DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Mensch, willst du ewig kaufen? Kommunikationsguerilla gegen Konsumkultur Feature von Michael Reitz SPRECHER: Markus Scheumann , Isis Krüger, Sigrid Burkholder, Frauke Poolmann (Aufnahme am 19.10.) Martin Bross (Aufnahme am 20.10.) Regie Leonhard Koppelmann Redaktion Ulrike Bajohr, DLF URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio Pretitle Musik (1): Fehlfarben "Paul" (instrumental) - Musik eingespielt - 1 RADIOADBUST Liebe Landsleute, wie Sie wissen, plant die Bundesregierung eine Verstärkung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan auf 4500 Mann. Da dies nicht gerade preiswert ist und unsere Einsatzkräfte auf die Unterstützung durch die Heimatfront angewiesen sind, hat sich das Verteidigungsministerium zu einer ungewöhnlichen Maßnahme durchgerungen. 2 SPRECHER Ein Brief des Verteidigungsministeriums. 3 SPRECHERIN Unterschrieben hat ihn eine "Referatsleiterin Afghanistan, Unterabteilung Kommunikationsguerilla". 4 SPRECHER Das Schreiben sieht täuschend echt aus. 5 SPRECHERIN Auf den ersten Blick. 6 SPRECHER Bundeswehremblem, Stempel, Bundesadler. 7 RADIOADBUST Um den reibungslosen Vormarsch unserer Einheiten gegen den Terrorismus zu sichern, werden Sie gebeten, unsere Jungs zu unterstützen, indem Sie in Ihrem Bekanntenkreis für Gasmasken, Sonnenöl und ähnliche Ausrüstungsgegenstände Geld sammeln. Schließlich ist Ihre Bundeswehr in Afghanistan, damit Sie in aller Ruhe weiter kaufen können. Als kleines Dankeschön erhalten Sie nach Zahlungseingang unsere DVD "Die Rolle des Unteroffiziers im globalen Supermarkt". Ihre Kommunikationsguerilla. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Musik (2): Fehlfarben "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran! Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran!" Titel 8 ANSAGE "Mensch, willst du ewig kaufen? 9 - Kommunikationsguerilla gegen Konsumkultur" 10 Ein Feature von Michael Reitz 1 "Komunikationsguerilla" 11 O-Ton (01) Amann Ich denke, dass der Begriff Guerilla deswegen gewählt worden ist, um zu sagen, dass es bei den Techniken, Methoden und Aktionsformen der Kommunikationsguerilla darum geht eine andere Art der Kommunikation zu wählen, und zwar es auf so eine ( ... ) subversive Art zu machen, dass es einem kleinen Krieg nahe kommt. Atmo (A1): "Camouflage, Camouflage!? - 12 SPRECHER Tastaturgeräusche Begriff Kommunikationsguerilla. Eine der häufigsten Nennungen: Website Marc Amann, Seminarleiter. Autor des Buches "Go.Stopp.act. Die Kunst des kreativen Straßenprotests." 13 O-Ton (02) Amann Hintergrundatmo Workshop Größtenteils begreif ich mich als Sammler von Aktionsgeschichten, so ist auch das Buch entstanden, dass einfach in den verschiedensten Städten, Regionen, Ländern Leute verschiedene Erfahrungen mit Aktionsformen machen, dass sich ständig Neues entwickelt und ich mich so ein bisschen einfach dafür interessiere, was es für ( ... ) neue Aktionsideen gibt und quasi dann diese Geschichten sammle, mir einfach gerne erzählen lass. Und in meinen Workshops größtenteils zusammen trag, was die, die teilnehmen alles kennen und ein bisschen erzähl, was ich sonst so erfahren hab, was es gibt. Das ist einfach ( ... ) Protestkultur weiterzugeben. Atmo (A2): Trommeln, Hintergrundgeräusche des Workshops (1`21) 14 O-Ton (03) Amann Die Kommunikationsguerilla sagt ( ... ), es wäre viel spannender in Frage zu stellen. Und zwar grundsätzlich alles in Frage zu stellen ( ... ) dass dann ( ... ) eine Beschäftigung erst mal angeregt wird durch eine Verunsicherung von Gedanken in den Köpfen jedes Einzelnen, dass daraus vielleicht ein Neues, Interessantes entstehen könnte. Also das wiederum ist das Subversive, nicht die richtige Antwort geben, sondern eigentlich nach neuen Antworten suchen. 15 SPRECHER Es gibt Dutzende Gruppen und Formen der K-Guerilla: 16 SPRECHERIN Kostnix-Läden, die "enttäuschten Konsumenten", Clowns-Armeen. 17 SPRECHER Faking - Fälschen von offiziellen Schreiben und Verlautbarungen. 18 SPRECHERIN Adbusting - Zerstörung oder Veränderung von Werbebotschaften aller Art. 19 SPRECHER Flash Mobbing - sich scheinbar zufällig in kleinen Gruppen treffen, um gemeinsam eine politische Aktion zu starten 20 SPRECHERIN Culture Jamming - traditionelle Rituale, zum Beispiel Gebete, in gesellschaftskritischer Absicht umgestalten. 21 O-Ton (04) Kim und Martin Konzerne ihr auf Erden, geheiligt werden eure Produkte, euer Reichtum komme, euer Wille geschehe, wie in Industriestaaten so auch in Entwicklungsländern. Und unsere tägliche Werbung gebt uns heute, und senkt eure Preise, wie auch wir unsere Ansprüche. Und führet uns nicht zu lehren Regalen, sondern erlöst uns von unseren Wünschen. Denn euer ist der Reichtum und die Macht und die Verantwortungslosigkeit. Amen. 22 O-Ton (05) Amann Was neu ist in den letzten Jahren ( ... ) ist das Element von Lebensfreude, von Spaß ( ... ) Dass es also nicht als Widerspruch wahrgenommen wird, sondern dass jetzt vor allem Leute, die sich engagieren wollen auch sagen, Widerstand darf auch Spaß machen, kann auch Spaß machen ( ... ) und deshalb auch Aktionsformen wählen, denen sie rein emotional ( ... ) sehr nahe stehen reißt ab 23 SPRECHER Linke Protestkultur damals Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre: 24 SPRECHERIN In der Fußgängerzone Flugblätter verteilen und sich beschimpfen lassen. 25 SPRECHER Auf einer Demo Transparente hochhalten, dann vielleicht ein paar Farbbeutel schmeißen. 26 SPRECHERIN Gefrustet nach Hause gehen. 27 SPRECHER+SPRECHERIN unisono Noch nicht mal verhaftet worden. Musik (4): Ton, Steine, Scherben O-Ton (06) Bergstedt Eine Aktion darf nicht irgendwas klar machen ( ... ) Wie würde man das empfinden, wenn Krieg ist und es passieren keine Friedensdemos? Das würde man ja eher komisch finden als das es die Demos gibt. Da läuft eine Demo und jeder denkt, aha, war ja zu erwarten. Keiner denkt nach, keine Debatte, nichts. Nein, es muss etwas passieren, was die Leute in der Substanz irgendwie angeht, warum passiert das, warum ist das überhaupt so, das find ich viel interessanter. 28 SPRECHERIN Sagt Jörg Bergstedt, Kommunikationsguerillero. 29 SPRECHER Die Botschaften werden also nicht mehr frontal vermittelt. 30 SPRECHERIN Nicht mit Parolen an den Wänden. 31 SPRECHER Sondern der Kommunikationsprozess selbst wird infrage gestellt, angegriffen, verfremdet, verwirrend gestaltet. 32 SPRECHERIN Wer bestimmt, wie über was wann geredet und gehandelt wird? 33 SPRECHER Wo entstehen Meinung und Diskurs? 34 O-Ton (07) Bergstedt Ich brauch jetzt gerade mal, dass wir viel Straßenbahn fahren - aber wir haben jetzt kein Geld für Tickets. Dann werfe ich an verschiedenen Stellen mal ein paar Flugblätter ein, dass ein Werbetag ist von dem Nahverkehrssystem und dass man an diesem Tag umsonst aus Werbezwecken fahren kann. Und dann steck ich mir den selber ein, und wenn jemand kommt, dann sag ich "Wie, was heute ist doch Werbetag." 35 SPRECHER Die heutigen Aktionsformen haben keine festen Strukturen. 36 SPRECHERIN Ihr Ziel: das Selbstverständliche zu verspotten. 37 SPRECHER Werbung und Konsum lächerlich zu machen. 38 SPRECHERIN Denn sie bestimmen nach Auffassung der Kommunikationsguerilla zu einem großen Teil unser Leben. 39 SPRECHER Konsumismus sei die vorherrschende Ideologie unserer Zeit, wer kaufen kann, dürfe am politischen Geschehen teilnehmen. 40 SPRECHERIN Der freie Zugriff auf Konsumgüter diktiere das politische Handeln - bis hin zu militärischen Aktionen. 41 SPRECHER Soweit die Theorie. ATMO: Werbejingle, daraus überdonnernder Kampfjet feuert Rakete ab, Explosion - 42 RADIOADBUST Pilot bei der Bundeswehr - Ein himmlischer Dienst! 43 Wer hat nicht schon davon geträumt, einmal abzuheben und die Welt von oben zu bombardieren? Die Bundeswehr bietet jungen Menschen, mit dem Willen etwas besonderes Krasses zu tun, die Möglichkeit, diesen Traum zu verwirklichen. 44 Ob als Jetpilot oder Jetpilotin in einem Eurofighter bei der Luftwaffe, als Hubschrauberführer in einem TIGER - Kampfhubschrauber beim Heer oder als Pilotin oder Pilot eines U-Boot- Jagdflugzeuges der Marine. Die Aufgaben sind so unterschiedlich wie sie nur sein können. Allen gemeinsam aber ist, dass Sie aus sicherer Entfernung auf ein Knöpfchen drücken und wenige Momente später Ihr anvisiertes Ziel in Schutt und Asche liegt. Also: steigen Sie ein und heben Sie ab - bei der Bundeswehr haben Sie eine bombige Zukunft! 2 "Clowns Army" 45 SPRECHER Und nun zur Praxis: 46 SPRECHERIN Erstens: Die Clowns Atmo (A3) Clowns: Volksfest Staaaand in a line! Maaaarch! Left, left, left, left, left. Oh, when the clowns go marching in, oh when the clowns go marching in. 47 SPRECHER Rotterdam. Tag des Welthafens. 48 SPRECHERIN Ein Volksfest, bei dem sich der Hafen von seiner besten Seite zeigen will. 49 SPRECHER Und auch das niederländische Militär, beteiligt am Einsatz in Afghanistan. 50 SPRECHERIN Ein Marineorchester spielt schmissig gegen das Geknatter von Hubschraubern an. 51 SPRECHER Ein gefundenes Fressen für die "Clowns Army Netherlands" - 52 SPRECHERIN Polit-Clowns, die geschminkt und maskiert das Spektakel karikieren. 53 O-Ton (08) Elfie Hintergrund Warming-up der Clowns Right now we gonna do a warming up ( ... ) And the clowns will have the logos of the oil industry. 54 Overvoice (W) Wir machen gerade das Warming-up, aber später werden wir auf die Straße gehen, action machen. Wir haben den Tag des Welthafens hier in Rotterdam, alle präsentieren sich und auch die Marine, die neue Leute rekrutieren will. Wir wollen dabei unseren Spaß haben, deshalb werden wir uns auf sie stürzen. In circa einer halben Stunde sind wir da, und dann sehen wir ja, wie sie auf uns reagieren. Wir werden folgendes machen: zwei von uns spielen Geschäftsleute, eskortiert von vier Clowns. Die Geschäftsleute werden sich bedanken bei den Militärs, dass sie ihr Business schützen, dass sie durch militärischen Schutz sehr schnell sehr reich geworden sind. 55 SPRECHER Einer der Clowns tritt in Rotterdam als "Halliburton" auf. 56 SPRECHERIN So heißt die Firmengruppe des Ex- US-Vizepräsidenten Dick Cheney, die unter anderem mit irakischem Öl ihr Geld verdient. 57 Sprecher Die Clowns spielen Militär in ihren Aktionen.. 58 O-Ton (11) Elfie And that is basically ( ... ) They make fool of the function that somebody has. 59 Overvoice (W) Das ist das, was Clowns machen. Sie glauben nicht an Autoritäten, wollen sie beseitigen. Aber auf nette Art, freundlich, ohne den Menschen hinter der Autorität zu verletzen. Sie machen sich lustig über die Funktion, die jemand hat. 60 O-Ton (10) Clowns niederländisch; Atmo Volksfest Hej, Minherr offizier ... Achtung, O-Ton mäßig, evtl. Dialog trocken 61 Overvoice (M) Hallo, Herr Offizier, wir haben Ihnen hier einige frische Rekruten mitgebracht, wollen sie die nicht ... . 62 Overvoice (m2) Nein Danke, ich hab keine Zeit, bitte nicht. 63 O-Ton (09) Elfie There was this navy guy ( ... ) And then they don't know how to deal with us. 64 Overvoice (W) Da war dieser Marine-Typ, der uns ständig beobachtete, wütend aussah. Und dann haben wir uns von hinten an ihn rangeschlichen, mit diesem süßen Lächeln. Er wusste überhaupt nicht, was tun, denn jede Menge Leute standen um die Szene herum und haben sich schiefgelacht. Der wusste nicht, wie er das durchstehen sollte, denn seine geliebte Autorität war im Eimer. Und dann wissen sie meistens nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. 65 Sprecher Die Besucher des Volksfests sind zunächst verwirrt - 66 SprecherIN - denn die Clowns machen nichts Böses. Sie wischen Staub auf den Panzern, streicheln liebevoll die Waffen, suchen Deckung hinter echten Soldaten. 67 Sprecher Und je mehr die Menschen darüber lachen, desto weniger weiß die Polizei, wie sie sich verhalten soll. 68 O-Ton (12) Clown Afghanistan ... Atmo Hafenfest drunter 69 Overvoice (M) Afghanistan hat in den letzten fünfzig Jahren kein einziges anderes Land angegriffen. Im Gegensatz dazu gehören die Niederlande zu den fünf angriffslustigen Ländern der Erde. Noch schrecklicher: der ökologische Raubbau, den ein Afghane schafft, ist ein Witz im Vergleich zu dem, was ein Niederländer fertigbringt. Denen muss man doch dringend unter die Arme greifen. Nach dem Dick-und-Doof-Prinzip: der eine legt eine Straße an, der andere fährt sie mit Panzern wieder zu Brei. Getarnt macht es natürlich noch viel mehr Späßchen, ein stabileres Afghanistan zu errichten. Atmo (01): Warming-up Clowns; Rumpeln, dann der Schrei "Camouflage? - 70 O-Ton (13) Elfie I like this ( ... ) it works very well 71 Overvoice (W) Die Methode mag ich am liebsten: Tarnung, volle Deckung. Man tut so, als würde man sich verstecken - dabei kann jeder dich sehen, soll dich auch sehen. Das bringt die Leute zum Lachen, es wirkt. Atmo (01): Warming-up der Clowns 72 SPRECHER Kommunikationsguerilla versteckt sich nicht. 73 SPRECHERIN Ihre Kampagnen sind zunächst getarnt, demaskieren sich aber meistens während der Ausführung. 74 SPRECHER Es gibt keine Gegner, keinen Feind, der verbissen und bierernst bekämpft wird. 75 SPRECHERIN Die Guerilla sagt stattdessen: 76 Sprecher Alle Beteiligten sind potentielle Gesprächspartner. 77 Telefon: Radioumfrage 1 3 "Markenprodukte" 78 O-Ton (14) Bergstedt Ich bin der Überzeugung, dass diese Gesellschaft nicht ( ... ) von formalen institutionellen Herrschaftsmomenten geprägt ist, sondern von diskursiven, das heißt, es kommt viel stärker darauf an, was Menschen denken und was von einer Person zur anderen weitergetragen wird ( ... ) Zum Beispiel in einem Laden, das ist irgendwie klar, da muss man bezahlen ( ... ) Und genau an der Stelle einzugreifen ( ... ) Leute zu verwirren und die Frage zu stellen ( ... ) Warum bezahlen Sie hier, gibt doch genug von allem? ( ... ) Weil das Selbstverständliche in dieser Gesellschaft ist die meines Erachtens prägende Herrschaftsstruktur. 79 Telefongeräusch 80 SprecherIN Zweitens: Einkaufen macht Spaß! 81 SPRECHER Einkaufen muss sein. Man braucht schließlich ein paar Dinge. 82 SPRECHERIN Und Einkaufen füllt freie Zeit, Einkaufen macht Spaß. 83 SPRECHER Die riesigen Shopping-Malls in den Großstädten werden zu Ausflugszielen für Touristen. 84 SPRECHERIN Europa-Passage statt Hamburger Hafen! 85 SPRECHER Potsdamer Platz statt Brandenburger Tor! 86 SPRECHERIN DuMont Carré statt Kölner Dom! 87 SPRECHER Und in Wien? 88 SPRECHER+SPRECHERIN Kohlmarkt statt Stephansdom! 89 O-TON (15) Werner-Lobo Wir kaufen mittlerweile ( ... ) nicht mehr nur Produkte, die wir brauchen, sondern wir kaufen Images, wir kaufen sowas wie Lebensgefühl, wir kaufen ( ... ) fast Identitäten. 90 SPRECHER Der Wiener Publizist Klaus Werner-Lobo. 91 SPRECHERIN Deckte vor einigen Jahren die Zustände in Fabriken der Dritten Welt auf, in denen für Markenhersteller wie Nike oder Adidas produziert wurde. 92 Sprecher Die Folge- unter anderem der Recherchen von Klaus Werner- Lobo: 93 SPRECHERIN Zumindest bei den Adidas-Zulieferern arbeiten keine Kinder mehr. 94 Sprecher Doch im Vorfeld der Pekinger Olympiade wurde bekannt: 95 SprecherIN In chinesischen Betrieben, die auch für Adidas produzieren, liegt der Arbeitslohn 46 Prozent unter dem gesetzlichen Mindestlohn. 96 O-TON (16) Werner-Lobo Gerade natürlich im Bereich von Markenprodukten ist es so, dass Menschen sich Identitäten zulegen, in dem Sinn dass mit Produkten gewisse Emotionen verbunden sind und man hat so das Gefühl, wenn man sich dieses Produkt jetzt kauft, dann kann man diese Emotionen mit sich selbst verbinden. Image Werbung Nike 1 97 O-TON (17) Werner-Lobo Der Markterfolg, der hängt ja komplett von der Werbung ab, weil Werbung heute ja nicht mehr darin besteht ein Plakat zu drucken oder ein Inserat zu schalten, sondern da geht's wirklich um groß angelegte Imagekampagnen. Also, die neuste Methode der Konzerne - gar nicht so neu ( ... ) aber mit der sie in letzter Zeit sehr, sehr erfolgreich sind, ist die sogenannte ( ... ) soziale Unternehmensverantwortung, wo sie uns weismachen wollen, dass sie jetzt ethisch und sozial denken und ( ... ) quasi gute Bürger einer Gesellschaft sind. Das Ganze ist ungefähr so, wie wenn man vorher jemandem alles wegnimmt ( ... ) und dann sag ich: stimmt eigentlich, der schaut arm aus und ich geb dem einen Euro. 98 Telefon Radioumfrage 2: Auskunft von Saatchi und Saatchi: Unsere Werbung ist emotional 99 SPRECHERIN Klaus Werner-Lobos Publikationen sind Sachbücher und Handlungsanweisungen gleichzeitig. 100 SPRECHER "Uns gehört die Welt", so der Titel seines im September 2008 erschienenen Buches. 101 SPRECHERIN Es enthält eine Fülle von Ideen, wie mit einfachen Mitteln Konzerne in Verlegenheit gebracht werden können. 102 PRANKCALL Ach, immer nur reden, reden ... zum Beispiel hört man jetzt eine Menge darüber, dass Kakaobohnen in der "sogenannten" Dritten Welt von Kindern geerntet werden. Vorschlag: wir machen eine Aktion dagegen. Unser Name ist "Schokoguerilla". Wir bedrucken kleine Aufkleber mit dem Satz: "Information der Schokoguerilla: diese Schokolade ist ein Produkt von Kinderarbeit". Damit gehen wir in Supermärkte und kleben diese Dinger auf Schokoladentafeln. Wenn euch jemand blöd kommen sollte - erzählt ihm, was ihr über die Herstellung von Schokolade gelernt habt. 103 O-TON (18) WERNER-LOBO Ich glaube, dass wir sehr viel Spaß brauchen, um die Welt zu verbessern oder um die Gesellschaften zu gestalten ( ... ) Und das gefällt mir an der Kommunikationsguerilla, dieser Zugang über den Humor, über den Spaß. Das ist das, was mir persönlich am meisten daran gefällt und es ist eine sehr, sehr effektive Taktik. Die kann man am besten mit Kung Fu vielleicht vergleichen ( ... ) Im Kung Fu nimmt man die Kraft des Gegners und wendet sie trickreich gegen ihn ( ... ) Es ist wahnsinnig einfach und mich wundert's manchmal, warum das niemand tut. Atmo (A6): Fußgängerzone 104 O-TON (19) Bergstedt Wenn man gut ist, kann man auch einen Polizeikessel in ein Spektakel umwandeln ( ... ) Wir haben irgendwann mal eine Aktion gemacht zu einer Überwachungskamera ( ... ) wir haben die als Altar genommen und haben da so eine gesamte Gottesdienstliturgie abgezogen, so: Wir glauben an den Sicherheitsgott und die ganzen Propheten ( ... ) und dann haben wir ( ... ) gesungen, und so n Kram. Dann kam irgendwann die Polizei ( ... ). Als die dann kamen, sind wir auf die zugestürzt, haben die Füße geküsst, haben die mit Weihrauch eingenebelt, haben die angebetet als Propheten des Sicherheitsgottes ( ... ) Wir haben sie angebetet, dass sie uns mitnehmen in ihre Heiligtümer, also bitte festnehmen ( ... ) Man steht da mitten auf dem Marktplatz und Hunderte von Leuten lachen sich scheppig über die Polizei ( ... ) und die Polizei hat in dem konkreten Falle auch so reagiert, dass sie ( ... ) in ihre Autos gestürzt sind und abgehauen sind. Atmo: Kaufhaus, Muzak, Durchsagegong - 105 RADIOADBUST Sehr verehrte Kunden! 106 Nutzen Sie heute unsere günstigen Sonderangebote! 107 In der Fleischabteilung finden Sie Antibiotika gesättigte Putenschnitzel, das Kilo für nur 2 Euro 95. Garantiert aus deutscher Massentierhaltung. 108 Besuchen Sie auch unsere Obst- und Gemüseabteilung. Soeben eingetroffen: frisch gespritzte Tomaten aus Griechenland, das Kilo für ein Euro zehn. Besonders zu empfehlen: Paprika aus Italien, das Stück für nur 30 Cent. Da schmecken die Pestizide besonders knackig. Und machen Sie doch mal Pause und gönnen Sie sich ein Kaffee- und Kuchengedeck in unserem Restaurant. Unsere Niedrigverdiener bedienen Sie immer willig und mit einem Lächeln! 4 "Kost-Nix-Läden" 109 Sprecher Zwei a: Die Kostnix-Läden 110 O-TON (20) Elfie Atmo Clowns im Hintergrund In Utrecht we have ( ... ) with the humour of the clowns. 111 Overvoice (W) In Utrecht haben wir mal eine Aktion in der Fußgängerzone gemacht. Wir hatten einen Umsonstladen in dieser Mall, der störte die großen Geschäfte und sollte weg. Wir wollten etwas für den Laden tun, aber auch gegen diese Art von Konsum- Monopol. Also haben wir uns gigantische Einkaufstaschen besorgt, Sachen aus dem Umsonstladen da rein gelegt und sind als Clowns durch die Fußgängerzone gezogen. Wir haben die Sachen an Passanten verschenkt. "He, die Klamotten könnt ihr alle in unserem Laden gratis bekommen. Kommt doch zu uns!" Dann kam die Polizei und führte sich auf wie die Axt im Wald. "Ihr dürft hier nicht demonstrieren, das ist Privateigentum!" Das war natürlich Blödsinn, denn Fußgängerzonen sind öffentlicher Raum. Deshalb demonstrierten wir weiter. Dann haben sie uns festgenommen. Aber die Menschen drum herum, die Passanten, die waren stinkesauer auf die Polizei, auf deren Unfähigkeit, mit unserem Humor umzugehen. 112 Atmo Clowns 113 SPRECHERIN Der direkte, nur durch die Handlung selbst vermittelte Eingriff in den Alltag - Erkennungszeichen aller Aktionen der K-Guerilla. 114 SPRECHER Die Handlungen sollen für sich selbst sprechen, die Obrigkeiten zu Gegenmaßnahmen gereizt werden, die sie der Lächerlichkeit preisgeben, ihre Hilflosigkeit zeigen. 115 SPRECHERIN Dabei geht es ganz gezielt um die Nutzung des öffentlichen Raumes. 116 SPRECHER Um eine Diskussion zu provozieren, beispielsweise darüber, wem ein öffentlicher Platz gehört. 117 SPRECHERIN Einer Sportartikel-Firma vielleicht, die in der Nähe einen großen Laden hat? 118 RADIOADBUST (News-Logo) Wien: Seit gestern trägt der Karlsplatz im ersten Wiener Bezirk den Namen Nike-Platz. In einer Feierstunde unter reger Beteiligung der Anwohner nahm ein hochrangiger Vertreter der für sein soziales Engagement bekannten US- amerikanischen Sportartikelherstellers den Austausch der Straßenschilder vor. Über die aktuelle Produktpalette sowie die Neugestaltung des Platzes mit dem Nike-Logo können sich die Bürger in eigens aufgestellten Containern informieren. 119 O-TON (21) WERNER-LOBO Einen großen öffentlichen Platz im Zentrum von Wien, den Karlsplatz, haben sie gesagt - der wurde jetzt in Nike-Platz umbenannt, sie haben ( ... ) Container aufgebaut, wo sie die Bevölkerung darüber informiert haben, dass dieser Platz wird jetzt viel schöner, weil das ein privates Unternehmen übernommen hat und dieser Karlsplatz, der seit Jahrhunderten Karlsplatz heißt, wird jetzt in Nikeplatz umbenannt. ( ... ) Das war eine Konsumguerillagruppe. Die haben das natürlich nur gefakt. Und das Komische war, wie die Leute drauf reagierten. ATMO: Umfrage zu "NIKEGROUND" - 0100101110101101.org/hom#5E7377 Aussagen: Ziemliches Branding,was hier passiert!- Heftige Ableghung - Denen gehört ja eh schon alles - it`s perfect, perfect. Atmo (01): "Camouflage, Camouflage!? - 5 "Flashmob" 120 SPRECHER Wem gehört die Fußgängerzone? 121 SPRECHERIN Was darf man dort und was nicht? 122 SPRECHER Zum Beispiel in Münster. 123 SPRECHERIN Zwei b: Made in Hell. Flash-Mobbing 124 O-TON (22) Johanna Wir planen jetzt eine Flash-Mob oder Smart-Mob-Aktion, die wir hier im Puma-Store in Münster durchführen wollen, um auf die Arbeitsrechtsverletzungen in den Weltmarktfabriken aufmerksam zu machen ( ... ) Und das ist halt so geplant ( ... ) abgesprochen unabgesprochen in das Puma-Geschäft gehen, uns als Konsumenten ( ... ) geben ( ... ) Und zu einer abgesprochenen Zeit ( ... ) werden wir umfallen und schlafen. ( ... ) Und mit diesem Schlafen wollen wir darauf aufmerksam machen, dass gerade zum Start von Olympia, in den nächsten vier bis sechs Wochen die Arbeiter (..) noch mal mehr im Akkord arbeiten, noch mal mehr Überstunden leisten müssen als sowieso schon. Und eigentlich die grundlegenden Arbeitsrechte permanent und fundamental von so großen Sportartikelherstellern wir Puma, wie Adidas verletzt werden. Atmo (A6): Fußgängerzone; Straßenmusik 125 O-TON (23) Elena Ich pack hier so die Zettel ein, die wir gleich hochhalten werden ( ... ) Da stehen verschiedene Sachen drauf. Also wir haben immer oben groß draufstehen: Made in Hell - hergestellt im rechtsfreien Raum und haben verschiedene Embleme darauf, zum Beispiel: 90 Stunden Woche, kein Arbeitsschutz, kein Mindestlohn. Halt die ganzen Dinge, die uns stören. 126 O-TON (24) Johanna Wir wollen kein Boykott, weil das nützt den Arbeiterinnen in den Ländern des Südens auch nichts, wenn sie gar keinen Arbeitsplatz mehr haben( ... .) Aber wir wollen, dass die Konsumenten aufmerksam gemacht werden, und das sie nachfragen und dass sie schon noch damit drohen ( ... ) ich kauf kein Puma-T-Shirt für 80 Euro, wenn der Lohnanteil unter ein Prozent beträgt und ( ... ) die Gewinnspanne für Puma einfach riesig ist ( ... ) Achtzig Prozent gehen in die Werbe- und Marketing-Kampagnen ( ... ) von dem endgültigen Verkaufspreis eines T-Shirts. Und das rentiert sich halt auch deswegen, weil die ( ... ) Produktionskosten ein Prozent betragen, dann kann schon mal achtzig Prozent in die Werbekosten stecken Atmo: Stadtgeräusche, Glocken (Archiv) 127 O-TON (25) Elena Ansprache an die Gruppe: Und zwar wollen wir alle getrennt gehen oder in Zweiergruppen, wir sind nämlich alle ganz normale Passanten ( ... ) Und wir verabreden gleich am Ende eine Zeit, in der wir alle einschlafen, und wir schlafen genau eine Minute lang, und wir werden uns aufteilen an zwei Enden, zwei Gruppen ( ... ) eine Gruppe wird unten einschlafen und eine Gruppe wird oben einschlafen. Einfach verteilt, auf den Boden, man kann sich irgendwo drüberlegen, sich hinsetzen und einschlafen - da sind eurer Fantasie keine Grenzen gesetzt, wie ihr einschlafen wollt. 128 Trillerpfeife 129 O-TON (26) Puma-Laden "(0´14) Wenn du irgendwas anprobieren möchtest, dann sagste mir Bescheid, dann such ich dir die passende Größe - (bei 1`34) Sollen wir uns auch hinlegen? - (bei 1`48) Hätt man ja wenigstens vorher um Erlaubnis fragen können - (ab 1`50) Was ist das? - Fragen wir uns auch gerade - Paparazzis, he? (bei 1`59 ) - Na ja, Kunst ist halt undefinierbar, ne?" - Trillerpfeife - (bei 2`08) Ich bin nur etwas verwirrt jetzt - Ich auch. Machen Sie ruhig weiter - ( 2`20 )Was ist denn nun los? - (2`23 Trillerpfeife, noch mal leiser) - (3`01)" Die haben hier so eine Aktion gemacht, das ist so ... . - Ja, das ist gegen Ausbeutung, ja." (3`12) Atmo (A6): Geigenmusik aus der Fußgängerzone geht über in A7 Konsum-Rufe - 130 SPRECHER Die Guerilla sticht und verschwindet wieder. 131 SPRECHERIN Für jeden sichtbar. 132 SPRECHER Deutliche Imagekratzer kriegt auch ein Konzern, der noch nicht mal zu den schlimmsten gehört - im internationalen Vergleich gesehen. 133 SPRECHERIN Laut Klaus Werner-Lobo werden beispielsweise die Turnschuhe der Firma Adidas in Indonesien und China für circa vierzig Cent pro Paar genäht. 134 SPRECHER Um dann in Deutschland für hundert Euro über den Tisch zu gehen. 135 SPRECHERIN Einen großen Teil dieses Profits schluckt die Werbung, die längst nicht mehr nur Werbung in Anzeigen und auf Plakatwänden ist. 136 SPRECHER Viel eher Lifestyle-Creation, umfassendes Management, das kein Produkt verkauft, sondern eine Lebenseinstellung: 137 Image-Werbung Nike, Teil 2 6 "Adbusting Stufe 1" Atmo (A7): Konsumtempelanbetung (3 Varianten, die dritte skandierend: Konsum für alle und zwar sofort ... Geiz ist geil ... betet den Gott Konsum an) 138 SPRECHER Drittens: Adbusting 139 SPRECHERIN Entstanden aus den englischen Wörtern advertisement - Werbung. 140 SPRECHER Und busting - etwas auffliegen lassen. 141 O-TON (27) Amann Also Konzerne beispielsweise haben ein ganz wichtiges Interesse daran ( ... ) ein gutes Image abzugeben und legen viel Wert drauf dieses Image zu pflegen. Von daher ist es für Aktionen wie Adbusting, also die Veränderung von Werbung, so interessant, diese Bilder, die Konzerne von sich in der Öffentlichkeit präsentieren, anzugreifen, umzugestalten. Da eben Informationen rein zu packen, die diese Werbung umdreht. Musik 142 PRANKCALL Wir sind gut bis zum letzten Tropfen. Exxon Oil 143 RADIOADBUST Besuchen Sie unsere Strände: 2500 Kilometer und vollkommen zubetoniert. Türkei - zu Gast bei Planierraupen 144 PRANKCALL Babys bringt der Klapperstorch. Und Atomkraft ist sicher. Vattenfall. Von Verblödung. 145 RADIOADBUST Klimaerwärmung direkt - draußen heizen mit Erdgas. 146 PRANKCALL Verbrauch 22 Liter. Der neue Porsche Cayenne. Monströs, aggressiv, dämlich. 147 RADIOADBUST Im Angebot: die letzten Fische der Nordsee. Ihre Metro-Group. 148 O-TON (28) Bergstedt Adbusting ist für mich ein Teil des Eingreifens in den öffentlichen Raum, und zwar bezieht sich das vom Begriff Adbusting ja auf alles, was so an Werbeflächen da ist, für alles Mögliche, also grad egal, ob da ein Produkt angepriesen wird oder ob dort eine Partei Werbung macht oder in welcher Form auch immer ( ... ) das hat sehr viel mit dem Alltag der Leute zu tun. 149 SPRECHERIN Die Adbuster-Szene ist eine der facettenreichsten Gruppierungen innerhalb der K-Guerilla. 150 SPRECHER Ihre Arbeitsweise reicht von illegal bis legal. 151 SPRECHERIN Komplett verweigernd - oder selbstironisch. 152 O-TON (30) König Beim Camp Kleister war die Grundidee ( ... ) Urlaub für die Augen, und dass man da für eine bestimmte Zeit lang jede Werbetafel frei schaltet und die dann der Öffentlichkeit gehört, die sie sowieso über jeden Joghurtkauf, über jeden Kleidungskauf bezahlt. Die Werbetafeln werden ja über die Einnahmen von Produkten, die jeder Mensch kauft, bezahlt. Also das diese Tafeln dann auch der allgemeinen kulturellen Äußerung offen stehen . 153 SPRECHER Stefan König, Mitbesitzer einer Grafikagentur in Berlin- Friedrichshain. 154 SPRECHERIN Organisierte die Initiative "Camp Kleister". 155 O-TON KÖNIG Und haben wir also gemacht, indem wir um die fünfzig bis siebzig Werbetafeln hier in Friedrichhain freigekauft hatten und dann die Leute dran malen konnten für umsonst. 156 PRANKCALL Liebe Erna! Ick liebe dir seit fuffzich Jahren, du bist der Hammer. Dein Otto Atmo Fußgängerzone 157 O-TON (31) König Es geht einfach darum, dass man mal guckt, wie wirken sich bestimmte Sachen auf Menschen, auf ein Stadtbild aus und auch auf's Leben. Und das wir zum Beispiel festgestellt haben, dass ein Punkt von Werbung ist, der unserer Meinung nach kritischste, dass die ganze Zeit so ein Zustand von Unzufriedenheit erzeugt wird. Wenn man sagt, hier gibt's was, was du noch bekommen kannst ( ... ) und wenn du das noch nicht hast, dann kannste ja noch nicht zufrieden sein ( ... ) Und da wollten wir einfach mal einen Bruch machen und kucken was passiert, wenn man so eine Werbung einfach austauscht. 158 O-TON (32) Stefan Ich find eins der schönsten Beispiele ( ... ) sind so eine Zettel, wo man unten eine Telefonnummer abreißen kann und dann eine neue Wohnung gesucht wird, en Kinderwagen verkauft wird oder ähnlichet. Und eine Künstlerin, La Rüsch, hat ein riesengroßes Werbeplakat gestaltet auf dem riesengroß stand: Ich bin so schlecht im Bett, das musst du erlebt haben. Und untendrunter konnte man von riesigen Fetzen ( ... ) Emailadressen abreißen und La Rüsch dann mal kennen lernen. Potentiell. 159 SPRECHER Camp Kleister richtet sich nicht gegen die Werbung als Medium. 160 SPRECHERIN Schließlich sind die Akteure zum größten Teil selbst Werbegrafiker. 161 SPRECHER Was Stefan König und andere betreiben, ist freiwillige Selbstkontrolle. 162 SPRECHERIN Hygienische und selbstironische Maßnahmen, um sich nicht völlig im Marketing zu verlieren. 163 O-TON (33) Stefan Die andere Sache war ein Projekt von mir persönlich ( ... ) und dann gab's halt riesengroße Soldaten, die über ihre Pistolen geweint haben und gesagt haben, dass sie den Preiskampf wohl niemals gewinnen können. Oder ein anderer Soldat, der seine Freunde anspornte, dass das Einkaufszentrum wohl besser noch ein bisschen zu halten sei, bis der nächste sich irgendwie zehn Schnäppchen weiter durchschlagen kann. Oder eine Frau, die vom Arzt betreut wurde und liebevoll angekuckt wurde und der Arzt der Frau gratuliert, dass Frau Schmöller jetzt den Preissturz überlebt hat ( ... ) Das man diese Konsumwelt einfach mal hinterfragt und für sich selber hinterfragt, was macht man irgendwie. Das Problem ist nicht, dass man Turnschuhe trägt (..) sondern wie man mit ( ... ) dieser ( ... ) Marketingwelt umgeht unserer Meinung nach. Musik (5): Peter Licht: Aber alles was du siehst gehört dir. 7 "Adbusting Stufe 2" 164 Sprecher Adbusting: Stufe 2 165 SPRECHERIN Für verschärfte Varianten des Adbusting, vor allem für die Veränderung von Werbebotschaften, braucht es eine Rechtsberatung. 166 SPRECHER Straftatbestände könnten sein: Sachbeschädigung, Urheberrechtsverletzung, Land- oder Hausfriedensbruch. 167 O-TON (34) Schildt Es hat Millionenklagen gegeben von verschiedenen großen Firmen der Chemieindustrie, von der Autoindustrie, die sind alle abgewettert worden mit dem Hinweis, dass wir mit dieser Rubrik, die wir Fake nennen, also eine verfremdete Anzeige, dass wir unter dem Satire-Paragraphen laufen, das heißt, Satire ist erlaubt. 168 SPRECHERIN Jochen Schildt, Chefredakteur des im Hamburger Hafen angesiedelten Greenpeace-Magazins, in dem jeden Monat verfremdete Werbeanzeigen erscheinen. 169 O-TON (35a) Schildt Wir nehmen die Vorlagen aus den großen Magazinen in Deutschland, nehmen wir mal an, der Spiegel oder der Stern (..) wir kucken uns das an, legen die uns auf den Scanner und ( ... ) verfälschen dann Buchstaben oder Botschaften dieser Anzeigen und drucken sie dann - die sehen aus wie echte Anzeigen, natürlich, das ist der Witz. 170 RADIOADBUST Mit Burgerking. Mit Sicherheit. Zum Übergewicht. 171 O-TON (35b) Schildt Da wirbt zum Beispiel hier der Moderator Johannes B. Kerner ( ... ) Fliegen ist cool, für Air Berlin. Und wir ( ... ) zeigen den Herrn Kerner und schreiben: Ich bin ein Klimakiller, denn ich fliege mit Air Berlin. Das ist auch eine schöne Sache, dass wir einfach Herrn Kerner mal darauf hinweisen, dass das Fliegen mit Air Berlin nicht nur Vorteile hat, sondern im Wesentlichen nur Nachteile, weil nämlich das Klima nachhaltig geschädigt wird durch Fliegen, gerade auch wenn man kurze Strecken fliegt ( ... ). 172 PRANKCALL Globale Erwärmung drei Grad Celsius - Ford - Feel the difference 173 RADIOADBUST Hüllen Sie Ihre Lippen in Chemie - mit Lippenstift von Yves Saint-Laurent 174 PRANKCALL Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr auf meine Ernährung zu achten -McDonalds. 175 RADIOADBUST Wir können alles außer AKWs betreiben. Ihr Land Baden- Württemberg. 176 O-TON (36) Schildt Diese Verfremdung ( ... ) hat sogar dazu geführt, dass das im baden-württembergischen Landtag behandelt wurde, dieser Fake. Erwin Teufel, der damalige Ministerpräsident ( ... ) wollte uns verklagen, hat uns auch verklagt, wir haben wieder gewonnen. 177 O-TON (37) Schildt Also juristisch müssen Sie insofern aufpassen, weil Sie, wenn Sie das tun, sofort unter eine gewisse strafrechtliche Verfolgung der Firmen geraten. Sie müssen unbedingt darauf aufmerksam machen in einer großen Schrift, die wir hier auch immer neben jeden Fake setzen ( ... ) "keine Anzeige" - das ist schon mal unerlässlich ( ... ) Und man muss hier nicht mit beleidigenden Sachen arbeiten ( ... ) alle Fakes werden von uns natürlich von unserem Rechtsanwaltsbüro genau geprüft und abgeklopft, das ist ganz klar, man muss etwas vorsichtig sein. 178 SPRECHERIN Eine andere Methode: die Veränderung so gestalten, dass sie alle für bare Münze nehmen, für einen besonders gut gelungenen Werbegag. 179 auf Musik 180 PRANKCALL "Wir freuen uns auf Ihre nächsten Entlassungen und unsere Gehaltserhöhungen" - 181 SPRECHERIN So zu lesen auf einer dreißig Quadratmeter großen Werbetafel mit dem Konterfei des Vorstands einer großen deutschen Bank. 182 SPRECHER Urheber des Plakats unbekannt. 183 SPRECHERIN Und noch ein Trick: Täuschung durch offizielles Vorgehen, die bereits bestehenden Kanäle nutzen. 184 O-TON (38) Bergstedt Wenn ich irgendwas im Bereich Anti-Sexismus mache ( ... ) gehe in den Zeitschriftenhandel und nehme mir die ganzen sexistischen Zeitungen dort und lege dort schön auf dem Layout dieser Zeitung eine Erklärung einer Minderheit in der Redaktion rein, also was so richtig echt wirkt auf dem Briefkopf, die sich von dieser Zeitung distanziert ( ... ) Das arbeitet mit bestimmten Codes, ganz gezielt, erreicht aber die Leute genau deshalb, weil es so ungewöhnlich ist, dass die Redaktion selber sich da beharkt. ATMO (A1): Camouflage-Ruf 185 O-TON (39) Schildt Es ist ja ( ... ) so, dass in der Regel Anzeigen auch von seriösen Firmen ja strotzen von Fehlern, von Behauptungen, die so gar nicht zutreffen. Also Lebensmittel sind fabelhaft, tun der Gesundheit gut - tun sie eben nicht in der Regel, also zumindest nicht Industrieprodukte. Autos sind fabelhaft klimaschonend - stimmt nicht, Autos schaden dem Klima, aber ich sehe immer riesige Limousinen oder Jeeps, die an irgendwelchen murmelnden Flüssen parken und die Kinder sind fröhlich und alles ist eins, alles ist Natur. 186 auf Musik 187 RADIOADBUST Klimaschutz einfach gemacht: CO 2 - Ziel verfehlt und trotzdem prahlen! 188 PRANKCALL Pro Neuwagen wollten wir ja laut Selbstverpflichtung weniger CO 2 ausstoßen. Aber dieses Ziel haben wir grandios verfehlt. 189 RADIOADBUST Die genauen Zahlen sind zwar geheim, aber für 2006 trotzdem irgendwie durchgesickert. 190 PRANKCALL Unser Scheitern - Ihre deutsche Automobilindustrie 191 O-TON (40) Schildt Hier sehen wir ( ... ) die Anzeige der Zigarettenfirma West und wir machen aus dem W bei West, machen wir ein P wie Pest. ( ... ) Da sind drei lachende, fröhliche, vor Gesundheit strotzende Jugendliche, die sich nun gegenseitig eine Zigarette zureichen. Die Botschaft ist klar, seid jung und fröhlich und wenn ihr raucht seid ihr glücklich. 8 "Adbusting Stufe 3" 192 SPRECHER Nächste Stufe des Adbusting: direkter Angriff auf die Ausstellungsflächen, insbesondere die stromfressenden Leuchtkästen. 193 SPRECHERIN Juristische Einschätzung: halblegal, im wahrsten Sinne des Wortes Verhandlungssache. 194 SPRECHER Zwei Frauen in Hamburg: 195 SPRECHERIN Adbusting, verschärft. 196 O-TON (41) Hanna "Mariella" Es gibt Aktionen die ich mache, weil ich damit Aufmerksamkeit erregen möchte (..) und dann freut es mich, wenn es irgendwo in der Zeitung steht. Wenn ich einen Aufkleber auf irgendein Plakat klebe, dann erhoffe ich mir (..) das es Leute sehen und das es vielleicht so ein bisschen im Stadtbild präsent wird und die Leute untereinander darüber reden. 197 SPRECHERIN Mariella. Verurteilt zu fünfzehn Tagessätzen wegen Anbringens eines knapp zwanzig Quadratzentimeter großen Aufklebers gegen Kohlekraftwerke. 198 SPRECHER Auf einem drei mal vier Meter großen Wahlplakat. 199 O-TON (42) CECILE "Desiree" Das Ziel, das ich erreichen will, ist nicht verborgen. Zum Beispiel, wenn ich ein Werbeplakat verändere, werd ich mich vielleicht nicht gleich erwischen lassen, weil dann kann ich das halt nicht mehr machen. Aber mein Ziel ist schon, dass man das Ergebnis davon sieht. 200 SPRECHERIN Desiree. Ein schwebendes Strafverfahren wegen erfolgreicher Blockade eines Atommüll-Zuges. 201 O-TON (43) "Desiree" Ich hinterlasse manchmal die Anleitung, wie man die Werbeanlage öffnet, damit Leute das nachmachen können. Ich krieg nicht immer alle auf ( ... ) und da gibt's im Internet ganz viele Anleitungen, was für ein Werkzeug man da braucht. Atmo (A8):Öffnen eines Leuchtkastens, Passanten in der Fußgängerzone, Stimmengewirr 202 O-TON (45) "Desiree" "Und hier kann man das rausnehmen, so! ( ... ) Gib den Stift. Da muss man eine Nachricht hinterlassen ( ... ) "Werbung -nein danke" ( ... ) Und dann ist es mit flüssiger Kreide, das heißt es geht auch relativ schnell wieder weg ( ... ) Hier schreib ich:" Männliche Stimme: "Atomkraftgegner überwintern im Dunkeln mit kaltem Hintern." Telefon: Radioumfrage 3: Welches Werbemittel finden Sie am schlimmsten? Wenn man mich anschreit 9 "Culture Jamming" Musik: Peter Licht (0:40) "Okay, Vormittag, das Marketing beginnt. Erst mal ausziehen, damit man Haut sieht. Ein pflegeleichtes Gefühl entwickeln, eine günstige Option verfolgen, einen Untergang planen, noch etwas Schulden machen." 203 SPRECHER Selbstironie, Verfremdung, gefakte redaktionelle Mitteilungen und schließlich völlige Ablehnung - 204 SPRECHERIN - die Gegner der Konsum- und Werbekultur sind ebenso fantasievoll wie die Werbestrategen. 205 SPRECHER Es ist wie bei allen Rebellen: die Waffen des Gegners werden die eigenen. 206 SPRECHERIN Den meisten Konsumkritikern geht es nicht darum, das politische oder ökonomische System zu stürzen. 207 SPRECHER Im Gegenteil, sie nehmen die Möglichkeiten einer Demokratie wahr. 208 SPRECHERIN Und die Glaubensbekenntnisse unserer Wirtschaftsweisen beim Wort. Atmo (A7c): Konsumtempelanbetung "Konsum für alle, und zwar sofort! Konsum für alle, und zwar sofort!" 209 SPRECHER Viertens: Culture Jamming 210 O-TON (46) Martin Wir haben das Konsumtempelanbetung betitelt, um halt so eine Relation zwischen Religion und Konsum herzustellen und eben zu zeigen, dass das Einkaufen heutzutage vielen Leuten ebenso wichtig ist, wie es vor einigen Jahren vielleicht die Kirche war ( ... ) Dann sind wir halt durch die Stadt gegangen und immer, wenn wir einen Laden gesehen haben, bei dem wir gerade Lust hatten anzuhalten, dann sind wir auf die Knie gefallen und haben diesen Laden angebetet. Und dann irgendwas zugerufen, was uns so spontan eingefallen ist - wie toll das ist und dann haben wir irgendwann zwischendurch mal angefangen, gemeinsam diese Konsumgebete zu sprechen. Atmo (A7): Konsumtempelanbetung "Geiz ist geil, ja, Saturn! Konsum, Konsum! Mehr! Mehr!" ATMO: Herzblatt-Kaufhausdurchsage - 211 O-TON (47) Kimberley und Martin Der Katalog ist mein Hirte, er zeiget mir die Angebote ( ... ) Er erquicket meine Kauflust und führet mich auf bunten Seiten um seiner Marken willen. Und ob ich schon wanderte mit keinem Geld, fürchte ich keinen Kauf, denn du bist bei mir. Deine Kundenkarten und Coupons trösten mich, du bereitest vor mir einen Grabbeltisch im Angesicht meiner Schulden ( ... ) Werbung und Konsum werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben in der Europapassage immerdar. Amen. 212 SPRECHER Kimberley und Martin, Anfang zwanzig, von der Hamburger Bundjugend. 213 O-TON (48) Kimberley Der Sinn der Aktion war ( ... ) Konsumenten dazu zu bringen, etwas mehr nachzudenken darüber, wie sie konsumieren und wie oft und was sie dann auch kaufen. Die Herkunft der Sachen ist oft fragwürdig, weil sich die Globalisierung so weit entwickelt hat, dass man gar nicht mehr durchsteigt: wo kommen die Sachen überhaupt her, unter welchen Bedingungen sind sie gefertigt und was passiert danach damit. Atmo (A7): Konsumtempelanbetung ab hier weiter 214 O-TON (49) Kimberley Und über sowas machen sich Menschen viel zu wenig Gedanken, und es wird einfach blind gekauft, Geiz ist geil, alles ist billig. Ja, und darauf wollten wir Leute bringen und sie vielleicht dazu anregen, sich vielleicht eine etwas sinnvollere Beschäftigung zu suchen als das Einkaufen. Atmo (A7): Konsumtempelanbetung "Konsum für alle und zwar sofort, Konsum für alle, und zwar sofort!" Atmo: Herzblatt-Kaufhausdurchsage - 215 O-TON (50) Kimberley Bei Saturn ist auch jemand rausgekommen ( ... ) Wir hatten uns halt unter dieses Vordach ( ... ) gekniet und wir haben sehr viel Beifall bekommen von den potentiellen Saturn- Kunden ( ... ) Eine Person des Personals ( ... ) kam raus und war nicht sehr belustigt, das wir da knieten und meinte dann gleich, wir rufen gleich die Polizei, würden Sie jetzt bitte woanders hingehen, und dann haben wir uns ein paar Meter nach hinten gesetzt, wo ganz klar der öffentliche Fußweg war ( ... ) Vor der Europa-Passage waren Passanten, die uns gefragt haben, ob wir das ernst meinen, dass wir die Konsumtempel anbeten, dass wir diesen Konsum vergöttern. Atmo (A7): Konsumtempelanbetung "Konsum für alle!" Atmo: Sakral-Musik, Donnergrollen - 10 "Re-Branding" 216 SPRECHER Nicht jeder kann am Konsum teilnehmen. 217 SPRECHERIN Noch lange nicht jeder will daran teilnehmen. 218 SPRECHER Und dass jemand eine Firma gründet, muss nicht bedeuten, dass er mittels Ellbogeneinsatz und Übers-Ohr-Hauen reich werden will. 219 SPRECHERIN Er kann damit auch einen Gemeinschaftsgedanken verbinden, eine Form neuer Ökonomie, die nicht auf Gewinnmaximierung zielt. 220 SPRECHER Fünftens und letztens: Die enttäuschten Konsumenten helfen sich selbst 221 O-TON (51) Lübbermann Premium-Cola ist quasi aus Versehen entstanden, wir waren früher eigentlich nur eine Fangemeinde enttäuschter Kunden von Afri-Cola. 222 SPRECHER Uwe Lübbermann. Einst überzeugter Trinker einheimischer brauner Brause. Heute Mitbesitzer einer Getränkefirma. 223 O-TON (52) Lübbermann Afri-Cola hat nämlich Ende 1999 die Rezeptur verändert und zwar heimlich, was wir unglaublich frech fanden. Und daraus ist eine Protestgruppe entstanden, die zwei Jahre lang für die Rücknahme der Änderungen gekämpft hat ( ... ) Aus heutiger Sicht würde ich sagen es ging gar nicht so sehr um den Inhalt, sondern es ging um den Akt, dass man als Konsument einfach belogen wurde, dass die Änderung nicht kommuniziert wurde. Und das war für uns auf jeden Fall Grund genug, sich erstens zwei Jahre aufzuregen, und dann, als wir die Chance hatten durch Zufall, eine eigene Produktion zu starten. Atmo: Flaschengeschepper im Kasten oder bei der Abfüllung (Archiv) 224 O-TON (53) Lübbermann Die ganze Aktion hat im Prinzip damit begonnen, dass wir die Adresse des Afri-Cola Herstellers vom Deckel abgelesen haben und dahin gefahren sind, die saß damals noch in Köln, die Afri-Cola-GmbH. Und da haben wir uns große Wasserpistolen besorgt, da wir auch Eindruck schinden und haben den ehemaligen Inhaber der Marke, Alexander Flach, da vor Ort interviewt damit er uns mal erklärt, was er da heimlich mit dem Inhalt veranstaltet hat 225 SPRECHERIN Die Firma Premium-Cola entstand nicht nur aus Enttäuschung über eine veränderte Rezeptur. 226 SPRECHER Das Unternehmenskonzept sah von Anfang an fairen Umgang mit allen Beteiligten vor - 227 SPRECHERIN - inklusive der Kunden. 228 O-TON (54) Lübbermann Das ist auch ein zentraler Ansatz bei Premium- Cola, dass wir nicht nur kritisieren wollen, was Unternehmen aus unserer Sicht falsch machen, sondern wir wollen auch den Beweis antreten, dass es besser geht ( ... ) Premium-Cola wird im Prinzip von einem Kollektiv betrieben ( ... ) Im Moment besteht das Kollektiv aus 167 Beteiligten, die sind verteilt über 55 Städte und drei Länder ( ... ) Man könnte sagen, dass es einen harten Kern gibt ( ... ) das sind vielleicht so zwanzig Leute, die sich regelmäßig äußern. Wir formulieren das herzhaft immer so, dass wir eine Art Aufsichtsrat haben, der aus allen Beteiligten besteht. 229 SPRECHERIN Re-Branding - eine Bezeichnung, die nicht von Uwe Lübbermann oder anderen Miteigentümern der Firma stammt, sondern von den Wortschöpfern der Kommunikationsguerilla. 230 SPRECHER Sie beschreibt die Wiederbelebung eines aufgegebenen Labels. 231 SPRECHERIN Und meint die völlige Umgestaltung des herkömmlichen Modells von Besitzer, Konsument und Gewinnerwirtschaftung. 232 SPRECHER Werbung wird abgelehnt. 233 SPRECHERIN Kommunikation erfolgt möglichst auf direktem Weg. 234 O-TON (55) Lübbermann Wir arbeiten in manchen Teilen schon ähnlich wie normale Marken, weil auch wir Botschaften haben und auch wir Dinge transportieren wollen, wir wollen es nur so tun, dass wir damit niemanden auf den Wecker gehen. Und das wir treuhänderisch das Geld der Kunden nicht für Werbung verschleudern - das ist ein wesentlicher Ansatz. 235 SPRECHER Bei Einstellungen werden Personen bevorzugt, die auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben. 236 O-TON (56) Lübbermann Wir haben im Prinzip die Vorstellung, das Premium Cola auf keinem Weg in irgendeiner Weise unfaire oder unkorrekte Leute unterstützt. Also ich möchte nicht, dass jemand, der Geldspielautomaten aufstellt, in dem Bewusstsein, damit an Spielsüchtigen zu verdienen, dass der an Premium Cola was verdient, der soll das gar nicht haben. Umgekehrt habe ich eher den Wunsch oder die Vision, dass man am Vorhandensein von Premium in einem Laden sieht, dass da die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind zum Beispiel - das wäre meine Vision. Musik (9): Sakralsound 237 O-TON (57) Kim und Martin Das kritiklose Konsumbekenntnis. Ich glaube an Angebote, die vielen, die allmächtigen, Schöpfer unnötiger Luxusbedürfnisse. Und an den Konsum, ihre erzielte Folge, unseren Gebieter, verbreitet durch Werbung, gefördert von Versprechungen, gelitten unter persönlicher Vernunft, hinterfragt, kritisiert und verdammt. Abgelöst durch gezielte Käufe, ersetzt durch Lebensfreude und Kreativität, durch Imagekampagnen rückgängig gemacht, zum Lebensinhalt erklärt, zusammen mit den Angeboten, den allmächtigen vielen, wird er kommen zu füllen das Dasein der Konsumenten und Konsumentinnen. Ich glaube an die fantastische Werbung, die zahlreichen billigen Discounter, Netz der Konzerne, Herabsenkung der Preise, Ökonomisierung der Freude und das sorglose Leben in Ewigkeit. Amen. 238 Musik weg 239 Collage Left, left, left. ... Es muss etwas passieren, was die Leute in der Substanz angeht, dass die fragen, warum ist das überhaupt so - Was neu ist, dass vor allem jüngere Aktivistinnen und Aktivisten sagen, Widerstand darf auch Spaß machen - Ich glaube, dass wir sehr viel Spaß brauchen, um die Welt zu verbessern. Und dass gefällt mir bei der Kommunikationsguerilla - Wir wollen, dass die Leute aufmerksam werden, dass sie nachfragen - Dass man diese Konsumwelt mal hinterfragt, sich selbst fragt, was macht man. 240 (51) Premium-Cola ist quasi aus Versehen entstanden (02) Größtenteils begreif ich mich als Sammler von Aktionsgeschichten (04) Konzerne ihr auf Erden, geheiligt werden eure Produkte, euer Reichtum komme, euer Wille geschehe (08) And the clowns will have the logos of the oil industry (15) Wir kaufen mittlerweile ( ... ) nicht mehr nur Produkte, die wir brauchen, sondern wir kaufen Images (22) Wir planen jetzt eine Flash-Mob oder Smart-Mob- Aktion, die wir hier im Puma-Store in Münster durchführen wollen. (Atmo 03) 241 ABSAGE "Mensch, willst du ewig kaufen? 242 - Kommunikationsguerilla gegen Konsumkultur" 243 Sie hörten ein Feature von Michael Reitz 244 Es sprachen: Isis Krüger, Frauke Poolmann, Maja Schöne, Martin Bross und Markus Scheumann Ton und Technik: Karl-Heinz Stevens und Andreas Raeder 245 Regie: Leonhard Koppelmann 246 Redaktion: Ulrike Bajohr 247 ABSAGE Eine Produktion des Deutschlandfunks 2008 ATMO: Werbestinger - 248 RADIOADBUST Diese Sendung wurde ihnen präsentiert mit freundlicher Unterstützung der GEZ. ATMO: Werbejingle der GEZ "Sei fair meld dich an. GEZ. Schon gezahlt? Kommunikationsguerilla 36