer, manche Journalisten begleiteten Lübke nur noch deshalb, weil sie auf neue Anekdoten warteten. Franz Müntefering und Friedrich Merz sind zwei heutige Bundespolitiker aus dem Sauerland. Sie gelten über Parteigrenzen hinweg als konsequent und beharrlich, und wenn es sein muss, sogar als stur. Sauerländisch eben. Atmo: Schützenfest-Atmo (circa 10 Sekunden stehenlassen, dann unter Autor und folgenden Takes weiter) Autor In der großen Schützenhalle im ost-sauerländischen Brilon. Kneipp-Kurort, waldreichste Stadt in Deutschland und über tausend Jahre alt. Aber für ein paar Tage im Jahr gibt es hier nur eins: Das Schützenfest: Take26 Ja, wie erklärt man eigentlich Schützenfest. Wer nichts davon kennt, wie erklärt man dem das? Ich würde fast sagen, man (lauter Gesang im Hintergrund olé oléoléolé...) Das ist eigentlich die Erklärung schon. Nein, es ist eigentlich so, dass man´s fast nicht erklären kann. Man muss einfach reinwachsen. Autor Hans-Werner Beule, Vorsitzender der "Sankt-Hubertus-Schützenbruderschaft 1417" von Brilon, kommt während des diesjährigen Schützenfestes nicht dazu, dem Laien plausibel zu erklären, was ein Schützenfest ist. Wie viele Volksfeste hat es seinen Ursprung im Mittelalter, als sich viele Städte noch vor plündernden Banden schützen mussten: Sprecher01 Aus diesem Grund wurden Vereine gegründet, die einer Bürgerwehr ähnelten. Kaiser Heinrich der Erste hatte im Jahr 924 ein Gesetz "zur Wehrverfassung der Städte" erlassen - die Bürgerwehren wurden offizieller Teil der Stadtverteidigung. Die Städte veranstalteten regelmäßige Musterungen und Übungen der Schützen - das Wort stammt ursprünglich von "Schutz" und erst später von "Schießen", und mehr und mehr entwickelte sich daraus ein stadtweites Vergnügen. Über die Jahrhunderte nahm die militärische Bedeutung ab und Schützen wurden mit dem Aufstellen regulärer Truppen und Garnisonen zur Landesverteidigung bedeutungslos. Autor Die Feste blieben bestehen, und die Frage nach dem Sinn eines Schützenfestes kommt einem waschechten Schützen so vor, als würde man am Heiligen Abend Weihnachten in Frage stellen: Take27 Schützenwesen bedeutet nicht nur Feiern. Sondern Schützenwesen bedeutet, wir müssen zusammenhalten, wir müssen Leitlinien aufstellen für unsere Jugend, das bedeutet viel Arbeit, Arbeitseinsätze auch im Jahr, was die Bevölkerung nicht sieht, die Bevölkerung sieht nur das Schützenfest. Was dabei für Engagement im Jahr verbunden ist, das ist unglaublich. Das ist Körperkraft, das ist mentale Kraft. Wir sind uns eins: Schützenbrüder in Brilon gehören zusammen. Dass man Jugendliche heute von dem, was eigentlich angesagt ist, nämlich Playstation, Fernsehen, Video und sonstige Dinge, wegzieht in einen Verein, in dem man aktiv mitarbeiten kann. Autor Der zehnjährige Sohn sieht´s ähnlich: Take28 Ja, es macht auch ganz schön Spaß, und es macht auch sehr viel Spaß, mit Papa zu marschieren manchmal in der Woche oder so. Dann fährt man da Auto-Scooter und dann wird man immer angerempelt, aber meistens ist es hier sehr schön. Dann kann man da trinken und miteinander sitzen und was bereden und so. Das ist der Höhepunkt. Autor Franz Schrewe, der Bürgermeister von Brilon, sitzt natürlich auch in der Schützenhalle. Und selbst wenn er hier keine zentrale Rolle hat, ist das jährliche Fest für ihn mehr als eine Pflichtübung. Take29 Unsere Schützenbruderschaft, gegründet 1417, ist ein ganz integrativer Bestandteil der ganzen Stadt. Ist immer die erste Anlaufadresse für neue Bürgerinnen und Bürger, die hinziehen, Männer sind nur Mitglied in der Schützenbruderschaft, aber wenn Sie dann nach Brilon ziehen und Sie spielen zum Beispiel keinen Fußball oder sind kein Musiker, Sie melden sich dann sofort bei der Schützenbruderschaft um integriert zu werden. Und ist auch für die ausländischen Mitbürger eine Integrationsadresse. Atmo hoch und wieder runter Take30 Ein Schützenfest hat ganz wichtige Aspekte auch für die Menschen in den Dörfern. Es ist immer wieder zu beobachten: Wenn ein Schützenfest ansteht, dann sind alle wieder da, egal, wo sie wohnen. Wenn sie weggezogen sind aus den Familien, wenn Schützenfest ist, dann trifft man sie alle wieder. Drei Tage lang kann man alte Beziehungen auffrischen, Freundschaften, Bekanntschaften, Nachbarschaften, das finde ich sehr wichtig auch an diesen Schützenfesten. Weniger diesen Rahmen, sondern das menschliche bei diesen Festen. In jedem Ort ist das zu beobachten. Autor Marita Sapp vom Sauerlandkurier stört es nicht einmal, dass Frauen in Schützenbruderschaften nicht hineinkommen - die Bezeichnung beinhaltet ja schon den Grund, und daran will auch die Redakteurin nicht rütteln. Das Schützenfest ist die zentrale Wiedersehensfeier eines Dorfes oder einer Stadt, einmal im Jahr. Bleibt die Sache mit dem Schießen. Muss ein Schützenkönig ein guter Schütze sein? Achim Gandras: Take31 Das kann schon durchaus vorkommen, dass gut schießen mal durchaus wichtig ist. Weil ja, wenn jemand Schützenkönig werden will und das will ´n anderer auch noch, dann kommt´s da schon drauf an, nich? Nur, es ist dann auch´n ziemlich teures Vergnügen, Schützenkönig zu sein im Sauerland, nech? Man muss ´n ganzen Hofstaat durchfüttern, und das geht über drei Tage, und das geht teilweise über´s ganze Jahr, denn diese Verpflichtungen werden auch auf allen möglichen Bällen und zu allen möglichen Anlässen weitergetragen. Also, es ist schon verpflichtend, im Sauerland Schützenkönig zu sein. Oder Schützenkönigin. Musik 5 Schötzefess - I: Bläck Fööß K: R.Hömig/H.Knipp Pavement Records, LC 06628, Bestell-Nr. 60098 Take32 Das nach außen markanteste Lichtsymbol sozusagen Lüdenscheids ist vermutlich der so genannte "Tower of Temperature", im Grunde genommen ein Fernsehturm, an dem mit verschiedenen Lichtinstallationen zum einen die Jahreszeit abgelesen werden kann, aufgrund der Lichtfarbe, und zum anderen durch Leuchtdioden, die in mehrere Richtungen scheinen, auch die Temperatur, die aktuelle Live- Temperatur sozusagen von weit hin sichtbar gemacht werden kann. Diesen Turm, der ist das höchste Bauwerk in Lüdenscheid, ist eben entsprechend weit sichtbar. Autor Lüdenscheid im Sauerland ist wohl die einzige Stadt in Deutschland, bei der man schon von weitem erkennen könnte, wenn sie Fieber hat. Der Pressesprecher von Lüdenscheid, Wolfgang Löhn, hat einen ganzen Mitarbeiterstab um sich versammelt, den Bauleitplaner, einen Beigeordneten, Tourismus-Fachleute und die Projektleiterin der Aktion: "Lüdenscheid - Stadt des Lichts". Alle sind stolz auf den griffigen Werbespruch der Stadt: "Nachts sind alle Katzen grau - und in Lüdenscheid?" Dunkelheit war aber nur ein Grund, aus der Stadt die "Stadt des Lichts" zu machen, sagt Wolfgang Löhn: Take33 Uns war es eigentlich nicht zu dunkel in unserer Stadt, aber wir haben nach einem Alleinstellungsmerkmal gesucht. Und wenn man sich dann mal umschaut, dann sind wir eben auf das Licht gestoßen, weil das Licht in vielfältiger Weise Beziehungen in Lüdenscheid und zu Lüdenscheid hat, und daraus hat sich dann nach und nach die Idee entwickelt, sich als Stadt des Lichts zu positionieren. Relativ viele Arbeitsplätze haben im engeren oder im weiteren Sinne mit Licht in Lüdenscheid zu tun, es gibt Firmen von Weltrang, zum Beispiel ERCO ist weltbekannt, Lüdenscheid ist der Sitz des Deutschen Instituts für angewandte Lichttechnik, insofern ist da zur Wirtschaft hin schon ´ne große Verbindung. Autor: Licht-Routen, Licht-Quartier, Lux-us und Licht-Räume heißen die vier tragenden Lichtsäulen: Take34 Da geht es um praktische, dauerhafte angenehme gute Beleuchtung für die Stadt. Da ist auch das Thema "Angsträume" beispielsweise mit drin, dass man versucht, durch ne gute Beleuchtung solche Räume eben zu vermeiden. Es geht also nicht um ´ne lichtkünstlerische Darstellung von Räumen, sondern es geht darum, Platzräume, öffentliche Räume auch in der Nachtgestalt so zu entwickeln, dass sie für den Benutzer, und das ist in erster Linie der Bewohner, nicht zwingend der Tourist, eben eine angenehme Atmosphäre entwickeln. Gutes Licht, was die Architektur das Raumes eben entsprechend unterstreicht. Autor Mit einem Wort: Wohlfühllicht. Aus Parkbänken werden Lichtbänke, der Rathausplatz hat einen Lichtteppich bekommen, aus einem grauen Parkhaus ist eine Pop-Art-Parkpalette geworden. Mehr als sechzig Projekte wurden mit öffentlichen und privaten Geldern umgesetzt - in Zeiten hoher Energiekosten fällt einem da ja gleich der Strompreis ein. Take35 Was den Stromverbrauch angeht, dieser Lichtinstallationen, es ist sehr oft so, dass damit relativ stromintensive Beleuchtung ausgeschaltet werden kann und mit neuer Technik, Stichwort: LED-Technik, sehr stromsparende Beleuchtungssysteme eingebaut werden, die zum einen ´n besseres, ´n schöneres Licht geben, zum anderen aber auch Strom sparen. Ein Beispiel ist am Alten Rathaus in Lüdenscheid, dort sind Fensterbänder illuminiert worden, die natürlich auch in den Außenraum wirken, und dort hat man für das komplette Gebäude nur ´ne Anschlussleistung von 200 Watt, das entspricht zwei üblichen Glühbirnen, und das, indem man 30, 40 Fenster illuminiert hat. Autor Alle zwei Jahre kommen im Wortsinn neue Impulse in die Stadt, angelockt durch ein in dieser Art einmaliges Lichtkunst-Festival: Take36 Ich denke, es geht nicht nur um die Touristen, sondern es geht auch darum, der Stadt eine eigene Identifikation zu verschaffen, und dass das gelungen ist, merke ich sehr deutlich, weil wenn mir die Leute erzählen, wie toll die Lichtrouten sind und dass wir hier die Stadt des Lichts sind, dann merkt man den Stolz darauf und ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass die Stadt und ihre Bürger sich damit identifizieren. Die nächsten Lichtrouten finden im Jahr 2010 statt, gegen Ende September verwandelt sich diese Stadt, insbesondere die Innenstadt halt in einen Hort vieler Kunst-Performances, und jeder ist natürlich eingeladen, zu kommen und teilzuhaben und sich schönes Licht und Lichtdesign anzugucken, und zu schauen, wie in Lüdenscheid Licht als Eventcharakter und mit Eventcharakter umgesetzt wird. Atmo Bierflaschen-Plopp- und zisch-Geräusch Autor Licht und Luft gibt Saft und Kraft. Im Sauerland gibt es auffallend viele Brauereien, manche kaum über die jeweiligen Stadtgrenzen bekannt, andere mit Biermarken von Weltrang. Take37 Warum ist gerade das Sauerland so bekannt für seine Braustätten, für seine Brauereien? Natürlich auch für Warsteiner als die größte im Sauerland? Das hängt natürlich auch mit der Historie zusammen, denn im Sauerland sind die ersten eisenverarbeitenden Industriezweige überhaupt entstanden, hier standen die ersten Hütten. Nicht wie angenommen im Ruhrgebiet, sondern das war schon das Sauerland. Wobei die erste Hütte im Warsteiner Raum bereits 1364 als so genanntes Smedewerk erwähnt ist, und ab 1700 haben sich Hütten- und Walzbetriebe etabliert, das passt natürlich ganz gut zu unserer Historie, denn die Warsteiner Brauerei, die ist 1753 gegründet worden, und da kann man sich natürlich vorstellen, dass es da Synergien gibt. Auch Wald- und Hüttenbetriebe, die benötigen Wasser, Wasserkraft, Brauerei natürlich als Hauptrohstoff, und die Arbeiter in den Walz- und Schmiedewerken hatten natürlich Durst. Autor Frank Homann, zuständig für das Qualitätsmanagement in einer der größten deutschen Privatbrauereien im sauerländischen Warstein. Er muss viele Zahlen im Kopf haben, um die gleichbleibende Qualität einer beliebten Biermarke sichern zu können, aber eine Zahl steht vermutlich über allen anderen: 1516, die Wegmarke schlechthin, das Jahr, in dem das deutsche Reinheitsgebot verordnet wurde: Eigentlich dürfen nur Wasser, Hopfen und Malz ins Bier, sonst nichts, aber Hefe ist schon mal für die alkoholische Gärung vonnöten und Weizen DARF ins Bier, jedenfalls in bestimmte bayerische Sorten. Weil der Anteil des Wassers größer ist als der aller anderen Zutaten, ist die Wasserqualität prägend für den Geschmack einer Sorte. Sprecher Beim Eingießen breitet sich ein leicht süßlicher und hopfiger Duft aus. Die Schaumkrone ist fest, stabil und sehr langlebig. Der Antrunk hält, was der Duft verspricht: ein mildes, leicht süßliches Aroma breitet sich aus und überspielt die leichte Hopfennote. Erst später kommt eine leichte bittere Note mit Hopfenaroma zum Vorschein. Jedoch herrscht auch im Abgang des Bieres eher das Süßliche vor. Das Bier ist sehr süffig und vor allem für Biertrinker geeignet, denen norddeutsche Biere zu bitter sind. Autor Biere aus dem Sauerland schneiden allesamt als mild, leicht süffig und als angenehm weich ab. Braumeister Frank Homann: Take38 Das Wasser, was wir aus unseren Quellen gewinnen, ist sehr weich, es hat eine Härte von lediglich zwei Grad deutscher Härte, und nur mit einem solch weichen Wasser ist es überhaupt möglich, ein derart weiches, rundes Bier zu brauen, was auch über eine ausgesprochen helle Farbe verfügt. Ein Pilsener aus Pilsen hat sich eigentlich nur dadurch herstellen lassen in Pilsen, weil dort das Brauwasser sehr weich ist. Es gibt unter Brauern halt eben´ne gewisse Regel und die besagt: Je härter das Wasser, desto dunkler ist das Bier, was hinten raus kommt. Atmo Abfüllanlage Take39 Jürgen von der Lippe: Ich hab ja letztens einen so genannten Singleurlaub absolviert. Und da sind wir ja mit so´n Jumbo hingefahrn, und da komm doch immer diese Krankenschwestern durch, mit so´nem Wägelschen, nech? Und da hab ich mir ´n schönet Bier bestellt, und wie ich grad trinken will, fallen wir in ein Luftloch. Dat heißt, nur ich, dat Glas und die übrigen Urlauber. Dat Bier blieb oben. Und wie et mir grade nachkommen will, sitzt schon mein Nachbar drunter. Autor Werner Beckmann trinkt Kaffee statt Bier, während er die Mundarten im Sauerland untersucht: Take40 Dialektgeographie. Und Olpe und Drolshagen sind dann auch wieder unterschieden. Die Ölper sagen "wi" für "wir", die Drolshager sagen aber "fi" für "wir". In Drolshagen "deut der Mann wat", "tut der Mann was", aber in Olpe "deiht der Mann wat". Autor Und auch in Lüdenscheid tut der Mensch etwas: In einem metallverarbeitenden Betrieb stellt er Orden her, mit denen der Bundespräsident Bürgerinnen und Bürger auszeichnet, die sich um Deutschland verdient gemacht haben. Es ist die höchste Auszeichnung, die man in Deutschland bekommen kann, hergestellt im Sauerland: das Bundesverdienstkreuz. Sprecherin vom Dienst Berge, Flüsse und Stauseen. Unterwegs im Sauerland. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Seite 1 von 21